Clemens Brentano
Die Gründung Prags
Ein historisch-romantisches Drama

[Vorwort]

[527] Die Entstehung und der Schluss des romantischen Schauspiels
»Die Gründung Prags«
Von Clemens Brentano an seine Freunde

Die Geschichte hat wenigen Ländern mit soviel unschuldiger Liebe die Biographie ihrer ersten Jugend aufgezeichnet als dem segenvollen, in sich geschlossenen Böheim. Die Ströme der Völker, welche sich in seine Täler ergossen und endlich, über seine Höhen emporgetreten, das von reichen Gebirgen umfriedete Land zu einem zusammenhängenden Meere des Lebens machten, welches das Weltschicksal durch einen Mondsteinwurf in kreisende Bewegung setzen kann, – alle diese Ströme geleitet uns die Geschichte mit mannichfacher vertraulicher Erzählung hinan bis zu ihrer Quelle, den Brüdern Czech und Lech, die, durch Menschenfülle aus reicher Heimat überfließend, sich einfältiglich in diese Waldtäler mit einer ehrbaren patriarchalischen Schar ergießen. Wir sehen sie, von ihren Verwandten und Freunden umgeben, im Geleite ihrer Herden, ihr Panier, den schwarzen Adler in weißem Schilde auf gelber Fahne, durch die Wälder einhertragen und besitznehmend in den Grund und Boden der neuen Heimat pflanzen, welche bald ihr Vertrauen belohnt. Wir sehen ihren Wandel, wir hören ihre Reden und den Schlag ihrer Äxte, der die Wälder lichtet; sie bauen, umzäunen, arbeiten und beten zu ihren Göttern, die sie mit sich geführt; sie trennen, sie gesellen, sie verbinden sich; wir sehen die Familien zum Volk erwachsen, das Volk sich zum Staate befestigen. Wie Moses die Welt vor den Augen der Kinder und der Weisen aus den Händen des Schöpfers hervorgehen läßt, wie sein erster Mensch in einem Garten vor uns wandelt, alles benennt, von allem Besitz nimmt, wie er fällt, wie die Not ihn treibt, wie er sich fortpflanzt, sich verzweigt, wie aus ihm die Altväter, aus diesen die Stämme und weiter die Völker hervorgehen, wie der begeisterte Seher sieht, glaubt und aussprechend dichtet, wie göttliches Gedicht zur Sage und Sage zur Geschichte wird, so ist auch die böhmische Geschichte eine Seherin, eine Dichterin, eine Künstlerin, die uns, wo die [527] historische Urkunde verstummt, eine höhere, überzeitliche, ewige poetische Wahrheit, die Sage, giebt. Wir aber dürfen diese um so dankbarer von ihr empfangen, als uns die Geschichtschreiber meistens in die Jugendperiode der Völker wie Fremdlinge in eine Stadt hülflos absetzen, in welche durch verworrene Marschrouten die verschiedensten Truppen sich zu gleicher Zeit und in so ungeheuerer Anzahl einquartieren, daß auch die schulgerechteste Kritik Mühe hat, sich vor dem Andrang der durcheinanderströmenden Nationen, die alle ihre Quartierzettel vorzeigen, auf den Beinen zu erhalten. Diese aus allerlei römischen Armeeberichten zusammengelesenen und nach mannigfaltigen geographischen Konjekturen und Capricen von gelehrten Pedanten bald so, bald anders durcheinandergeströmten Völker verhalten sich höchstens zu wahren historichen Karten wie die durcheinandergezogenen flüssigen Farben der Marmorpapierfabrikanten, welche bei der geringsten Umrührung in eine schmutzfarbigte Masse zusammenrinnen, die zu entwirren, jeder, der da will oder muß, eine andere Abhandlung schreibt, welche niemand erfreut als seinen Nachfolger, der sie widerlegt.

Auch die frühste Kindheit der Geschichte ist stumm, und wer das Wesen ihrer ersten Jugend erfahren will, kann dieses allein, wo sie noch lebet, von ihrer Amme, der Sage, die an ihrer Wiege gewacht und gesungen, erfragen. Später, wenn sie schon stammeln und endlich reden gelernt, plaudert sie den eignen Traum und die Märchen ihrer Amme durcheinander; ist sie aber nach Jahren wohl unterrichtet, kann sie Böses von Gutem unterscheiden, dann gehet sie auch schon als eine Sünderin zur Beichte und wir hören die sogenannte Wahrheit von ihr; der Denker aber mag ausmitteln, was von diesen Geständnissen ihr eigenes freies Leben und was ihr allein die Rute ihrer Zuchtmeister eingelehrt. Wo die historische Wahrheit eintritt, steht der Engel mit dem feurigen Schwerte bereits vor dem verlorenen Paradies. Wie aber jeder Lebendige, wär er auch noch so sehr in der Gegenwart versteinert, wenigstens in einzelnen Augenblicken mit Rührung in die goldenen Träume seiner Kindheit zurückschauen mag, so haben auch immer ganzgesinnte Forscher die Geschichte der Völker, nicht zufrieden, [528] daß sie wie eine Sonne hell am Himmel zu stehen scheint, bis zu ihrem Aufgang aus morgenroten Nebelwolken, und zu ihrem Untergang, der sich zu jenem wie der Greis zum Kinde verhält, sie stürbe denn einen jugendlichen Heldentod, zu verfolgen geliebt. Mit wie getreuer und langer Beobachtung aber ist die Geschichte des Bienenstaates begleitet worden, und doch wissen wir nichts von ihnen als eine Menge Äußerlichkeiten. Aller lauschenden List verkleben sie die Einsicht ihres Baues, zwingt man sie gleich in ein gläsernes Haus, denn aller Aufgang liegt im Dunkel, ja selbst der des Lichtes. Wie aber der Traum der Nacht angehört, welchen ich einer Arche vergleichen möchte, die vieles Leben des untergegangenen Tages über den dunkeln Wogen der Nacht rettend emporträgt, und gleichwie, ging uns je die Erinnerung mit der Sonne des Tages unter, wir gerne die Bruchstücke seiner Gestalten unter dem Mondregenbogen, der über diese Arche gespannt ist, hervorgehen sähen, damit wir mehr als von heute seien, also wird und muß auch jeder Historiker gern in den Träumen der Geschichte lesen, der Dichter aber wird sie verstehen und auslegen.

