Die drei Erznarren

Deutschland hatte nunmehr den Dreißigjährigen Krieg beigelegt, der angenehme Friede streute bereits seine Früchte aus, als ein großer Herr, dem das Leben in den verschlossenen Festungen bisher gar verdrießlich, sich wieder auf seine Herrschaft begab, sein zerstörtes Schloß in neuer und schöner Art aufzubauen. Das Werk ging wohl von statten, die Mauern erhoben sich kunstreich auf dem alten Grunde, die Dächer fügten sich zierlich zusammen, die Wohnungen hatten ihre bequeme Abteilungen, ein jeder freute sich schon, den Palast in wirklicher Vollkommenheit anzuschauen. Die Hoffnung streckt sich allezeit weiter, als die Tat, also fanden sich die Leute in ihrer Freude, wenn auch nicht betrogen, doch aufgehalten. Der große Herr fiel in eine plötzliche Krankheit, ward auch von dem hereinbrechenden Tode übereilet, daß er kaum Zeit hatte, seinen letzten Willen zu erklären, und in Ermangelung eigner Leibeserben die nächsten Verwandten im Testamente ordentlich zu bedenken. Was geschah? Die Leiche wurde prächtig beigesetzt, [326] und weinten die am trotzigsten, die sich der Erbschaft wegen am meisten freuten, wovon aber nichts auf der Trauerfahne gestanden. Endlich bei Eröffnung des Testaments fand sich's, daß demjenigen, der des Hauses Besitzer sein würde, die Beschwerung, doch ohne seinen Schaden, auferlegt war, den angefangenen Bau nicht allein zu vollenden, sondern auch in allen Stücken dem aufgesetzten Plane zu folgen. Nun war dieser Plan so genau, daß nicht ein Balken vergessen war, wo er sollte eingeschoben, wie er sollte bekleidet oder gemalet, behobelt und beschnitzelt werden. Was sollte der Erbe, er hieß Florens, tun? Wollte er die Erbschaft haben, mußte er die beigefügten Bedingungen eingehen. Und also ließ er in dem Bau gar sorgfältig fortfahren, vergaß auch nichts, was in Obacht zu nehmen, wie es vorgeschrieben war. Nach langer Mühe kam er auf die Gemächer, die er mit allerhand Schildereien aufputzen sollte, wie denn alle Erfindungen dazu schon vorgeschrieben waren. – Und da war ein Saal, bei dem die Verordnung geschehen, es sollten in den drei großen Feldern der Türe gegenüber, die drei ärgsten Narren auf der Welt abgemalet werden. – Da erhoben sich nun große Skrupel, niemand konnte gewiß sagen, welche eben in der großen Narrenschule der Welt die drei vornehmsten Narren gewesen: die andern könnten über den eingeräumten Vortritt einen Injurienprozeß anfangen, das Testament wäre nicht erfüllt, die Erbschaft verfallen. Nach mancherlei Beratschlagungen fing ein alter Grillenfänger zu Florens, dem jetzigen Besitzer, nachdem er lange geschwiegen, also an: »Ihr Herren, auf dieser Stube lassen sich nicht die größten Narren der Welt aufsuchen, ihr müßt einen Blick in die Welt tun und ich halte, der selige Herr habe einen klugen Besitzer seines Hauses dadurch bestätigen wollen, indem solcher, kraft der Bedingung, sich in der Welt zuvor versuchen, und also in Betrachtung vielfältiger Narren desto verständiger werden müßte.« Diese Rede wollte dem jungen Fäntchen nicht zu Sinne, daß er sich so viel Meilen hinter dem Backofen verlaufen sollte, besonders zuwider war es ihm, daß er seine Liebste so lange verlassen müßte, mit welcher er sich, nach der Gewohnheit aller reichen Erben, verplempert hatte. Aber es half nicht, wollte er nicht, so war schon ein andrer da, der es um dies Geld tun wollte. Deswegen bat sich Florens den alten Herren zum Reisegesellschafter aus; die Reise wurde unverzüglich angeordnet, es freuten sich [327] alle, wenn diese auf dem langen Wege umkämen, in seinen Gütern zu bleiben. Von seiner Liebsten, die unfern auf einem alten Schlosse der Heirat sehnlich wartete, nahm er betrübten Abschied, so begab er sich auf den Weg und fuhr, ohne eben sonderliche Bemerkungen über die Gegenden zu machen, bis in die Reichsstadt Hamburg, allwo sie durch Unwissenheit in dem allerschlechtesten Gasthause abstiegen. Der alte Herr, der gar vorsichtig war in allen Unternehmungen, untersuchte Abends den Hof gar fleißig, ob ihr Wagen daselbst in Sicherheit stehe, ob er gut beschlossen und gut bewacht sei. Er fand alles in Ordnung, der Hund bellte in seinem Häuschen sehr wachsam, er ging heran, ihm etwas Brot zu geben, wie war er aber verwundert, einen sehr zerlumpten Menschen mit einem langen Degen an der Seite zu finden, der die Stimme des Hundes bloß nachgeahmt hatte. Bald meinte er, es wäre ein Dieb, der Wirt kam mit einer Laterne und versicherte ihm, daß es ein ehrlicher, aber armer Narr sei, der nun schon seit Jahren dies Geschäft übernommen. Als er von einem Narren hörte, bat er angelegentlich, ihn auf ihr Zimmer zu schicken, welches auch der Narr, der sich Schelmuffsky nannte, gerne annahm, mit der Versicherung, daß sie bald sehen würden, daß er mit einer der bravsten Kerle wäre, und daß noch was Rechts aus ihm werden könnte. Er führte ihn herauf zu Florens, der sich schon in seinen Schlafrock geworfen, es wurde dem Gaste einiger Branntwein vorgesetzt, er fragte ihn, wie er hierher gekommen und was er hier mache? Er war geneigt, ihnen seine gefährliche Reise zu Wasser und zu Lande vorzuerzählen, und wie er endlich in diese schlimme Lage gekommen, und begann nach kurzer Einleitung mit einer Fertigkeit zu reden, als ob er jeden Tag seine Lebensgeschichte zu erzählen Gelegenheit gehabt hätte.

