Bjørnson, Bjørnstjerne
Über die Kraft I
(Over Ævne I)

Personen

[4] Personen.

    • Pfarrer Adolf Sang

    • Frau Klara Sang

    • Elias,
    • Rahel, ihre Kinder

    • Mrs. Hanna Roberts, Frau Sangs Schwester

    • Der Bischof

    • Kröjer,
    • Blank,
    • Brej,
    • Jensen,
    • Falk,
    • Bratt, Geistliche

    • Die Pfarrerswitwe

    • Aagot
    • [4]

1. Akt

1. Szene
Erster Auftritt.
In dem Bett liegt weißgekleidet Frau Klara Sang unter weißer Überdecke. Am Fenster steht ihre Schwester, Mrs. Hanna Roberts.

HANNA.
Wie die Sonne draußen ins Birkenlaub scheint! – Und so zart ist dieses Laub hier!
KLARA.
Du Hanna, – wie es hier nach Vogelkirsche riecht!
HANNA.
Soweit ich mich umblicke, – Vogelkirsche sehe ich nicht.
KLARA.

Von dort kannst Du sie nicht sehen. Aber Vogelkirsche wächst hier. Die Morgenbrise führt den Duft gerade ins Zimmer zu uns.

HANNA.
Doch ich merke nichts davon.
KLARA.
Nach solchem Regen spüre ich den leisesten Atem der Natur.
HANNA.
Und Du kannst Vogelkirsche riechen?
KLARA.
Ganz genau. – Wir wollen wenigstens das untere Fenster schließen.
HANNA.
Wenn Du meinst. Tut es.
KLARA.
Wer hat Dir eigentlich gesagt, es sei ein Bergsturz zu erwarten?
HANNA.

Der Alte, – der Steuermann des Dampfschiffes, das uns herbrachte. Es regnete und regnete, und da sagte er: »'s ist Gefahr im Verzuge. Nach einem Regen, der solange anhält, lockert sich der Berg.« Ich habe die ganze Nacht an nichts anderes gedacht.

KLARA.

Du mußt nämlich wissen, hier geht ein Sturz nach dem andern herunter. Einmal – das war freilich vor unserer Zeit – da hat der Sturz die Kirche mitgerissen.

[5]
HANNA.
Die Kirche?
KLARA.
Nicht die Kirche, die hier steht, – die alte, die viel weiter hinten stand.
HANNA.
Ach, deshalb hat man sie wohl so dicht an die Gartenmauer gebaut?
KLARA.

Jawohl. – Jetzt, wenn die Kirchenfenster im Sommer ausgenommen sind, kann ich hier von meinem Bett Adolf am Altar singen hören. Das heißt, dann muß die Tür hier offen stehen und auch die Tür der Wohnstube, und natürlich muß das Fenster der Wohnstube auch offen stehen. – Er singt so herrlich. Wenn beide Türen offen sind, kann ich die Kirche von hier sehen. Komm her! Drum steht auch das Bett an dieser Stelle.

HANNA
tritt näher.
Liebe Klara, – daß ich Dich so wiedersehen muß! Warum hast Du nie geschrieben?
KLARA.
Erstens ist Amerika so weit fort; und dann –. Doch – davon ein andermal.
HANNA.
Ich verstand gestern Deine Antwort nicht, als ich nach dem Doktor fragte.
KLARA.
Adolf war im Zimmer, darum antwortete ich ausweichend. Wir haben keinen Doktor.
HANNA.
Ihr habt keinen Doktor?
KLARA.

Er ist einmal über das andere gekommen, – der Doktor wohnt nämlich sehr weit von hier –, und es hat doch nichts geholfen. Aber wie ich dann einen ganzen Monat dagelegen, ohne Schlaf zu finden, –

HANNA.
Einen ganzen Monat, ohne zu schlafen, das ist aber doch unmöglich ...?
KLARA.
Jetzt sind es bald anderthalb Monate, – was sollte uns da noch der Doktor nützen, nicht wahr?
HANNA.
Wie?
KLARA.

Als mein Mann ihn fragte, was mir denn fehle, da gab er der Krankheit einen häßlichen Namen. Ich weiß den Namen nicht, denn Adolf hat ihn mir nicht gesagt. Dann haben wir ihn nicht mehr holen lassen.

HANNA.
Sprichst Du nicht zuviel?
KLARA.

Ganze Tage lang spreche ich überhaupt[6] nicht, und dann wieder unaufhörlich. Ich muß! – Nun wird Adolf wohl bald von seinem Morgengang wiederkommen, und dann bringt er mir Blumen mit.

HANNA.
Kann ich Dir nicht ein paar pflücken, wenn Du so gern welche haben willst?
KLARA.

Nein; manche sind darunter, die mir unerträglich sind. Adolf kennt sie. – Hanna, Du hast mir ja nichts von dem Wiedersehen mit meinen Kindern auf dem Dampfschiff erzählt. Ich möchte so furchtbar gern davon hören. Gestern war solche Unruhe hier, und dann wart Ihr alle so müde. Denk nur, die Kinder schlafen noch, von sieben bis sieben! Die liebe Jugend!

HANNA.

Sie hatten's auch nötig. Aber ich kann nicht mehr als ein paar Stunden schlafen – jetzt, und doch bin ich nicht müde.

KLARA.

Ja, das geht allen so, die ins Land der Mitternachtssonne kommen. Man wird übernächtig. – Und die Kinder? Sind sie nicht reizend? Und wie unschuldig sie sind!

HANNA.

Aber sie sehen Dir nicht ähnlich. Auch nicht gerade Sang, – höchstens die Augen. Das fiel mir später auf.

KLARA.
Erzähl', erzähle!
HANNA.

Denn hätten sie Euch ähnlich gesehen, dann hätte ich sie ja erkannt. Euch beide habe ich nicht gesehen seit Eurer eigenen Jugend, vergiß das nicht. – Aber ich sah sie an Bord gehen, und ich sah sie auch später noch, obwohl sie zweite Kajüte fuhren ...

KLARA.
Weiter reichte ihr Geld nicht, – die armen Dinger!
HANNA.

Und ich habe sie nicht erkannt. Eines schönen Morgens nun stand ich auf dem Hüttendeck. Unter mir gingen sie raschen Schrittes auf und nieder, um warm zu werden. So oft sie den Rücken wandten, um wieder auf die andere Seite hinüberzugehen, konnte ich die Augen nicht vergessen, denn die Augen, die mußte ich kennen. Da stießen zwei Seevögel so nahe aus der Luft herunter, daß Rahel rasch mit den Armen [7] ausholte; sie war ganz erschrocken, denn die Vögel kreischten dicht an ihrem Ohr. Diese Armbewegung, – die machtest Du gerade so. Und da erkannte ich auch die Augen, – Sangs Augen.

KLARA.
Und nun gingst Du gleich zu ihnen hinunter?
HANNA.

Das fragst Du noch?! »Heißt Ihr Sang?« fragte ich. Zu antworten brauchten sie nicht. Nun war ich meiner Sache sicher. »Ich bin Tante Hanna aus Amerika«, sprach ich. Und dann übermannte uns die Rührung.


Beide Schwestern weinen.
KLARA.
Rahel hatte Dir geschrieben und Dich gebeten, zu kommen. War's nicht so?
HANNA.

Ja. Und dafür werd' ich Rahel immer dankbar sein. Wie reizend sie war! Ich nahm beide gleich mit in die erste Kajüte und legte Rahel einen großen Schal um; denn sie fror. Ich gab ihr ein Plaid über.

KLARA.
Du liebe Hanna!
HANNA.

Doch, – auch das gehört dazu! – im selben Moment ging eine pechschwarze Brise über den Fjord; wir hatten sie im Rücken. Wir fuhren eben unter einer hohen, kahlen, grauen Felswand vorbei. Eine Schar Möven folgte dem Schiff: einige schrien just über unseren Köpfen. Und dabei war eine eisige Kälte. Einige armselige Häuser am Ufer – das waren aber auch die einzigen, die wir sahen, und meilenweit waren wir gereist, ohne andere zu sehen. Nur Berge und Schären! Das sind also die nordischen Lande, dachte ich. Hier sind diese verfrorenen Kinder aufgewachsen. Nie werd' ich das vergessen! Furchtbar.

KLARA.
So furchtbar ist das doch nicht.
HANNA.

Klara! – Wie Du nun daliegst –! Und weißt Du noch, was für ein feines, lebensfreudiges Ding Du warst?

KLARA.
Ja, ja! – Wo soll ich nur anfangen, um Dir dies alles zu erklären. Ach Gott!
HANNA.

Warum hast Du mir nicht einen Notschrei[8] übers Meer gesandt? Mir, die es so gut hat und Dir auf so manche Art hätte an die Hand gehen können, damit Du Dich nicht zu überarbeiten brauchtest?

Warum hast Du nicht die Wahrheit geschrieben? Die ganze Zeit hast Du damit hinterm Berge gehalten. – Erst Rahel schrieb mir die Wahrheit.

KLARA.
Ja, ja! – So war es. – Und so mußt' es sein.
HANNA.
Und weshalb?
KLARA.

Hätte ich geschrieben, wie die Dinge standen, und wärt Ihr alle gleich herbeigestürzt, so – –. – Ich will keine Hilfe. Denn mir ist nicht zu helfen.

HANNA.
Also – gelogen hast Du? –
KLARA.
Ja, natürlich. Ich habe beständig gelogen – und alle belogen. Was hätt' ich sonst tun sollen?
HANNA.
Dies alles ist mir so rätselhaft! In jeder Beziehung.
KLARA.

Hanna! Du sagtest »überarbeitet«. Du sagtest, Du hättest mir auf so manche Art an die Hand gehen können, damit ich mich nicht zu überarbeiten brauchte. Hast Du schon einen überarbeiteten Menschen gekannt, der imstande gewesen wäre, um Hilfe zu bitten, oder fähig gewesen, Widerstand zu leisten?

HANNA.
Nun, und – als es noch Zeit war – als Du noch bei Kräften warst –?
KLARA.
Du redest, wie Du's verstehst.
HANNA.
Dann klär' mich doch auf – wenn Du's kannst.
KLARA.
So rasch und plötzlich kann ich's nicht. – Aber vielleicht nach und nach.
HANNA.

Um also den Anfang zu machen: Du hattest doch seinen Glauben nicht. – Wie seltsam! War das der Grund?

KLARA.

Nein. – Ja, das ist ein weites Feld! – Aber das ist nicht der Grund. Wir haben ein so verschiedenes Naturell; – aber auch das ist es nicht. Wäre Sang wie andere Männer gewesen – aufbrausend und rechthaberisch; ja, dann wär's nicht schlimm gewesen – [9] vielleicht nicht! Aber lange, eh' er mich kennen lernte, war seine ganze Kraft – und er hatte Kraft, das kannst Du glauben – auf seine Arbeit konzentriert; die Arbeit war ihm Liebe, war ihm Aufopferung geworden. Und schön war sie, – wie schön! Willst Du wohl glauben, daß in unserm Hause noch kein hartes Wort gefallen ist, daß es hier noch keine »Szene« gegeben hat? Und nun sind wir doch bald fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Er leuchtet von ewiger Sonntagsfreude. Für ihn ist Sonntag das ganze Jahr.

HANNA.
Wie Du ihn lieben mußt!
KLARA.

Ihn »lieben« – oh, damit ist gar nichts gesagt. Ich bin nichts ohne ihn. Und da kannst Du von Widerstand reden? – – Das heißt: hier und da war ich schon zum Widerstand genötigt, wenn es einmal zu sehr unsere Kräfte überstieg.

HANNA.
Was meinst Du damit?
KLARA.

Das will ich Dir später erklären. Aber wer kann widerstreben, wo nichts als reine, reine Güte ist – als reine, reine Aufopferung – als reine, reine Freude? Und wer kann widerstreben, wenn sein kindlicher Glaube und seine übernatürliche Macht alle anderen mitreißen?

HANNA.
Übernatürlich, sagst Du?
KLARA.
Hast Du nicht davon gehört? Haben die Kinder Dir nichts erzählt –?
HANNA.
– was? –
KLARA.
– nun, – wenn Sang recht inbrünstig betet, so erhält er das, worum er betet.
HANNA.
Er tut Wunder, meinst Du?
KLARA.
Ja!
HANNA.
Sang?!
KLARA.
Haben die Kinder Dir es nicht gesagt?
HANNA.
Nein!
KLARA.
Das ist doch aber seltsam!
HANNA.
Von dergleichen haben wir überhaupt nicht gesprochen.
KLARA.

Aber dann haben sie ja nicht ... Ach, sie haben gedacht, Du wüßtest es! Denn Sang – ja, Sang [10] heißt im ganzen Lande nur der »Wunderpastor«. Sie haben gedacht, das sei Dir bekannt! Sie sind so bescheiden, die Kinder.

HANNA.
Tut er denn Wunder? Wunder –?
KLARA.
Als Du ihn erblicktest, – hattest Du da nicht gleich den Eindruck von etwas Übernatürlichem?
HANNA.

Es wäre mir nie eingefallen, dieses Wort zu gebrauchen; – aber nun, da Du es aussprichst ... Freilich, er macht einen – ja, wie soll ich nur sagen – einen im höchsten Grade geistigen – einen sehr eigenartigen Eindruck ...! Als gehöre er nicht hierher.

KLARA.
Ja, nicht wahr?
HANNA.
Allerdings.
KLARA.

Weißt Du, – oft lieg' ich zusammengekrampft da, – die Beine bis an die Brust und die Arme ... ja, ich wage nicht, Dir es vorzumachen, sonst könnt' es leicht wiederkommen ... So lieg' ich oft ganze Tage, wenn er fort ist, und kann die Glieder nicht rücken und nicht rühren. Glaub' mir, das ist furchtbar! Einmal ... er war in den Bergen, – ach, diese Reisen im Gebirg! – da lag ich acht ... acht lange Tage so. Und kaum trat er durch die Tür dort – kaum sah ich ihn und er mich, da löste sich die Starre meiner Arme und Beine, und er kam und strich drüber hin und ich lag so schlank da wie jetzt! Und das wiederholt sich so – wieder und wieder. Er braucht nur ins Zimmer zu kommen, und der Krampf geht vorüber.

