[304] Aus: Neue Göttliche Liebes-Funcken und Ausbrechende Liebes-Flammen

[o.O.u.J.]

104.
Durchbruch zum sieg.

Im thon: Preiß, lob, ehr, ruhm in ewigkeit.

1.
Dein erbe Herr, liegt vor dir hier,
Und will im blut des lammes werden
Ein opffer, das geheiligt dir
Erkaufft sey von der last der erden.
Hastu uns nicht von feindes-hand erlöst?
Wie kommts, daß uns nicht diese hülffe tröst?
2.
Wir waren wie verirrte schaaf,
Die tod und höll in sich verschlungen:
Des feindes pfeil die hertzen traff,
Der schlangen gifft hatt uns durchdrungen.
Der drache tobt und herrschte in dem sinn,
Durch Lucifer in stoltz zu reissen hin.
3.
Mit diesen feinden hatte sich
Das thier in uns zum sieg vereinet,
[305]
Die hölle hatt uns dürstiglich
Zu halten immerdar vermeinet;
Da lagen wir, erkanten uns selbst nicht,
Noch die gefahr, verdüstert, ohne licht.
4.
Nun offenbahr dich, Jesu bald
In uns, des Vaters werck zu enden,
Daß du in armer knechts-gestalt
Des feindes kercker mögest wenden.
Bestraff, zertritt, zerknirsch und treib ihn aus,
Befreye gantz von ihm dein tempelhauß.
5.
Ach, Herr des lebens, äussre dich
Mit voller stärcke in den deinen,
Die tag und nacht schreyn ängstiglich
Biß du als retter wirst erscheinen.
Wir halten an, biß daß dein jawort kömmt,
Den gantzen sieg und durchbruch uns bestimmt.
6.
Schau, wie soviel die schlang anläufft
Mit ihren trüglich-glatten worten:
Wie offt sich die bestürmung häufft,
Und manches schon ist mächtig worden.
Laß dein gericht nun über sie fortgehn,
Daß sie sich gantz muß außgestossen sehn.
7.
O! daß wir unser leben nicht
Lieb hätten auch biß in das sterben!
O daß der kampff schon wär verricht
Im blut des lamms von seinen erben!
Du Hertzog führ doch aus den schweren krieg,
Wir glauben, daß in dir nichts ist, als sieg.
8.
Nun müsse heyl, und macht und krafft
Dir, Gott und deinem Christus werden,
[306]
Der den aus deinen himmeln schafft,
So uns und deiner weyde heerden
Verklagt vor dir! Herr! räche deine freund,
Die dir den ruhm zu geben sind gemeint.
9.
Halt uns in enge; biß uns mag
Die Tauff im Geist und feur durchziehen:
Der blut'ge kampff das leben wag,
Gantz aus der eigenheit zu fliehen;
Zu stehn vor dir entblößt, rein, arm und frey,
Daß nichts dem feind da zu betasten sey.
10.
So gehn wir durch die enge thür,
Die du vor uns wollst offen geben,
Zu dringen mit gewalt zu dir,
Genießend das erlösungs-leben,
So uns bey Gott ins heiligthumes statt
Melchisedech im blut erfunden hat.
11.
Ja! Amen! Jesu, treuer zeug,
Wer dürst, der glaubt; wer glaubt, der nimmet;
Wer nimmt, der hat das freuden-reich,
Weil die geschmückte lampe glimmet:
So geht man in eins bräutgams hochzeit-haus
Da ist die lieb, die theilt nur liebe aus.
12.
Noch eins, Herr, bitten wir von dir,
Daß wenn der sieg ist außgebohren,
Der arg uns doch nicht mehr berühr,
Und ewig hab sein recht verlohren.
Nach solchem sieg soll dein volck williglich
Im heil'gen schmuck dir opffern ewiglich!
Amen!

[307] 106.
Aufsteigende Liebes-flammen.

Von oben her entzündt.

Den ursprung wieder findt.