»Deutschland ist mein Vaterland, in Schelmerode bin ich geboren, in Hamburg ist's mir schlecht gegangen, beim großen Mogul bin ich auch gewesen.« – »Ei«, sagte der alte Herr, »das ist zu viel auf einmal.« – »Damit ich nun diese meine sehr gefährliche Reisebeschreibung fein ordentlich einrichte, so muß ich wohl von meiner wunderlichen Geburt den Anfang machen. Als die große Ratte, welche meiner Frau Mutter ein ganz neu seidenes Kleid zerfressen, mit dem Besen nicht hat können tot geschlagen werden, sondern unversehens in ein Loch läuft, fällt die ehrliche Frau deswegen aus Ärger in eine solche Krankheit und Ohnmacht, daß sie [328] ganzer 24 Tage da liegt, und kann sich, der Tebel hol mer, weder regen noch wenden. Ich, der ich dazumal die Welt noch niemals geschauet, war auch auf die sappermentsche Ratte so töricht, und kam spornstreichs auf allen Vieren in die Welt gekrochen. Wie ich nun auf der Welt war, lag ich 8 ganze Tage unten zu meiner Frau Mutter Füßen im Bettstroh, eh' ich mich einmal recht besinnen konnte, wo ich war. Den neunten Tag erblickte ich mit großer Verwunderung die Welt, o Sapperment! wie kam mir alles so wüste da vor, sehr malade war ich, nichts hatte ich auf dem Leibe, meine Frau Mutter hatte alle Viere von sich gestreckt und lag da, als wenn sie vor den Kopf geschlagen wäre, schreien wollte ich auch nicht, weil ich wie ein jung Ferkelchen da lag, und wollte mich vor niemand sehen lassen, weil ich nackend war, daß ich also nicht wußte, was ich anfangen sollte. Ich hatte auch willens, wie die Ratte, in das Verborgene wieder zu wandern, so konnte ich aber den Weg nicht finden. Endlich dachte ich, du mußt doch sehen, wie du deine Frau Mutter ermunterst, da nahm ich einen Strohhalm, und kitzelte sie im linken Nasenloche, wovon sie auffuhr und schrie: ›Eine Ratte, eine Ratte!‹ Da ich nun von ihr das Wort Ratte hörte, war es, der Tebel hol mer, nicht anders, als wenn jemand ein Schermesser nahm und führe mir damit unter der Zunge weg, daß ich neugierig an meiner Mutter herauf kroch, bei ihr oben zum Deckbette heraus kuckte und sagte: ›Frau Mutter, Sie fürchte sich nur nicht, ich bin keine Ratte, sondern Ihr lieber Sohn, daß ich aber so frühzeitig bin auf die Welt gekommen, hat eine Ratte verursachet.‹ Als dieses meine Frau Mutter hörte, ei Sapperment, wie war sie froh, daß ich so unvermutet war auf die Welt gekommen, daß sie ganz nichts davon gewußt hatte; sie zog mir ein weiß Hemde an, rief alle Mietsleute im ganzen Hause zusammen, welche mich alle mit einander höchst verwundert ansahen, und wußten nicht, was sie aus mir machen sollten, weil ich schon so artig schwatzen konnte. Den zehnten Tag nach meiner wunderlichen Geburt lernte ich allmählich, wiewohl etwas langsam, an den Bänken gehen, denn ich war ganz malade, weil ich auf der Welt gar noch nichts gefressen oder gesoffen, mir war alles zu ekel. Was trug sich zu? Meine Frau Mutter, die hatte gleich selben Tag ein groß Faß voll Ziegenmolken auf der Ofenbank stehen, über dasselbe gerate ich so ohngefähr, und tütschte mit den Fingern hinein und kostete es; [329] weil mir das Zeug nun sehr wohl schmeckte, kriegte ich das ganze Faß beim Leibe, und soff's, der Tebel hol mer, halb aus, wovon ich hernach ganz lebend wurde und zu Kräften kam. Ich kann wohl sagen, daß ich in meinem zwölften Jahr, der Tebel hol mer, ellendickes Speck auf meinem Rücken hatte, bei Anfange des dreizehnten Jahres lernte ich auch sachte die gebratenen Kramtsvögelchen und die jungen gespickten Hühnerchen abknaupeln, welche mir endlich auch sehr wohl bekamen. Meine größte Lust hatte ich an dem Blaserohr, welches mir meine Frau Mutter zum Jahrmarkte von der Eselswiese mitgebracht hatte; ich schmiß die Bücherchen unter die Bank, nahm mein Blaserohr, lief damit auf den obersten Boden, und schoß damit entweder den Leuten auf der Gasse auf die Köpfe, oder nach den Spatzianern (Spatzen), oder knapste den Leuten die schönen Spiegelscheiben entzwei. Das trieb ich einen Tag und alle Tage; ich hatte auch so gewiß mit meinem Blaserohr schießen gelernt, daß ich einem Sperling, wenn er gleich 3000 Schritt von mir saß, das Lebenslicht ausblasen konnte; das Rabenzeug machte ich aber so schüchtern, wenn sie meinen Namen nur nennen hörten, so wußten sie schon, wie viel es geschlagen. Als ich in mein vierundzwanzigstes Jahr getreten, sagte meine Mutter: ›Lieber Sohn Schelmuffsky, du kommst nun alle sachte zu besserm Verstande, und wirst fein groß dabei, sage mir, was ich mit dir anfangen soll, da du gar nichts anders tust, als daß du mir die Leute in der Nachbarschaft mit deinem Blaserohre zum Feinde machst?‹ – Ich antwortete aber meiner Frau Mutter hierauf sehr artig: ›Frau Mutter, weiß Sie was, ich will her sein und fremde Länder besehen, vielleicht werde ich durch meine Reisen ein berühmter Kerl, daß hernach jedweder den Hut vor mir abnehmen muß?‹ Hierauf war ich her, suchte zusammen, was ich mitnehmen wollte, wickelte alles zusammen in ein zwilchen Schnupftuch, steckte es in die Ficke und machte mich reisefertig; mein Blaserohr versteckte ich auf dem obersten Boden hinter der Feuermauer, weil ich besorgte, es könnte mir unterweges gestohlen werden. Der Kuckuck fing denselben Tag das erste Mal im Jahre an zu rufen, als ich meine Mutter auf jeder Backe dreimal herzte, und hernach immer zum Tore hinaus wanderte. Wie ich nun vor das Tor kam, o Sapperment, wie kam mir alles so weitläuftig in der Welt vor, ich war zehnmal in willens, zu meiner Frau Mutter wieder umzukehren, welches ich auch wohl [330] noch getan hätte, wenn nicht ein Graf auf einem Schellenschlitten querfeldein nach mir zugefahren ge kommen und mich gefraget, wie ich da so in Gedanken stünde? – Worauf ich dem Grafen zur Antwort gab: Ich wäre willens die Welt zu besehen, und es käme mir alles so weitläuftig vor, und wüßte nicht, wo ich zugehen sollte? – Der Graf fing hierauf zu mir an und sagte: ›Musje, es siehet Ihm was Rechts aus den Augen, und weil Er willens ist, die Welt zu besehen, so setze Er sich zu mir auf meinen Schellenschlitten.