VII. Mephistopheles.

»O Wissensdrang, nun wird dir gewiss Befriedigung!
Ich kann zu Sternen schweben mit Adlerflügelschwung!
Ich kann durch Felsenmauern mit Geisterhülfe gehn,
Kann grüssen den Aequator und überm Nordpol stehn!«
So ruft voll kühner Träume der zaubermächtge Mann,
Des neuen Bundes fröhlich, der Macht, die er gewann.
Wie träumt er sich allmächtig, wie gross! Sein Auge trifft
Im dunkeln Buch der Zukunft schon seines Namens Schrift.
Und wie die düstre Dämmrung den Tag in Schleier hüllt,
Da sicht er das Versprechen der Abgrundsmacht erfüllt;
Da klopft an seine Zelle ganz leise Geisterhand,
Es tritt herein der Diener im grauen Mönchsgewand.
»O Faustus, Hochgewaltger,« spricht er, und neigt sein Haupt:
»Wie hast Du mich des Glanzes, der Herrlichkeit beraubt!
Ich, stolz einst und undienstbar dem, der im All gebeut,
Muss nun vor Dir mich beugen, ungern und unerfrent!«
[32]
»Doch wird die Zeit verrinnen, wie jede Zeit verrinnt,
Freiheit wird mir beginnen, wenn Knechtschaft Dir beginnt.
Knechtschaft, die nimmer endet, bis dahin – dien' ich treu,
Und rufst du nur: Mephisto! so fliegt dein Knecht herbei.«
So spricht der graue Diener, und Faustus steht verwirrt;
Ist's Wahrheit, ist es Täuschung, die neckend ihn umschwirrt?
So steht er nah dem Ziele? So lügt die Hölle nicht?
Und freudig, seiner Macht froh, ermannt er sich, und spricht:
»Gleich ists, ob Du mir freudig, ob Du mir unfroh dien'st,
Nur dass Du keine Fordrung zu weigern Dich erkühn'st.
Nur dass Du reich das Haus mir, die Tafel mir versiehst,
Dass bei dem Quell der Weisheit der Born der Freude fliesst!«
›Nichts, nichts, was Dir gelüstet, wird Faustus, Dir versagt;
Ich bin Dein Koch, Dein Kellner, Dein Knecht und Deine Magd.
Sei guter Dinge, fröhlich, fort mit dem Doktorgewand,
Es wandle mit Voluptas Sophia Hand in Hand!‹
»Ha, Diener, Du gefällst mir; machst mich der Sorge quitt,
Die mir für Haus und Nahrung erwuchs bei jedem Schritt!
Wie freier werd' ich fühlen des Geistes rege Kraft!
Wie froher werd' ich kühlen den Durst nach Wissenschaft!«
›Der soll Dir bald gestillt sein; Du bist noch namenlos,
Bald aber vor den Völkern, Faust, wird Dein Name gross!
Dein Ruhm der hohen Thaten reicht an die Sterne weit,
Er wird, wie Zaubersaaten, in alles Land gestreut!‹
[33]
»Und kannst Du mir erhellen, was dunkel meinem Geist?
Weisst Du des Lichtes Quellen, Du, der so viel verheisst?
Kannst durch die Luft mich tragen, mich halten überm Mcer?
Darf ich Dich alles fragen, ist nichts für Dich zu schwer? –«
›Wohl ist mir vieles kundig, und vieles offenbar,
Die Höhen und die Tiefen durchschaut mein Augo klar.
Ich trage Dich durch Lüfte, trag' übers Meer Dich weit,
Ich gebe, wenn auch ungern, auf Fragen Dir Bescheid.‹
»Und soll ich, wenn ich rufe, als Mönch Dich immer schaun?
Fürwahr, es wird mich höchlich die heilge Tracht erbaun!
Ich will vor Dir mich neigen: Salve mi Domine!
Du sprichst mit frommer Salbung Dein Benedicite!«
›Du darfst für Deinen Diener nur wählen die Livrei,
Mir passen alle Trachten, sind mir auch einerlei.
Ich kroch nur in die Kutte für diesesmal hinein,
Weil sie für Tücke, Schalkheit und List ein Heilgeuschein.‹
›Die Kutte ist ein Röcklein, drin man sich hat bequem;
Ein Hauskleid für die Sünde, weich, warm und angenehm.
Ein Beichtstuhl, drin das Pfäfflein der Nonne Liebe schwört,
Und ich – bin eben einer, der in die Kutte gehört.‹
»Mich freut's, Dich so zu finden, Du scheinst von leichtem Sinn,
Du wirst mich gut erheitern, wenn ich verdrossen bin.
Ach, ich bin oft verdrossen, und zürne dem Geschick:
Weil Andres mir verschlossen, sucht' ich bei Euch das Glück.«
[34]
›Da wohnt's just; sich, wir fassen mit Menschensinn die Welt;
Im Lieben und im Hassen sind wir Euch gleichgestellt.
Nur dass die Wirkung mächtger, doch kaum begreifst Du das,
Denn unsre Lieb' ist tödlich, wie tödlich unser Hass.‹
»Wohlan, Du sollst mich lehren, scheinst mir just alt genung!
So wird dem Drang nach Wissen gewiss Befriedigung.
Fort mit der trocknen Weisheit, fort alter Bücherwust!
Ich will die Welt umfassen mit hoher Götterlust!«
[35]

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 7. Mephistopheles. 7. Mephistopheles. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2AAB-4