In frühester Jugend sah ich in einem alten Buche Europa als eine wohlgekleidete, mit allen Herrscherinsignien ausgerüstete Jungfrau abgebildet, und vor kurzem ist mir dasselbe Bild zu meiner Freude in einer alten böhmischen Übersetzung von Buntings Reisebuch über die heilige Schrift wieder begegnet. Der Rhein liegt über ihrer Brust, wie eine Ehrenkette, an welcher Frankfurt, meine Vaterstadt, wie ein Schloß hängt, von diesem herab aber schwebt Böhmen als ein von Edelsteinen umfaßtes Geschmeid. Damals entstand in mir ein kindisches Interesse für dieses Land, wozu die böhmischen Glashändler, die ihre Buden voll bunter Glasflüsse in unseren Messen ausstellten, nicht wenig beitragen mochten; ich glaubte, das seien lauter Edelsteine, die aus jenem Geschmeide herausgebrochen worden; denn ich konnte mir Böhmen nun nicht anders als unter einer zierlichen, schimmernden Klosterarbeit, unter einem reichen Amulett denken, in dem Prag wie eine Reliquie eingeschlossen seie. Später hörte ich Böhmen den Nabel und auch wohl das Gürtelschloß der Jungfrau Europa nennen. So vorbefangen ergriff ich das vortreffliche Volkshistorienbüchlein, [529] die böhmische Riesengeschichte, mit ungemeiner Begierde, aber da fand ich freilich wieder alles ganz anders; es wird da die Sage von dem Schlosse Przinda oder Frauenberg, die Hagek unter dem Jahre 1009 erzählt, abgehandelt, und das Ganze ist von einer ungeheuren Riesenwirtschaft umgeben, ja die Prager Brücke ist ein einziger Riesenknochen, durch den man geht und fährt; das fremde Wort Hradschin machte mir in jener Geschichte besonders einen finstern und gespensterhaften Eindruck. In meiner Vaterstadt selbst früh von der abenteuerlichen, über- und durcheinandergetürmten Existenz der Juden in Glauben und Sitten wie von einer Rätselwelt berührt, erhielt meine Phantasie zu ihrer seltsamen Vorstellung von Prag noch einen ganz eigenen Zusatz durch die Erzählungen, daß dort eigentlich die hohe Schule der echten Kabbala, der höchste Sitz des ältesten Rabbinismus und der wahre gordische Knoten des europäischen Judentums sei; hiezu kamen später noch sechzigtausend Studenten, die mir in einer alten Geographie als dort herumvagierend angezeigt wurden, dann der selige Märtyrtod des heiligen Nepomuks, dessen Bild von dem Moldaugestirn umgeben, ich auf allen Brücken des katholischen Deutschlands begegnete. Weiter fiel mir die alte Chronik des Konstanzer Konziliums in die Hände, und ich sah den ketzerischen Huß in illuminiertem Holzschnitt verbrennen, seine kämpfenden Anhänger aber, die Hussiten, lernte ich zuerst in ihrer ganzen Schreckgestalt aus einer vortrefflich erzählten historischen Urkunde über ihre Erscheinung vor Naumburg im Journal von und für Deutschland kennen, und Gottfrieds Chronik zeigte mir im Bilde, wie man Gesandte zu den Fenstern hinabstürzte. So seltsam finster und abenteuerlich überbaut und unzugänglich umgraben, verbrücket und verrüstet, lag meine Vorstellung von Böhmen, und besonders von Prag, wie das wunderliche Wolkenbild eines Zauberschlosses vor meiner Phantasie, als mir in meinen Jünglingsjahren Musäus in seinem Volksmärchen Libussa wie eine erlöste Jungfrau, wie einen lachenden Vollmond daraus hervorführte; der böhmische Himmel ward mir heiterer, und alles Böhmische empfing mir von ihr einen magischen Glanz in meiner innern Welt.

Später begegnete mir der ehrliche vertrauliche Hagek; ich [530] horchte ihm gläubig zu, als sei er ein alter, lebendig und munter erzählender Hausgenosse, dessen Mitteilung mir von Jugend wert gewesen: und ich werde den biedern Hagek immer so sehr lieben, als mir die neuen überklugen Geschichtszeitungsschreiber, die ihn einen alten Fabelhans nennen, immer nüchterne Langeweile machen werden.

Aus allen diesen verworrenen historischen und märchenhaften Eindrücken war meiner Phantasie trotz aller späteren wahrhafteren Belehrung ein wunderbares romantisches Konglomerat als ein Bild Prags ge blieben. Früh gefaßte Jugendbilder werden wie Gespensterfurcht und Idiosynkrasie beinah organisch, und sind bei bester Überzeugung und dem stärksten Willen kaum abzulegen. So war meine Erwartung auf das höchste gespannt, als ich zum ersten Male in die stolze königliche Stadt einfuhr.

Das erste, was mich einigermaßen befriedigte, war der Anblick des ernsten altertümlichen Schwarzenbergischen Hauses auf dem Hradschin, das ich für den Hradschin selbsten hielt, dann die alten Türme auf der Brücke, das Rathaus, die Theinkirche, der Neustädter Turm, und die ganz einzige Wenzelskapelle bei St. Veit. Doch konnte ich mich eines heimlichen kindischen Verdrusses nicht erwehren, daß Libussa und ihre Schwestern weder auf dem Wichehrad, noch auf dem Lorenziberg, über dem pythischen Dreifuß sitzend, anzutreffen waren, daß die Brücke nicht aus einem hohlen Riesenknochen bestand, daß ich keine heiligeren Sterne als alle himmlischen auf der Moldau spiegelnd schwimmen sah, daß ich vor Juden und Studenten genugsamen Raum fand, und daß endlich aus keinem Fenster Abgesandte herunterfallen wollten. Auch hier begegnete mir die Welt als einem Modernen modern, ich hörte wie überall von nichts anderm als von allerlei, was nicht gut sei, und vom Theater sprechen, Unterhaltungen, die ich ewig als ganz unfruchtbare verschworen, und welche, könnte man ihnen nach außen entfliehen, mich ans Ende der Welt treiben würden. Einsam durchwandelte ich das Steinmeer der Stadt, und sammelte in meiner Seele alle Abdrücke und Fußstapfen der vergangenen Zeiten, wie ein reisender Naturforscher Tiere, Pflanzen und Steine. Als ich mit den Überresten des Altertums [531] fertig zu sein glaubte, lenkte sich mein Auge zufällig auf das gegenwärtige Geschlecht, und mit ungemeiner Freude dachte ich mir unter manchen, das Maß und die Fülle meiner Landesfrauen an hohem und edlem Wuchs und kühnem freiem Wandel weit überragenden weiblichen Gestalten, die mir begegneten, bald Libussas, bald Wlastas oder einer andern böhmischen Amazone Bild. Doch konnte ich niemals unter den vielen Ökonomieoffizianten, die mir aufstießen, einen Przemisl finden. Von allem aber, was ich sah, blieb mir das Bild der affektierten, steifen, frostigen und garstigen schönen Pragerin vor dem Laden eines Putzmachers am meisten verhaßt; ich konnte nie, ohne auf sie zu schmähen, vorübergehen, denn sie trat mir immer wie ein Haubenstock in den historischen Bildersaal meiner Phantasie und machte mir, was ich an edlen Gestalten zusammengetragen, zu närrischen Modepuppen.