‹ So bald der Herr Graf dieses gesagt, sprang ich mit gleichen Beinen in seinen Schellenschlitten hinein, und steckte die rechte Hand vorn in die Weste, und die linke Hand in den rechten Schubsack, daß mir nicht frieren sollte, denn es hatte ellendickes Eis gefroren; doch war es noch gut, daß der Wind uns hinten nach ging, so konnte er mich nicht so treffen, denn der Herr Graf hielt ihn auf, der saß hinten auf der Pritsche und kutschte. Unterweges erzählten wir einander unser Herkommens. Der Herr Graf machte nun den Anfang und erzählte seinen gräflichen Stand, und daß er aus einem uralten Geschlechte herstamme, welches zweiunddreißig Ahnen hätte, und sagte mir auch, in welchem Dorfe seine Mutter begraben, ich habe es wieder vergessen; hernach so schwatzte er mir auch, wie daß er, als er noch ein kleiner Junge von 26 Jahren, seine Lust und Freude am Vogelstellen immer gehabt hätte, und einstmals auf einmal zugleich 31 Pumpelmeisen in einem Sprenkel gefangen, welche er sich in Butter braten lassen und ihm so vortrefflich wohl bekommen wären. – Nach diesem seinen Lebenslauf fing ich von meiner wunderlichen Geburt, von der Ratte usw. an. O Sapperment, wie sperrte der Herr Graf Maul und Nase auf und meinte, daß noch was Rechts auf der Welt aus mir werden würde. Nach solcher Erzählung kamen wir an ein Wirtshaus, da ließ sich der Herr Graf ein groß Glas geben, in welches wohl hier zu Lande auf 20 Maß gingen, und brachte es mir auf du und du zu, und soff es, der Tebel hole mer, ohne Absetzen und Bartwischen reine aus, daß sich auch der Wirt grausam darüber verwunderte. Hernach so ließ er's wieder eben so voll schenken und sagte: ›Ein Hund, der's mir nicht Bescheid tut, allons Herr Bruder Schelmuffsky.‹ Sapperment, das Ding verdroß mich, daß der Graf mit solchen Worten flugs um sich schmiß, und fing gleich an: ›Topp Herr Bruder!‹ Als ich ihm dieses zur Antwort[331] gab, fing der Wirt höhnisch zu dem Grafen an zu lächeln, da der Herr Graf ein dicker korpulenter Herr, und ich gegen ihn nur ein Aufschüßling war, und in meinen Magen das Glas voll Branntwein schwerlich gehen würde. Ich war aber her, und setzte mit dem Glase voll Branntwein an, und soff es, der Tebel hol mer, flugs auf einen Schluck aus. O Sapperment, was sperrte der Wirt für ein Paar Augen auf und sagte heimlich zum Grafen, daß was Rechts hinter mir stecken müßte; der Graf aber demütigte sich gegen mich und bat mir's auf seinen gebogenen Knieen ab, und sagte: ›Ich sehe nun wohl, was du für ein brav Kerl, und daß deines Gleichen von Konduite wohl schwerlich wird in der Welt gefunden.‹ Hierauf bezahlte er den Wirt, wir setzten uns auf unsern Schellenschlitten und gelangten, als es fast dunkel war, in der berühmten Stadt Hamburg an, wo wir am Speersort in einem großen Hause einkehrten, wo alle vornehme Standespersonen und Damen logierten. So bald wir da abgestiegen, kamen zwei italienische Nobels die Treppe herunter ...«

Alle waren im besten Lachen, da unterbrach die Kranke das Erzählen ganz unerwartet und sagte, wenn es hier wieder ans Trinken ginge, so möchte sie es doch nicht saufen nennen, der Ausdruck wäre aus guter Gesellschaft ganz verbannt, das brachte das Lachen zum Ersticken. Nachher fuhr jene fort:

»... kamen zwei italienische Nobels die Treppe herunter, der eine hatte einen messingenen Leuchter in der Hand, worauf ein brennendes Wachslicht brannte, und der andre eine große töpferne brennende Lampe, welche geschwüppt voll Bomolie gegossen war, die hießen uns da willkommen und erfreueten sich meiner, wie auch des Herrn Bruder Grafen seiner guten Gesundheit. Nachdem sie nun solche Komplimente gegen uns abgelegt hatten, nahm mich der eine Nobel mit dem brennenden Wachslichte bei der Hand, und der andre mit der brennenden Bomolienlampe faßte den Herrn Grafen beim Ärmel, und führeten uns da die Treppe hinauf, daß wir nicht fallen sollten, denn es waren 6 Stufen oben ausgebrochen. Wie wir nun die Treppe oben hinauf kamen, so präsentierte sich ein vortrefflich schöner Saal, welcher um und um mit den schönsten Tapezereien und Edelgesteinen ausgezieret war, und von Gold und Silber flimmerte und flammerte. Auf demselben Saale nun standen zwei vornehme [332] Staatens aus Holland, zwei portugiesische Abgesandte, die kamen mir und meinem Herrn Bruder Grafen entgegen gegangen und hießen uns willkommen. Als ich mein Gegenkompliment, wenn sie noch frisch auf den Beinen wären, so sollte es mir und dem Herrn Grafen lieb sein, auch wieder abgelegt, so kam der Wirt in einem grünen Sammetpelze auch dazu, der hatte ein groß Bund Schlüssel in der Hand, und führete uns in eine große Stube, wo ein langer Tisch mit herrlichen Traktamenten gedeckt stand, die Nobels, die uns bewillkommt hatten, brachten darauf jeder eine vornehme Dame an der Hand hinein geschleppt. O Sapperment, als sie mich und meinen Herrn Bruder Grafen da stehen sahen, was machten sie alle mit einander für Reverenze gegen mich, und absonderlich die Menscher ...«

