[176] Adel

Zwei Zeiten streiten,
Und die veralten
Sich nicht mehr halten,
Die alten Zeiten
Einst waren schöne,
Auch Frühlingssöhne!
Die Frühlingssöhne
Vom kalten Wetter
Sind dürre Blätter,
Doch von Gewöhnen
Noch fest am Stamme,
Es hält zusammen.
Die Frühlingsstürme
Durchziehn die Lüfte,
Und selbst die Klüfte
Belebt Gewürme,
Es kommen Schwärme
Mit wildem Lärmen.
Wozu der Tadel,
Ihr wart einst jünger
Und nicht geringer,
Ihr Herrn von Adel,
Doch nur mit Fechten
Könnt ihr jetzt rechten.
[177]
Der ältste Herzog,
Der soll sie führen,
Man kann es spüren,
Wie lang' sie scherzen,
Da ist kein Wachen,
Kein Ronden machen.
Sie sind umgangen,
Noch eh geschlagen;
Noch ist kein Zagen,
Noch ist kein Bangen,
Der Feind mit Listen
Will sich schon rüsten.
Der graue Nebel
Der alten Zeiten,
Der will sich breiten,
Durchhaun vom Säbel
Muß er sich flüchten,
Sie stehn im Lichten.
Sie sind sich nahe,
Sich zu erreichen,
Will keiner weichen
So weit ich sahe;
So wird am Tage
Die Welt zerschlagen.
Der Adel stehet
Mit seinem Blute,
Mit hohem Hute,
Daß ihr ihn sehet,
Sie müssen's fühlen,
Die Feinde zielen.
[178]
Noch stehn die Glieder,
Der Herzog grüßet,
Und kläglich schießet
Der Feind ihn nieder.
Der Herzog sinket,
Kein Führer winket.
Wie Opfertiere
Gehn die Soldaten,
Sind sie verrathen,
Daß keiner führe;
Da ist kein Fragen,
Sie sind geschlagen.
Es sehn mit Reuen,
Was nun geschehen,
Was ungeschehen
Sehr viele scheuen.
Wer kann es sagen,
Ohn' Scheu zu tragen.
Die Helden bilden
Nicht Väter, Güter,
Nur die Gemüther,
Nur Muth kann schilden
Nur kluges Schaffen
Mit tücht'gen Waffen.
Die Holden bilde
Mit guter Waffe
Und nicht mit Strafe,
Mit Ernst und Milde,
Und die Gemeinen
Muß Freiheit einen.
[179]
Mit gleichen Tritten,
Mit starren Augen,
Will keiner taugen;
Auch die beritten
Ganz trotzig ruhen,
Bis nichts zu thuen.
Steht auch wie Mauern,
Könnt ihr nicht streiten,
Wozu soll's leiten,
Die Feinde lauern,
Die gleichen Glieder,
Sie stürzen nieder.
Lauft all' zusammen
Und kehrt dann wieder,
Und eure Brüder,
Beschwört das Stammen
Aus edlen Samen
Die Gottes Namen.
Des Adels Wappen
Ist da zerstreuet,
Doch daß nicht reuet
Der bunte Lappen.
Seid all' von Adel
Ein Volk ohn' Tadel.
Wer nicht bei Zeiten
Das Feuer kennet,
Sich leicht verbrennet,
Und wird es meiden;
Drum laufen alle
Mit lautem Schalle.
[180]
Wie sollte enden,
Was fest gerennet,
Sich Weisheit nennet,
Das Blatt zu wenden,
Ward Krieg auf Erden,
Um gleich zu werden.
Die neuen Zeiten,
Sie nennen Adel,
Was ohne Tadel
Die Geister leiten.
Der Schein, die Plage
Versinkt am Tage.
Die alten Stämme,
Die alten Blätter
Herab ein Wetter,
Hinweg die Dämme,
Der Ehre Fluthen
In Allen gluthen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Lieder aus einem ungeschriebenen Romane. Adel. Adel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-08CF-8