Ach wenn sie das Rössel
doch langsam gehn liessen

Aus dem Bayrischen 1650-1700.


Schlimm Leut sind Studenten, man sagts überall,
Obwohl sie schon kommen im Jahr nur einmal,
[439]
So machens ins Dorf so viel Unruh und Mist,
Daß uns die erste Woche schon weh dabey ist.
Wir müssen nur sorgen auf Mariengeburt,
Es wünscht auch ein jeder, daß Galli bald wird,
Da kommens mit Degen und Büchsen daher,
Und machen im Dorfe ein jämmerlich Gescher.
Nichts ist vor ihnen sicher, kein Henne, kein Taube,
Als wärens erschaffen zum Plündern und Raube,
Darf ihnen kein Gans auf die Wiesen naus trauen,
Studenten thun ihr gleich den Kragen weghauen.
Sind Gärten mit Brettern und Riegeln umzäunt,
So thun sies zerbrechen, daß die Sonne durchscheint,
Sie steigen um die Aepfel, zerreissen die Bäum,
Wär zufrieden, trüg jeder nur ein Tasche voll heim.
Mit Feuer und Pulver sinds gar sehr gefähr,
Daß oft eim sein Häusel verbrennet gar wär,
Lassen pulverne Fröschle einem hupfen aufs Dach,
Wenns brennet, so fragens kein Teufel danach.
Hat einer beym Häusel ein wachbaren Hund,
Der sonst von der Kette nicht abkommen kunt,
Sie lassen ihn laufen, es wär ja nicht noth,
»Potz Hagel da schießt's ja!« der Pudel ist todt.
Studenten im Wirthshaus, sinds aus der Weis frisch,
Sie brauchen allein ein großmächtigen Tisch,
Sie saufen und schreien als g'hört das Haus ihn'n,
Und saufen und schreien sich blitzblau und grün.
[440]
Bald redens lapodeinisch, ich kanns nicht verstehn,
Doch ists leicht zu rathen, auf uns muß es gehn,
Bald tanzens und springens und hupfens am Fleck,
Und nehmen den Knechten den Tanzboden weg.
Und schmeissen die Knecht sie auch alle heraus,
So laufens wie die Mäus auf die Strassen hinaus,
Und machen ein Haufen und grausam Gefecht,
Und hauen und stechen und schreien erst recht.
Ziehn naus auf die Felder und geben kein Fried,
Ist grad wie ein Wetter, so spielens damit,
Da tretens die Aecker, verstehn nicht was 's ist,
Wenn einer schwarz Brod um sein Handarbeit frißt.
Sind Roß auf der Weide, und rasten ein Weil,
So nehmens Studenten, es ist gar ein Gräul,
Und hauens in die Seiten mit allbeiden Füssen:
Ach wenn sie das Rössel doch langsam gehn liessen!

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Ach wenn sie das Rössel doch langsam gehn liessen. Ach wenn sie das Rössel doch langsam gehn liessen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0E3B-2