»Die Menscher«, schrieen alle, »das ist prächtig.« »Ein unschuldiger Ausdruck«, sagte die Kranke, »aber in guter Gesellschaft so verhaßt, wie Meerrettich.«

»... hilft alles nicht, die Menscher, die sahen uns, der Tebel hol mer, mit rechter Verwunderung an. Sie nötigten mich und den Herrn Bruder Grafen, daß wir die Oberstelle an der Tafel einnehmen mußten, welches wir auch ohne Bedenken taten, denn ich setzte mich nun ganz zu oberst an, neben mir zur Linken saß der Herr Bruder Graf, neben mir zur Rechten saß die vornehmste Dame, und weiter hinunter hatte jeder seinen gehörigen Platz eingenommen. Während der Mahlzeit nun wurde von allerhand Staatssachen diskurriert, ich und der Herr Bruder Graf aber schwiegen dazu stockstille und sahen, was in der Schüssel passierte, denn wir hatten in drei Tagen keiner keinen Bissen Brot gesehen; wie wir uns aber hernach brav dicke gefressen hatten, so fing ich auch an von meiner wunderbaren Geburt zu erzählen, und wie es mit der Ratte wäre zugegangen. O Sapperment, wie sperrten sie alle Mäuler und Nasen auf, da ich solche Dinge erzählete, und sahen mich mit höchster Verwunderung an, fingen an, meine Gesundheit zu trinken: ›Es lebe die vornehme Standesperson, die sich unter dem Namen Schelmuffsky verbirgt!‹ Die vornehmste Dame neben mir hatte sich ganz in mich verliebet, und drückte mir meine Fäuste braun und blau. Nach dem ich nun mit meinen Erzählungen fertig war, so fing mein Herr Bruder auch gleich an von seinem Herkommen zu schwatzen, und wo seine 32 Ahnen alle hergekommen, [333] wie er 31 Pumpelmeisen gefangen und wie sie ihm so vortrefflich wohl geschmeckt, und was des Zeugs mehr war; allein er brachte alles so wunderlich durch einander vor, und mengete bald das Hundertste in das Tausendste hinein, und hatte auch kein gutes Mundwerk, denn er stammerte gar zu sehr, daß er auch, wie er sahe, daß ihm niemand nicht einmal zuhörete, mitten in seiner Erzählung stille schwieg, und ganz böse auf den Käse sah, sich auch ein großes Stück davon abschnitte. Wenn ich aber zu diskurrieren anfing, ei Sapperment, wie horchten sie alle wie die Mäuschen, denn ich hatte nun so eine anmutige Sprache und konnte alles mit so einer artigen Miene vorbringen, auch lachte damals flugs alles an mir, daß sie mir nur, der Tebel hol mer, mit Lust zuhöreten. Als nun die Schüsseln ziemlich ausgeputzt waren, machte ich der Gesellschaft ein artig Kompliment und sagte, wie daß ich nämlich ein brav Kerl wäre, der etwas müde in den Knochen geworden, und daß ich wacker schlafen würde. Nach diesem sehr artigen Komplimente wünschte uns die Gesellschaft eine angenehme Ruhe, und begleitete uns über den schönen Saal weg. Der Wirt in einem grünen Samtpelze führte uns die Treppe hinauf, schloß eine vor trefflich schöne Stube auf, worin ein über alle Maßen galantes Bette stand, und war die Stube mit frischem Sand gestreut. Er sagte uns, wenn wir etwas brauchten, sollten wir nur zum Fenster hinaus pfeifen, so würde der Hausknecht also bald zu unsern Diensten stehen, und nahm hierauf von uns wieder Abschied. Sobald der Wirt nun den Rücken gewendet hatte, war ich her und zog gleich meine Schuh und Strümpfe aus, und pfiff dem Hausknecht, daß er uns zudecken mußte. Da er gekommen, wälzten wir uns beide, ich und der Herr Bruder Graf, in das galante Bette. Der Herr Bruder Graf fing aber bald so an zu schnarchen, daß ich vor ihm kein Auge zu dem andern bringen konnte. Indem ich nun so eine Weile lag, da pochte es an der Türe, ich sprang flugs mit gleichen Beinen aus dem Bette und öffnete die Stubentüre. Da stand eine Servante draußen mit einem Briefchen und fragte mich, ob ich der fremde vornehme Herr wäre, der Abends bei Tische die Geschichte von der Ratte erzählt hätte. Da sie nun hörte, daß ich's selbst war, fing sie weiter an: ›Hier ist ein Brief an Sie, ich soll ein paar Zeilen Antwort bringen.‹ Gleich pfiff ich dem Hausknechte, daß er mir Licht anbrennen sollte; er[334] kam auch gleich mit einer großen Laterne, die zwei dicke Dochte hatte, aber wenig Bomolie mehr darin war. Damit so erbrach ich den Brief und las: ›Anmutiger Jüngling! Wofern es Euch beliebt, diese Nacht mit mir auf einen Ball zu gehen, wozu mich eben der kleine bucklichte Tanzmeister eingeladen, so lasset es mir durch die Servante wissen. Lebt wohl mein Herz, Eure Nachbarin bei Tische, die Euch oftmals die Hand gedrückt, la Charmante.‹ – Sobald ich diesen Brief gelesen, pfiff ich dem Hausknecht wieder, daß er mir Feder, Tinte und Papier bringen mußte, und schrieb einen sehr artigen Brief auch wieder an die Dame Charmante. – ›Wohlehrbare Dame Charmante. Ich will nur erstlich meine Schuhe und Strümpfe, wie auch meinen Rock wieder anziehen, denn Hemde und Hosen habe ich mir gleich wieder angezogen, als ich die Servante anklopfen hörte, alsdann will ich wohl mit Euch gehen; doch müsset Ihr selbst kommen, oder die Servante, um mir die Wege zu weisen, und bringet eine Laterne mit, da in meiner alle Bomolie fast ausgebrannt ist. Warum? es ist spät, und ich könnte leicht bei der ausgebrochnen Treppe aufs Maul fallen, und was wäre Euch damit gedient, wenn ich mir die Schnauze zerstoßen, wornach Ihr Euch zu achten. Haltet's nun wie Ihr wollt, holt Ihr mich ab, wohl gut, laßt Ihr's aber bleiben, wie bald ziehe ich meinen Rock aus und lege mich wieder zu meinem Bruder Grafen ins Bette. Meiner wohlehrbaren Dame Charmante, reisefertigster Schelmuffsky.