Antonius und der Schwabe.

Als zu einer Zeit der liebe Herr Sankt Antonius über Land zog, um Gottes Wort und Heil zu spenden [180] allen Bedürftigen, da kam des Weges einher gegangen ein Schwäblein, und sprach zum Heiligen: Laß uns zusammen reisen. Das war der liebe Herr wohl zufrieden, und also reiseten beide zusammen weiter. – Nun kamen sie eines Tages an zwei Dörfer, die nahe an einander lagen, und in beiden Dörfern wurde geläutet mit den Glocken. »Was wird denn da geläutet?« fragte das Schwäble. Der Heilige antwortete: »Das will ich dir sagen. Siehst du! in dem einen Dorfe läuten sie zu einer Hochzeit, und in dem andern ist eine Leiche, die sie wollen hinaus tragen.« »Ei! da geh ich in das Hochzeithaus, spricht der Schwab; da gibt's einen guten lustigen Tag mit Essen und Trinken.« Und damit geht er ins Hochzeithaus, juheiset dort mit, wartet aber den Gästen auch fein mit auf, trägt Fisch und Braten auf und langt selbst keck zu, schenkt die Becher voll und trinkt tapfer mit aus; dabei macht er lustige Schwänke und Schnurren, und treibt mancherlei possierliches Wesen, daß die Gäste lachen mußten. Und als die Hochzeit aus war, da schenkten sie ihm ein Paar Kreuzerle, die er für ein groß Gut hielt. Es waren ihrer an drei Stück. – Sankt Antonius aber war derweil ins Leichenhaus gegangen; und weil der Todte ein guter Mann gewesen war, der von allen Leuten beweint und beklagt [181] wurde, so befiehlt der Heilige dem Todten im Namen Gottes, er solle wieder lebendig werden, und wieder aufwachen; welches denn der Todte auch that. Da war große Freude bei allen Leuten, und sie verehrten dem lieben Herrn an hundert Goldgulden, die er denn auch annahm, weil man auf Reisen mit Geld immer besser fortkommt. – Auf dem Wege kamen die beiden bald wieder zusammen, und der Schwab thut gar groß und breit mit den Paar Kreuzerle, die er verdient hatte, und hätte gegessen und getrunken dazu nach Herzenslust. Da sagt ihm Sankt Antonius, er habe auch etwas verdient, denn er habe den Todten wieder lebendig gemacht, und zeigt dem Schwaben die hundert Goldgulden. Da wirft das kluge Schwäble flugs seine Paar Kreuzer in des Heiligen Säckel, und spricht: »Alles für uns beide! Alles gemein! Gleich viel mir und dir!« welches denn Antonius auch gar wohl zufrieden ist. – Sie waren etwa ein Paar Tagreisen weiter gezogen, und haben unterwegs eben nichts Rechtes zu essen gehabt, da sehen sie am Walde einen Schäfer mit seiner Heerde, und Sankt Antonius schickt den Schwaben hin, daß er ein Lämmle kaufen sollte; welches der Schwab auch brachte und zubereitete, während der heilige Mann ein wenig im Walde sich erging und dem Gebete oblag. Als nun der Schwab kochte, [182] schwamm die Leber vom Lämmle oben auf; und obschon er dieselbe gar oft ins Wasser hinunter drückte mit dem Kochlöffel, so kam sie doch immer wieder herauf, und schwamm oben auf dem Wasser, und sie roch dem Schwäble so lieblich in die Nase, daß er sein Messer zog, und die Leber entzwei schnitt. Das eine Stück aß er sogleich als einen Imbiß, und wollte das andere dem Heiligen aufbewahren; weil es aber gar so wohl schmeckte, so aß er auch das andere auf. – Als nun Sankt Antonius wieder kam, und nun zu essen anfing, vermißt er sogleich die Leber, und fragt den Schwaben, ob er sie gegessen hätte? Das läugnete dieser hartnäckig zweimal und dreimal; und als der Heilige ihm recht ernst und liebreich vorhält, daß er doch nur bekennen möge (denn er sey ja ganz mutterseelenallein beim Kessel gewesen), da wird mein Schwäble ganz trotzig und ungebärdig, und spricht sogar (und bleibt dabei), die Lämmer hätten gar keine Leber; und der Heilige kann gar nichts dagegen bei ihm ausrichten, schweigt daher lieber still, und zieht mit dem trotzigen Gesellen weiter. – Bald darauf kommen sie wieder auf zwei Dörfer, in welchen beiden geläutet wird; und es war wieder, wie das erste Mal; das eine Geläut galt einem Todten, das andere einem Hochzeitpaar. Da wollte