Diese Streifereien darf ich um so mehr einer Jagd nach altertümlichen historischen Eindrücken vergleichen, als ich auf ihnen ein Schicksal bestehen mußte, das die edle Jägerchronik von manchem zu leidenschaftlichen Weidmann erzählt. Ein neckender Geist gesellte sich zu mir, und lockte mich, ihm über einen Abgrund zu folgen, den er mir mit grünem Gesträuche verdeckt hatte, und der mir ein Zaubergarten schien. Hier träumte ich einen schönen Traum, und legte ihn mit andern Schätzen des Lebens in einer Dichtung nieder, die meinen Händen zwischen der lockeren Decke hinab zu dem Abgrunde entrissen wurde, über dem ich vertrauend geschlummert. Als ich erwachte, stand der Frühling und ein edler Freund mir bei und bei mir, die schöne Zeit führte mich auf die umschauenden Höhen und Türme der Stadt, ein dichter Morgennebel, dessen Schleier vor der steigenden Sonne zerriß, und mir das herrlich getürmte Prag nach und nach in den Glanz des vollen Lichtes enthüllte, rief mir lebhaft die Vision Libussens vor die Seele, in der sie Prag vor ihren Seherblicken aus der Nacht der Wälder hervortreten, sich entwickeln und vollenden sieht; dazwischen das Geräusch des Volkes, das Geläut der Glocken, der Gesang der Prozessionen, und das harmonische Getös kriegerischer Musik, alles dieses erweckte von neuem den lebhaften Wunsch, ja den Beruf in mir, die Gründung der vor mir in freudigem[532] Frühlingsscheine schimmernden Stadt in einem romantischen Drama zu feiern. Ich wiederholte, ordnete und ergänzte alle nur zu diesem Zwecke dienliche Erkenntnis; neben allen Modernen, welche diese Sage außer dem meist vortrefflichen Musäus mit schlechtem Glücke bearbeitet, las ich auch noch den belebten Kosmas, der, ich weiß nicht, ob in aller Unschuld oder in heiterer gelehrter Ironie, diese böhmische Fabelzeit mit auf seine Weise eleganter Latinität behandelt. Der edle und geistreiche Meinert ließ mich seiner Kritik, seiner Aufmunterung, wie überhaupt seiner Freundschaft zur Förderung meiner Arbeit auf die wohltätigste Weise genießen; der geniale, gelehrteste Dobrowsky teilte mir alle Hülfsmittel und Notizen, besonders in mythologischer Hinsicht, auf die unermüdetste und gefälligste Weise mit. Ihrem Wohlwollen, wie dem unterrichtenden und nach allen guten Seiten erweckenden Umgang meines Freundes Herrmann Leitenberger habe ich die Ruhe und Muse zu verdanken, welche mir nötig war, das Ganze, das lebhaft vor meiner Seele stand, im Einzelnen zu gliedern und so ein in sich nach besten Kräften rundes lebendiges Werk zu bilden. Hatte ich mich am Tage mit historischen Bruchstücken bereichert, so wandelte ich in der Nacht durch die stillen Straßen der weiten Stadt, und erquickte mich an dem Rauschen der ernsten Moldau unter dem Sternenhimmel. Indem ich mir so die neue historische Welt mit den modernen Umrissen der Gebäude und des Volksgeräusches im alles versöhnenden und ausgleichenden Nachtmeer untergehen ließ, glaubte ich in der tiefen Stille, die nur von dem Stundenruf einsam- und fernstehender Wachen unterbrochen war, wieder in dem Schatten der Wälder zu wandeln, die einst diese Gegend bedeckt; es traten mir mannigfaltig einzelne Szenen meines Gedichts wie Visionen entgegen, und so habe ich gewissermaßen erlebt, was ich gedichtet, denn ein anderes Gedicht trägt die Lüge an der Stirn. So hat sich nach und nach entwickelt, was ich, mit Ernst und Liebe verknüpft und mit der Rede belebt, wohlmeinenden Freunden poetischer Kunst vorlegen werde, »Die Gründung Prags«, ein romantisches Drama in gereimtem jambischen Silbenmaße. Es beginnt mit der Wahl Libussens zur Herzogin, umfaßt ihre Verbindung mit Przemisl, und schließt mit ihrer [533] Vision von der Prager Stadt. Ich habe mich darin, soviel es nötig war, der allgemeinen slavischen Göttersagen bedient, doch vorzüglich jener, welche den verbreitetsten mythischen Vorstellungsweisen und der ewigen Naturdichtung am nächsten liegen. Es begegnen sich hier die weißen himmlischen und schwarzen irdischen Dämonen wie in allen Glaubenssystemen entgegengesetzt und motivieren wie im ganzen Leben vieles im dramatischen Konflikt. Ein Anklang des Christentums, welches später in Böhmen erschienen, schwebt episodisch durch das Ganze, geht aber unausgesprochen notwendig darin unter, und bewirkt einen tragischen Effekt in historischer Vorahndung. Die drei sibyllischen Schwestern Tetka, Kascha, Libussa stehen die erste zum Himmel, die zweite zur Natur, die dritte zum Leben prophetisch gewendet, welches in der letzten durch ihre Verbindung mit Przemisl zur Geschichte wird; sie sind, wie die Höhen des ganzen Lebens in weiterer Umsicht, der Berührung aller ewigen Wahrheit näher gehalten. Ihrem Aufdringen zu dieser entgegen kämpft der Dienst der Unterirdischen, der durchaus hexenhaft behandelt ist, teils, weil er so der allgemeinen Vorstellungsweise nähersteht, teils, weil er wahrscheinlich auch immer hexenhaft war und sein wird, solange irgend noch ein Glaube sein Aber hat. Zwischen diesem Kampfe des Lichts und der Finsternis schwankt, von Stolz und Leidenschaft bis zur Raserei zerrissen, Wlasta nun, motiviert den Mägdekrieg, und es geht Trinitas, eine byzantinische Christin, die mit heiligem Berufe kaum das heidnische Land betrat, tragisch unter. Wlasta gedenke ich in einer zweiten Tragödie, der Mägdekrieg, zu erschöpfen; mit Trinitas ist mir eine dritte, Ludmilla, begründet, wenn anders meine Muse schonender Freunde genießt.

Der ganze Inhalt der vorliegenden Arbeit aber ist die Entstehung eines Staates, der Kampf und Untergang einzelner Leidenschaft gegen die Ordnung und das Gesetz des Ganzen.

Um der Frage zu begegnen, ob dieses Schauspiel für das Theater geschrieben sei, sage ich, daß es gewiß theatralischer als die meisten ist. Durchaus in heftiger Leidenschaft lebendig, in rätselhafter verketteter Spannung sich fortschreitend lösend, bewegt es sich mit fremdem Pomp durch romantisch beleuchtete[534] Nachtszenen, und ist in höherer Haltung der Rede ruhig; zugleich ist aller für Theaterlokalität unmögliche Apparat und Szenenwechsel streng vermieden. Die weitere Frage, ob es eine Bühne so aufführen könne, wie es ist, beantworte ich mit einer zweiten: Welches bedeutendere dramatische Werk kann irgend eine Bühne, so wie sie sind, in unseren Tagen aufführen, so wie es ist? Die Bühne, das Lokal, die Szene, die Illusion muß jeder Dichter achten, der Schauspieler muß sich Achtung erwerben; jene sind dauernd, diese sind wandelbar. Was für Helden würde der Dichter gebären, der sie nach dem Leisten der Schauspieler zuschnitte, die heute so und morgen anders sind. Es ist genug, daß sich die Erde ackern, besäen und ernten läßt, wer wird ihr zumuten, jedem nach seinem Geschmack das Backwerk auf den Tisch zu setzen. Das allgemeine Gesetz ist beobachtet, das Bedürfnis des kurzen Zeitraums der Darstellung und der Bequemlichkeit für den Darstellenden aber ist überschritten, die Rede ist zu reich für den Raum von drei Stunden; sollte aber einst irgend eine Bühne einen zweckmäßigen Auszug des Ganzen für ihr Bedürfnis von mir verlangen, so bin ich bereit, ihre Anmutung und Anerbietung freundlich und billig zu vernehmen; außerdem steht es ja auch noch jedem Theaterunternehmer frei, sobald meine Arbeit erschienen ist, sie auf seine eigene Weise zurecht zu schneidern. Diese Anzeige schließend, teile ich hier meinen Freunden diesseits und jenseits der böhmischen Berge den Schluß meines Gedichtes mit.

Primislaus, mit Libussen vor dem Volke verbunden, ist, mit Czechs Stab und Mütze feierlich bekleidet, zu dem Stuhle Kroks gestiegen, er spricht dem Volke allgemeine Gesetze aus, die er also beschließt:


Der Richter, der Geschenken je sich neigt,

Der, wenn er sprechen soll, die Hand hinreicht

Und mit den Augen nach dem Beutel zeigt,

Der lüstern nach der schönen Klägrin schielt

Und ihr, die Hülfe sucht, sich selbst empfiehlt,

Der ist ein Dieb, der mir das Haus umschleicht,

Der ist ein Dieb, der in mein Fenster steigt,

Der ist ein Dieb, der meine Ehre stiehlt:

Der Kläger, der Geschenk' dem Richter bringt,

[535] Metall, Frucht, Fleisch vom Menschen oder Tiere,

Was es auch sei, womit er ihn verführe,

Verliert sein Recht, wie es ihm auch gelingt;

Erst soll der Richter den Bestecher hängen

Und dann sich selbst an selbstgeflochtnen Strängen.

Hiermit sei das Gesetz heut abgetagt.

Es spreche jetzt, wer bittet oder klagt.