‹ – Diesen Brief schickte ich nun sehr artlich der vornehmen Dame Charmante zur Antwort, und suchte meine Schuhe und Strümpfe unter der Bank flugs hervor. Ich hatte kaum den einen Strumpf an das linke Bein gezogen, so stand die Dame Charmante schon mit dem kleinen bucklichten Tanzmeister in der Türe, der eine papierne Laterne, worin eine töpferne Lampe mit zwei Dochten brannte, in der Hand trug. Das kleine Kerlchen sprang vor Freuden herum, als er sah, wen sie mitnehmen wollte, und leuchtete uns stattlich die Treppe herunter nach dem Tanzboden, wo sich schon viele Damen und Kavaliere eingefunden. Es war da ein Gelispele heimlich in die Ohren, bald sagte ein Frauenzimmer, ›wer muß doch nur der vornehme Herr sein, welchen die Dame Charmante mitgebracht hat?‹ Bald sagte eine andre, ›ist das nicht ein wunderschöner Kerl, sieht er nicht aus wie Milch und Blut‹, solche Reden gingen wohl eine halbe Stunde auf dem Tanzboden [335] herum. Der Tanzmeister präsentierte mir einen roten Sammetstuhl, worauf ich mich niedersetzen mußte, die andern aber, wie auch meine Charmante, mußten alle stehen. Damit so ging nun die Musik an, o Sapperment, wie konnten die Kerls streichen, sie machten mit einem Kirchenhauer den Anfang, wornach der kleine bucklichte Tanzmeister ein Ballett tanzte. Sapperment, wie konnte das Kerlchen springen. Meine Charmante, die mußte in den Kreis hineintreten und darin allein tanzen, o Sapperment, wie konnte sich das Mensch schlangenweis im Kreise herumdrehen, daß ich, der Tebel hol mer, alle Augenblick dachte, jetzt fällt sie über den Haufen. Nachdem der Kreistanz schlangenweis aus war, kamen allerlei gemeine Tänze, Gavotte, Kikebusch, Quadrille und ›Koch Tee Lowischen‹. Solch Zeug sollte ich nun auch mit tanzen, es kamen unterschiedene Damen zu mir an den Samtstuhl, ich sagte aber: Wie daß ich nämlich ein brav Kerl wäre, dem zwar was Rechts aus den Augen herausfunkelte, aber tanzen hätte ich noch nicht recht gelernt. Es half aber, der Tebel hol mer, kein Entschuldigen, die Damen trugen mich mit samt dem Samtstuhle in den Tanzkreis hinein und küppten mich mit dem Stuhle um, daß ich, der Tebel hol mer, die Länge lang hinfiel. Ich stand aber mit einer sehr artigen Miene wiederum auf, daß sich auch die ganze Kompagnie auf dem Tanzboden über mich verwunderte, und ein Kavalier immer zum andern sagte, daß ich wohl einer von den bravsten Kerlen auf der Welt mit sein müßte. Hierauf fing ich nun an zu tanzen und nahm drei Frauenzimmer, die eine mußte mich bei der linken Hand anfassen, die andere bei der rechten, und die dritte mußte sich an mein linkes Bein halten, damit hieß ich den Musikanten den Altenburger Bauerntanz aufstreichen. Da hätte man nun schön tanzen gesehen, wie ich auf dem rechten Beine solche artige Sprünge tun konnte, ich sprang auf einem Beine, der Tebel hol mer, klafterhoch in die Höhe, daß auch die eine Dame, welche sich an mein linkes Bein gefaßt hatte, fast mit keinem Fuße auf die Erde kam, sondern stets in der Luft mit herumhüpfte. O Sapperment, wie sahen die Menscher alle, als ich solche Sprünge tat, der kleine bucklichte Tanzmeister schwur hoch und teuer, daß er dergleichen Sprünge zeitlebens nicht gesehen hätte, sie wollten auch alle mein Geschlecht und Herkommen wissen. Da trat ein Junge zu mir und fragte: ob ich der von Schelmuffsky wäre. Da ich nun[336] dem Jungen zur Antwort gab, daß ich's selber wäre, sagte er weiter: Sein Herr, der Herr Bruder Graf, halte mich für keinen braven Kerl, sondern für einen Erzbärenhäuter, weil ich mit seinen schwarzen Samthosen heimlich auf den Ball gegangen, wenn ich nicht gleich am Morgen mit einem guten Degen auf der großen Wiese vor dem Altonaischen Tore erschiene. O Sapperment, wie verdroß mich das Ding vom Herrn Bruder Grafen, daß er es mir durch seinen Jungen sagen lassen, und vor allen Leuten. Ich fertigte den Jungen aber gleich ab: ›Frage deinen Herrn, warum er nicht selbst gekommen, ich wollte ihm zu Gefallen einen guten Degen, der ein Rückenstreicher wäre, mitbringen.‹ Hierauf ging der Junge fort, und muckste nicht ein Wort weiter, ausgenommen, wie er an die Treppe kam, so schielte er mich von der Seite mit einer höhnischen Miene hinterrücks recht sauer an, und lief geschwinde die Treppe hinunter. Die Menscher wollten mich alle halten, und gransten, der Tebel hol mer, wie die Dachtraufen, aber ich marschierte immer stillschweigend zum Altonaischen Tore. Weil aber das Tor noch zugesperrt war, so unterhielt ich mich mit dem Stadtkapitän über die Ringmauer der Stadt Hamburg, welche denn an etlichen Orten nicht allerdings fest genug zu sein schien; ich sagte ihm, wie sie auf eine ganz andre Art perspektivisch könnte repariert werden. Er schrieb's zwar auf, ob sie es nun werden getan haben, kann ich bei meinen vielen Wachten nicht wissen. Draußen fand ich bald meinen Herrn Bruder Grafen, der gleich vom Leder zog. Da ich nun sahe, daß er der Haare war, o Sapperment, wie zog ich meinen Rückenstreicher auch vom Leder und legte mich in Positur, ich hatte ihm kaum einen Stoß auspariert, so tat ich nach ihm einen Saustoß, und stach ihm, der Tebel hol mer, mit meinem Rückenstreicher die falsche Quinte zum linken Ellenbogen hinein, daß das Blut armsdicke herausschoß. Als ich das sah, wie solch ein Unglück angerichtet, o Sapperment, da lief ich, was ich konnte, daß ich nicht in die Hausvogtei gesperrt würde und der sterbende Mensch immer hinter mir drein, bis er