[227] Joseph Winter

Abend im Prater

Des Sommerabends feurig Glühn
Lag auf der Praterauen Grün.
Ein frischer Wind von der Alpen Saum
Wob in dem dämmerrothen Baum,
Warf bald der Wipfel rauschende Flammen
Mit seinem muntern Weh'n zusammen,
Oder vergaß das Rascheln und Rauschen,
Selber den Weisen von drüben zu lauschen,
Wo in den dunkelnden Abend hinaus
Wiegend erklang ein Walzer von Strauß.
Sinnend lag ich im duftenden Gras
Gar nicht übel gefiel mir das,
Fühlte mich so fröhlich und frank,
Wahrlich dem Schicksal wußt' ich's Dank,
Daß es an dieser Stätte traut
Mir das Haus der Kindheit erbaut,
Breit mir die Bühne der Welt entfaltet,
Lebensfreudig den Sinn mir gestaltet,
Daß es im Wechsel von Welken und Sprießen
Mich gelehrt, des Tags zu genießen,
Mich des Schätzleins, der lieben Getreu'n
Und des klingenden Liedes zu freu'n.
Gar mancher Lenz ist hold ersprossen,
Seit mir der Garten des Lebens erschlossen,
Und ob in Nebel dem werdenden Mann
Manch Traumgespinst des Jünglings zerrann,
[228]
Stets hob sich aus dem graulichen Flor
Siegreich und schöner der Tag empor,
Der Seele Dämmer rosig erhellend,
Mit Lebensodem den Busen schwellend.
Dem Einen bin ich hingegeben:
Dies Leben voll und ganz zu leben,
Mit der Welle zu wandern, zu jagen im Wind,
Der ewigen Mutter lebendiges Kind,
Im Sonnenglanz ein strahlender Ritter,
Geduckt und still im Ungewitter.
Mein ist die Sonne, die Rose am Rain
Und die funkelnden Sterne der Nacht sind mein.
Will daheim mich fühlen im Erdenhaus,
Das ist mein Recht, das üb' ich aus ...
Müd' war der Tag hinabgesunken.
An den Wolkensäumen die letzten Funken,
Des Sonnenfeuers verkühlender Glast
Waren zu grauer Asche verblaßt,
Und ich verließ die dunkleren Auen,
Drüben das Volk der Phäaken zu schauen.
Da dröhnte das Ohr vor Trommeln und Blasen,
Der Teufel erschlug den geduldigen Hasen,
Nach der Orgel liefen die hölzernen Pferde
Und jauchzende Tänzer stampften die Erde;
Gesang dazwischen und Büchsenknall, –
Phäakensonntag überall.
Das ist das neue Paradies,
Das keinen von seiner Schwelle wies;
Und wär's der traurigste Geselle,
Hier wiegt ihn sanft des Frohsinns Welle.
Inmitten dieses Volks von Kindern
Fühlt er die Adamslast sich mindern,
Und kräftiger, als alle Lethe
Heilt ihn des Wurstels Holztrompete.
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Mich aber drängte sehnsuchtgeschwellt
Mein Herz, zu rasten am Herzen der Welt.
Zu schlummernden Auen, vom Monde verklärt,
Bin ich auf verlass'nen Pfaden gekehrt,
Saß unter den Eichen nieder, den alten,
Und hab' mit den Sternen Zwiesprach gehalten.

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TextGrid Repository (2011). Arent, Wilhelm (Hg.). Gedichte. Moderne Dichter-Charaktere. Joseph Winter. Abend im Prater. Abend im Prater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0285-7