denn der Schwab sich hundert Goldgulden[183] verdienen, und sagt zum Heiligen: er wolle dieß Mal ins Leichenhaus; und fragt gar freundlich den Heiligen, wie er es denn gemacht habe, als er den Todten erweckt? Da antwortete der Heilige: Er habe die Hand auf den Todten gelegt, und habe demselben mit rechtem Ernst im Namen Gottes befohlen, wieder lebendig zu werden. Da wäre der Todte wieder lebendig geworden. »Nun, da will ich's denn wohl eben so gut ausrichten, als Ihr,« sagt unser Schwäble; und der Heilige antwortete ihm: Ja, so du die rechte Kraft und den rechten Sinn dazu hast, so magst du es wohl ausrichten. Das Schwäble vermeint: die Kraft und den Sinn habe er denn wohl auch, und geht ins Leichenhaus, wo alles wehklagt und weint; und er spricht: wenn sie ihm hundert Goldgulden gäben, möcht er den Todten leicht wieder erwecken. Aber die Leute wollten ihm das nicht glauben; denn er sah nicht darnach aus, daß er Todte erwecken könne. Da aber vermaß und verschwor er sich, daß er's wohl ausrichten wolle, wenn er nur hundert Goldgulden bekäme, und wo er's nicht vollbrächte, sollten sie ihn an den nächsten Baum aufhenken. Da verhießen sie ihm denn das Geld. – Das Schwäble machts nun gerade so, als ihm gesagt ward, aber der Todte blieb todt. E versucht es noch einmal, und auch zum dritten Mal; aber der [184] Todte rührte sich nicht, und konnte nicht zum Leben kommen. Da war das Schwäble recht tollköpfig und unwirsch, und sprach: Nun, wenn du denn nicht wieder ins Leben willst, so bleib' in des Guggers Namen todt, und lieg', so lang du willst. Und damit wollte er sich auf und davon machen; aber die Leute waren schneller als er, hielten ihn fest, und holten eine Leiter herbei, die sie an einen hohen Baum lehnten, und thaten ihm einen Strick um den Hals, und er mußte die Leiter hinauf. – Es war eben die höchste Zeit, als Sankt Antonius daher kam, und dem Schwaben verhieß, er wolle ihn erlösen, und statt seiner den Todten gewißlich lebendig machen, nur solle der Schwab bekennen, daß er das Leberlein gegessen habe. Das wollte der aber auf der Leiter nicht, und wie hoch und sehr der liebe Herr ihn auch bat, half's doch nicht, und das Schwäble blieb dabei: er hätte das Leberle nicht gessen, und die Lämmle allzumal hätten kein Leberle. Da sollte der arme Schwab nun gehenkt werden. Aber der heilige Mann konnte das doch nicht über's Herz bringen, sondern ging hin, und machte den Todten lebendig, und bekam die hundert Goldgulden und erlös'te das Schwäblein, und zog mit demselben weiter. – Als sie nun einen Tag oder zwei wieder mitsammen gegangen waren, setzt sich der Heilige [185] auf einen schönen grünen Hügel, und ruht aus, und der Schwab setzt sich neben ihn, und ruht auch aus. Da hebt der Herr an, und spricht zu dem Schwaben: »Hör', du lieber Gesell, es ist nun an der Zeit, daß jeder von uns seines eigenen Weges ziehe; denn wo ich hin muß, kannst du nicht hin.« Und der fromme Mann zog den Säckel hervor, und theilte das Geld in drei Häuflein, die alle ganz gleich waren, und auf jedes Häuflein kam eins von dem Kreuzerle des Schwaben. Und der Heilige nahm ein Häuflein, und gab es dem Schwaben, und sagte: Das ist dein. Eins aber nahm er für sich, und that es in das Säcklein, und sprach: Das ist mein! Da fragte das Schwäble: »Aber, lieber Gesell, wem soll denn das dritte Häuflein zukommen?« Denn er hätte es gern haben mögen. Da sprach Sankt Antonius: »Das soll der haben, der das Leberlein gegessen hat, und gewißlich kein anderer.« Da sprach das Schwäble: »Herr! das Leberle hab ich dennoch wahrhaftig gessen.« Und so that das Geld, was der Galgen nicht hatte vermocht.


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TextGrid Repository (2011). Aurbacher, Ludwig. Märchen und Sagen. Büchlein für die Jugend. 8. Die Pathengeschenke. - Des armen Waisen Leben und Tod. usw.. Antonius und der Schwabe. Antonius und der Schwabe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1547-2