DRUHAN.
Sich allgemein in deinem Recht zu sonnen,
Ist allzusehr des Volkes Flut zeronnen.
Zu Pflicht und Schutz sind wir so weit getrennt,
Daß einer hier den anderen kaum kennt.
Wir bitten dich, nach gutem Ort zu schauen,
Wo jeder Raum sich anzusiedeln hat,
Daß wir dir gründen eine weite Stadt.
PRIMISLAUS.
Libussa, Seherin, wo ist gut bauen?
LIBUSSA.
Hört ihr der Äxte Schlag jenseits im Wald,
Wo sich der steinge Berg zum Tale teilt,
Das Bächlein Brusna zu der Moldau eilt,
Und wo der Berg sich mit Delphinsgestalt
Zum Bächlein schwingt? Dort fragt die Zimmerleute,
Was heute ihrer Äxte Werk bedeute.
Habt ihr erfraget, was sie dort bereiten,
So kehrt zu mir und lasset euch bescheiden.

Druhan und Chobol ab.

Hier beginnt unter Musik und nationalen Tänzen das Hochzeitfest des Primislaus, und als der Jubel seinen Gipfel erreicht, wird er plötzlich durch einen Trauerzug unterbrochen, welcher eine bedeckte Bahre begleitet. Der slavische Bildhauer, welcher seinem neuen Fürsten mehrere Götterbilder zur Hochzeitsgabe übersenden sollte und bei dem Feste zugegen ist, glaubt, wie alle Anwesende, nicht anders, als daß seine Werke auf dieser Bahre gebracht würden; man enthüllt sie mit begierigem Ungestüm und findet den mit dem giftigen Pfeil der Zauberin Zwradka durchbohrten Leib der Trinitas, einer byzantinischen [536] Christin, welche jenem Bildhauer in frommer Absicht in sein heidnisches Vaterland gefolgt ist.

Nachdem diese tragische Unterbrechung des fröhlichen Festes zur Besonnenheit eines tiefen Ernstes in allen Gemütern gelangt ist, treten Druhan und Chobol, von ihrer Sendung kehrend, auf.

DRUHAN.
Wir kehren, Jungfrau, wieder aus dem Wald,
Wo sich der steinge Berg zum Tale teilt,
Das Bächlein Brusna zu der Moldau eilt
Und wo der Berg sich in Delphins Gestalt
Zum Bächlein schwingt; dort fanden wir den Klen,
Des Smili Sohn, mit Sudiroh, dem Sohn.
Sie zimmerten, und als sie uns gesehn,
Ruht ihre Axt, sie waren fertig schon.
Wir grüßten, fragten: Meister und Geselle,
Was zimmert ihr? Sie sprachen: Prag, die Schwelle!

Eine allgemeine Stille; alle Augen sind auf Libussa gerichtet, die mit einem tiefen Ernste in die Ferne schaut; plötzlich steigt sie auf den Stuhl Kroks, erhebt ihren Stab, und spricht mit steigender Begeisterung, als sehe sie die herrliche Stadt vor ihren Augen entstehn.


Die Berge treten ehrfurchtsvoll zurück,
Es öffnet sich des Tales sichrer Schoß,
Denn oben schwebt das wandelbare Glück
Und wirft der Nachwelt rätselhaftes Los.
O Herrlichkeit! sie wächst vor meinem Blick,
Sie steigt, sie windet sich, wie wird sie groß.
Schon ruft sie spiegelnd in der Moldau Welle:
Prag, Prag heiß ich, bin deines Ruhmes Schwelle.

Ich hör das Beil, es lichtet durch den Wald,
Und feste Häuser steigen rings empor,
Sie reihen sich in wechselnder Gestalt,
Die Mauer schirmt, es wehret Turm und Tor,
Es engt der Raum, zur Höhe treibt Gewalt,
Schon ragt am Berg der Schlösser hohes Chor.
Sie jauchzen lichtstolz in der Sonnenhelle:
Prag, Prag, du unsers Glanzes Ehrenschwelle!

[537] Nun fasset sie nicht mehr des Tales Bucht,
Nun wehret ihr nicht mehr des Flusses Macht,
Und wie ein Waldstrom wachsend Ebne sucht,
Dringt jenseits sie, der Wälder dichte Nacht
Neigt sich vor ihr; der Fläche stolze Frucht,
Die weite Stadt, zum blauen Himmel lacht.
Sie grüßt hinüber zu den Schlössern helle:
Prag, Prag liegt hier vor seines Thrones Schwelle.

Ja wie des Bergstroms Sohn, der blanke See,
Liegt sie gebreitet in der Sonne Glanz,
Und wie versteinte Wogen ringsum seh
Ich stolzer Schlösser, hoher Tempel Kranz.
Es braust das Volk und rauscht in Wohl und Weh,
Es tost die Stadt in Lust und Waffentanz,
Und mancher singt auf des Geschickes Welle:
Prag, Prag, du meines Glückes reiche Schwelle!

Sieh, auf dem Schloß erglänzet eine Krone!
Und wie ein Königsmantel weit ergießt
Die goldne Stadt sich von des Berges Throne;
Um ihn als ein gestirnter Gürtel fließt
Die Moldau ernst, und Heil der Nachwelt Sohne!
Der mit der Brücke Demantschloß ihn schließt.
Durch Siegesbogen lobsingt dann die Welle:
Prag, Prag, du meines Heils umpalmte Schwelle!

O Trinitas! ich seh aus deiner Gruft
Zwei goldene Oliven sich erschwingen,
Im heilgen Garten würzen sie die Luft,
Durch alle Himmel muß ihr Düften dringen,
Gleich frommen Bienen um der Blüten Duft
Wird alles Volk in ihrem Schatten singen.
Es bricht die Nacht, o Duft! o Lichtes Helle!
Prag, Prag, du unsers Heils und Glaubens Schwelle!

Sie sinkt Tetka und Kascha in die Arme.
[538]
PRIMISLAUS.
Schmückt mir den Pflug, den mir Libussa gab,
Den Raum der neuen Stadt pflüg ich euch ab;
Erhebet euer Herz, und jauchzet helle:
Prag, Prag, du unsers Heils und Glaubens Schwelle!
ALLES VOLK.
Prag, Prag, du unsers Heils und Glaubens Schwelle!
[539][541]

Die Gründung Prags

Prolog
Prolog.
[543] Biographie

Der Verfasser blickt auf seine handeltreibende Vaterstadt, und erwähnt mancherlei Gelehrte und Künstler, die aus ihr hervorgegangen, teils namentlich, teils andeutend, wie z.B.: Stanze 5 Hr. von Meyer, St. 6 Hr. Kirchner, spricht dann sein Vorüberschreiten an bürgerlichen Ständen aus, und geht, indem er sich unter Apollos Flagge einschifft, über in die


Allegorie.

Er landet an den Ufern der Fata Morgana, scheitert, gerät in die Gewalt einer Circe, flieht auf dem Delphin Arions, wird an die Ufer der Moldau verschlagen, dichtet seine Unfälle, kömmt um sein Lied, erhält von der Nymphe der Heilquelle neuen Mut.


Vision

Des Landes Vorzeit berührt ihn, er bringt eine Nacht auf dein Lorenziberg zu Prag zu, wo Libussa die Stadt entstehen sah, sieht die Sibyllen, die Stadt entwickelt sich aus dem Morgennebel, er faßt die Idee des Gedichts, vollendet es, und weiß nicht, wem er es übergeben soll, begiebt sich auf den prophetischen Berg, und hat einen


Traum.

Die Sibyllen erscheinen ihm, und necken ihn in der Gestalt einer Muse, einer Hexe und einer Jungfrau mit Provinzialismen, worauf sie ihm in ihrer eigentlichen Gestalt erscheinen und Libussa ihm sagt, wem er sein Werk überreichen soll; um dies zu sagen, spricht sie von der Geschichte der Zeit


Sibyllische Worte.