HANNA.
Seltsam!
KLARA.

Willst Du wohl glauben – wenn er zu Kranken, das heißt: zu wahrhaft Gläubigen, die krank sind, kommt und mit ihnen betet, so werden sie wieder gesund! Das ist nicht einmal, das ist hundertmal geschehen!

HANNA.
Wirklich gesund?
KLARA.

Ganz gesund. Ja, und willst Du wohl glauben – wenn er Kranken, die nicht zu ihm kommen konnten (denn es gibt hier ja so große Entfernungen!), – wenn er ihnen geschrieben hat, er werde an dem und [11] dem Tage und um die und die Stunde für sie beten, und sie sollten mitbeten, – so trat von dieser Stunde an eine Wendung in ihrer Krankheit ein. Das ist die Wahrheit. Ich kenne viele solcher Fälle!

HANNA.
Merkwürdig! – Warum hast Du denn nie davon geschrieben?
KLARA.

Ich kenn' Euch doch! Und meinst Du, ich hätte ihn Eurer Zweifelsucht ausliefern mögen? –

Eine Pfarrerswitwe lebt hier – die müßtest Du sehen. Sie wohnt ganz in der Nähe. Etwas Ehrwürdigeres als sie läßt sich kaum denken! – Sie war fünfzehn Jahre gelähmt gewesen, als Sang in die Gegend kam; das ist jetzt fünfundzwanzig Jahr her. Nun geht sie jeden lieben Sonntag zur Kirche!

HANNA.
Er hat sie kuriert?
KLARA.

Nur durch Beten und die Art, wie er sie zu eigenem Beten zwang. Und dann Aagot Florvaagens Fall. Das war wohl das Merkwürdigste. Denn soviel wir sahen, war sie tot. Er legt ihre Hand in seine Hand, und er legt seine andere Hand auf ihr Herz und erwärmt es, und da fängt sie wieder an zu atmen. Sie lebt jetzt zusammen mit der alten Pfarrersfrau, – gleich hier nebenan! – Ich könnte hier bis morgen liegen und erzählen und erzählen. Ein unvergleichlicher Glanz geht von ihm aus und leuchtet weit ins Land hinaus – über die Tausende von Gläubigen hin. Und nun wächst seine Macht und wächst, daß wir keinen Tag mehr Frieden haben.

HANNA.
Also ich werde das auch zu sehen bekommen, – das, wovon Du erzählst, – während meiner Anwesenheit?
KLARA.
So gewiß wie ich hier liege und mich nur auf die Ellbogen stützen kann.
HANNA.

Aber warum erprobt er die Kraft seiner Wunder nicht an Dir, Klara! Weshalb hat er Dich nicht schon lange geheilt?

KLARA.
– – – Das hat seinen besonderen Grund.
HANNA.
Den Du mir doch sagen wirst?
[12]
KLARA.

Nein. – Oder: ja. Aber später. – Willst Du nicht ein Fenster wieder öffnen?! Es wird so dumpfig hier. Mehr Luft, Hanna!

HANNA.
Gewiß. Öffnet das oberste Fenster.
KLARA.

Jetzt muß er aber gleich kommen. Er bleibt wirklich heut lange fort. Hätte ich nur erst den Duft der Blumen. Nach dem Regen müssen eine Menge aufgeblüht sein. Jetzt ist es bald sieben; kurz vor sieben.

HANNA
sieht auf ihre Uhr.
Ganz richtig.
KLARA.

Seit ich hier liege, weiß ich immer, wieviel die Uhr ist. – Käme die frische Luft doch nur einmal bis zu mir? – Gewiß hat sich der Wind gelegt? – – Du antwortest ja nicht!

HANNA.
Nein, – ich habe nicht zugehört. – Ich komme noch immer nicht von meinem Erstaunen los.
KLARA.
Ja, das ist auch die größte Merkwürdigkeit unseres Landes. Vielleicht unserer ganzen Zeit.
HANNA.
Und was sagen die Leute dazu? Wie stellen sich die Bauern zu ihm?
KLARA.

Ich glaube, es hätte überall anderswo zwanzigmal, ja hundertmal mehr Aufsehen gemacht, als gerade hier. Hier denken die Leute, das müßte eben so sein.

HANNA.
Aber Klara! Wunder ist Wunder.
KLARA.

Ja, für uns. Doch die Natur hier ist von der Art, daß sie auch von uns das Ungewöhnliche heischt. Die Natur selbst wächst hier ja über das Maß des Gewöhnlichen hinaus. Wir haben fast den ganzen Winter Nacht. Wir haben fast den ganzen Sommer Tag – und dann steht die Sonne über dem Horizont Tag und Nacht. Hast Du sie in den Stunden der Nacht gesehen? Hinter dem Meeresnebel. Hinter den Dunstschleiern der See erscheint sie dreimal, oft viermal so groß wie sonst. Und diese Farbenwirkungen! Über den Himmel, das Meer, die Berge hin! Vom stärksten Feuerrot bis zum feinsten, zartesten Gelbweiß. – Und die Farben des Nordlichts am Winterhimmel! Obwohl sie gedämpfter sind, so ist dafür die bewegteste Zeichnung in ihnen, und eine Unrast und ein unendlicher Wechsel! Und [13] dann die anderen Naturwunder! Vögel zu Millionen geschart; Schwärme von Fischen, – so lang »wie die Strecke von Straßburg nach Paris«, schrieb einmal jemand. Du siehst die Felsen, wie sie jäh aus dem Meer aufsteigen. Sie haben ihresgleichen nicht. Und die Wellen des Ozeans brechen sich an ihnen ...

Dementsprechend sind natürlich die Vorstellungen des Volkes. Sie kennen nicht Maß noch Ziel. In ihren Sagen, ihren Märchen ist ein Geist, wie wenn man ein Land auf das andere wälzen und hinterher auf diesen Länderberg die Eismassen des Nordpols türmen wollte. Ja, Du lachst. Aber höre nur erst einmal diese Sagen! Sprich mit den Leuten, und Du wirst gleich verstehen, daß Pastor Adolf Sang ein Mann nach ihrem Herzen ist. Sein Glaube paßt zu dem Lande. Als er hierher kam, da hatte er ein großes Vermögen, und fast alles hat er weggegeben. Das mußte so sein! Das war Christentum! Und kommt er nun meilenweit zu einem armen Kranken gereist und betet, dann springen sozusagen ihre Seelen auf und Licht dringt hinein, unmittelbar –! Manchmal können sie ihn in einem Hundewetter draußen auf dem Meere sehen; er allein in einem winzigen, winzigen Boot, vielleicht hat er eins von den Kindern mit oder auch beide: denn er nahm sie mit – von ihrem sechsten Jahr an. Tut wohl ein Wunder und dann weiter – weiter nach einem andern Fischernest – und hier ein neues Wunder! Sie erwarten das gewissermaßen von ihm – und noch mehr! Wär' ich nicht manchmal eingeschritten, so hätten wir heute nicht das Brot im Hause, und er selbst wäre kaum mehr am Leben. Vielleicht auch die Kinder nicht – von mir will ich ganz schweigen. Denn ich bin fertig.

HANNA.
Aber dann bist Du doch gar nicht eingeschritten? – –
KLARA.

Das mag so aussehen. Aber ich hab's getan. Nicht mit Vorstellungen – die helfen nichts! Nein, ich muß etwas aushecken – beständig etwas Neues – jedesmal. Sonst merkt er's. Ach, es ist zum Verzweifeln!

[14]
HANNA.
Etwas aushecken, sagst Du?
KLARA.

Ihm fehlt ein ganzer Sinn. Der Wirklichkeitssinn. Er sieht immer nur das, was er sehen will. Darum sieht er z.B. nie das Böse in den Menschen. Das heißt: er sieht es schon; doch er übersieht es auch. »Ich halte mich an das Gute in der Menschheit«, sagt er. Und wenn er mit den Menschen redet, so sind sie alle gut, absolut alle. Blickt er sie aus seinen Kinderaugen an, – so ist man entwaffnet. Aber das geht nicht gut aus. Denn er richtet uns zugrunde – solcher Leute wegen. Und so ist sein Handeln unverhältnismäßig, verstehst Du, – im großen wie im kleinen. Er nähme, wenn er könnte, unsern letzten Besitz – das, wovon wir morgen leben müssen! »Gott wird es schon wiedergeben; denn er hat uns geboten, so zu tun.«

Wenn draußen solches Unwetter ist, daß sich die erprobtesten Seeleute nicht auf einem Schiffe, geschweige denn in der Barke des Pfarrers aufs Wasser getrauen, dann möchte er in einer Nußschale hinaus – und am Ende noch gar das kleine Kind hinten hinein setzen!

Er ist über die Berge gezogen im Nebel und drei Tage und drei Nächte umhergestrichen ohne Nahrung. Man ging auf die Suche nach ihm und brachte ihn wieder zu Menschen. Und die Woche darauf will er schon wieder dieselbe Tour im Nebel machen!

HANNA.
Verträgt er's denn?
KLARA.

Er verträgt alles. Er schläft ein wie ein müdes Kind, und schläft und schläft und schläft. Dann wacht er auf, nimmt etwas zu sich und geht wieder frisch an sein Tagwerk. Er lebt in einer ganz anderen Welt; denn er ist ganz arglos.

HANNA.
Wie Du ihn liebst!
KLARA.

Ja, diese Liebe ist aber auch das einzige, was von mir übrig geblieben ist. Doch das Los der Kinder hat mich gebrochen.

HANNA.
Der Kinder?
KLARA.

Das Leben hier war für sie vom Übel. Alles unregelmäßig, schwankend; sie wußten nicht aus noch [15] ein. Jeder Vorsatz wurde ausgeführt, koste es, was es wolle. Keine Überlegung, nur Inspiration! Als sie schon erwachsen waren, konnten sie wenig mehr als lesen und schreiben. – Und was ich ausgestanden habe, bis ich sie fortgeben konnte. Und dann diese fünf Jahre der Sorgen, weil ich doch für ihr Auskommen und ihre Ausbildung in der Fremde die Mittel schaffen mußte. Ja, das hat meine letzte Kraft aufgezehrt. Jetzt bin ich am Ende!

HANNA.
Liebe, liebe Klara!
KLARA.

Du meinst doch wohl nicht ...? Soll das etwa Mitleid sein? – Hab' ich nicht die Lebensreise zusammen gemacht mit dem besten Mann der Welt? Zusammen mit dem reinsten Willen, den die Menschheit kennt? – Man lebt kürzer auf die Art – gewiß. Man kann nicht alles auf einmal haben. Aber darum möcht' ich doch mit niemand tauschen! – Hanna!

HANNA.
So hat er denn Euch den anderen geopfert!
KLARA.

Das hat er! Ganz richtig. Das heißt: nicht alle hat er geopfert; das durfte er denn doch nicht. Er hätte auch sich selbst geopfert, wenn man ihm seinen Willen gelassen. Er geht doch über die Kraft hinaus.

HANNA.
Über die Kraft? Wenn er wirklich Wunder tut und nie Schaden nimmt?
KLARA.

Glaubst Du denn nicht, seine Wunder kommen aus derselben Quelle: nämlich, daß er über die Kraft hinausstrebt?

HANNA.
Du machst mir Angst! Wie meinst Du das?
KLARA.

Ich meine, es war es bei den Propheten auch – bei den jüdischen wie bei den heidnischen. Sie konnten mehr als wir in gewisser Richtung, weil ihnen in allen anderen Richtungen so vieles gebrach. Ja, so hab' ich mir's zurechtgelegt.

HANNA.
Aber glaubst Du denn nicht?
KLARA.

Glauben? Was meinst Du damit? Wir beiden Schwestern, wir sind aus einem alten, nervösen Geschlecht von Zweiflern. Man darf sagen, aus einem intelligenten Geschlecht. Er war anders wie alle andern, [16] besser als alle andern. Ich bewunderte ihn, und aus Bewunderung wurde Liebe. Es war nicht sein Glaube; der war etwas, das ihm allein gehörte. Wie lange ich nun seinen Glauben teile, – ja das weiß ich nicht.

HANNA.
Das weißt Du nicht?
KLARA.

Mein Dasein war eine solche Hetzjagd, daß ich nie Zeit hatte, mir darüber Rechenschaft zu geben. Dazu muß man Zeit haben. Und ich hatte oft meine liebe Not, uns nur von einem Tag zum andern weiterzubringen. Das hat mich vorzeitig aufgerieben. Es fehlte mir die Sammlung, große Fragen anzuschneiden. – Kaum hab' ich noch die Unterscheidungskraft für recht und unrecht – ihre grobe Form natürlich – aber die feinere? Ich behelfe mich, so gut es geht. Mit dem Glauben ist es dasselbe. – Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen!

HANNA.
Weiß er das alles?
KLARA.
Er weiß alles. Glaubst Du, ich verschwiege ihm überhaupt etwas?
HANNA.
Versucht er denn nicht auf Dich einzuwirken, daß Du seinen Glauben teilst?
KLARA.

Nicht im mindesten. Die Forderung, sagt er, daß man glauben muß, wenn man nicht verurteilt werden soll, das ist Gottes Sache. Unser ist: wahr zu sein. Dann kommt uns schon der Glaube – hier oder im Jenseits. Ja, er ist ein ganzer Mann, der Sang!

HANNA.
Aber er ist doch tätig für die Ausbreitung des Glaubens?
KLARA.

Auf seine Art. Niemals, niemals mit Aufdringlichkeit. Er übt unbeirrt die gleiche Rücksicht gegen alle. Hörst Du: – gegen alle! Oh, er hat seinesgleichen nicht!

HANNA.

Du siehst ihn noch so wie in den ersten Tagen der Glückseligkeit! Und doch sind Deine Augen alt geworden.