über eine alte Wurzel fiel und ich mit gleichen Beinen auf ein Seeschiff sprang, das eben nach Indien abfahren wollte. Nun hatte ich vermeint, die Schiffe wären in Schelmerode groß, worauf sie bei der Mühle fahren, aber auf der See gibt es noch tausendmal größere; auf so eins setzte ich mich nun und schiffte davon. Ich war kaum eine halbe Stunde auf dem [337] Wasser, so rührten sich all die Ziegenmolken, die ich bis in mein zwölftes Jahr genossen und die sich im Leibe verfangen, da hieß mir der Schiffer ein gut Glas Bomolie aussaufen, und sobald ich das Zeug in den Leib kriegte, wurde mir von Stund an besser. Den dreizehnten Tag wurde es stockfinster, und mußte der Schiffer eine große Lampe vor das Schiff heraus hängen, damit er wußte, wo er zufuhr, denn seinen einen Kompaß hatte er in Hamburg unter der Bank stehen lassen, und der andre stockte immer nach einer Seite, wohin wir ihn auch drehen mochten. Nach diesem Sturm wurde das Wasser so klar, daß wir Hechte im Meere sahen, wie die großen polnischen Ochsen, die hatten, der Tebel hol mer, die Zungen zu den Schnauzen heraushängen. Nach vier Wochen kamen wir an einen Ort, wo schrecklich viel Walfische im Meere gingen, dieselben lockte ich mit einem Stückchen Brote ganz nah an unser Schiff. Der eine Bootsknecht hatte eine Angel gemacht aus einer großen Stecknadel, die mußte er mir geben, ich versuchte es, ob ich einen konnte ins Schiff häkeln, es war auch, der Tebel hol mer, angegangen, wenn die Angel nicht wäre in Stücken zerrissen, denn als der Walfisch anbiß, und ich im besten Rucken war, so riß der Dreck entzwei, daß also der Angelhaken ...«

»Erlaube mir«, sagte die Kranke, »du hast da wieder ein ganz unbekanntes Wort gebraucht.«

»... daß also der Angelhaken dem Walfische im Rachen stecken blieb, an welchem er unfehlbar wird gestorben sein. Wie solches die andern Walfische gewahr wurden und den Schatten nur von der Angelschnur erblickten, marschierten sie alle auch fort, und ließ sich, der Tebel hol mer, nicht ein einziger wieder an unserm Schiffe blicken. Wir schifften von da weiter fort und bekamen nach etlichen Tagen das gelübberte Meer zu sehen, allwo wir ganz nahe vorbeifahren mußten. Sapperment, was standen dort für Schiffe in dem gelübberten Meere, es war, der Tebel hol mer, nichts anders, als wenn man in einen großen dürren Wald sähe, da die Bäume verdorret stünden, und war keine Seele auf den Schiffen zu sehen. Ich fragte den Schiffmann, wie denn das zuginge, daß so viel Schiffe da ständen; der gab mir zur Antwort, daß dieselben Schiffe bei großem Ungestüm des Windes dahingejagt wären, wenn die Schiffsleute nach Indien den Weg verfehlten, und daß das Meer da so dick wie Klebebier sei, und die Schiffe kleben blieben, [338] und die Leute darin jämmerlich umkommen müßten. Wie wir nun vor dem gelübberten Meere vorbei waren, gingen wir unter der Linie durch, wir mußten uns alle, der Tebel hol mer, platt auf den Boden legen, daß uns die sappermentsche Linie, weil das Wasser damals hoch war, nicht vom Schiffe herunternahm; sie mochte wohl armsdick sein, und war sehr fest gedreht auch, die Sonne brannte uns alle kohlrabenschwarz. Drei Wochen nachher gelangten wir bei gutem Winde in Indien an, allwo wir an einer schönen Pfingstwiese ausstiegen, dem Schiffmann das Fährgeld richtig machten und einer hier hinaus, der andere dort hinaus seinen Weg zunahm. Auf der Wiese kam mir ein Scheerschlip entgegengefahren, denselben fragte ich nun: Ob er mir keine Nachricht erteilen könnte, wo der Mogol wohnen müsse? Der Scheerschlip gab mir hierauf gleich Bescheid und sagte, daß zwei Mogols in Indien mogelten, einen hießen sie nur den großen Mogol, den andern aber nur den kleinen. Wie er nun hörte, daß ich zu dem großen wollte, so sagte er mir gleich, daß ich etwa noch eine Stunde hin an seine Residenz hätte, ich sollte nur auf der Pfingstwiese fortgehen, ich könnte nicht irren, wenn dieselbe zu Ende, würde ich an eine große Ringmauer kommen, doch sollte ich nur hinterweg gehen, dieselbe würde mich bis an das Schloßtor führen, worin der große Mogol residierte. Des Scheerschlips seine Nachricht traf, der Tebel hol mer, auch auf ein Härchen ein, denn sobald als die Pfingstwiese ausging, kam ich an eine große Ringmauer, hinter welcher ich weg marschierte und sobald dieselbe zu Ende, kam ich an einen erschrecklich großen Torweg, vor welchem wohl zweihundert Trabanten, mit bloßen Schwertern, standen, die hatten alle grüne Pumphosen und ein Kollett mit Schweinebraten-Ärmeln an. Da roch ich nun gleich Lunte, daß darinnen der große Mogol residieren würde. Ich war her und fragte die Trabanten, ob ihre Herrschaft zu Hause war, worauf die Kerl alle zugleich ›Ja‹ schrien, und was mein Verlangen wäre. Da erzählete ich den Trabanten nun gleich, wie, daß ich nämlich ein brav Kerl wäre, der sich was Rechts in der Welt versucht hätte, sie sollten mich doch bei dem großen Mogol anmelden, der und der wäre ich, und wollte ihm auf ein paar Worte zusprechen. Sapperment, wie liefen hierauf flugs ihrer zwölfe nach des großen Mogols Zimmer zu, und meldeten mich bei ihm an. Sie kamen aber bald wieder gelaufen und [339] sagten, ich sollte hinein spazieren, es würde ihrer Herrschaft sehr angenehm sein, daß einer aus fremden Landen sie eines Zuspruchs würdigte. Ich war kaum sechs Schritte gegangen, so schrie der große Mogol zu seinem Fenster heraus, sie sollten das Gewehr vor mir präsentieren. O wie sprangen die Kerl ins Gewehr und nahmen alle