Libussa spricht in einer Vision die Wendung der Zeit im Norden bis zur Verbindung der drei Adler in Böheim aus. So wendet sich der Prolog zurück zu der


Geschichte.

Der Verfasser sieht den Einzug des Königs von Sachsen, und der Großfürstin Katharina Herzogin von Oldenburg, in Prag. Er sieht diese erhabene Fürstin im Dome zu St. Veit, begiebt sich abermals auf den Lorenziberg, und erblickt die Großfürstin dort, der herrlichen Aussicht genießend. Er legt Ihr sein Gedicht zu Füßen.


[544] Biographie

Reich bist du, Vaterland, an mancher Kunde,

Denn in der Auster, die am Felsen klebt

Und nach der Meerflut hascht mit giergem Munde,

Den geizig sie der Ebbe schließet, lebt

Die Perle auch, die einst die gute Stunde

Ins Diadem der heilgen Künste webt.

Zwang doch Merkur, um Phöbus zu versöhnen,

Den er beraubt, der Kröte Schild zu tönen.


Hat Goethe doch mit Götterkindlichkeit

Der Welt vertraut, wie er in deinem Zwinger,

O Frankfurt, einst gespielt, wie ihn die Zeit,

Die er nun bildet, bildete, und Klinger,

Mit andern Sängern früh im Lorbeerstreit,

Ging auch aus dir hervor, der edle Ringer,

Der in den Zwillingen so kühn gesieget;

Die Zwillinge hast, Reiche, du gewieget.


Auch Schloßer war, der edle Denker, dein,

Der dir die Tüchtigkeit der Art noch ließ,

Elsheimer, Morgenstern, Schütz nicht allein,

Noch manchen Maler, den die Fremde pries,

Hieltst lehrend du am zünftgen Reibestein,

Bis freigesprochen er dein Tor verließ,

Rückkehrend deiner Bürger Haus zu schmücken,

Die um ein Bild wohl auch die Kasse rücken.


In deiner Gärten reicher Heiterkeit

Hat manchem die Erkenntnis früh begonnen,

Der dann, heilkundig siegend, listgen Streit

Gen die erkrankende Natur gewonnen,

Und viele hat zu Richtern eingeweiht

Der Themis Bild auf deines Römers Bronnen,

Denn über Feuerbachs sternfroher Welle

Stieg Savigny hier auf, der hohe, helle.


[545]

Ja, alles hast du, Reiche, was da frommen

Und heilgen kann. Oft ist die Gotteskunde

Auf deine Priester flammend schon gekommen

Und aus der Redner geisterfülltem Munde

War guten Bürgern so das Wort willkommen,

Daß selbst die Laien traten zu dem Bunde;

Dein Dichter hing noch jüngst zu höhrer Feier

Fromm an die Weiden Babylons die Leier.


Und was die Welt entzweit, was sie versöhnet,

Das wußtest du dir, Fleißge, zu erringen,

Das Gold, das geltend Zeitliches verschönet,

Mußte in deiner Hand die Kronen schlingen,

Die deutscher Kaiser heilges Haupt gekrönet;

Ob du auch Kränze, wonach Dichter ringen,

Geflochten, steht dahin. Die Nachwelt richte,

Denn trefflich schrieb dein Sohn dir die Geschichte.


Des Krams und der Gewerke Tor steht offen,

Die Kirche auch und der Gerichte Haus,

Und Strenggeschulte haben hingetroffen;

Doch Musenkinder stößt die Zunft hinaus,

Der Glaube pflegt sie, und ein frommes Hoffen

Wird ihre Amme, bis sie zu dem Strauß

Die Liebe pflückt, dem Freund, dem Weib, der Muse;

Ich schmückte alle treu, selbst die Meduse.


Mit Brüdern Zeit und Vaterland zu teilen,

Blieb mir zum Leben klein ererbtes Gut,

Und in der Heimat geizger Bucht zu weilen,

Starb kriegsschuldtilgend mir der goldne Mut;

Doch schönre Welt unschuldig zu umeilen,

Blieb frei und himmelspiegelnd mir das Blut,

Aufs Wasser, über dem die Geister schweben,

Hab ich zu Phöbos' Flagge mich begeben.


[546] Allegorie

Ein Pilger, durfte ich von Gottes Gnaden

Am Zauberufer der Morgana landen;

Die Insel sank, und Kompaß, Blei und Faden

Verschlang das bittre Meer, die Sterne schwanden,

Und steuerlos an tückischen Gestaden

Sah ich mein Schiff auf schlechter Sandbank stranden.

Ein Seegespenst mit dünner Möwenstimme

Verlocket mich, daß ich zum Wahnsinn schwimme.


Wo tolle Ewigkeit die Zeit vertreibt,

Indem sie Gottes Seel in sich entseelt

Und Gottes Leib in ihrem Leib entleibt

Und sich, den Durst zu stillen, der sie quält,

Zu Höllengeistern aus Retorten treibt,

Hat mir Geduld das weiche Herz gestählt,

Und lieh Arion mir zur Flucht Delphinen,

Der After-Circe Spielen nicht zu dienen.


Und wie von wildem Weltsturm weit vertragen,

Ein ferner Vogel in ein fremd Gebiet,

Ein fremder Fisch, von Meeresflut verschlagen,

Dem Strom entgegen in die Flüsse zieht,

Fand ich in diesen heißen Schicksalstagen

Am Moldauufer mich, und sang ein Lied,

Jenseits mein Leid, diesseits mein Heil zu grüßen –

Wer landend nicht die Erde küßt, muß büßen.


Einsiedlerisch der Gott den Dichter stellte,

Geheimnis sei Empfangen und Gebären,

Doch, daß es die Betrachtung überwelte,

Drang falsch ein Zeitgespenst in meine Sphären

Mit Modefeuer und mit Modekälte,

Und, leicht berücket, ließ ich es gewähren,

Bis ich entsetzt, getäuschet und verlachet,

Um Lied und Liedesmut beraubt, erwachet.


[547]

Da wardst du, holder Mai, mir zur Kamöne,

Die also segnend Grab und Wunde schließt,

Daß in dem Sonnenblick, der eine Träne

Aufküsset, auch ein Blumenkelch entsprießt,

Der sie umfängt, daß sich der Schmerz verschöne;

Wo heiß die Nymphe heilgen Quell ergießt,

Fand ich Gesundheit, Mut und reichre Gabe,

Als ich durch Tücke je verloren habe.


Vision

Ein kühner Freier, dem die Braut verzeiht,

Durft ich der Gegenwart den Schleier heben,

Wie einen Vorhang von Armseligkeit,

In dessen Falten Satansbilder weben;

Denn in der Zeit als einer Ewigkeit

Bewegt unsterblich sich des Dichters Leben,

Und von der Vorwelt Nachtgewölb umdunkelt,

Hat herrlich ein Gestirn mich angefunkelt.


Zu Riesen hat des Tages schlanke Töchter

Die Urnacht mir am Fabelberg gemodelt,

Wo unter mir der grelle Pfiff der Wächter,

Der Wache Rund, vom Buhlerlied durchjodelt,

Und das Geheul mondtrunkner Hundsgeschlechter,

Vom Strom umsaust, als Hexenkessel brodelt,

Bis meine Augen im Gestirn ertranken

Und alle Wellen in dem Traum versanken.


Da faßte mich der Geisternähe Grauen,

Denn neben mir am grünen Bergeshang

Sah ich die drei Sibyllen, die Jungfrauen,

Aus deren Mund des Landes Schicksal klang,

Verschleiert in den tiefen Stadtschoß schauen,

Bis dann vor Hahnenschrei und Glockenklang

Mit dem Orion auf des Frührots Wogen

Die selgen Lichtgespielen hingezogen.