KLARA.
Und doch sind meine Augen alt geworden.
HANNA.
Aber was Deinen Glauben an seine Wunder betrifft, – ja, eigentlich glaubst Du doch gar nicht daran!
[17]
KLARA.
Was sagst Du da? Es gibt nichts auf der Welt, an das ich unbedingter glaubte!
HANNA.

Wenn Du ihn nicht bei einem Orkan fortlassen willst, – und wenn Du zweifelst, ob Ihr das wiederbekommen werdet, was er weggibt, auch wenn es das Letzte wäre – so glaubst Du doch nicht an die Wunder.

KLARA.
Ehe ich Dir das zugäbe ...?! Du mußt wissen – eben hierauf beruht meine ganze Kraft.
HANNA.
Gut. Doch es ist nicht des Glaubens Kraft.
KLARA.

Nein! Nein doch! – Mag hierin ein Widerspruch liegen – was tut's! Unsere Widersprüche haben wir alle – nur er nicht. – Übrigens will ich Dir sagen: sich so mit seinem Kinde aufs Wasser hinaus zu wagen, das ist mehr als glauben, das ist Gott versuchen.

HANNA.

Ich finde: das Wunder müßte ebenso gut eintreten, wenn es unser eigenes Leben, als wenn es andrer Leben gilt.

KLARA.
Wenn man sich doch aber selbst in Lebensgefahr stürzt!
HANNA.
Wenn es doch aber geschieht, um andere zu retten! Das kann man nicht nennen: Gott versuchen.
KLARA.

Liebe Hanna, – ich bitte Dich, hör' auf! Es wächst mir über den Kopf. Ich weiß nur: nimmt er den Kindern, wovon sie leben sollen, und gibt er's schlechten, jämmerlichen Menschen, oder will er selber im Nebel auf die Berge oder aufs Meer im Orkan, – dann werf' ich mich in den Weg! Ich tue alles, unbedingt alles, alles Erdenkliche, um es ihm zu verwehren! – Gesetzt, er wollte in diesem Augenblick ... Obwohl ich nun schon viele Monate nicht auf den Beinen stehen kann, so würde ich dennoch ... Und ich könnt' es! Das weiß ich sicher! Dann tät' auch ich ein Wunder! Denn ich liebe ihn, – ihn und seine Kinder! Lange Pause.

HANNA.
Kann ich Dir mit etwas helfen?
KLARA.

Gib mir Eau de Cologne! Hier an die [18] Schläfen. Und laß mich dran riechen! Von der Eau de Cologne, die Du gestern hattest. Doch schnell! Kannst Du die Flasche nicht aufkriegen? Da ist ein Korkenzieher! Dort, dort! Und mach' das untere Fenster auf!

HANNA.
Ja, ja!
KLARA.

Danke schön! – Wäre der Erdboden nicht so feucht von dem schrecklichen Regen, dann möcht' ich ins Freie. Hast Du den Korken noch nicht heraus?

HANNA.
Einen Augenblick!
KLARA.
Schraube tiefer! Doch nicht zu tief. – So! So! Komm! – Ah, ah! Jasmin!
HANNA.
Jasmin? – Jasmin? Keine Spur!
KLARA.

Jasmin, Jasmin! – – Sang ist da! Ich höre ihn! Er ist's! Gott sei Dank! Da bin ich gleich ruhig. – Ruhig. Oh, das ist ein Segen! Da ... kommt ... er.


Sang erscheint.
2. Szene
Zweiter Auftritt.
SANG.

Zum andern Male: Guten Morgen! – Guten Morgen, liebe Hanna! – Wie schön, daß Du hier bist. Ein wahres Glück! – – Einen solchen Morgen, so voll Sang und Duft, – habt Ihr so etwas in Amerika? Das gibt's ja auf der Welt nicht wieder!

KLARA.
Und – meine Blumen?
SANG.
Weißt Du, was mir heut' begegnet ist, Klara?
KLARA.
Du hast sie fortgeschenkt?
SANG.

Nein! Haha! »Nein, diesmal nicht«, sagte Tordenskjold. Du bist aber gar nicht artig! Nun haben wir auf diesen entsetzlichen Dauerregen gescholten und gewettert und uns vor Bergsturz und Erdrutsch und allerlei andern Heimsuchungen gefürchtet ... und nun hat der Regen ein Wunderwerk von Segen geleistet! Als ich heut endlich die Sonne sah und in die freie Natur ging ... welche Flora fand ich da! So etwas habe ich bis auf den heutigen Tag nicht gesehen! Ich [19] wanderte durch eine überströmende Fülle von Duft und Farbe, ... ja, plötzlich kam ich so in Stimmung, daß es mir fast ein Verbrechen schien, meinen Fuß in das Grüne zu setzen, das mir diese Wonnen verschaffte. Und so schlug ich einen Seitenpfad ein und ging fürbaß und schaute hinab in die feuchtglänzenden Augen der Blumen und Pflanzen. Welch ein Gewimmel und in dem Gewimmel was für ein Selbsterhaltungstrieb! Und dieses zum Lichte streben! Die Kleinsten gar versuchten ihren Hals der Sonne entgegenzurecken. So frei, so begehrlich! Da hatten sich einige wirklich so früh ans Werk gemacht, daß die Schelme gewiß ihren Blütenstaub auf die Freite senden, noch ehe der Tag um ist! Sogar etliche Hummeln sah ich schon! Sie wußten nicht aus noch ein in diesem Rausch von Duft. Denn das eine Tausend duftete noch verführerischer und hitziger als das andere Tausend, – und das ging in die tausend mal tausend! Und nun frag' ich: Ist nicht auch Individualität in dieser Heerschar von Millionen! Sicherlich! Und deshalb hielt ich's für Sünde, Blumen zu brechen. – Aber etwas andres bring' ich Dir heute!

KLARA
die, während er sprach, ihrer Schwester Zeichen gemacht hat.
So?
SANG.
Auch ich will versuchen, den Kelch zu öffnen.
KLARA.
Was meinst Du damit, lieber Sang?
SANG.
Du traust mir zwar nicht die Bosheit zu, Dir etwas zu verheimlichen, – aber ich kann es doch.
KLARA.
Ich habe längst gemerkt, daß da irgend etwas –?
SANG.

So? Wirklich? Und ich war doch diesmal verschwiegen wie das Grab. – Wenn ich mir wegen Deines Siechtums nicht solche Sorgen gemacht habe wie die andern, so hatte das seinen guten Grund.

KLARA.
Was ist es denn nur?
HANNA.
Ja, was ist es? Sie ist schon ganz aufgeregt.
SANG.

Ich will mich beeilen! – Ich habe so vielen geholfen [20] und kann ihr nicht helfen, weil ich nicht ordentlich beten kann mit ihr, der eigensinnigen! Und ich richte nichts aus, wenn der Kranke nicht mitbetet, – vorausgesetzt, daß er beten kann. Drum hab' ich unseren Kindern geschrieben, sie sollten kommen. Und gestern abend – sie suchten zeitig ihr Zimmer auf und ich folgte ihnen – erfuhren sie den Zweck ihrer Reise. Ich sagte ihnen, sie sollten nur hübsch ausschlafen, und mir dann heut um sieben Uhr helfen, an Mutters Bett zu beten!

KLARA.
Du lieber, lieber Mann!
SANG.

Wir wollen Dich mit einer Kette von Gebeten binden! Der eine Dir zu Füßen, die andere Dir zu Häupten und ich an Deiner Seite! Und wir wollen nicht eher ruhen, als bis Du in sanften Schlaf gefallen bist! Nicht eher! Nein, nicht eher! Und dann wollen wir von vorn anfangen, bis Du aufstehst und gehen kannst wie wir.

KLARA.
Du lieber Mann!
HANNA.
Was sagten die Kinder?
SANG.

Du hättest sie nur sehen sollen! Sie waren ganz erschüttert. Ich versichere Dir, sie wurden so weiß wie dieses Laken. Und dann sahen sie einander an. – Ich verstand, – sie wollten allein sein. – Ich sehe: auch Du bist bewegt. Du schließt die Augen. Vielleicht willst auch Du jetzt allein sein? – Ja, wir bekommen bald Besuch. Hohen Besuch! Da heißt es: sich vorbereiten! – Was ist die Uhr?

HANNA.
Es ist über sieben.
SANG.

Nein, das kann nicht sein; denn sonst wären sie hier. – Du hast vergessen, die Uhr nach unserer Zeit zu stellen.

HANNA.
Doch, – das habe ich getan.
SANG.

Nun, dann hast Du sie nicht richtig gestellt, meine Liebe. Wär's möglich, daß erwachsene Kinder, die an Mutters Bett beten sollen, sich verschlafen?

HANNA.
Ich will hinaufgehen.
[21]
SANG.
Nein, nein, nein! Diese letzten Augenblicke müssen sie für sich haben! Ich kenne das.
HANNA.
Ich will ganz still sein. Nur ins Zimmer will ich sehen. Ab.
SANG.
Aber recht, recht leise!
3. Szene
Dritter Auftritt.
SANG.
Es ist schön von ihr, daß sie so ruhig ist.
KLARA.
Du guter Mann!
SANG.

Es liegt etwas wie Gram in Deiner Stimme? – Du sollst stark sein und hoffen! – Ich sage Dir, nie hab' ich mich sicherer gefühlt. Und Du weißt, wem ich dieses Gefühl zu danken habe. – Klara, meine geliebte Klara! Er kniet an ihrem Bett. Ehe wir uns zu dem großen Gebet vereinigen, mußt Du mir erlauben, Dir zu danken! Ich habe heut Gott gedankt, daß er Dich mir gegeben hat. In all der Frühlingspracht hab' ich ihm gedankt. Unendliche Freudigkeit war um mich und in mir. Ich ließ das Große an meinem Geist vorüberziehen, was wir zusammen erlebt haben. Weißt Du, – ich glaube, gerade weil Du meinen Glauben nicht ganz teilst, liebe ich Dich nur noch tiefer – um so beständiger lebst Du in meinen Gedanken weiter. Deine Hingabe an mich wurzelt ganz in Deinem Wesen, Deinem Willen, – und in keinem andern Boden. Und daß Du Dir an meiner Seite Deine Wahrhaftigkeit bewahrt hast, darauf bin ich stolz. – – Wenn ich nun bedenke, daß Du – ohne zu glauben wie ich – Dein Leben mir geopfert hast, –

KLARA.
Adolf!
SANG.

Ich lege meine Hand Dir auf den Mund, wenn Du zu reden Miene machst. Jetzt habe ich das Wort! Oh, es ist groß, was Du getan hast. Wir andern, wir haben unseren Glauben; aber Du gabst Dein Leben. Wie stark muß doch Dein Vertrauen zu mir sein! Wie lieb hab' ich Dich! – – Wenn immer mein Glaubenseifer Dich erschreckte, und Du meinetwegen [22] oder der Kinder und ihrer Zukunft wegen zittertest und dann vielleicht nicht genau erwogst, was Du tatest ... ich weiß, Du hattest nicht mehr die Kraft, es besser zu machen.

KLARA.
Nein, die hatt' ich nicht!
SANG.
Ich bin schuld. Ich habe Dich nicht genug geschont.
KLARA.
Adolf!
SANG.

Ich weiß: es ist so. Du hast Dich stückweise geopfert. Und nicht aus dem Glauben heraus, nicht aus Hoffnung auf Lohn hier oder in jener anderen Welt; – nein, aus Liebe und nur aus Liebe. Wie lieb ich Dich habe! – Dies hab' ich Dir sagen wollen – heute. Und wäre Hanna nicht von selbst hinausgegangen, ich hätte sie gebeten, es zu tun, um eine Weile mit Dir allein zu sein. – Ich danke Dir! Heut ist Dein großer Tag. Nun kommen gleich die Kinder. – O laß Dich küssen wie am allerersten Tage.

4. Szene
Vierter Auftritt.
SANG.
Nun?
HANNA.
Es ist über sieben.
KLARA.
Ich hab' es gewußt.
SANG.
Über sieben? – Und die Kinder?
HANNA.
Sie schliefen.
SANG.
Schliefen?
KLARA.
Ich hab' es gewußt.
HANNA.

Elias in seinen Kleidern. Er hatte sich aufs Bett geworfen, als wollte er nicht schlafen, sondern nur ausruhen. Rahel schlief, die Hände über der Decke gefaltet. Sie hörte nichts.

SANG.
Ich habe zu viel von den Kindern verlangt. – Das kann ich mir nicht abgewöhnen.
HANNA.

Sie hatten ja fast zwei Tage und zwei Nächte nicht geschlafen; das heißt: seit wir uns auf der Reise trafen.

SANG.

Aber welchen Grund hatte Gott, mir gerade[23] heut solche Kraft zu verleihen? Und mich so sicher zu machen? – Ich will doch sehen, ob ich dahinter komme. Geht ab. Entschuldigt mich einen Augenblick, meine Lieben! – Warum gerade heut –?

5. Szene
Fünfter Auftritt.
KLARA.
Hast Du sie geweckt?
HANNA.
Natürlich. – Ich glaube zu wissen, was mit ihnen ist. Du auch?
KLARA.
Gott, ja! – Ach, ich zittere am ganzen Leibe.
HANNA.
Ist da irgend etwas zu tun?
KLARA.

Nein; – ich müßte sehen, das Schlimmste abzuwenden. – Oh! – Da lag gestern etwas in ihren Augen! Nun versteh' ich es.

HANNA.
Sie haben ihres Vaters Glauben nicht mehr.
KLARA.

Sie haben ihres Vaters Glauben nicht mehr. – Wie mögen sie gerungen und gelitten haben, die Ärmsten! Sie, die ihren Vater über alles in der Welt lieben und ehren!

HANNA.

Deshalb waren sie auch gestern so schweigsam. Darum konnte auch das geringste Wort sie aus der Fassung bringen. Deshalb hat Rahel Dir auch geschrieben. Es mußte jemand hier sein, – und sie selbst hatte nicht den Mut dazu.