ihre Hüte unter den Arm und sahen mich mit höchster Verwunderung an, denn ich konnte nun recht artig durch die Wache passieren, daß es, der Tebel hol mer, groß Aufsehens bei dem großen Mogol machte. Wie ich nun an eine große marmorsteinerne Treppe kam, allwo ich hinaufgehen mußte, so kam mir, der Tebel hol mer, der große Mogol wohl auf die halbe Treppe herunter entgegen, und führte mich beim Arme vollends herauf; Sapperment, was präsentierte sich da für ein schöner Saal, er flimmerte und flammerte, der Tebel hol mer, von lauter Golde und Edelgesteinen. Auf demselben Saale hieß er mich willkommen und freute sich meiner guten Gesundheit und sagte, daß er in langer Zeit nicht hätte das Glück gehabt, daß ein Deutscher ihm zugesprochen hätte, und fragte nach meinem Stande und Herkommen, und wer ich wäre? Ich erzählte ihm hierauf nun sehr artig flugs meine Geburt und Begebenheit von der Ratte, und wie, daß ich einer mit von den bravsten Kerlen der Welt wäre, der so viel gesehen und ausgestanden schon hätte. Sapperment, wie horchte der große Mogol, als er solche Dinge erzählen hörte; er führte mich nach dieser Erzählung gleich zu seiner Gemahlin in ein vortrefflich aufgeputztes Zimmer, wo ihr großes buntes Zeichentuch unter Glas und Rahmen aufgehängt war. Da hieß mich nun seine Gemahlin, auch alle Damen und Kavaliers willkommen, und sahen mich mit großer Verwunderung an. Ich mußte auf Bitten des großen Mogols die Begebenheit von der Ratte noch einmal erzählen, denn seine Gemahlin wollte dieselbe Historie so gerne hören. Ei Sapperment, wie hat das Mensche darüber gelacht und sagte: Ich müßte wohl was Rechts in Deutschland sein, weil ich von solchen Dingen erzählen könnte. Nun war es gleich Zeit, daß der große Mogol zur Tafel blasen ließ. Ei Sapperment, was hörte man da für ein Geschmittere und Geschmattere von den Trompeten und Heerpauken; in seinem Schloßhofe auf einem breiten Steine standen 200 Trompeter und 99 Heerpauker, die mußten sich mir zu Ehren hören lassen, die Kerls bliesen, der Tebel hol mer, unvergleichlich [340] auch. Wie sie nun ausgeblasen hatten, führte ich die große Mongoln bei der Hand zur Tafel; es ließ, der Tebel hol mer, recht artig, wie ich so neben ihr herging. Sobald wir nun in das Tafelgemach kommen, so nötigte mich der große Mogol, daß ich die Oberstelle an der Tafel einnehmen sollte: Ich hätte solches auch ohne Bedenken getan, wenn ich nicht Lust gehabt, mich neben seine Gemahlin zu setzen, denn es war so ein wunderschön Mensche. Also mußte sich erst der große Mogol setzen, neben ihn setzte ich mich, und neben mich zur linken Hand setzte sich nun seine Liebste; ich saß da recht artig mitten inne. Über Tische wurde nun vortrefflich schön diskurrieret. Die große Mogoln fragte mich: Ob denn auch in Deutschland gut Bier gebraut würde, und welch Bier man denn für das beste halte. Ich antwortete ihr hierauf sehr artig wieder, wie daß nämlich in Deutschland überaus gut Bier gebraut würde, und besonders an dem Orte, wo ich zu Hause wäre, da braueten die Leute Bier, welches sie nur Klebebier nannten, und zwar aus der Ursache, weil es einem ganz zwischen den Fingern klebete und schmeckte auch wie lauter Zucker so süße, daß, wer von dem Biere nur ein Nößel getrunken, gleich predigen könne. Sapperment, wie verwunderten sie sich alle, daß es solch gut Bier in Deutschland gebe, welches solche Kraft in sich hätte; indem ich nun eben mit meiner Historie vom Blaserohre loslegen wollte, so kam des großen Mogols seine Leibsängerin in das Tafelgemach hineingegangen, welche eine indianische Leier an der Seite hängen hatte. Sapperment, wie konnte das Mensche schöne singen, und mit der Leier den Generalbaß so künstlich dazu spielen. Sie konnte, der Tebel hol mer, bis in das neunzehnte gestrichene C hinaufsingen, und schlug einen Triller aus der Quinte bis in die Oktave in einem Atem auf 200 Takte weg, und wurde ihr nicht einmal sauer. Nachdem nun die Abendmahlzeit zu Ende war, nahm mich die große Mogoln wieder bei der Hand, und führte mich in mein Schlafzimmer, zeigte mir, wenn ich ja Durst haben sollte, wo sie mir vom besten großen indianischen Biere hingestellt hätte, und dann wünschte sie mir eine gute Nacht. Der große Mogol blieb aber noch bei mir druchsen, als wenn er noch was zu sagen hätte, endlich langte er ein großes Buch aus seinem Schubsacke heraus, das in Schweinsleder gebunden, dasselbe zeigte er mir und sagte: daß er in dasselbe täglich sein Einkommen schreibe, und wenn das [341] Jahr um wäre, und er die Summa zusammenrechnete, wollte es keinmal eintreffen und fehlte immer der dritte Teil seiner Einkünfte; ob ich wohl rechnen könnte? Worauf ich ihm zur Antwort gab, wie daß ich ein brav Kerl sei, und wollte schon zusehen. Wie ich nun das Buch so durchblätterte, o Sapperment, was standen da für Lehen und Zinsen. Ich war her, setzte mich hin, nahm Feder und Tinte und fing an: eins, zehen, hunderttausend zu zählen und wie ich nun sahe, daß der große Mogol im Einmaleins gefehlet hatte, und solches nicht richtig im Kopfe gehabt, so hatte es freilich nicht anders sein können. Denn an statt, da er hätte subtrahieren sollen 1 von 100 bleibt 99, so hatte er subtrahieret: 1 von 100 kann ich nicht, 1 von 10 bleibt 9, und 9 von 9 geht auf. Das geht ja, der Tebel hol mer, unmöglich an, daß es eintreffen kann. Als ich nun solche Fehler fand, zeigte ich ihm gleich, wo der Hund begraben lag, und fragte ihn, ob er das Einmaleins nicht gelernt, er aber wußte