An Fräulein M. von B*

In ein Exemplar des ersten Bandes meiner travestirten Aeneis geschrieben.


Ein Autor, Theure, der mit Ehren,
Und als ein ächtkathol'scher Christ
Sein Kindlein will zur Welt gebähren,
Hat vordersamst, wie es gebräuchlich ist,
Nach einem guten Freund sich umzusehen,
Der bei der Taufe zu Gevatter ihm zu stehen
Und für das Kindlein gut zu sagen sich entschließt.
Ich hätte gern in meinen Kindesnöthen
Um dieses gute Werk, o Theure, dich gebeten,
Wüßt' ich nicht, daß mein Kind so voller Schelmerei
Und ein so ungezog'ner Junge sei,
Für den, nach christlichen Gebräuchen,
Kein Mann, geschweige denn ein Mädchen deinesgleichen,
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Mit Ehren sich verbürgen kann.
Denn ach, gesetzt ich spreche dich d'rum an,
Wie könntest du zu all' den Schelmereien,
Mit denen ich, sein Herr Papa,
Mir selbst zum Scandalum, so reichlich ihn versah,
Vor aller Welt ihm deinen Namen leihen?
Wie für den ausgelassenen
Leichtfert'gen Buben Bürge stehen,
Der bis an's Ohr in lauter Schalkheit stecket,
Und schon so früh die armen Mönche necket:
Der über Bilderchen und Amulette lacht,
Und selbst dem Papst ein Fäustchen macht:
Dem, wenn er böse wird, zu einem Nasenstieber
Sankt Christoph selbst zu groß nicht ist,
Und der sich manchmal so vergißt,
Daß er, obschon ein Kind, doch seine Amme lieber
Als ein Marienbildchen küßt:
Der, wenn er auf dem Steckenpferdchen reitet,
Mit seiner Peitsche links und rechts
Zuhaut, und ohne Schonung des Geschlechts
Den Narr'n und Närrinen auf ihre Schellen deutet;
Der selbst mit deinen Schwesterchen
In Eva, sind sie auch so schön,
Und nicht so gut wie du, als wie mit Bäuerinen,
Ja gar mit überird'schen Göttinen
Als wie mit Höckerweibern spricht?
Nein – sicher müßtest du dich schämen,
Den kleinen Wechselbalg im Angesicht
Der Welt in deinen Schutz zu nehmen.
Allein bei all' dem prätendirt
Der Knabe doch, daß er dir angehöre,
Ja, daß er dir zum Theil sein Daseyn schuldig wäre,
Weil du, als man ihn accouchirt,
So gütig warst, mit eig'nen Händen
(In allen Züchten zwar) für ihn dich zu verwenden.
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So keck auch die Behauptung scheint,
So muß ich doch, damit der Junge mir nicht weint,
Ihm schon willfahren, und dir ihn
Als meiner Frau Gevatterin –
Doch ganz im Stillen – dediciren,
Und ihn, so schlimm er ist, dir anrecommandiren.
So nimm dich denn des kleinen Wildfangs an:
Der Himmel wird für das, was du in deinem Leben,
Für einen bösen Jungen einst gethan,
Dir künftig lauter gute geben,
Und ich will dann sie auch dir aus der Taufe heben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Gedichte. Sämmtliche Gedichte. Briefe, Fabeln und Erzählungen. An Fräulein M. von B*. An Fräulein M. von B*. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-36F9-4