HANNA.
Das mag schon sein. – Wie mögen sie innerlich gekämpft haben?!
KLARA.
Die armen Kinder, die armen Kinder!
HANNA.
Da kommt Elias.
KLARA.
Ist er da?
ELIAS
wirft sich vor dem Bett der Mutter auf die Knie und bedeckt das Gesicht mit den Händen.
Ach, Mutter!
KLARA.
Ja, ja –! – Ich weiß, ich weiß!
ELIAS.
Du weißt –? Kann es Schlimmeres geben, sag'?
KLARA.
Nein, das kann es nicht.
[24]
ELIAS.
Als er gestern sagte, wir sollten heut früh um sieben –
KLARA.
...Schweig! Ich ertrag' es nicht.
HANNA.
Deine Mutter kann es nicht vertragen.
ELIAS.
Nein, nein! – Ich wußte ja, es mußte kommen. So oder so. Es mußte am Ende der Dinge kommen.
HANNA.
Vermagst Du's auch mit anzuhören?
KLARA.
Ich muß. – Sag' mir –
HANNA.
Was denn?
KLARA.
Elias ... bist Du da?
ELIAS.
Hier bin ich, Mutter.
KLARA.
Rahel?
ELIAS.
Was meinst Du, Mutter?
KLARA.
Wo ist Rahel?
ELIAS.
Sie steht gerade auf. Wir blieben zusammen wach bis Mitternacht. Länger konnte Rahel nicht.
KLARA.
Wie, Kinder, – wie – wie ist das nur gekommen?
ELIAS.
Daß wir unseres Vaters Glauben verloren?
KLARA.
...daß Ihr Eures Vaters Glauben verlort!
6. Szene
Sechster Auftritt.
SANG.
Ihr habt Euren Glauben verloren? – – Mein Sohn? – – Du hast Deinen Glauben verloren?
HANNA.
Seht nur Klara! Aber Klara?
SANG
eilt zu ihr.
Berührt sie mit seinen beiden Händen. Es hört schon auf. Es war weiter nichts – Gott sei Dank!
KLARA.
Es geht ... schon ... vorüber. – – Aber halt' Du mich!
SANG.
Ich werde Dich halten.
KLARA.
Und gebt acht – sonst muß ich weinen! Oh! –
SANG.

Nein, nein. Nicht weinen! Er neigt sich ganz über sie und küßt sie. Nun sei stark! – Klara! – – So! Du sollst nicht traurig sein. Du sollst bedenken, wie traurig sie gewesen sind. Sie wollten uns schonen [25] in ihrem Schmerz und Kampf. Wir wollen sie doch auch schonen!

KLARA.
Ja!
SANG.

Sieh, deshalb bekamst Du diesen Anfall. Wir sollten nachdenklich werden. Sonst wären wir vielleicht bitter gegen sie geworden. Besonders ich in meinem Eifer. Wo ist Rahel?

HANNA.
Sie kommt gleich. Sie ist mit Elias bis Mitternacht aufgewesen.
SANG.

Die Kinder! Die Kinder! – Wie konntet Ihr – –? – – Nein, nein! Ich will's nicht wissen. – – – Du warst immer ehrlich. – Hast Du's getan, so mußtest Du.

ELIAS.
Ich mußte. Aber entsetzlich ist es gewesen.
SANG.

Du kamst gar wohlfeil zu Deinem Glauben hier bei mir. Ich bin ja nur ein Gefühlsmensch. Vielleicht ist dies das Tor zu einem Glauben, der unverlierbar ist.

ELIAS.
Ich komme mir wie ein Verbrecher vor; – aber ich bin es nicht.
SANG.

Meinst Du, ich zweifelte auch nur einen Augenblick daran, mein Sohn? Laß Dich's nicht anfechten, wenn ich übers Ziel schieße. Das kommt daher, daß ich mich so sehr an den Gedanken gewöhnt hatte, Ihr glaubtet. – Es wird noch eine Weile dauern, bis ich ... Nein, nein, nein! Vergib mir, Elias. Du kannst ja nichts dafür. Rahel tritt ein. Sie weicht scheu einige Schritte nach dem Hintergrund zurück. Sang erblickt sie. Rahel! – Du, meine Rahel! Sie kommt näher und sinkt in die Knie. Von Kind auf hast Du gelernt, Deinem Vater mehr zu glauben als allen Büchern. – – Wie war's nur möglich. Nein, – haben sie meine Tochter gefügig gemacht, so muß ich auch wissen, wie das ... – Denn daß Dich einer mir entfremden konnte, das ...

RAHEL.
Nicht Dir, Vater!
SANG.

Verzeihung! Oh, – ich wollte Dich nicht verletzen. – Komm her zu mir! Sie fällt ihm um den Hals. Ich gelobe Euch, meine Kinder, fortan soll nicht mehr [26] davon die Rede sein. Aber erst muß ich wissen – das darf Euch nicht Wunder nehmen –, wissen, wie es zugegangen ist.

ELIAS.

Und wenn Du Tage und Tage mit mir darüber sprechen wolltest – ich würde doch damit nicht fertig werden.

SANG.
Nein, dazu bin ich unfähig. Ich kann nicht über den Glauben disputieren. So etwas liegt mir nicht.
ELIAS.
Aber anhören solltest Du mich doch –.
SANG.

Wenn Dir das eine Beruhigung ist – dann meinetwegen. Dann will ich – das weißt Du ja. – – Aber kannst Du mir's nicht kurz sagen, – ganz kurz? – – Was war's also, das Euch bewogen – das Euch bestimmt hat, Kinder ...?

ELIAS.

Ich kann mich sehr kurz fassen. Rahel und ich, wir fanden nicht, daß die Christen so sind, wie Du uns gelehrt hast.

SANG.
Aber, Kinder –
ELIAS.

Du hattest uns zu den besten gesandt, die Du kanntest. Und das waren gewiß auch die besten. Aber Rahel und ich waren uns bald darüber einig – und sie war es, die das zuerst aussprach –: es gibt nur einen Christen, und das ist Vater.

SANG.
Aber, Kinder – Kinder!
ELIAS.

Hätt' es sich dabei nur um ein Weniger oder Mehr gehandelt von dem, was Du unter Christentum verstehst, – ja, dann wären wir nicht enttäuscht gewesen. Aber es war etwas ganz anderes – so ganz Verschiedenes.

SANG.
Wieso?
ELIAS.

Ihr Christentum ist Konvention. – – In Leben und Lehre ordnen sie sich dem Bestehenden unter, – dem örtlich wie zeitlich Bestehenden. Den Institutionen, den Gewohnheiten, den Vorurteilen, den ökonomischen Verhältnissen und allen anderen Verhältnissen. – Die Lehre haben sie so lange gewendet und umgebogen, bis sie in die bestehenden Dinge hineinpaßte.

SANG.
Ist das nicht ein bißchen streng?
[27]
ELIAS.

Du aber hast von der Lehre die idealste Auffassung, und sie ist die Richtschnur Deines Handelns. – Das ist der Unterschied.

SANG.
Aber was geht dieser Unterschied Euch an, liebe Kinder?
ELIAS.
Er führte uns zum Nachdenken, Vater. – Wundert Dich das?
SANG.
Denken könnt Ihr, so viel Ihr wollt. – Nur richten sollt Ihr nicht.
RAHEL.

Uns ist nicht bewußt, dies getan zu haben. Und weißt Du, warum? Weil wir sahen, daß ihre Lehre etwas ebenso Natürliches für sie war, als es Deine Lehre für Dich ist.

SANG.
Nun ja –
ELIAS.
Was ist denn nun Christentum? Ihres ist doch wohl keins?
SANG.
Gesetzt, es wäre keins? Was ist denn weiter Schlimmes dabei? Wenn sie handeln, wie sie's verstehen?
RAHEL.
Ist denn Christentum etwas, dem nur einer von Millionen genügen kann, lieber Vater?
ELIAS.
Und die anderen alle sollen verpfuschte Christen sein?
SANG.
Was nennst Du einen Christen?
ELIAS.

Nur den nenn' ich einen Christen, der von Jesu das Geheimnis der Vollkommenheit gelernt hat und es in allen Dingen anstrebt.

SANG.

Ich finde sie reizend, diese Erklärung! Du hast etwas vom Feinsinn Deiner Mutter. – Ach, es war immer der Traum meines Lebens, Dich einmal ... Nein, nein, nein! – Ich hab' es Euch versprochen, Kinder ... und werd' es halten. – Du sagtest –? Das ist wahr! Vortrefflich! – – Aber, mein Sohn, soll denn nicht ein jeder Mensch versu chen dürfen, ein Christ zu werden, ohne daß man ihn deshalb Pfuscher zu nennen braucht? Was? Und liegt hier nicht die schöpferische Macht des Glaubens? Auf der einen Seite das Verdienst des einen – auf der andern die Schwachheit von Millionen?

[28]
ELIAS.
Da sprichst Du's aus! Aus tiefster Seele streben, – das ist die schöpferische Macht des Glaubens.
SANG.
Nun ja –?
ELIAS.

Doch in der Praxis tut das nur ein einziger Mensch, – und das bist Du. Die andern ... Sei unbesorgt. Nicht um sie anzuklagen, sag' ich das. Dazu hätt' ich auch kein Recht. Die andern – entweder lassen sie sich so viel abdingen, daß sie's in Seelenruhe abwarten können; und es paßt ihnen auch ganz in den Kram. Oder aber sie machen wirklich einen Versuch – und verrenken sich etwas! Ja, das ist das Wort.

RAHEL.

Ja, das ist das Wort. – – Und da, lieber Vater, habe ich zu Elias gesprochen: Wenn diese Ideale so wenig den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen von heut entsprechen, so können sie doch wohl nicht von dem Allwissenden sein.

SANG.
Das hast Du gesagt – – –?
ELIAS.

Rahels Zweifel konnten wir nicht mehr los werden. Und so machten wir uns an die Arbeit und suchten. Wir gingen diesen Idealen nach bis tief zurück in die Geschichte – und kamen hin aus über unsere Zeitrechnung.

RAHEL.
Diese Ideale sind alle miteinander viel älter als das Christentum, Vater?!
SANG.
Das weiß ich, Kinder.
ELIAS.
Viel früher schon haben Schwarmgeister sie verkündet ...
SANG.

...morgenländische und griechische Schwarmgeister in verzweifelter Zeit; zu einer Zeit, da die Besten fortstrebten – fort, nur fort – nach einem Lande der Erneuerung! Ich kenne das, liebe Kinder. – – An diesem Punkt also seid Ihr gestrauchelt? Himmlischer Vater! – – Als ob der Erneuerung Reich, das tausendjährige Reich darum minder wahr sei, weil es ein alter, uralt ewiger Traum des Ostens ist? – Hat dieses Reich so lange auf sich warten lassen, daß sich schon schwache Seelen finden, die es einen unmöglichen Traum – und die Sehnsucht, dahin zu gelangen, unmögliche Ideale[29] nennen, ... was will das beweisen? – – Nichts über die Lehre, doch viel über ihre Verkündiger. Oh ja, – viel über ihre Verkündiger ... Sie will ich aus dem Spiel lassen – ich will nur sagen, wie es mir ergangen ist. Ich sah, wie das Christentum auf dem Bauche kroch – und sogar die kleinsten Gipfel vorsichtig umging. Warum tut es das? fragte ich mich. Etwa darum, weil es fürchtet, die Dinge dieser Welt aus den Angeln zu heben, wenn es sich ganz emporrecke? Ist das Christentum unmöglich, oder sind es die Menschen mit ihrem Kleinmut? – Wenn nur einer den Mut hätte – so hätten vielleicht Tausende den Mut. Und mein Gefühl sagte mir: versuch's, dieser eine zu sein. Und ich meine, das sollte jeder versuchen. Ja, sonst ist er kein Gläubiger. – Denn glauben, das heißt: wissen, daß für den Glauben kein Ding unmöglich ist, – und so den Glauben bestätigen! – – Sag' ich dies, um mich zu brüsten, – nein, vielmehr um mich anzuklagen. Denn obschon ich nun so hoch gebaut habe und mich mit so reicher Gnade belohnt sehe, so falle ich hinwiederum doch auch – eben jetzt – von Gott ab. – Denn bin ich nicht hier herumgegangen und habe es für unmöglich gehalten, allein sie zu retten? Habe ich nicht gezweifelt und der Hilfe anderer geharrt? – Deshalb nahm Gott die Hilfe von mir. Deshalb sah er's mit an, wie Ihr über »das Unmögliche« straucheltet und kamet und mir's erzähltet. Denn so sollte seine Stunde sich vorbereiten. Jetzt will er uns allen zeigen, was möglich ist! – – Ach, – und ich war blind und verstand ihn nicht. Jetzt verstehe ich. Ich soll es allein tun! Jetzt ist der Ruf an mich ergangen; jetzt hab' ich die Kraft. – Darum heut das Gnadengeschenk der großen Vorbereitung. Alles kommt zusammen. – Klara, hörst Du es? Ich bin's nicht mehr, der spricht; die Macht der Gläubigkeit spricht in mir, – und Du weißt, von wem die jedesmal kommt! Kniet vor ihr nieder. – Klara, Du mein edler Freund, warum solltest Du Gott nicht ebenso lieb sein, wie ein anderer, der in tiefster Seele [30] glaubt? Als wäre Gott nicht unser aller Vater? – Gottes Liebe ist nicht das Vorrecht der Gläubigen. Das Vorrecht der Gläubigen ist, seine Liebe zu fühlen und sich ihrer zu freuen – und namens dieser Liebe das Unmögliche möglich zu machen. – Du Geduldige, Du Treue! Jetzt verlasse ich Dich, um es zu erproben. – Steht auf. Ja! Um es zu erproben. Jetzt geh' ich in die Kirche, Kinder – allein will ich mit mir sein. Und ich verlasse die Kirche nicht eher wieder, als bis ich aus Gottes Händen Schlaf für die Mutter und nach dem Schlaf ihre Gesundheit empfangen habe, so daß sie aufstehen und unter uns wandeln kann. – Fürchtet Euch nicht! Ich fühle, Gott will! Er schenkt es mir nicht sogleich; denn diesmal hab' ich gezweifelt. Doch werde ich ausharren und des strengen, des guten Herrn warten. – Lebt wohl! – Er wirft sich zu kurzem Gebet über ihre Lagerstatt. Lebt wohl! – Küßt Klara, die unbeweglich liegt. Er steht auf. Ich danke Euch, meine Kinder! Jetzt habt Ihr mir doch geholfen –, und ergiebiger, als jemand hätte ahnen können. – Nun läut' ich selbst mein Gebet ein. Beim ersten Glockenton also wißt Ihr, daß mein Gebet für die Mutter begonnen hat. Friede sei mit Euch!

