33. Das goldbordirte Hütlein.

In der Rechnung des Kastenamts Burghausen vom J. 1773 hatte sich ein sonderbarer Ausgabs-Posten vorgefunden: »Item für ein goldbordirtes Hütlein: thuet 16 fl. 25 kr.« Den Heeren von der Rechnungskammer in München, die Alles genau nahmen, fiel das auf, und sie stellten den Kastner darüber zur Rede, wie das goldbordirte Hütlein in die Kastenrechnung gekommen sei. Er antwortete: »Auf die natürlichste und rechtmäßigste Weise. Als nämlich im Mai vergangenen Jahres der gnädigste Kurfürst nachBurghausen kam, wollte und mußte ich ihm wol besondere Ehre erweisen, und ritt ihm vor auf einem Miethgaul; und damit er mich aus Allen heraus kennete als seinen Beamten, so schaffte ich mir ein goldbordirtes Hütlein an, und paradierte damit, nicht ohne Erfolg; denn der gnädigste Herr bemerkte es in Gnaden, und erklärte nachmals, daß er mir gut angelassen, das goldbordirte Hütlein. Und da dies nun im höchsten Dienste geschehen [102] und zu Ehren des Landvaters – schloß er – so möchte ich wissen, wem ich's anders auf die Rechnung schreiben sollte, als ihm selbst, dem gnädigsten Kurfürsten?« Die Herren von der Kammer aber meinten: »Es sei zwar die patriotische Gesinnung, die er an den Tag gelegt, gar sehr zu loben; aber die Unkosten, die er dem hohen Gaste zu Ehren freiwillig gemacht habe, müsse natürlich er selbst tragen, weil ihm keine besondere Vollmacht dazu gegeben worden sei.« Also mußte er sich's gefallen lassen, daß ihm der Posten gestrichen wurde. »Je nun,« sagte der Kastner, »wenn's nur schlechterdings nicht in der vorjährigen Rechnung stehen soll, das goldbordirte Hütlein, so mag's meinethalb in die Rechnung des laufenden Jahres kommen.« – »Das wollen wir sehen!« sprachen die Herren. »Das sollen die Herren nicht sehen!« sagte der Kastner. Also nahmen sie's für Spaß und waren zufrieden. – Im folgenden Jahr, als die Hauptrechnung des Kastners eingelaufen war, spionirten die Herren sorgfältigst nach dem Posten, das Hütlein betreffend; und sie sprachen alsdann zum Kastner: »Wie ist's? wir suchen nach dem Hütlein vergebens.« »Wie es sei?« versetzte der Kastner. »Drinnen steckt's,« sagte er, »aber ihr mögt suchen, so lang ihr wollt, ihr werdet's doch nimmermehr finden.«

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TextGrid Repository (2011). Aurbacher, Ludwig. Märchen und Sagen. Ein Volksbüchlein. Zweiter Theil. 2. Allerlei erbauliche und ergötzliche Historien. 33. Das goldbordirte Hütlein. 33. Das goldbordirte Hütlein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1622-C