[548]

Und von den Locken mir der Vorzeit Tau

Aus Orient ein kühler Luftstrom hauchte,

Und unter mir lag eine Nebelau,

Aus der das goldne Schiff der Sonne tauchte;

Aufringend aus dem träumerischen Grau

Der Urwelt, das wie Opferglut verrauchte,

Hat sie zuerst der Türme Kreuz ergriffen.

Ins tiefe blaue Himmelsmeer zu schiffen.


Wie hier einst vor der Seele der Sibylle

Aus Wald und Weltnacht Prag, die Stadt, gestiegen,

Stieg sie im Sonnenglanz aus nächtger Stille

Vor meinem Blick aus trüben Nebelwiegen,

Und aus der Brust sprang mir der mächtge Wille,

Wie Tauben ließ ich die Gedanken fliegen,

Sich auf den Tempeln, auf den Schlössern sonnen,

Was ich vollendet, hab ich da ersonnen.


Dann in vertrauter Kammer eingeschlossen,

Stimmt ich die Töne, dieses Lied zu singen,

Doch feierlicher Schall von Kriegsgeschossen,

Harmonisch Festgetös und Fahnenschwingen

Und Pilgersang hat sich hinein ergossen,

Ja, was von jeher war, wollt Opfer bringen,

Die Sage, Volkswahn, licht und finstre Geister

Verdrängten von dem Webestuhl den Meister.


Die nun vollendet, wem die Lieder reichen?

Hat gleich mir Böheims Pflug einst Korn gebaut,

Und wuchsen Fische mir in seinen Teichen,

Blieb mir doch stumm der slavschen Zunge Laut;

Nichts war mir heimisch als mein Himmelszeichen,

Und nur des Landes Vorwelt tief vertraut,

Fühlt meiner Art ich fremd in seiner Mitte

Gesinnung, Tugend, Sünde, Kunst und Sitte.


[549] Traum

Zum Berg der Seherin trieb mich die Nacht,

Wo die Sibyllen früher mir erschienen

Und meines Liedes Morgen mir erwacht.

Verschleiert standen sie, fromm reicht ich ihnen

Die Blätter dar, da haben sie gelacht

Und mich gefragt mit schlau verlarvten Mienen,

Im Mutwill böhmscher Mägdlein mich zu necken:

»Was mag, Ihr Gnaden, hinter meiner stecken?


Schaun's, ist es ane Pracht nicht bei der Nacht,

A gar a lieber Nahr der Mond, versteht sich,

Und i, da muß i bitten, gebens acht,

Es hangt sich aner, schaun's, das Fahndel dreht sich,

Der Himmel schmiert sich an, i hab's gedacht,

Ich bin beschriern, die Hunde beiln, versteht sich:

A rürrender Gedanke, jetzt rauf g'loffen!

Sie haben uns nächst schloffender getroffen.«


Ich stand verhöhnet, bis mit deutschern Zungen

Sie mich gefragt: »Schweigt dann die slavsche Leier,

Wird hier auch klingen, was du hier gesungen,

War dir es auch wohl ernst mit dieser Feier?«

Da ward ich kühn, und sprach: »Ich hab gerungen,

O zeigt zum Lohn euch mir heut ohne Schleier!«

Und sieh, der Schleier sank, ein Mägdlein stand

An einer Muse, einer Hexe Hand.


Die Hexe sprach: »Erkennst du die Libusse,

Die dich begeisterte, was willst du mehr?

Sie lohnte dir wohl gern mit züchtgem Kusse,

Doch ängstet sie dein Buch, es ist zu schwer!« –

»Lebt wohl, harrt mein, ich werfe es zum Flusse,«

Rief froh ich aus, »ich will es nimmermehr

Um solch Entbehren vom Geschick erkaufen!«

Und drehte mich, zum Strom hinabzulaufen.


[550]

Da hält am Haar die Muse mich zurück,

Und blickt mich an, und meine Kniee beben,

Drei Riesenjungfraun sah vor meinem Blick

In stolzer Schönheit ich zum Himmel streben,

Nachtkaryatiden, tragend das Geschick,

Libussa, Kascha, Tetka mich umschweben;

Erst sah ich sie, wie klein ich sie gedichtet,

Jetzt sah ich sie, wie groß sie mich gerichtet.


Und nieder sank ich der gekrönten Dirne,

Die stumm und steil, gleich einem Memnonsbilde,

Tiefsinnend sah zum heilgen Tagsgestirne;

Da schoß die Sonne unterm blutgen Schilde

Des Morgens einen Strahl zu ihrer Stirne,

Und ihre Lippe tönte ernst und milde:

»Von uns wohl, doch für uns kannst du nicht dichten;

Hör an, hör an, an wen dein Lied zu richten!«


Sibyllische Worte

»Der Freiheit Arche wogt auf Sündflutmeeren,

Geschleudert hoch zum Nord von Schicksalsstürmen,

Ihr folgt ein Geist, mit listgen Zauberspeeren

Peitscht er die Flut, und füllt sie mit Gewürmen,

Aufdämmend sich auf ganzen Leichenheeren,

Verlangt sein Fuß, den Weltthron aufzutürmen,

Zur letzten Schwelle noch nach einem Sarge,

Worin Verzweiflung ringt, nach jener Arche.


Doch, als schon an des Nordsterns alter Feste

Des Weltzorns himmelschreinde Fluten branden,

Ist auch verjünget aus dem Feuerneste

Der nordsche Adlerphönix neu erstanden.

Als er zum Pol schreit: »Mach den Feind mir feste!«

Erstarrt die Brandung in des Winters Banden,

Und durch zerrißner Wogen krause Felsen

Flieht schwer der Geist auf goldnen Zauberstelzen.


[551]

Ein Wintergarten, daß die Welt erstaune,

Erstarrt sein wildes Heer im Waffentanze,

Eisblumen, schimmernd in kristallscher Laune,

Beleuchtet von des Mordbrands blutgem Glanze,

Drin ragt des Feindes Fama ohn Posaune,

Emporgespießt auf leichter Reiter Lanze,

Nilmesser, Vogelscheuche, Siegestherme,

Eisbienen schwärmen drum, Kosakenschwärme.


Sodann taut vor der Hoffnung Frühlingssonnen.

Die feste Zornflut zu dem Abgrund nieder,

Erquickt mit Meeren, Flüssen, Quellen, Bronnen

Der Erde ausgesogne Adern wieder;

Die lebend war begraben, hebt in Wonnen

Zu Gott das Aug, es suchen sich die Glieder,

O Frühling, jüngster Tag! zusammenringen

Zerrißne Leiber sich, Gott Lob zu singen.


Und hier auf der Verheißung ernstem Hügel

Wird sich der Rabe als ein Bote zeigen,

Und zweifelnd bald auf unvertrautem Flügel

Zu neuen Leichenfeldern von uns weichen,

Dann aber auf des Frühlings grünen Spiegel

Die nordsche Taube hier sich niederneigen,

Die Seherin sieht hier den Ölbaum sprießen,

Den Siegs-, den Friedenszweig, den ich verhießen.


Drei Adler werden hier zusammen schweben,

Die falsche Nebelsonnen einst betrogen,

Sie werden hier zur Ruhmessonne streben.

Hier senkt die Arche sich, nie mehr belogen

Steigt aus dem Sarge hier die Zeit zum Leben,

Und hier dann unter dem Versöhnungsbogen

Wird sie die ernste nordsche Taube grüßen,

Ihr lege deine Lieder fromm zu Füßen.