Läutre meine liebes-flammen,
Die noch sehr vermischet sind:
Trag ihr mehr ins hertz zusammen,
Weil ich sie so schwach befind:
Schönster, sey mein starcker mann,
Der mich recht versorgen kan.
Ziehe mich gewaltig wieder
Zu dem reinen ursprung hin;
Laß mich auch nicht sincken nieder
Wenn du auffziehst meinen sinn.
Leichter was an mir ist schwer,
Stärck die liebe täglich mehr,
Biß ich bey der höchsten gab
Stärckung nicht mehr nöthig hab.

120.
Bitt-Lied um die vollendung.

Nach dem lied: Eins ist noth, ach Herr, etc.


Hertzog unsrer seligkeiten, zeuch uns in dein heiligthum, Da du uns die städt bereiten Und hier im triumph herum Als deine erkauffte sieg-prächtig wilst führen: Laß unsere bitte dein hertze itzt rühren! Wir wollen dem Vater zum opffer da stehn Und in der gemeinschafft der leiden hingehn.


2.

Er hat uns zu dir gezogen, Und du wieder zu ihm hin: Liebe hat uns überwogen, Daß an dir hangt muth und sinn. Nun wollen wir gerne mit dir auch absterben dem gäntzen natürlichen seelenverderben. Ach pflantze und setz uns zum tode hinzu, Sonst finden wird ewig kein leben und ruh.


[308] 3.

Aber hier erdenckt die schlange Soviel ausflucht überall; Bald macht sie dem willen bange, Bald bringt sie die lust zu fall. Es bleibet das leben am kleinsten offt kleben, Und will sich nicht völlig zum sterben hingeben. Es schützet die besten Absichten noch vor, Und bauet so höhen und vestung empor.


4.

Drum, o schlangen-tretter, eile, Führ des todes urtheil aus, Brich entzwey des mörders pfeile, Wirff den drachen gantz hinaus, Ach! laß sich dein neues erstandenes leben, In unser verblichenes bildnis eingeben. Er zeig dich verkläret und herrlich noch hier, Und bringe dein neues geschöpffe herfür.


5.

Stärcke deinen zarten saamen Der dein männlich alter schafft Daß wir hier in Jesus namen, Stehn vor Gott im jünglings-krafft, Den bösewicht völlig in dir zu besiegen Daß endlich die feinde zun füssen da liegen: So soll aus dem tode das leben entstehn, Und hier noch in völliger mannheit auffgehn.


7.

Lebe dann und lieb und labe In der neuen creatur, Lebens-fürst, durch deine gabe Die erstattete natur. Erwecke dein Paradies wieder im grunde Der seelen, und bringe noch näher die stunde, Da du dich in allen den gliedern verklärst, Sie hier noch des ewigen lebens gewährst.

8.

Gönne uns noch frist auff erden, Zeugen deiner krafft zu seyn, Deinem bilde gleich zu werden, In dem tod zu nehmen ein Des lebens vollkommene freyheit und rechte, Als eines vollendeten Heylands geschlechte. Der unglaub mag dencken, wir bitten zu viel, So thust du noch über der bitten ihr ziel.

[309] 122.
Bericht von einer nacht-begebenheit.

Woher kommt mir das, daß die mutter meines Herrn zu mir kommt?

