Die Autorpolitik

Ich kenn' ein Künstchen,
Das spielt gar gern
Mit blauen Dünstchen;
Das lehrt die Herr'n,
Genannt Autoren –
Versteht sich die
Mit langen Ohren –
Sich weißlich wie
Genies zu tragen.
In unsern Tagen
Macht Politik
[85]
Des Autors Glück;
Sagt ihnen leise
Ihr Genius,
Dem jeder Weise
Doch folgen muß.
Erst thun sie dünne,
Bemühen sich,
Wie eine Spinne
Vorsichtiglich
Um ein paar Säulen,
Zu diesen eilen
Sie flugs hinan,
Und hängen dann
Mit Heuchelfädchen
So fest, wie Klettchen,
An sie sich an.
Und nun beginnen
Sie ihr Gespinnst;
Doch erst gewinnen
Durch manchen Dienst
Sie sich behende
Ein Dutzend Hände,
Die ihr Gespinnst
Mit Klatschen heben,
Und Spinneweben
Für Leinwand geben.
Ist das gescheh'n,
So läßt die Spinne
Der Welt sich seh'n,
Sieht selbst das Scheiblein
Das sie sich span,
Wie ein schön Weiblein
Den Spiegel an,
Wird stolz und letzet
Am Bravoschrey'n
Ihr Ohr, und setzet
[86]
Sich mitten d'rein.
Ans Neugier laufet
Nun alles hin,
Besieht und kaufet
Sich das Gespinn,
Zählt fleissig jeden
Der dünnen Fäden
Und hängt es hin,
Denn brauchen, leider!
Kann's weder Schneider,
Noch Näherin.
Und dieses Heer
Der kleinen Männer
Thut oft noch mehr,
Es täuschet Kenner,
Läßt nimmermehr
Sich nah' besehen,
Geht auf den Zehen,
Weit weg einher,
Und läßt nur gerne
Sich in der Ferne
Von ihnen seh'n.
Den Hügelchen
Des Maulwurfs gleichen
Sie dann, und reichen
So halb beseh'n
In eb'ner Ferne,
Bis an die Sterne,
Und mancher wähnt,
Der sie nicht kennt,
Er säh den Zwergen
Den Riesen an;
D'rum hört noch an,
Wie so ein Mann
Die Kleinheit bergen
Und täuschen kann.
[87]
Ein Dutzend Schergen,
In deren Hand
Des Volks Verstand
Und Ton ist, walten
Auch hier, und halten
Dem Layenchor
Ein Gläschen vor.
Da scheint dem Blicke
Die kleinste Mücke
Ein Elephant;
Denn, wie bekannt,
Giebt's wenig Augen,
Die ohne Glas
Das rechte Maß
Zu finden taugen.
Die Herren, klein
Vom Geiste, scheu'n
Das Kopfgerüttel
Von einem Büttel
Gar jämmerlich;
D'rum müh'n sie sich,
Die bösen Drachen
Durch manchen Brief
Und Autorkniff
Recht zahm zu machen;
Sie hängen dann
Flugs ihren Blättchen
Gar manches Nötchen
Voll Weihrauch an,
Woran die Götzen
Ihr Näschen letzen.
Oft selbst im Text
Streicht, wie behext,
Manch' Autorfüßchen
Vor jedem Haus
Gewaltig aus.
[88]
Auf so ein Grüßchen
Erfolgt, wie man
Leicht denken kann,
Ein Gegengrüßchen;
Denn, wie bekannt,
Wäscht eine Hand
Die and're wieder:
Wer Weihrauch streut,
Dem streut man wieder
Aus Dankbarkeit.
Wenn all' die Grüsse
Und Gegengrüsse
Hanns Hagel hört,
So horcht, und sperrt
Er Maul und Augen,
Die Galant'rie
Von Wahrheit nie
Zu sondern taugen,
Gewaltig auf,
Und wettet d'rauf,
Das, was nicht selten
Als Kompliment
Gesagt ist, könnt'
Im Ernste gelten:
Nimmt nun den Mann
Ohn' all' Gefährde
Zum Halbgott an,
Fällt hin zur Erde
Und betet an.
Denn die Monarchen,
Die ruhig schon
Auf ihrem Thron,
Wie Götter, schnarchen,
Sehn's nur zu gern,
Wenn ihre Knaben
Altäre haben,
[89]
Weil kleine Herr'n
Die grössern heben,
Und ihrem Thron
Mehr Stufen geben.
Um diesen Lohn
Hat mancher schon
Bei grossen Dichtern
Gedient, die dann
Vor Splitterrichtern
Den kleinen Mann
Gar mächtig schirmen,
Und himmel an
Ihr Thrönlein thürmen.
Ihr hört mich an,
Ihr grossen Dichter,
Die Zeit ist Richter!
Behängt euch nicht
Mit dem Gezücht
Von Dichterlingen;
Fand je ein Spatz
Wohl in den Schwingen
Des Autors Platz?
Er sieht vom Hügel
Der Sonne Schein,
Hebt seine Flügel –
Und fliegt allein.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Gedichte. Sämmtliche Gedichte. Satyrische, scherzhafte und erotische Gedichte. Die Autorpolitik. Die Autorpolitik. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-36D4-5