HANNA
hat ihm unwillkürlich die Tür geöffnet.
Sang geht ab. Das ... das ist ... Bricht in Tränen aus.
ELIAS.
Ich muß sehen ... ich muß sehen, wie er hineingeht. Ab.
RAHEL
vortretend.
Mutter! – Oh Mutter!
HANNA.
Sprich nicht! Sie sieht Dich wohl, – aber sprich nicht mit ihr!
RAHEL.
Mir ist so angst!
HANNA.
Von hier aus kann ich Deinen Vater sehen. Jetzt ist er bald an der Kirche. – Komm!
RAHEL.

Nein! ... Nein, ich halt's nicht aus. Mir ist so angst. – Mutter! Sie blickt mich an, aber sie antwortet mir nicht. – Mutter!

HANNA.
Still, Rahel! Es beginnt zu läuten.
RAHEL
sinkt in die Knie; nach einer Weile bricht sie, doch gedämpften Lauts, in die Worte aus.
Gott, Hanna!
[31]
HANNA.
Was ist?
RAHEL.
Mutter schläft!
HANNA.
Sie schläft?
RAHEL.
Mutter schläft!
HANNA.
Wahrhaftig ...?
RAHEL.
Ich will Elias suchen. Das muß ich Elias sagen! Ab.
HANNA.
Sie schläft wie ein Kind. O Gott! Kniet.

Da hört man ein Donnergetöse, andauernd, stärker und immer stärker; es wächst furchtbar. Draußen Geschrei. Das Haus kracht in allen Fugen. Das Getöse schwillt.
RAHEL
von draußen.

Der Berg stürzt ein! Eilt mit einem Schrei herein. Der Berg begräbt die Kirche! Begräbt uns alle! Er rollt auf die Kirche zu! Auf uns zu! Auf Vater, auf uns! Es dröhnt und es raucht – und die Sonne verfinstert sich, – oh!Duckt sich nieder und wendet ihr Gesicht ab.

ELIAS
draußen.
Vater! – Vater! – Oh!
HANNA
überm Bett der Schwester.
Jetzt kommt's! Jetzt kommt's!

Das Getöse hat seinen Höhepunkt erreicht. Nun nimmt es allmählich ab. Man vernimmt über dem Getöse wieder die Kirchenglocke.
HANNA
springt auf.
Es läutet noch! Er lebt!
RAHEL.
Er lebt!
ELIAS
draußen.

Vater lebt! Näher. Die Kirche ist stehen geblieben. Knapp vor der Kirche bog die Steinflut ab, – und ging links hinunter. Er lebt, er läutet, o Gott! Wirft sich über das Bett der Mutter.

RAHEL
kommt.
Elias! Mutter –?
HANNA.
Sie schläft!
ELIAS
springt auf.
Schläft?
RAHEL.
Ja, sie schläft – Die Kirchenglocke tönt.
HANNA.
So ruhig schläft sie ...

2. Akt

1. Szene
Erster Auftritt.
Elias tritt vom Söller her ein, eilig, in Unruhe. Er trägt Leinwandhosen und leichte Schuhe; am Oberkörper nur das Hemd; hat keine Mütze auf. Bleibt stehen, geht dann zum Fenster und lauscht. Man hört in der Ferne, doch deutlich, eine Männerstimme, die ein Kirchenlied singt. Elias ist tief ergriffen.
Rahel kommt leise durch die Tür rechts herein, die geschlossen war, und die Rahel hinter sich wieder schließt. Der Bruder macht ihr ein Zeichen: sie soll stehen bleiben und zuhören.

RAHEL
die auch bewegt ist, sagt leise.
Laß mich die Tür zu Mutters Zimmer öffnen!
ELIAS
leise.
Ist Mutter wach?
RAHEL.

Nein, – aber sie hört Vater doch. Verschwindet rechts; kommt leise wieder herein und läßt hinter sich offen; sagt leise. Sie hat gelächelt.

ELIAS
leise.
O, Rahel!
RAHEL
bewegt.
Elias! – Sag' nichts; – ich kann es nicht ertragen!
ELIAS.

Blick' hinaus, Rahel! – Kann es Schöneres geben? Hunderte von stillen, ach! so stillen Menschen rings um die Kirche; und er im Gebet da drinnen und singend, ohne eine Ahnung zu haben, daß draußen wer ist. Die Fenster offen, aber zu hoch, als daß er sichtbar wäre, und die draußen auf ihrer Hut, daß nur kein Laut ihn störe! – Weißt Du noch? Er sprach von einer Kette Gebete. Diese Menschen rings um die Kirche, – das ist die Kette!

RAHEL.
Ja. Lauscht dem Gesang. Er endet. Er singt heut oft.
ELIAS.

Jetzt mach' die Türen zu. Ich habe Dir so [33] viel zu sagen. Ich bin schon zweimal hier gewesen und habe Dich gesucht.

RAHEL
geht leise rechts ab; kommt wieder und macht die Tür hinter sich zu.
Sagt lauter. Heut nachmittag sind noch mehr Leute gekommen.
ELIAS.

Und es kommen immer noch mehr, – sie kommen meilenweit herbei! Du kannst sie gar nicht alle sehen; denn ein großer Teil ist hinten in den Hainen und hört den Laienpredigern zu. In solcher Entfernung stören sie Vater nicht. So gehen die Leute hin und her – zwischen den Hainen und der Kirche. – Aber sieh nur mal dort hinunter zum Strande –!

RAHEL.
Was mag das nur sein? Das Gelände ist schwarz von Menschen! Was ist das?
ELIAS.
Das Missionsschiff ist gelandet.
RAHEL.
Das Missionsschiff?
ELIAS.

Weißt Du nicht, daß die Leute der östlichen Distrikte sich für den großen Missionstag in der Stadt ein Dampfschiff gemietet haben. Es liegt jetzt hier im Fjord.

RAHEL.
Hier?
ELIAS.
Hier!
RAHEL.
Aber warum legt es hier an?
ELIAS.

Des Wunders wegen! Als unsere Vertreter, Pastor Kröjer und noch einer, an Bord des Schiffes kamen – bei dem Anlegeplatz am Meer ...

RAHEL.
Nun?
ELIAS.

...und erzählten, was sich gestern hier zugetragen habe, und daß Vater noch allein in der Kirche sei und bete, –

RAHEL.
Jetzt versteh' ich!
ELIAS.

...da wollte kein einziger weiter! Alle wollten hierher! Der Bischof und die Pfarrer baten ihre Leute, doch ja ihr Wort nicht zu brechen und die Abrede zu halten; doch sie wollten nun einmal hierher! Und so mußten die anderen nachgeben. Jetzt sind sie da.

RAHEL.
Auch die Pastoren?
[34]
ELIAS.
Der Bischof und die Pastoren – natürlich!
RAHEL.
Sie kommen doch nicht etwa hier ins Haus? – Elias, Du solltest Dich umkleiden!
ELIAS.
Ich halt' es in Kleidern nicht aus.
RAHEL.
Du hältst es nicht aus –?
ELIAS.

Sie sind mir wie Feuer am Leibe. Und dann fühl' ich den Drang, ja, den Drang, mich durch die Lüfte zu schwingen. Ich kann Dir's nicht beschreiben. Doch manchmal ist mir, als wüchsen mir Schwingen.

RAHEL.
Aber, Elias –!
ELIAS.
Da ist er! Da geht er!
RAHEL.
Wer? – Meinst Du den?
ELIAS.

Er ist es doch? Ja, er ist's! Sie trugen ihn heut morgen her – krank, schwerkrank. Und nun geht er; sieh hin – dort!

Es war heut früh – unser Vater stimmte seinen ersten Gesang an. Keiner war darauf gefaßt, er würde singen; wir alle waren zu Tränen gerührt. Da stand der Kranke ganz von selbst auf. Wir bemerkten es nicht, bis er mitten unter uns ging. – – Auch Mutter wird aufstehen, Rahel! Ich sehe sie schon vor mir!

RAHEL.

Aufstehen wird sie. Ich erwart' es jeden Augenblick; aber ich zittere vor diesem Augenblick. – Warum siehst Du mich so an, Elias?

ELIAS.
Manchmal, wenn Du redest, ist mir, als seien es Verse. Auch wenn die anderen reden.
RAHEL.
Elias –?!
ELIAS.

Manchmal wieder – wie eben jetzt – hör' ich nur den Klang der Worte, nicht ihren Sinn. Denn ich höre zugleich etwas, das sich nicht verlautbart.

RAHEL.
Sich nicht verlautbart.
ELIAS.

Am häufigsten, daß Vater mich ruft; – mich beim Namen ruft, wie gestern morgen. Bewegt. Er hat sich etwas dabei gedacht, als er mir diesen Namen gab. Der Name klingt und klagt mich an – und mit seiner Stimme. – Zu gewissen Zeiten unablässig; – es verfolgt mich! Und dann fühl' ich den Drang, mich in die größten Gefahren zu stürzen. Ich bin überzeugt, [35] ich käme mit heiler Haut davon ... Hab' nur keine Angst! Hier ist ja keine Gefahr.

RAHEL.
Elias, komm – wir wollen uns zusammen in Mutters Zimmer setzen! Bei Mutter ist Frieden.
ELIAS.

Ich kann nicht. – Rahel, antworte mir vor Gott, – laß Deinen letzten, leisesten Zweifel sprechen und dann antworte mir: ist das ein Wunder, was wir hier erlebt haben?

RAHEL.
Gott, Elias, – mußt Du immer wieder –
ELIAS.

Ist es denn nicht entsetzlich, daß die beiden einzigen Menschen, die noch zweifeln, seine Kinder sind? – Ich gäb' mein Leben hin, wär' ich nur erst überzeugt.

RAHEL.
Elias, nicht weiter! Ich bitte Dich!
ELIAS.

Sag' mir nur, was Du glaubst! – Der Bergrutsch?! Das ist zu überwältigend, um ein Zufall sein zu können. Nicht wahr? Und Mutters Schlaf? So wie er nur die Glocke zog, – schlief sie ein. Und schlief trotz des Felsendonners?! Schläft, solange er betet? – Ist das kein Wunder? Aber warum ist denn nicht auch das andere ein Wunder, ein großes Wunder?

RAHEL.
Ich glaube fast, Elias, – es ist eins.
ELIAS.
So, glaubst Du?
RAHEL.
Ja, aber ich fürchte mich auch davor.
ELIAS.

Fürchtest Dich davor, – wenn es ein Wunder ist? Dann kannst Du auch nicht glauben, daß es ein Wunder ist.

RAHEL.
Ja.
ELIAS.

Denn das kann doch nicht bloß seine magnetische Heilkraft sein? Oder die Macht seiner Persönlichkeit? Nein, das ist mehr! Ist es das Wunder? Bist Du davon durchdrungen?

RAHEL.

Mit dieser Frage kann ich mich jetzt nicht quälen. Um Frieden vor ihr zu haben, deswegen flüchte ich mich hinein zur Mutter ... Mutters ehrliches Wesen erfüllt sozusagen den ganzen Raum und wiegt solche Fragen in Ruhe. – – Jetzt handelt es sich um anderes, Elias.

ELIAS.
Um anderes –
RAHEL.

Ich sehe weiter ... Was wird nachkommen,[36] – wenn sie erst aufgestanden ist. Denn damit ist die Sache doch nicht abgetan. Schließlich –

ELIAS.
Schließlich –?
RAHEL.
Schließlich steht doch ihr Leben auf dem Spiel! Bricht in Tränen aus.
ELIAS.
Rahel –? Gott!
RAHEL.
Mutter hat nicht mehr die Kraft des Widerstandes. Und er will vorgehen – gerade jetzt!
ELIAS.
Womit?
RAHEL.
Nun, mit dem, – dem ... nenn's, wie Du willst!
ELIAS.
Aber gesetzt, es ist ein Wunder, Rahel? Wozu dann sich ängstigen?
RAHEL.

Ich kann die Folgen für Vater und Mutter nicht übersehen – für uns alle. – Verstehst Du mich denn gar nicht?

ELIAS.
Nein.
RAHEL.

Nein! Mir ist ganz gleichgültig, was es ist – es ist unser Verderben. Es bringt uns schließlich in den Tod.

ELIAS.
Das Wunder?
RAHEL.
Ja, ja. Es ist kein Segen, – es ist das Entsetzen. – Elias! Sie zieht ihn ins Zimmer hinein.
ELIAS.
Was ist?
RAHEL.
Da steht ein Mann draußen am Fenster und starrt herein.
ELIAS.
In einem Rock, bis an den Hals zugeknöpft –?
RAHEL.

Ja. – Mit gedämpftem Aufschrei. Da Steht er ja schon in der Stube! Sie geht rückwärts, als fliehe sie vor einem Gespenst, und rettet sich in das Zimmer ihrer Mutter.

ELIAS.
In der Stube?

Der Unbekannte tritt in diesem Augenblick auf den Söller links, überschreitet die Schwelle, steht still und sieht sich um.
2. Szene
Zweiter Auftritt.
ELIAS
indem der Unbekannte sichtbar wird.
Das ist er ja!
DER UNBEKANNTE.
Erlauben Sie –?
ELIAS.
Wer sind Sie?
[37]
DER UNBEKANNTE.
Das tut wohl nichts zur Sache! –
ELIAS.
Ich seh' Sie seit gestern hier?
DER UNBEKANNTE.
Ja. Ich bin übers Gebirge gekommen.
ELIAS.
Übers Gebirge.
DER UNBEKANNTE.
Ja, ich stand dort oben und sah, wie der Berg niederging.
ELIAS.
Wirklich?!
DER UNBEKANNTE.