Die trübe nacht hatt' all's mit dunckelheit bezogen,
Und mein gemüthe hatt' betrübnis, hoffnung, lieb,
Verlangen, sorg und furcht, zu diesem wunsch bewogen:
Daß Jesus doch in mir gewurtzelt ewig blieb.
Da trat im augenblick vor meines Geistes augen,
Die Weißheit, Gottes braut, nicht zwar in hohem glantz,
(Den sie sonst offtermal bey menschen pflegt zu brauchen)
Doch größer als ein mensch, von schönheit funcklend gantz,
Ehrwürdig anzusehn, liebreitzend, hold und munter,
So daß die lieb und freud mit ehrerbietung sich
Bey mir vermengt befand. Doch war bey diesem wunder
Die liebe nicht so groß, daß ich sie brünstiglich
Umfaßt hätt und geküßt. Mein elend, das mich beugte,
Und ihre Majestät die machten mich so scheu,
Daß ich mich tieff zur erd vor ihren füssen neigte,
Im zweiffel, ob ein mensch zu reden würdig sey
Mit unbeschnittnem mund. Nur dieses kont ich sagen:
O fürstin, wer du bist, sey gnädig diesem staub,
Der dir vor augen liegt. Was hat dich her getragen?
Wer ist, der meine klag vor dir zu thun erlaub?
Zur antwort ward mir nichts, als dieses: sey zu frieden?
Und damit neigte sie sich süßiglich zu mir,
Legt ihren lincken arm an meiner rechten nieder,
Und druckte mich an sich (so freundlich war sie hier)
Und gab mir einen kuß. Ich schau die rosen-wangen,
Noch immerzu vor mir, den lichten purpur-mund,
Dran tausend lieblichkeit als perlen-tropffen hangen,
Der stirnen heiterkeit, der augen helles rund.
Mir bleibt noch allezeit die ehrfurcht eingedrücket,
Die ich vor ihr vermengt mit süsser lieb empfand:
Wie, wenn ein könig sein gemahl zum bettler schicket,
So war mir, als mein Gott die weißheit zu mir sandt.
Und woher kommt mir das, war mein verwundrend fragen,
[310]
Daß meines Herrn braut und mutter zu mir kommt:
Drauff hört ich selbst in mir diß nacheinander sagen:
Diß ist das zeichen, so der glaube nur vernimmt,
Und die vernunfft nicht kennt. Der held wird neugebohren,
Gewinnt in dir nunmehr die nimt die niedre knechts-gestalt,
Eh als er ferner kan zum könig seyn erkohren,
Drum bleibe vor dem Herrn, und was du hast, das halt,
Biß daß er völlig kommt. Die mutter ist gebrochen.
Nun gilt es kampff, gebet und wachen tag und nacht.
Der feind, der sich an ihm mit fersenstich gerochen,
Wird deiner schonen nicht, Er geht herum und wacht!
Doch dazu ist der Herr in dir, o seel, erschienen,
Sein werck zustören gantz. Sophia stellt sich hier
Deßwegen freundlich dar, sie will das kind bedienen,
Die perl des lebens-worts (das du nun sollst in dir
Betasten, hören, sehn) zu wärmen, schützen, hegen,
Und in dem mutter-schoos durch täglich-neue krafft
Des himmlisch reinen Geists zum leben zubewegen,
Biß daß der Vater ihm den gantzen licht-leib schafft.
Die himmel treuffeln schon, die wolcken regnen oben,
Gerechtigkeit und fried, das neue Paradis
Thut seinen schoos nun auff, will diß gewächs erhoben,
Die ruthe grünend, die wurtzel Isais.
Nur leiden sey dein thun! nur still seyn dein bewegen.
Warum? du trägst in dir des größten königs schatz.
Drum gilts behutsamkeit: wil selbst des Geistes regen
Dir regeln geben wird. Verschließ den hertzens platz
Vor deinen feinden wol, halt sinnen und gedancken
Im zaum und ordnung recht, wie dich die weißheit lehrt,
Und laß der flattrenden begierden stetes wancken
Im still-seyn sterben hin im Nichts seyn ausgezehrt.
Diß leben ist zu zart, das leicht ein gifftig hauchen
Des neidisch-argen feinds dem wachsthum schaden thut:
Ein wehen frembder lufft, ein blick von argen augen
Hemmt bald des fortgangs lauff. Drum ist die stille gut!
O wesendliche lieb! heg selbst was du gegeben,
Und was so in gefahr bey tausend nöthen ist.
[311]
Ach gib mir erst nur krafft mein eigen falsches leben
Zu hassen auff den todt, was sich noch immer frist't,
Und nicht gantz sterben will. So kan ich dich erst haben
Und deiner würdig seyn. Schau wie die schlange sich
(Luc. XIV. 26.)
In alles mischet noch, und selbst die besten gaben
Durch ihren gifft befleckt: Ja wie der drache mich
Mit strömen überschwemmt, mit fluthen der gedancken
Das kind zu tödten sucht. Ach rette deinen wurm.
Der nichts als schreyen kan, wol aber aus den schrancken
Des kampffes schreiten möcht, wo du nicht in dem sturm
Compaß und ancker bist. Ach! zeuch mich in die wüsten
Der Abgeschiedenheit von aller Creatur
Und von mir selber meist: Verbirg vors feindes listen
Dem samen, der nun sproßt zur Göttlichen natur.
O druck mich tieff hinab von allen falschen höhen
Im staub, im koth, ins Nichts bey Jesu krippen hin,
Durch armuth, schmach, verlust, entsagung schmertz und wehen:
Nur daß ich doch einmal erfahre Christi sinn,
Und nicht mehr Lucifers. O schneide, stich und brenne
Und rein'ge wie du wilt. Laß feuertauff und Geist
Beständig schmeltzen fort: feg deine liebe tenne,
Und lasse spreu und stroh, seyn in die glust verweist;
Dann wird das lautre gold nach siebenfachen proben
Im feuer wol bestehn. Der held aus Davids stamm,
Wird selbst mit seinem Geist in mir den Vater loben,
Als Sohn, als jüngling und als mann und bräutigam
Wirst dus nicht alles thun, o Quellbrunn aller liebe?
Ach ja, du bist bereit, mehr als man bitten kan.
Woher auch käm mir sonst, daß sich die lieb erhübe
Die mutter meines Herrn, und macht dem selber bahn,
Der sanffte fährt einher? Aus liebe kömmts geflossen,
Was sein wahrhaffter Geist mit starckem ja ausspricht.
So will ich auch nicht ruhn, biß ich die frucht genossen;
Was gilts, ich singe noch von der geburts-geschicht!