Nach mir hat keine hier als Sie gestanden,

Nach Ihr wird keine mehr, gleich Ihr, hier gehen,

[552]

Der um die Stirn sich Schicksalssterne wanden,

Der unterm Fuß die Quellen lauschend stehen,

Der aus des Schleiers frühen Trauerbanden

Des heilgen Orients Geisteraugen sehen,

Die Höchste slavschen Stamms, die Tiefe, Helle,

Fleht hier um Sieg und Fried an, Prag, der Schwelle.«


So sprach Libussa, hingewandt nach Norden.

Verheißend lag ein Schein, dem Pol entsprühend,

Es stieg der Tag ihr auf aus Doppelpforten,

Der Tag des Himmels, aus dem Osten frühend;

Und der Geschichte Tag, der reif geworden,

Stieg uns im Nordschein auf, so racheglühend,

Und mit dem Wort: »Ich grüß dich, ernste Taube«,

Zerfloß der Seh'rin Bild, ich lag im Staube.


Geschichte

Vom Berge stieg ich nun auf blühnden Wegen,

Und sah die Stadt zu lautem Fest sich schmücken,

In Waffenzierde Bürger sich bewegen

Und fröhlich bunt sich über Straß und Brücken

Geputzte Neugier an die Sonne legen

Und in den Fenstern und den Hallen drücken;

Einzogen unterm Donner der Kanonen

Frommfeierlich des Sachsenthrons Personen.


Der weiten Reise staubumwolkte Rosse

Bewegten leis die würdgen Majestäten

Auf zum Hradschin, dem böhmschen Königsschlosse,

Wo sie geruht, gastfreundlichst abzutreten,

Bis hoch hinan Karosse um Karosse

Der Hoffnung Vivatrufe laut umwehten.

Hradschin, nie war von dir die Aussicht schöner,

Doch nur vom Himmel selbst steigt der Versöhner!


Und eh der Freude Wogen noch zerfließen,

Soll heute sie noch vielgeliebtre Gäste

[553]

Mit schöner Hoffnung Jubel laut umschließen;

Auf einen nordschen Wagen Palmenäste

Unsichtbar freudge Adler niederließen,

Dem Seher ward Ihr Zug zum Siegesfeste;

Victoria, wie kannst du huldreich grüßen,

Die bittre Zeit kann solch ein Gruß versüßen.


Sie war bei uns; heb, Phantasie, den Schleier!

Die hehre Oldenburg ließ sich gefallen,

Durch unsres Tempels hohe Säulenfeier

Zu unsrer Höhen Himmelstrost zu wallen;

O sende freudig feierlich nun, meine Leier!

Die Klänge durch des Domes ernste Hallen,

Wo ich der Zukunft Seheraug gesehen

Fromm sinnend durch der Vorzeit Tiefe spähen.


O wehe leiser, hochgewölbte Stille,

Sehnsüchtger, Säulenchor, zum Himmel steige,

Du kühner Bogen, frommer sei dein Wille,

Und nieder, Andacht, dich vom Altar neige;

Die vor dir sinnt, der freundlichen Sibylle,

Reich', o Betrachtung, deine Palmenzweige;

Wo Sie gestanden, bist du Tempel, Erde,

Der Tempel heiligster mir dieser werde!


So war der Abend mir, in Ehrfurcht trunken,

Hinabgezogen mit dem Tag und Ihr,

Verheißender schon traten Sternenfunken,

Aus allen Himmelstiefen. Mit Begier

Bin ich am Berg Libussas hingesunken,

Aufsinnend in des Äthers helle Zier,

Ich stand und sann bis zu des Morgens Scheinen;

Libussa konnte Sie allein nur meinen.


Und wahrlich, wahrlich! meine Lieder fanden

In Dir, die mir die Seherin verhießen;

Du Höchste slavschen Stamms hast hier gestanden,

[554]

Dir durfte sich die Aussicht hier ergießen,

Die Stadt, die hier Libussen einst erstanden

Durft hier auch Deinem Seherblick entsprießen.

So sprach sie wahr, ich kniee vor Dir nieder,

Vom Sänger der Libussa nimm die Lieder.


Im Monat Juni 1813.

[555][557]
[Widmung]

Ihrer kaiserlichen Hoheit

Katharina Paulowna

Großfürstin von Rußland

Herzogin von Oldenburg

[557]
Personen

Personen.

    • Libussa,
    • Tetka,
    • Kascha, die Töchter des Herzogs Krokus, die ihm Niva, eine Elfe, als Drillinge geboren.

    • Lapack, ein Priester aus Kroks Geschlecht, hinkend.

    • Zwratka, eine Zauberin, Lapacks Weib.

    • Wlasta, ihre Tochter,
    • Stratka,
    • Scharka, Führerinnen von Libussens Schar.

    • Zastawa,
    • Milenka,
    • Dobrowka, Rozhons Weib,
    • Hodka,
    • Mladka,
    • Nabka,
    • Swatawa,
    • Radka,
    • Dobromila,
    • Klimbogna,
    • Budeslawka, Dirnen aus Libussens Schar.

    • Moriwescha,
    • Entawopa,
    • Meneljuba,
    • Hubaljuta, Zauberschülerinnen der Zwratka.

    • Ziack, neunjähriger Knabe aus der Zauberschule.

    • Wrsch oder Wrschowetz,
    • Domaslaus,
    • Primislaus,
    • Slawosch,
    • Biwog,
    • Rozhon,
    • Chirch,
    • Druhan,
    • Chobol,
    • Stiason, ein Jüngling, slavische Männer.

    • [558] Drzewoslaus, der Älteste im Lande, ein Priester.

    • Pachta, ein slavischer Bildner, der in Byzanz Christ geworden.

    • Trinitas, eine byzantinische Christin, seine Begleiterin.

    • Moribud, Sohn des Avarenkönigs.

    • Slavische Krieger, Weiber, Jungfrauen, Avaren usw.
1. Akt
Erster Akt
Nach Mitternacht. Gewitter, dann und wann fernes Blitzen und Donnern. Offener Waldplatz, von Eichen umgeben, in der Mitte des Hintergrundes eine große erstorbene, vom Blitz ausgehöhlte Eiche, zu ihrer Rechten eine Hütte, von wildem Geranke umzogen, umher Spuren eines verwilderten Gartens; die Natur ist im Ausbruche des Frühlings, es ist gegen das Ende des Aprils. Zwratka drängt Hubaljuta, Meneljuba, Moriwescha, Entawopa und den Knaben Ziack in die Hütte; diese sind als slavische Venus (Lado) und die drei Huldinnen, Ziack aber als (Lel) slavischer Amor gekleidet. Die Huldinnen tragen Harfen.

ZWRATKA.
Fort, fort! hier ist Kroks Hütte, schnell hinein,
Und bleibt mir wach, zur Wand die Harfen lehnet,
Wenn eine mir im Schlaf berührt ertönet,
So geißl' ich euch.
ZIACK.
Ach, laßt das Donnern sein!
ZWRATKA.
Ich donnre nicht, es ist mir selbt zuwider.
He, Lapack! blase in das Wetterhorn,
Zerbrich die Wolken.

Lapack bläst in das Wetterhorn, indem er aus der Szene tritt.

Nun! jetzt setzt euch nieder,
Schnell, Meneljuba, reizt nicht meinen Zorn.
MENELJUBA.
Ich kann nicht ruhn, mich drückt das goldne Mieder.
ZIACK.
Kalt, kalt ists; weh, ich trat in einen Dorn!
HUBALJUTA.
Die Krone Lados mir die Stirne zwängt!
MORIWESCHA.
Der Gürtel mir das Herz im Leibe schnüret!
ENTAWOPA.
Ich halts nicht aus, ich bin so eingeengt!
ZWRATKA.
Verflucht Geschrei, ich schlage, wer sich rühret.

Sie hebt die Geißel, es donnert.

Blas', Lapack, blas'!

