An die Schwestern

Schwestern, laßt euch's nicht verdriessen,
Daß uns keine essen sieht;
Danken würdet ihr uns müssen,
Wüßtet ihr, warum's geschieht.
Solltet ihr das Wunderbare
Uns'rer Tafellogen seh'n,
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O so glaubet mir, die Haare
Würden euch zu Berge steh'n.
Drachenzungen, Kröteneier,
Faul und stinkend, wie die Pest,
Alles, was bei'm Höllenfeuer
Satan selber kochen läßt;
Seine feu'rigen Pokale,
Und der Schwefel, der d'rin brennt,
Wären gegen uns're Mahle
Noch ein fürstlich Traktament.
Hört, wir sitzen in der Runde,
Essen mit dem Maul – o weh!
Was wir käuen, wird zur Stunde
Uns im Mund zum – Fricassee.
Wir zerschneiden, was wir finden,
Schonen keines Tafelstück's:
Ach, und aus der Schüssel schwinden
Uns die Speisen Augenblick's.
Selbst die Teller, glaubt's ihr Schönen,
Ritzen wir nicht selten wund;
Das Gefror'ne wird zu Thränen,
Und zergeht uns in dem Mund.
Doch das Schrecklichste aus allen
Würde unser Trank euch sein;
Denn bei ächten Maurermahlen
Trinkt man nichts – als Vier und Wein.
Was uns eingeweihte Zecher
Selbst oft Wunder nimmt, ist das:
Uns're Flaschen haben Löcher,
Doch der Wein rinnt – nur in's Glas.
[280]
Was ihr ohne Schrecken sehen
Könntet, wäre dies allein,
Daß wir euer'm Wohlergehen
Immer auch ein Gläschen weih'n.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. An die Schwestern. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-378C-3