Folgen einige bißher unbekannte auch meist von andern auffgesetzte Lieder.

[312] 15.

1.

Ich laß ihn nicht, der sich gelassen Um mein verschertztes heil herab. Er der einmahl mich wolt umfassen, Muß meine seyn biß in das grab, Ob mir die welt gleich viel verspricht, Zu brechen meiner liebe pflicht, Ich laß ihn nicht.


2.

Ich laß ihn nicht, der mich erworben, Den werb ich mir, ich sein, er mein, Der für mich ist am creutz gestorben, Deß will ich auch im sterben seyn, Was schreckest du du höll-gesicht, Was lockest du du welt-gedicht, Ich laß ihn nicht.


3.

Ich laß ihn nicht, der mich nicht lässet, Deß nam mir süsser ist als öl, Der seelen brünstig mich umfasset, Den fasset wieder meine seel, Was allen zucker übersticht, Das ist mein süßes Gottheitlicht, Ich laß ihn nicht.


4.

Ich laß ihn nicht, mich mag verlassen, Der breiten erden pracht und macht, Der meine seele nicht kan hassen, den nehm ich mit zur todes-schlacht, Er nimmt mich wieder zu dem licht, Das in dem himmel neu anbricht, Ich laß ihn nicht.


5.

Ich laß ihn nicht, will Jacob werden, Er habe denn gesegnet mich, Und müßt ich drüber von der erden, Mein glaube zieht ihn doch an sich, Ob mir gelenck und hüfft zerbricht, Und gar vergehet mein gesicht, Ich laß ihn nicht.


6.

Ich laß ihn nicht, wenn ich diß leben Und dieses gantze lassen soll, Wo er, da will ich gleich auch schweben, Es mag mir gehen wie es woll, Wie eine klette klebt und sticht, So ist mein sinn auff ihn gericht, Ich laß ihn nicht.


[313] 7.

Ich laß ihn nicht, kommt nur ihr plagen, und setzt mein wesen auff die prob, Mein creutz ist sein, er hilfft mir tragen, so sing ich ihm dafür ein lob, Er bleibet meines heiles licht, Ob gleich die unglücks-nacht anbricht, Ich laß ihn nicht.


8.

Ich laß ihn nicht, was wilt du sünde, Du liegst im tieffen meer versenckt; Was wilt du schwartzes höllen-kinde, Dein schedel ist dir abgekränckt, Dein stachel, tod, mich nimmer sticht, Mein Jesus alles mir verspricht, Ich laß ihn nicht.


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TextGrid Repository (2011). Arnold, Gottfried. Aus: Neue göttliche Liebesfunken. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-FD6E-3