Und hörte den Glockenklang. Und ich sah heut den Kranken, wie er aufstand, als Ihr Vater sang. – – Und nun frag' ich: ist das die Stube, wo Ihre Mutter schläft?

ELIAS.
Ja. Aber nicht in dem ersten Raum; im nächsten.
DER UNBEKANNTE.

Doch wenn sie aufsteht, ... so muß sie hier hereinkommen –? Sie geht den Weg zur Kirche, wo er –? Nicht wahr? Dann kommt sie – hierher?

ELIAS.
Nun, wenn Sie's sagen –?
DER UNBEKANNTE.

Und da frag' ich Sie – bitt' ich Sie: darf ich hier im Zimmer sein? – Warten? Zuschauen? Es ist mein heißester Wunsch – und ich kann nicht mehr widerstehen. – – Ich will nicht eher hereinkommen, bis ein innerer Drang mich –. Ich will hier nicht überflüssig herumsitzen, – und im Wege sein. Aber fühl' ich den unwiderstehlichen Trieb, hereinzugehen, zu warten und zu schauen ... dann darf ich?

ELIAS.
Ja.
DER UNBEKANNTE.

Ich danke Ihnen und sage Ihnen: dieser Tag ist entscheidend für mein Leben.Geht rechts durch den Söller ab.

3. Szene
Dritter Auftritt.
ELIAS.

Dieser Tag ist entscheidend für mein Leben!Pastor Kröjer von links durch den Söller. Kröjer, hast Du ihn gesehen – den dort rechts?

[38]
KRÖJER.
Ja. Wer ist das?
ELIAS.
Du kennst ihn nicht?
KRÖJER.
Nein.
ELIAS.

Gewiß ein merkwürdiger Mann. – Dieser Tag wird für mich entscheidend sein! Gott! Das war das rechte Wort!

KRÖJER.

Das hab' ich mir gedacht, Elias, daß dieser Tag für Dich ein großer Tag sein würde. – Wer kann auch widerstehen – wenn solches sich begibt? – Allein diese Hunderte im Gebet rings um die Kirche, und er drinnen, der nichts davon weiß! Ich kann mir nichts Schöneres denken!

ELIAS.

Nicht wahr? – Oh, ich will mich frei machen von Angst und Zweifel; – dieser Tag soll entscheidend werden! O, welch ein Wort war das! – – Ich habe gekämpft und gelitten, ohne weiter zu kommen. Und nun wird mir ein Ziel geschenkt. Und gleich hab' ich Frieden. – Wir müssen miteinander reden. –

KRÖJER.
Nein, nicht jetzt. Ich hab' an Dich einen Auftrag.
ELIAS.
An mich? – Von wem?
KRÖJER.
Ich bin mit dem Missionsschiff hierher zurückgefahren.
ELIAS.
Ich weiß.
KRÖJER.
Und nun lassen der Bischof und die Pastoren fragen, ob sie dies Zimmer auf eine Stunde haben können?
ELIAS.
Zu welchem Zweck?
KRÖJER.

Sie haben den begreiflichen Wunsch, zu beraten, welche Stellung sie diesen Ereignissen gegenüber einnehmen sollen. Und wir wissen kein anderes Plätzchen, wo wir allein sein können. – Mach' kein so ein erstauntes Gesicht. Wir Leute vom Handwerk, vom Predigerhandwerk, wir müssen doch versuchen, solche Sache besonnener zu betrachten als andere Menschen, weißt Du.

ELIAS.
Aber das wird einen starken, widrigen Mißton in die Stimmung dieses Hauses bringen!
[39]
KRÖJER.
Der in Harmonie ausklingen kann! Wer widerstrebt dem Wunder?
ELIAS.

Da hast Du recht. Aber hier bei uns? Etwas wie einen Keil schieben zwischen Vater und Mutter? Und wenn Vater nun wieder zu singen beginnt? So können wir doch nicht die Tür zu Mutters Zimmer öffnen!

KRÖJER.
Und wie meinst Du, hätte ihnen Deine Mutter oder Dein Vater geantwortet?
ELIAS.

Mit ja, – unbedingt! Du hast recht! Sie sollen die Stube haben. Aber ich möchte damit nichts zu tun haben –?

KRÖJER.
Ich werd' es schon machen. Beide Türen zu Deiner Mutter Zimmer sind doch geschlossen?
ELIAS.
Ja.
KRÖJER.
So schließ' ich das Zimmer hier und die Tür auch, wenn die anderen da sind.
ELIAS.

Mögen sie sich einschließen! Ich will ins Freie und mit denen dort Fühlung suchen. Sie harren getrost des Großen, das sich heute begeben wird ... und harren sicherlich nicht lange mehr vergebens. Geht ab.

KRÖJER
begleitet ihn.
Dafür wollen wir beten, Elias?!
ELIAS.
Ja. Ich will's versuchen. Beide ab links.
4. Szene
Vierter Auftritt.
KRÖJER
tritt wieder von links ein.

Bitte! Er geht zum Fenster und schließt es. Inzwischen kommen der Bischof und die Pastoren. Kröjer schließt die Tür.

BLANK
mecklenburger Dialekt.
Sie sünd doch in dies Haus bekannt – können wir nich 'n bischen was zu essent kriegen?
DER BISCHOF.
Wir machen eine komische Figur – ich weiß. Aber die Sache ist die: – wir waren schrecklich seekrank.
BREJ.
Wir haben nichts bei uns behalten.
DER BISCHOF.

Und als wir endlich ruhige See hatten und wieder für etwas Gekochtes und Gebratenes empfänglich waren –

[40]
BREJ.
– da kam das Wunder.
JENSEN.
Ich hab' einen schauderhaften Hunger.
KRÖJER.
Ich fürchte, um die Küche hat sich hier kein Mensch heut bekümmert; aber ich will mal nachsehen. Ab.
JENSEN.

Ich habe förmlich kulinarische Sinnestäuschungen. Von dergleichen hab' ich schon gelesen; aber man liest ja so vieles, was man nicht glaubt. – Namentlich Schneehühner seh' ich!

FALK.
Schneehühner!
JENSEN.
Ich rieche sie sogar; gebratene Schneehühner!
BLANK.
Wat? Sneehühner's?
MEHRERE.
Schneehühner gibt's?
KRÖJER
kommt zurück und sagt schon in der Tür.

Ich muß bedauern ... ich war in Küche und Speisekammer; es ist nichts zu finden – und kein Mensch ist da.

BREJ.
Keine Menschenseele?
FALK.
Und ich habe so schauderhaften Hunger.
DER BISCHOF.

Wir dürfen auch keine gar zu komische Rolle spielen, lieben Freunde. – Wir müssen uns ins Unvermeidliche schicken. Also, fangen wir an. Setzt Euch bitte! Er selbst setzt sich aufs Sofa; die andern auf Stühle. In aller Kürze denn und in aller Stille – wir wissen ja, dieses Haus beherbergt eine Kranke, – wollen wir zusammen beraten, wie wir uns hier zu verhalten haben. – Ich habe immer die Ansicht vertreten: die Kirche hat sich angesichts einer solchen Bewegung – in der Regel – neutral zu verhalten. Weder Zustimmung, noch Widerspruch – bis sich die Bewegung so weit verlaufen hat, daß man sie beurteilen kann. – Von ganzem Herzen also hätt' ich heut gewünscht, wir wären unseres Weges gefahren. Aber es wurde nichts aus dem Weiterfahren.

DIE PASTOREN
murmeln unter sich.
Es wurde nichts aus dem Weiterfahren ... nichts aus dem Weiterfahren ...!
DER BISCHOF.

Alles wollte hierher, wo sich das[41] Wunder sozusagen niedergelassen haben sollte. Und ich mache ihnen auch keinen Vorwurf daraus. – Aber da wir dabei sind, und zwar auf demselben Schiff, so will man unsere Meinung hören. Wenn wir auf den Missionstag kommen, will man dort auch unsere Meinung hören. – Was ist nun aber unsere Meinung?

KRÖJER.

Bitte um das Wort in aller Ergebenheit: entweder glauben wir an das Wunder und handeln dementsprechend; oder wir glauben nicht daran und handeln dementsprechend.

DER BISCHOF.
Hm! – Es gibt ein Drittes, junger Freund!
DIE PASTOREN
murmeln unter sich.
Es gibt noch ein Drittes! Wahrlich, es gibt noch ein Drittes!
DER BISCHOF.

Je älter und erfahrener man wird, desto schwieriger bildet man sich eine Überzeugung, – besonders in übernatürlichen Dingen. – Hier würden Zeit und Verhältnisse auch nicht einmal eine Untersuchung gestatten. Und gesetzt den Fall, wir kämen zu verschiedenen Meinungen? Wie würde sich in diesen Läuften des Zweifels ein Priesterstreit über das Wunder ausnehmen? Ob es da irgendwo oben im Norden Wunder gebe oder nicht. – Ich sehe, unser alter Blank verlangt das Wort.

BLANK.

Wenn ich Hochährwörden richtig vers-tanden habe, so haben wir in ärster Linje nich zu entscheiden, ob hier 'n Wunder vorliecht oder nich. Das is dem lieben Gott seine Sache!

DER BISCHOF.
Ist Gottes Sache! Das ist das rechte Wort! Ich danke Dir, mein Alter!
BLANK.

Ich meine, Wunder unterliechen äbenso entschiedener Jesetzmäßigkeit wie alle andern Dinge, obwohl wir das Jesetz nich erkännen. Ich bün dersälben Meinung wie Professer Pätersen.

FALK.
In dem Buch, das nie herauskommt?
BLANK.

Aber das in einige Jahren 'rauskommen wird. – Wenn däm nu so is, – was für ein Jewicht hat dann das einzelne Wunder, – ob wir Kurzsichtigen [42] es nu sehen oder nich? – Glaubt die Je meinde es zu sehen, so loben wir den Herrn mit ihr.

DER BISCHOF.
Du willst also doch, wir sollen das Wunder anerkennen?
BLANK.
Weder anerkännen noch auch nicht anerkännen. Wir loben den Herrn einträchtiglich mit der Jemeinde.
DER BISCHOF.
Nein, mein alter Blank, mit Lobliedern kommen wir nicht weiter.
DIE PASTOREN
murmeln unter sich.
Mit Lobliedern kommen wir nicht weiter. Nein, mit Lobliedern kommen wir nicht weiter.
DER BISCHOF.
Herr Brej hat das Wort.
BREJ.

Ich begreife wirklich nicht, was im Wege stehen sollte, das Wunder jetzt gleich anzuerkennen. Ist es denn etwas so Seltenes? Ich sehe immer Wunder. Wir sind in unserer Gemeinde so daran gewöhnt, daß sie nicht zu sehen das Ungewöhnliche wäre.

FALK.

Will Brej nicht so liebenswürdig sein, uns etwas von den Wundern daheim in seiner Gemeinde zu berichten?

DER BISCHOF.
Nein, – sonst kommen wir vom Thema ab. Zu Jensen. – Sie sind aufgestanden? Wünschen Sie das Wort?
JENSEN.

Ja. Alles ist in diesem Fall durch das Faktum bedingt, vor das wir gestellt sind. Ist es ein Wunder – am Ende gar mehrere –; oder ist es kein Wunder?

KRÖJER.
Sehr richtig.
JENSEN.

Jedes einzelne Wunder wäre zu untersuchen. Aber dann müßten wir ein technisches Gutachten und ein sicheres medizinisches Gutachten haben und vielleicht auch die Bescheinigung des Vorgangs durch einen ordentlichen Notar. Das sind die Voraussetzungen, unter denen die Pastoren erst mit Sicherheit ihr geistliches Urteil abgeben können. – Unter »geistlich« verstehe ich nicht das, was wir hier von Laienpredigern und anderen sogenannten Erweckten und [43] Erleuchteten sehen und hören. – Ich denke hier, wie überall, an eine schlichte, runde, trockene Wahrheit, – um so »geistvoller«, je schlichter, runder, trockener sie ist.

FALK.
Hört, hört!
JENSEN.

Dann wird es sich vielleicht zeigen, daß es hier niemals ein Wunder gegeben hat. Niemals! – Ein Wunder kommt nicht, wenn es erwartet und von Hunderten, ja Tausenden in Erregung und Neugier erwartet wird. – Ja, Neugier! – Nein, das Wunder kommt echt, schlicht, still, trocken zu den echten, schlichten, stillen, trockenen Menschen.

FALK.
Das ist mir wirklich aus dem Herzen gesprochen.
KRÖJER.

Wenn Falk erlaubt, so möcht' ich doch eine Bemerkung machen. Seit ich als Pfarrer hier ins Land kam, hab' ich's erlebt, daß gerade die trockensten Menschen am leichtesten eine Beute des Aberglaubens werden.

BREJ.
Ich habe ganz dieselbe Erfahrung gemacht ist wirklich und wahrhaftig!
KRÖJER.

Aus Mißtrauen bestreiten sie oft das, nur so klar wie der Tag ist. Aber dann werden sie, gewissermaßen im Rücken, von einer unerklärlichen Furcht überfallen und so durch Dinge beeinflußt, die für uns andere in tiefes Dunkel gehüllt sind. – Ich denke mir, das Übernatürliche ist in höchstem Grade ein ererbter Trieb der Menschen geworden – und widerstehen wir diesem Trieb auf die eine Art –

BREJ.
– so kommt er auf die andere Art wieder! So hab' ich mir's auch gedacht!
FALK.

Ja, mag dieser Trieb nun von den Trockenen kommen oder von den Saftigen, so möchte ich mir doch einmal die Frage erlauben, ob Sie der Meinung sind, daß wir nun all die Errungenschaften der Vernunft und Ordnung opfern sollen, die wir innerhalb der Kirche gemacht haben, und wieder schwärmen sollen wie ordinierte Nachteulen?

