Tanz auf der Tenne

(Skt. Heinrich.)


Es kreiste die Sense mit scharfem Schwung,
Es fielen die Halme, es sank das Gras,
Und die Sonne lachte der Ernte.
Der Himmel war blau, und die Luft war heiß,
Und die Schnitterin schnitt und lachte dazu:
Oh, du Sonne, du Sonne, du gute!
Nun ist es gesammelt, das goldene Korn,
Und das duftige Heu liegt wolkenschwer
Im Haus, unterm Dach: Nun sind wir dich los,
Frau Sorge!
Nun klingen die Glocken zum Erntefest,
Nun wollen wir tanzen zwischen dem Heu,
Wo unsere Schlegel dem Körnertanz
Laut schlugen den Takt:
Auf der Tenne.
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Nun Schnitterin komm und reich mir die Hand,
Nun will ich mal sehn, du fröhliche Dirn,
Ob deine Beine so lustig sind,
So voll Kraft und voll Schwung,
Wie die Arme.
Und die Geige singt,
Und der Brummbaß brummt,
Und die Pfeifen kichern und kullern wie toll,
Und wir drehen uns wild
Rundum, rundum
Zwischen duftendem Heu auf der Tenne.
Warm fühl ich mir nah deine Frühlingsbrust,
Du flinkes Mädel; ich halte dich fest,
Ich seh in dein Auge, es jauchzt mein Herz:
Oh, du Sonne, du Sonne, du gute!

Notes
Erstdruck in: Erlebte Gedichte, Berlin (Issleib) 1892, bzw. in: »Nemt, Frouwe, disen Kranz«. Ausgewählte Gedichte, Berlin 1894.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Tanz auf der Tenne. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2FE0-8