nichts als das Zweimalzwei. Ich war her, und rechnete ihm alles in die richtige Summe, daß er noch halb so viel mehr übrig behielt, als er eingenommen. Ei Sapperment, als ich ihm von dem Überschusse schwatzte, sprang er vor Freuden hoch in die Höhe, klopfte mir auf meine Achseln und brachte mir einen Kober zum Geschenke, worin er sein Bildnis an einer grausam schweren Kette, auch ein Spiegelglas, das vortrefflich schön, und einige Dutzend frische Heringe eingepackt hatte, weil ich ihm bei Tische geklagt hatte, daß man in Hamburg nichts als Forellen fresse, und nur bisweilen um Lichtmessen ein paar Dutzend Heringe zu Markt kämen; wozu erkleckte das aber unter so einer Menge Volks? Hierauf nahm er Abschied, und sagte den Pagen, wenn sie mich nicht ordentlich bedienten, so würden sie in die Küche geführt werden. Als er nun weg war, o Sapperment, wie bedienten mich die Bursche, sie nannten mich zwar nur Junker, aber wenn ich das Licht mit den Fingern geputzt hatte, so liefen gleich, der Tebel hol mer, alle zugleich, daß sie die Lichtschnuppe austreten wollten, und wer es am ersten austrat, das schätzte sich derselbe zu einer großen Ehre. Darauf holte mir der eine ein paar güldene Pantoffeln, der andere eine gestickte Schlafhaube, der dritte einen schönen Schlafpelz, somit entließ ich sie, fraß noch die Heringe aus dem Kober und stellte mir das große indianische Bier vors Bette. Einen artigen Traum hatte ich nun selbe Nacht, wo Scherz und Ernst beisammen [342] war. Es kam mir im Traume nicht anders vor, als wenn mir nach den Heringen sehr durstete, da kam meine Frau Mutter flugs mit einem Fäßchen Klebebier her, das setzte ich sehr artlich an den Mund und trank es rein aus. Aber wie ich des Morgens früh aufwachte, ei Sapperment, was hatte ich im Traume für Händel gemacht, ich hatte den großen Pokal mit großem indianischen Bier, den ich vor mein Bett gestellt hatte, und worin wohl 60 Maß gingen, in mein Bette geschüttet. Da wußte ich nun keinen andern Rat, wie ich den Fehler bemänteln sollte, als daß ich im Bette brav lange liegen blieb, und trocknete es so ganz artig unten ein. Hierauf stand ich auf, und der große Mogol kam zu mir und wollte, der Tebel hol mer, mich auf dem Fleck zum Reichskanzler machen; ich aber entschuldigte mich sehr artig, wie daß ich zwar ein brav Kerl wäre, der sich was Rechts versucht, aber in Hamburg hätte ich ein zwilchen Schnupftuch vergessen, worin alle meine Sachen eingewickelt, und da nun der Herr Bruder Graf jetzt wohl schon verfault wäre, so wollte ich mir den erst holen und dann wieder kommen. O Sapperment wie granste er und die große Mogoln, als ich fortging. Auf dem Landwege nach Hause, da ging mir's auch, der Tebel hol mer, gar übel. Als ich über die Altonaische Wiese zurück kam, stieg der Geist des erstochenen Herrn Bruder Grafen, der Tebel hol mer, aus der Erde und verlangte seine schwarzen Samthosen. O Sapperment, wie erschrak ich und konnte mich gar nicht wehren, da nahm mir der Geist selbige Hosen und den Kober und den Rock und zerbläuete mich elendiglich. Als ich in solchem elenden Aufzuge in die Stadt kam, da besann ich mich eine gute Weile, wo ich mein Quartier da aufschlagen wollte; was sollte die Dame Charmante von mir denken, wenn die sonst so artig aussehende Standesperson jetzt so zerlumpt ankäme. Endlich entschloß ich mich doch, und ging in unser Wirtshaus, da kam mir der Wirt im grünen Samtpelze gleich entgegen und wollte mich heraus schmeißen. Ich war flugs her, und erzählte ihm meine Geschichte von der Ratte und wie es mit meiner Geburt zugegangen, er wollte aber nicht daran glauben, daß mir solches passiert wäre, die Dame Charmante kannte mich gar nicht wieder. O Sapperment, wie verdroß mich das von selbigem Mensche. Der Wirt sagte mir endlich, daß sein Hund gestorben, so ich dessen Geschäft versehen könnte, wollte er mir dessen Wohnung und Nahrung anweisen, was ich [343] wohl annehmen mußte, bis mir der Herr einen ordentlichen Rock geben, um meine Rückreise zum großen Mogol anzutreten, dem es, der Tebel hol mer, ein großer Strich durch die Rechnung ist, daß ich, sein Reichskanzler so lange ausgeblieben.« – Nach dieser zierlichen Erzählung sprach der alte Herr zu Florens: »Ich meine, dieser arme Teufel ist schon närrisch genug, daß er uns so närrische Sachen vorerzählt, Ihr aber, daß Ihr ihm zuhört statt Eurer Liebsten; ich aber am närrischsten, daß ich mir Kopfweh und müde Kniee hole, um Euch dazu zu bringen; wir wollen zurückkehren und den Narren mitnehmen und uns dazu abmalen lassen, wer uns aber nicht für die ärgsten Narren hält, dem wollen wir es mit guter Klinge beweisen.« – »O Sapperment«, rief Schelmuffsky, »wer uns das abstreiten will, der soll es gewiß auf seinen gebogenen Knieen abbitten, und dazu werde ich diesen Degen, welcher ein guter Rückenstreicher ist, mitnehmen.« – Florens erfreute sich herzlich dieses Vorschlags, der eben so schnell gefaßt als ins Werk gerichtet war, die drei Gemälde der drei ärgsten Narren, der alte Herr, Florens und Schelmuffsky, wurden an seinem Hochzeittage beendigt und allen zur Schau ausgestellt; auch fand sich keiner in dem durch öffentliche Blätter angezeigten Termin, der ihnen diese Ehre der Erznarrenschaft und den Besitz der Güter streitig gemacht hätte.

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Erzählungen. Der Wintergarten. Siebenter Winterabend. Die drei Erznarren. Die drei Erznarren. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1002-F