[44]
BREJ.
Warum sehen Sie mich dabei an! Die Pastoren brechen in ein schallendes Gelächter aus.
DER BISCHOF.
Psssst! Vergeßt nicht, im Haus ist eine Kranke!
FALK.

Die Sehnsucht nach Wundern ist ebenso sehr ein Auswuchs am Stamm des Glaubens wie das ganze Laienpredigerwesen am Stamm der Verkündigung, – ein Unfug, eine Krankheit, ein Atavismus, ein Schluckauf. Die Pastoren lachen leise und geraten dadurch ins Husten.

DER BISCHOF.
Psssst!
FALK.

Das Wunder, das nicht von der Kirche anerkannt, – sozusagen von der obersten Kirchenbehörde unter dem Vorsitz Seiner Majestät des Königs angestellt und eingesetzt ist, das ist in meinen Augen ein Strolch, ein Landstreicher, ein Ein brecher. Der Bischof lacht leise, und die Pastoren auch, zum Bischof hinüberschielend.

FALK.

Es mag etwas Schönes sein um die Naivetät. Auch ich bin naiv gewesen. Aber wenn man als Pfarrer um ein Uhr am Grabe trauern soll mit den Trauernden, – um drei Uhr fröhlich sein mit fröhlichen Hochzeitsgästen, – dann um vier Uhr vielleicht am Totenbette eines Armen stehen und um fünf Uhr im Schloß zu Mittag essen soll – da lernt man die menschliche Gebrechlichkeit kennen. Da lernt man, sich nicht zu verlassen auf Menschen und desto mehr auf Institutionen. – Wenn das Wunder erscheint, so geht alles, was Institution heißt, im Aufruhr der Gefühle unter. Darum hat die katholische Kirche versucht, aus dem Wunder eine Institution zu machen. Aber deshalb hat sie auch die Achtung aller Verständigen eingebüßt und ist wieder auf die Einfältigen und Eigensüchtigen angewiesen. – Ich war einmal in einer Damengesellschaft, unter ungefähr zwanzig Damen der einzige Mann. Heiterkeit. Eine Dame bekam Krämpfe. Sofort eine zweite, und wieder eine, – im ganzen sechs. Die Heiterkeit steigert sich. Da nahm ich Wasser und begoß damit erst diese sechs und dann noch einige andere; denn dergleichen steckt an.Stürmisches Gelächter.

[45]
DER BISCHOF
faßt sich zuerst.
Pssssst! Darauf bricht er wieder in Lachen aus, die andern mit; faßt sich. Psssst!
FALK.

Das Mittel kann ich empfehlen. Kalten Wasserstrahl! Die Herren lachen noch und husten in ihre Taschentücher. Einige danken Falk herzlich.

KRÖJER.

Wir kennen Falk ja und wissen, er ist ein braver Mann – trotz seiner wunderlichen Art. Ich glaube, sähe er die alte Pfarrerswitwe hier – sie ist nun an die hundert Jahr alt –, er wäre der letzte, der sie mit Wasser begösse, – obwohl sie als lebendiges Wunder unter uns wandelt und alle mit ihrem Glauben ansteckt. Dasselbe gilt von der jungen Aagot Florvaagen, die die Alte pflegt. Das Wunder, das sie zum Leben erweckte, das hab' ich mit eigenen Augen gesehen, und viele mit mir. Für unsere Augen, für unsere Hände war sie tot und kalt. Und er betete über ihrer Lagerstatt und richtete sie auf, und sie erhob sich. Ihr werdet dem Zeugnis eines Mannes glauben! Überraschung. Sie sind! zur Stelle.

MEHRERE.
Sind zur Stelle?
KRÖJER.

Sie kommen vielleicht hier herein. Sie steuern gerad' auf das Haus zu, – es geht freilich nur langsam. Die Alte will schauen – will die schauen, die der Felsendonner nicht wecken konnte. – Seht Euch die Alte nur an! Sprecht mit ihr! Sprecht mit dem Mädchen, das sie begleitet! Euch wird Antwort werden, – Antwort, so unzweideutig und klar, wie ihr Antlitz ist. – Dies fördert uns mehr als alle Eure doktrinären Erwägungen. – Ich sage das nicht, um anzuklagen. Ich habe selbst gedacht wie Ihr, – bis ich Pfarrer hier oben wurde. Keiner hat es schmerzlicher empfunden als ich immer, welche Einbuße die Kirche erlitten hat, und wie armselige Doktrinen und Wegdeutungen uns geblieben sind. – Wir sind arm ohne das Wunder, – ohne den Mut, für das Wunder zu beten, und müssen uns so stellen, als könnten wir es entbehren oder als hätten wir es und wären reich! – Ich kenne Euch alle soweit, um zu wissen: dürftet Ihr, – ja [46] wäret Ihr nur sicher, hier ein Wunder zu erleben, so groß, daß die unsterbliche Anschauung der Bibel Wahrheit würde: »Alle, die es sahen, glaubten es« – o, so ohnmächtig auch sonst ein jeder von Euch sein mag, Ihr würdet wie die Kinder, Ihr würdet ganz Hingebung sein, Ihr würdet all die Lebenstage opfern, die Euch noch geschenkt sind, um das Wunder zu verkünden. Bewegung, besonders bei den älteren Männern. – Ich darf diese Zugeständnisse wohl in Eurem Namen machen, Brüder, weil ich innerhalb des geistigen Ringes stehe – des Ringes, von dem es heißt: entweder drinnen oder draußen. Ist man einmal drinnen, so fallen alle Vorspiegelungen der Armseligkeit von selbst, und wir haben den Mut, die Wahrheit zu bekennen. – Was wäre vom Christentum wohl übrig, wenn die Kirche das Wunder eingebüßt hätte?

ELIAS
kommt von draußen.

Verzeihung! – Hier ist eine Frau, die meine Mutter zu sehen wünscht. Es ist die alte Pfarrerswitwe. Alle stehen auf. Sie erblicken in der Tür die Pfarrerswitwe und Aagot. Elias öffnet die Tür, die nach rechts führt, und geht selbst hinein. Die Pastoren haben ihre Stühle genommen und sind ehrfürchtig zurückgetreten.

DIE PFARRERSWITWE.

Nun laß mich, Aagot! – Ich will jetzt allein sein. – Allein. – Denn hier, wo der Herr gewesen, ist heiliger Grund. – Hier ist heiliger Grund. – Hier steht man Aug' in Auge. – Und da ist es besser, allein zu sein. Sie steht jetzt so, daß sie hineinblicken kann. Dann verneigt sie sich. Sie streckt ihre beiden Hände empor in tiefer Verzückung. Dann blickt sie wieder hinein und verneigt sich. Wendet sich um und geht. Sie war weiß. – Schimmernd weiß. – Ich konnt' es mir denken. – Schimmernd weiß. – Und schlief wie ein Kind. – Nun hab' ich es gesehen. – So etwas bringt Erleuchtung. – O, welche Erleuchtung! – Ich danke Dir, daß Du mich ließest allein sein.

AAGOT.
Warst Du denn allein?
DIE PFARRERSWITWE.
Ganz allein. – Außer mir keiner. – Sie war schimmernd weiß. Beide sind schon draußen.
[47]
ELIAS
kommt jetzt von rechts herein.

So, – nun sind beide Türen wieder geschlossen. Und jetzt will ich auch diese schließen. Ab. Die Pastoren stehen noch immer schweigend da.

KRÖJER.
Ihr spracht nicht zu ihr?
DER BISCHOF.
Nein.
KRÖJER.

Es ist ein Sonnenstreif auf aller Angesicht. – Ich will Euch sagen, warum: – von den Menschen, die das Wunder bestrahlt hat, geht ein Abglanz aus. – Laßt uns davon reden! – Die Pastoren treten wieder zusammen und setzen sich.

JENSEN.
Darf ich eine Frage stellen? – – Halten Sie die Bekehrungen nicht auch für ein Wunder?
KRÖJER.

Das, was wir das Wunder der Bekehrung nennen, läßt sich psychologisch verfolgen, Schritt für Schritt; also ist es kein Wunder. – Es hat sein Gegenstück in anderen großen Religionen und in der rein moralischen Bekehrung, obwohl sie sich im stillen vollzieht. – Ein Christentum aber, das auf dem Wunder beruht und im Lauf der Zeit die Kraft zum Wunder verloren hat, – was ist es? – Moralvorschriften!

FALK.
Das Merkmal des Christentums ist nicht das Wunder – vielmehr der Glaube an die Auferstehung.
KRÖJER.
Den alle großen Religionen haben? Den alle Menschen mit religiöser Empfindung haben?
DER BISCHOF.
Was verstehen Sie denn unter Christentum?
KRÖJER.

Für mich ist das Christentum unendlich mehr als eine Moralvorschrift. Dergleichen haben wir anderswo ausführlicher wie auch feiner als im Neuen Testament. Für mich ist es unendlich mehr als die Kraft zur Hingebung; sonst wäre ihm manches andere im Range gleich. – Entweder ist das Christentum ein Leben in Gott, weit hinaus über diese Weltlichkeit und alle ihre Vorschriften; oder es ist es nicht. Entweder ist es mehr als bloße Hingebung an eine Idee, nämlich eine neue Welt, ein Wunder; oder es ist es nicht. [48] Er setzt sich, ergriffen und matt. Da ist noch so manches, ... was ich zu sagen hätte; ... aber ich kann nicht ...

DER BISCHOF.

Als Sie heut an Bord kamen, lieber Kröjer, da sah ich gleich, daß Sie überanstrengt und krank sind. Aber das sind ja wohl alle, die Pfarrer Sang folgen?!

DER UNBEKANNTE
hat die Tür nach dem Söller geöffnet, ohne sie wieder zu schließen.
Er hat sich schrittweise genähert. Darf ich ums Wort bitten?
DER BISCHOF.
Bratt, – Du bist es?
ANDERE.
Pastor Bratt?
WIEDER ANDERE.
Bratt?
DER BISCHOF.
Uns hast Du Dich nicht angeschlossen! Wie kamst Du her?
BRATT.
Übers Gebirge.
DER BISCHOF.
Übers Gebirge? – Zum Missionstag willst Du dann wohl nicht?
BRATT.
Nein, hierher wollt' ich.
DER BISCHOF.
Ich verstehe.
BRATT.

Zum Wunder will ich. – Und so kam ich gestern an, gerade als der Berg niederging. Ich stand auf dem Felsen, ein Stück weiter, und sah. Und ich hörte den Glockenklang. – Und ich bin geblieben – und ich habe heut Morgen gesehen, wie man einen Kranken zur Kirche trug, und wie der Mann beim Hochgesang des Pfarrers aufstand, Gott dankte und von dannen ging. Hab' ich das Wort?

DER BISCHOF.
Natürlich.
BRATT.
Denn ich bin ein Mensch in Nöten, der kommt und Euch um Hilfe bittet.
DER BISCHOF.
Sprich, mein lieber Bratt!
BRATT.

Ich sage mir: hier stehe ich endlich vor dem Wunder. Und im nächsten Augenblick: ja, ist denn auch ein Wunder? – Denn dies ist nicht der erste Ort, zu dem ich gewandert bin, es zu sehen. Ich bin von allen Wunderorten Europas enttäuscht heimgekehrt. Hier – das muß man sagen – ist der Glaube größer und einfältiger; dieser Mann ist groß. Es hat mich mit [49] übernatürlicher Macht gepackt, was ich hier gesehen. Und im nächsten Augenblick der Zweifel! Seht, das ist mein Fluch. Ich habe diesen Fluch auf mich geladen, weil ich sieben Jahre lang als Pfarrer den Gläubigen das Wunder versprochen habe. Es ihnen versprochen habe, weil es so geschrieben stand, – versprochen, obwohl ich selber zweifelte: denn ich hatte noch keinen Gläubigen gekannt, dem das Wunder geworden wäre! Sieben Jahre hab' ich verkündigt, was ich selbst nicht glaubte. – Sieben Jahre hab' ich darum auch, immer wenn die schweren Tage kamen (und sie kamen oft, ebenso wie die schlaflosen Nächte!) in heißem Gebet gelegen: – wo ist die Macht der Wunder, die Du Deinen Gläubigen gelobt hast?Bricht in Tränen aus.

DER BISCHOF.
Du redest von der Leber weg! Das hast Du stets getan.
BRATT.

In bindenden Worten – eins immer stärker als das andere – hat er gesagt: der Gläubige habe diese Macht. Ja, die Macht noch größere Dinge zu vollbringen, als der Menschensohn vollbracht hat. – Was ist aus dieser Macht geworden? – Gibt es nach der unermessenen Glaubensarbeit von achtzehnhundert Jahren keinen Gläubigen von solcher Kraft, daß er ein Wunder in unserer Mitte verrichten könnte? Ist Gottes eigenes Gelöbnis noch immer nicht eingelöst? – Die Glaubensfähigkeit kann nicht vermindert sein. Es kann dieser Fähigkeit nicht umgekehrt ergangen sein wie allen andern Fähigkeiten der Generationen, – so zwar, daß sie durch beständigen Gebrauch abgenommen hätte. Nein. – Nach einer Verkündigung von mehr als achtzehnhundert Jahren muß diese Fähigkeit in vielen, vielen Geschlechtern ein tausendjähriges, wachsendes und wachsendes Erbteil geworden sein, multipliziert mit der Erziehung. – Und doch ist das Erbe nicht mächtig genug, das Wunder zu spenden? Die Sehnsucht aller Gläubigen zusammengenommen kann noch nicht ein Individuum gebären, das, begabt mit der Macht des Wunders, in den Bann seines Glaubens alle die zwingt, so das Wunder [50] sehen. Denn die Versicherung der Bibel muß sich erfüllen: »Alle, die es sahen, glaubten es.« – Also ein Wunder, das alle, so es sehen, zu Gläubigen macht. Und doch fallen Tausende und aber Tausende ab; denn ungeachtet es gelobt ist, kommt es nicht. – Ein Mann mit dem Wissen unserer Zeit, ein aufgeklärtes Weib unserer Tage begnügt sich nicht mit dem, was ein Mann oder ein Weib in früheren Zeiten ohne weiteres glaubte. Nicht weil ihre Glaubensfähigkeit geringer ist, sondern weil zu ihrem besseren Schutz ein Wall um sie gezogen ist. Ihre Hingebung ist von einer so viel tieferen und innerlicheren Art, daß es natürlich und erklärlich ist, wenn sie schwieriger zu erobern. Wer sie besitzt, der besitzt das beste, was die Welt zu bieten hat! – Also: Ihr müßt den Gegenwert riskieren, sonst gewinnt Ihr sie niemals. Die Pastoren unterhalten sich mit gedämpfter Stimme. Die Religion ist nicht mehr der Menschen einziges Ideal. Soll sie ihr höchstes sein, so bewahrheitet es. Sie können leben und sterben für das, was sie lieben, – für Vaterland, Familie, Überzeugung. Und da dies das Höchste ist, das es innerhalb der Grenzen des Natürlichen geben kann, und da du ihnen etwas noch Höheres zeigen sollst, – nun wohl, so mußt du hinaus über diese Grenzen! Zeig' ihnen das Wunder! Starke Bewegung unter den Pastoren.

