[136] Klänge aus der Vergangenheit

1813.

Sternengruß

Wandelt ihr, liebe Sterne am Himmel,
Herauf so licht und hehr?
Ich weiß zwei schönere Sterne,
Die brennen mein Herz so sehr.
Ihr kommt wohl jeglichen Abend
Und bringt die süße Ruh',
Dann schließet ihr wieder am Morgen
Die goldnen Äuglein zu.
Meine Sterne die scheinen am Abend,
Sie scheinen um Mitternacht,
Sie scheinen am hellen Mittag
Und wann der Morgen erwacht.
Meine Sterne sind zwei blaue Augen,
Die trägt ein holdiges Kind;
Da hinein muß ich ewiglich schauen
Und schaue mich krank und blind.
Wandelt hin nun, Sternlein am Himmel,
Und sagt es dem Kindlein fein,
Ich muß vor Traurigkeit sterben,
Wendet sie von mir den Schein.
Wandelt hin nun, Sternlein am Himmel,
Und sagt es dem Kindlein fein,
Ich bin in dem Paradiese,
Will sie mein eigen sein.

Was Goldringelein sagen soll

Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meinem trauten Kinde,
Treufest wie Berge soll sie sein
Und lieblich wie die Frühlingswinde,
Doch nicht wie Zephirs Flügel leicht,
Der alles küssend weiter fleucht.
[137]
Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meiner hübschen Feinen,
Sie soll in meines Herzens Schrein
Hell leuchtend wie Karfunkel scheinen,
Womit man heil'ge Bilder schmückt,
Daß sich der Frommen Herz entzückt.
Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meiner süßen Holden,
Wann ostwärts geht der Sonne Schein
Und Sterne Höllennacht vergolden,
Wann Bäche rinnen berghinauf,
Dann höret meine Liebe auf.
Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Das sollst du noch zuletzt ihr sagen:
Nichts süßer ist als Liebespein,
Nichts lustiger als Liebesklagen,
Nichts fröhlicher als Liebesnot,
Nichts seliger als Liebestod.

Klinglieder

1813.

1.

Geliebtes Eiland, mütterliche Erde,
Wo ich von siebzehn schönen Jugendlenzen
Die Bäume und die Hügel sah bekränzen,
O Rügen, Land voll lieblicher Gebärde!
Sprich, ob ich je die Taten sehen werde,
Wovon die Bilder also lieblich glänzen,
Daß ich in andern Völkern, andern Grenzen
Stets suchen muß nach Arbeit und Beschwerde?
All deine süße Schöne mußt' ich lassen,
All deine holde Stille mußt' ich fliehen,
Ich mußt' ein größres Vaterland mir suchen.
O diesen Stolz, werd' ich ihn je erfassen?
Wirst du, Germanien, noch in Freiheit blühen,
Wo Sklaven stöhnen und Tyrannen fluchen?

[138] 2.

So klingst du wieder, längst verklungner Klang?
So blüht ihr wieder, längst verwelkte Rosen?
So wollt ihr, Phantasien, mit mir kosen,
Wie mit dem Lenz der muntre Waldgesang?
Was will dies? Wandelt nicht mein Lebensgang,
Wo Furien wild in Kriegsposaunen stoßen?
Wo Männer blutig um das Schicksal losen?
Was täuschet mich der Himmlischen Empfang?
Gewiß, ihr Holden, habt ihr euch verirrt,
Ihr sucht den Mann nicht, dem die Locken grauen,
Ihr sucht den Mann nicht mit dem finstern Blick.
Was hör ich? Eine süße Stimme girrt –
Was ist's, das die entzückten Blicke schauen?
O bleibe, Traum! O bleibe, träumend Glück!

3.

Was klingt mir für ein süßer Wunderschall
Mit Himmelstönen tief im tiefsten Herzen,
Gleichwie die Stimme klingt der hohen Schmerzen,
Die ewig liebekranke Nachtigall?
Was blüht ihr, längstvergangne Wonnen, all
Und zündet mir die Brust mit Himmelsschmerzen?
Und laßt die finstern Geister in mir scherzen?
O das ist Liebe, das ist Liebesschall!
O bliebst du ewig, süßer Wunderschall!
O würd' ich selber ganz zur Philomele
Und klänge mich in Liebesklagen tot!
Denn wer die Liebe hat, der hat das All,
Die Liebe ist der Seelen große Seele,
Der Götter Leben und der Götter Tod.

4.

Woher, du süßes Schmachten, frommes Wähnen,
Die sich mit Inbrunst auf zum Himmel drängen?
Die mir die heiße Brust wie Ströme sprengen
Im Ozean von Träumen und von Tränen?
[139]
Woher, du tiefes wunderbares Sehnen
Mit Todesliebe und mit Todesklängen,
Gleich jenen wonnereichen Grabgesängen,
Womit der süße Tod erklingt in Schwänen?
O in der Töne Wollust so verklingen!
In süßen Tränen Wellen gleich verrieseln!
In süßen Träumen Geistern gleich verschweben!
O Schwäne, welche mir im Busen singen,
Ihr schmölzet wohl die Brust von harten Kieseln,
Euer Sterben gäbe wohl dem Tode Leben.

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TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Klänge aus der Vergangenheit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-06CD-B