FALK
steht auf.

Irgendwo steht geschrieben ein Wort des Zornes über das Geschlecht, das nicht glaubt, wenn es nicht Zeichen sieht.

BRATT.

Und wissen Sie auch, was das Geschlecht antwortet? – »Wir bitten nur um die Zeichen, die Gott selber gelobt hat, – gelobt denen, die da glauben! Oder habt Ihr noch keinen einzigen Gläubigen unter Euch? – Was wollt Ihr dann von uns?« – Ja, so antwortete das Geschlecht. – Aber gebt eben diesem Geschlecht ein Wunder, – eines, das die schärfsten Werkzeuge des Zweifels nicht zu zerstückeln vermögen, – eines, von dem es heißen kann: »alle, die es sahen, glaubten«, dann werdet Ihr's erleben, daß nicht die [51] Glaubensfähig keit fehlt; – das Wunder ist's, was fehlt. Bewegung bei den Pastoren. Die Verkündigung braucht keine Prämie für die Leichtgläubigkeit auszusetzen. Des Glaubens Ahnen leben als die zahlreichsten und stärksten selbst in den scharfsinnigsten Zweiflern! Gibt es jemand, der den zivilisierten Menschen kennt und das nicht wüßte? Gibt es einen Geistlichen, der nicht die Erfahrung gemacht hätte, daß im allgemeinen die Gefahr gerade die entgegengesetzte ist: weil ihnen das Echte fehlt, so verfallen sie dem Glauben an das Unechte.

MEHRERE
leise.
Das ist wahr.
BRATT.

Und wenn nun das Wunder unter uns träte, – so gewaltig, daß alle »die es sehen, glauben«? – Zunächst würden Millionen herbeiströmen – alle, die in Not und Sehnsucht leben, – die Enttäuschten, die Beladenen, die Leidenden, alle, die Gerechtigkeit heischen. – Und hörten sie, das Gottesreich sei wieder in des Wortes alter Bedeutung auf Erden errichtet, ... gleichviel an welcher Stätte, – in Tränen, in Jubel, – ja, auch wenn die meisten von ihnen wüßten, auf diesem Wege lauere Todesgefahr, – sie würden lieber hier sterben, als auf einem andern Wege leben. Sie kröchen herbei aus ihren Städten, aus Hütten, Betten, die Kranken voran, entgegen der Gottesoffenbarung. – Aber sie würden nicht allein bleiben! Alle, die die Wahrheit suchen auf Erden, kämen nach. Zuerst die mit dem stärksten Wahrheitsdrang, die tiefen, ernsten Forscher, die erhabenen Geister. Ihr Feuer wäre das schönste, ihr Glaube der wichtigste. Nicht der Wahrheitsdrang, nicht die Glaubensfähigkeit fehlt ihnen; – sondern das Wunder. – Alle wünschen Gewißheit und Frieden in dieser größten Frage der Welt. Selbst die Leichtsinnigen, – sie, die diese Frage als nutzlos oder unmöglich umgehen! Sie alle, ohne Ausnahme, haben dank ihrer Erziehung die Sehnsucht nach mehr, denn sie wissen: das heißt nach dem Glauben. Aber schafft ihnen das Unterpfand! – Ein Unterpfand, daß [52] die Verkündigung wahr ist. Sehen sie das Pfand, so glauben sie auch, was sie nicht sehen. – So ist es von Anbeginn gewesen. – Die Menschen, die sich jetzt mit dem Geringeren zufrieden geben, – mit ihrer persönlichen Erfahrung: – die handeln wie die Muhammedaner, Juden und Buddhisten. Auch diese berufen sich alle auf ihre persönliche Erfahrung! – Daß diese persönliche Erfahrung allgemeine Wahrheit ist, – dafür aber haben sie kein Unterpfand. – Das eben suche ich! Denn es ist mir verheißen! – Gott, mein Gott! Hier stehe ich vor der letzten Probe!

DER BISCHOF.
Bratt, Bratt!
BRATT.

Vor meiner letzten Probe. Denn der Kampf übersteigt meine Kräfte. Ich nehme Abschied von meinem Priesteramt, – Abschied von der Kirche, Abschied vom Glauben, – wenn, wenn, wenn –! Bricht in Tränen aus.

DER BISCHOF.
Mein teurer Sohn, Du darfst nicht: –
BRATT.

Nein – sprechet nicht zu mir! – Ich bitte Euch! – Helft mir zu Gott beten! Denn ist das Wunder nicht hier, so kann es kein Wunder geben! Dieser Mann ist ja doch mehr als andere Männer; er ist der edelste, den die Erde trägt! Einen Glauben wie seinen hat die Welt noch nicht gesehen. Und einen solchen Glauben an seinen Glauben hat auch noch kein Mensch gesehen.

ALLE.
Das ist wahr!
BRATT.

Und ist es nicht begreiflich? Er hatte ein großes Vermögen, als er herkam. Er hat alles hingegeben. Zahllose Male hat er sein Leben gewagt, um anderen zu helfen. Und zahllos sind die Wunder, die er nach der Meinung der Leute vollbracht hat. Gerade weil es so viele waren, glaubt' ich nicht an sie.

DIE PASTOREN
leise.
Auch mir ist es so ergangen.
BRATT.

Aber vielleicht hätten wir gerade umgekehrt denken müssen?! Denken, daß hier das ist, was man unter »Glauben« versteht?! Des Glaubens Existenz ist das Wunder. Er, der Glaube, muß das[53] Wunder bewirken! Vielleicht hätten wir so denken sollen! – Aber Denken hin, Denken her, – wir hätten nicht mit diesem professionellen Zweifel ihn anschauen dürfen, wie ich leider getan habe. Seine Liebe und sein Glaube hätten mich demütig machen sollen. Ich klage mich selbst an und bitte ihn in meinem Herzen inbrünstig um Verzeihung!

ALLE PASTOREN
ausnahmslos.
Ich auch! Ich auch!
BRATT.

Einen besseren Mann als ihn kennen wir nicht; keines Menschen Glaube ist stärker als der seine; – wenn nun hier das Wunder wäre ... Bewegung.

JENSEN
flüsternd.
Seht das Kreuz dort über der Tür! Ist es die Abendsonne – oder was sonst??
BRATT.

Ich weiß nicht. Aber seid überzeugt: tritt das Wunder in die Erscheinung, so werden Tausende Zeugen des Vorgangs sein, die wir nicht sehen. – Wenn wir es doch auch miterleben dürften! – Wenn wir es doch erleben dürften! Denkt nur, ein so Erhabenes erleben, daß »alle, die es sehen, glauben«! – Dessen sollten wir Zeuge sein dürfen! – Du, Du, ich? Das ist zu viel; das kann nicht möglich sein! – – Wir haben ja in unseren Tagen viel Menschen von derselben Gebrechlichkeit, Kleingläubigkeit, Lieblosigkeit wie wir, –

ALLE.
– Ja, ja! – –
BRATT.

– doch so hoch Begnadete wie wir gibt es in unseren Tagen nicht. Und gerade wir Unwürdigen müssen dazu berufen sein. Tiefe Bewegung. Und blick' ich hinaus auf dieses enge, nackte Fjordgestade, das erfüllt ist vom Schrei der Möven, so kommt mir der Gedanke: das Gottesreich begann einst in einer üppigen Ebene an der Heerstraße ins Sonnenland, – welch ein Zeugnis, wenn es in seiner ganzen Größe wiedererstände, hier auf einem entlegenen, armseligen Gestade am ewigen Eis –

FALK
steht auf, leichenblaß, und flüstert.
Ja, ja!
MEHRERE.
Ja, ja!
BRATT.

– und da will es mich bedünken, es treffe alles zusammen, das Wunder müsse kommen!Alle sind aufgestanden.

[54]
DER BISCHOF
leise.
O, wollt' es doch kommen, auf daß ich alter Mann es schauen dürfte!
BRATT.

Ja, würden wir doch aufgenommen in den Schoß des starken Glaubens! – Nicht weil wir verdienen, das Wunder zu schauen, – sondern weil wir sein bedürfen. Der alte Blank sinkt in die Knie; andere mit ihm.

BRATT.

Weil das ganze Geschlecht sein bedarf. Und dringender, je weiter das Zeitalter fortschreitet. Weil es uns gelobt ist. Weil es hier sein muß, wenn es ist! Kniet nieder. Sein Glaube muß es erwirken können! Sein Glaube ist der stärkste auf Erden! Und der Glaube kann es! Kann es!

ALLE.
Der kann es, – kann es!
BRATT.

– könnte der es nicht – so wäre das Ganze unmöglich. – Dann wäre das andere auch nicht wahr! Dann wäre in alledem ein Grenzenloses ...! Etwas, das über die Kraft ...!

5. Szene
Fünfter Auftritt.
RAHEL
hört man, wie sie von drinnen angstvoll ruft.

Elias! Sie kommt von rechts hereingestürzt und steuert gerade auf das Fenster zu; sie öffnet es, indem sie aus Leibeskräften ruft. Elias! Dann sinkt sie hintenüber und würde fallen, wenn Kröjer sie nicht auffinge. Sie bricht in Tränen aus, steht aber gleich wieder auf, indem sie entsetzt auf das Zimmer rechts deutet. Da! Da! Sie ist nicht mehr allein! – Seht doch hin, – seht! Alle sind aufgestanden. Im selben Augenblick wird Elias auf dem Söller sichtbar. Rahel reißt sich gleich los und eilt ihm entgegen. Die Mutter! Die Mutter!

ELIAS.
Ist sie aufgestanden?
RAHEL.
Ja, ja!
ELIAS.
Und geht?
RAHEL.
Aber sie ist nicht allein!
ELIAS.
Das sollen die andern hören!
RAHEL.
Aber nicht zu Vater hinein!
ELIAS.
Nein, aufs Dach – zum Glockenturm, es in die Lande läuten! Eilt davon.
[55]
RAHEL.
Aber Du hast ja keine Leiter?! Bekommt keine Antwort; ängstlich. Aber es ist ja keine Leiter da!
KRÖJER
mit einer Handbewegung, leise.
Psst!
DER BISCHOF
flüsternd.
Hört nur! Man hört aus der Kirche.
Halleluja, halleluja!
Halleluja, halleluja!
ALLE
sinken in die Knie, indem sie flüstern.
Er weiß es! Er weiß es!

Da kommt Klara, langsam schreitend, in ihrem weißen Leinengewande. Die Augen sind intensiv auf die Kirche gerichtet. Sie bleibt stehen und breitet die Arme dem Gesang entgegen.
ALL DIE GEISTLICHEN
antworten in leisem Chor.
Halleluja, halleluja!
Halleluja, halleluja!

Nun fällt der Klang der Kirchenglocke und alles Volk ein. Es ist solche Gewalt des Jubels in der Luft, daß man meinen kann, es sei der Gesang von Tausenden. Und der Jubelton wächst, weil die Leute aus den Hainen herzueilen. Einen Moment scheint es, als trügen diese Hallelujas das Haus vom Boden weg.
Sang erscheint in der Tür. Die Abendsonne beleuchtet sein Gesicht. Alles steht auf, alles tritt zurück.
Er streckt seine beiden Arme Klara entgegen; er schreitet vor und schließt sie in seine Arme. Der Gesang umbraust sie. Die Stube ist voll von Menschen; auch der Söller. Wie ein Wall stehen sie,
der nach oben wächst. Einige sind vor das Fenster getreten.
Da gleitet Klara langsam an seiner Schulter hernieder. Der Gesang verstummt; nur die Kirchenglocke läutet. Sie macht eine Anstrengung, als wolle sie sich fassen und aufstehen. Es gelingt ihr nur halb, indem sie den Kopf emporhebt und Sang anblickt.
KLARA.

Du Strahlender, – der Du gekommen, ... mein Geliebter! Ihr Kopf fällt wieder herab; sie läßt die Arme herniedergleiten; der ganze Körper sinkt in sich zusammen.

SANG
steht da und hält sie, indem er seine Hand ihr aufs Herz legt; er beugt sich über sie, verwundert.

Richtet die Augen empor und sagt kindlich. Aber, das war doch nicht der Zweck –? Er beugt das eine Knie und legt den Kopf Klaras darauf; untersucht sie; legt sie vorsichtig auf die Erde und steht auf, indem er [56] abermals die Augen emporrichtet. Aber das war doch nicht der Zweck –? Oder –? – – Oder –?


Er faßt sich ans Herz; fällt zu Boden.
Rahel hat wie versteinert dagestanden und zugesehen. Jetzt tut sie einen lauten Schrei und fällt vor ihren Eltern auf die Knie.
KRÖJER.
Was meinte er – mit dem »oder« –?
BRATT.
Ich weiß nicht genau –. Aber er starb daran.
RAHEL.
Starb? – Das ist ja nicht möglich!

Die Glocke tönt weiter.
[57]

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TextGrid Repository (2012). Bjørnson, Bjørnstjerne. Drama. Über die Kraft I. Über die Kraft I. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3600-1