Er stößt ins Horn.
MENELJUBA.
Ein Seufzer schon zersprengt
Das Mieder mir gewiß.
ZIACK.
Mich hungert, frieret!
ZWRATKA
schlägt mit der Geißel unter sie, sie schreien, es donnert, Lapack bläst.
Ihr macht mich rasend, Schreier, schweigt, he, he!
VERWIRRTE STIMMEN.
O halte ein, o schlage nicht, weh, weh!
[561]
ZWRATKA
immer zuschlagend.
Nun! sticht, schnürt, hungert, friert es euch nicht mehr?
STIMMEN.
Nein, nein, o schlag nur nicht, du triffst so schwer!
ZWRATKA.
Seid unbewegt wie Steine, stumm wie Leichen,
Verliert die Äpfel nicht, und riecht nicht dran,
Ihr werdet sonst betäubt. Lauscht auf mein Zeichen;
Pocht an der Hütte leis mein Finger an,
Dann müsset ohne Lärm heraus ihr schleichen
Und Krokus' Töchtern, die hier auf den Plan
Zu opfern kommen, diese Äpfel reichen.
Habt, wie ich euch gelehrt, ihr dies getan,
Könnt ihr mit leisem Harfenschlag entweichen.
HUBALJUTA.
So wollen wir, nun schließe, laß uns ruhn.
ZWRATKA
schließt die Türe.
Die trifft die Geißel, die nicht so wird tun!

Es donnert leise in der Ferne, Lapack bläst, nachher wetterleuchtet es nur noch dann und wann.
LAPACK.
Das Wetter flieht, von meinem Horn erschreckt!
Nun sage mir, warum du sie versteckt;
Die Mägdlein dauern mich, sie sind halb nackt,
So peinlich in den engen Putz gepackt.
ZWRATKA.
Du hättest wohl, weil sie schon halb entblößt,
Den engen Gürtel ihnen gar gelöst,
O saubres Mitleid, Lapack, geh nach Haus!
LAPACK.
So geh ich nicht, sag erst, was wird daraus?
ZWRATKA.
Die Töchter Kroks, wie Wlasta mir gesagt,
Bereiten heut zur Nacht sich, eh es tagt,
Wo ihre Wiege stand, hier an dem Baum
Mit Opferfeuer zu geheimem Traum;
Denn morgen ist der Tag, der sie geboren,
Den auch zur Fürstenwahl das Volk erkoren.
Mit schwarzer Kunst hab Äpfel ich bereitet,
Zum Dienst der Unterirdschen sie zu neigen,
Als Lado, Huldinnen und Lel verkleidet,
Wird diese ihnen meine Schule reichen.
LAPACK.
Du wirst noch einst mit deinem falschen Spielen,
Kömmt es zu Tag, dir bösen Lohn erzielen.
[562]
ZWRATKA.
Muß ich nicht wagen, denn nichts tuest du,
Du bist ein Pfaffe, und siehst ruhig zu,
Wie sich, von Tetkas Träumerei verblendet,
Das blinde Volk vom alten Dienste wendet.
Verlassen steht der finstern Götter Hain,
Ja seit das Volk in diese Täler zog,
Ward es im Drang der Wandrung zu gemein
Mit seiner Götter Heimlichkeit und wog
Die Götter sich nach ihrer Bilder Last,
Die man bequem genug auf jenem Zug,
In Säcke mit unheilger Hand gefaßt,
Bei Brot und Werkzeug auf dem Rücken trug.
Des Himmels lichte Götter kaum mehr ehrend,
Ist ihnen ganz des Abgrunds Macht vergessen.
Die Dirnen, sich zu Krokus' Töchtern kehrend,
Fliehn meine Bänke, die sonst voll gesessen.
Des Zaubers alte Schule stirbt mir aus,
Verfall und Untergang droht meinem Haus.
Selbst Wlasta, unsre Tochter, ist besessen
Vom Glanz Libussens und folgt ihrer Schar,
Sie, die zur Erbin ich der Kunst gebar.
Zur Zukunft schaue ich mit bangem Blick,
Es ist, als wendeten des Abgrunds Quellen
Erzürnt sich zu der Finsternis zurück,
Und sorgend muß der Kunst ich Fallen stellen!
LAPACK.
Auch du wardst mit dem Gotte zu gemein;
Denn deine Mutter trug in einem Ranzen
Dich und den Tschart in dieses Land herein,
Zwei widerwärtige unheimsche Pflanzen.
Nicht wundert mich ihr weniges Gedeihn;
Eh blühen in den Grund gepflanzte Lanzen,
Als daß, aus fremder Zone weit vertragen,
Die Unterirdschen neue Wurzel schlagen;
Der Abgrund steht, die Himmlischen begleiten,
Nur von der Erde müssen wir uns scheiden.
ZWRATKA.
Dir steht es frei, ich aber will es nicht!
Her kam ich mit dem Gott, und sein Gericht
Hat meine Mutter hier im Land gegründet;
[563] Denn seinem Dienste ist mein Stamm verbündet.
Er kannte mich schon in der Mutter Leibe,
Ich bleibe ihm, daß er dem Lande bleibe.
Doch jetzt pocht tiefe Angst in meinem Blut,
Denn töricht liebt das Volk des Krokus' Töchter,
Und wem wird morgen wohl der Fürstenhut,
Wer wird des Volks und des Altares Wächter?
Du regst dich nicht, und bist aus Kroks Geschlecht.
LAPACK.
O schweige nur, ich kenne wohl mein Recht,
Was du mir möglich ließ'st, tu ich für mich;
Denn, weißt du wohl, du bist mir hinderlich.
ZWRATKA.
Ich, ich?
LAPACK.
Ja du, dein finstrer Götterdienst,
Mit dem du, wie die Spinne im Gespinst,
Nur Fliegen für den schwarzen Tschart gewinnst,
Ist allen Männern dieses Volks verhaßt.
ZWRATKA.
O Undank! Undank für die schwere Last
Der heilgen Künste, die ich rettend trage;
Doch auch auf Undank war mein Herz gefaßt.
LAPACK.
Selbst mich, den Priester, traf schon ihre Klage,
Als ginge ich beim schwarzen Gott zu Gast,
Mit dem du, also ist im Volk die Sage,
Gen alle Weise dich verschworen hast.
ZWRATKA.
Daß mich die Macht des Abgrunds angezogen,
Ist mir ein Trost, der Gott ist mir gewogen.
Seit ewgen Zeiten dienet ihm mein Stamm,
Mein Haus war immer aller Neurung Damm;
Denn auf den Abgrund ist es fest erbaut,
Und auf den Abgrund habe ich vertraut.
LAPACK.
Ganz löblich ist mit Göttern die Bekanntschaft,
Doch nicht so löblich scheint mir die Verwandtschaft.
Man spricht auch wohl, mir schaudert drob die Haut,
Des Lapacks Weib sei auch des Tschartes Braut.
ZWRATKA.
Elender Mann! das ist von dir erfunden,
Fluch dir, und deinem Stamm, und deinem Namen,
Fluch jenem Eide, der mich dir verbunden,
Fluch allen, die aus Krokus' Lenden kamen;
Nun weiche hier, sonst reiß ich dich zu Stücken!
[564]
LAPACK.
O laß mich hinken, schone meiner Krücken!
Und tragen sie mich zu dem Stuhle Kroks,
Wirst du schon wieder freundlich zu mir rücken.
Dich zwinget auch die Glut des Safranrocks,
Für mich wirst du dich dann noch schöner schmücken
Als zu dem Aufgebot des Maienbocks.
Ins Bockshorn, Zwratka, wirst du mich nicht jagen,
Solang mein Wetterhorn den Donner bricht.
ZWRATKA.
Geh deines Wegs! wirst du gekrönet ragen,
Dann zeig ich dir ein freundliches Gesicht.
LAPACK.
Darauf, du Häßliche, möcht ichs kaum wagen.

Ab.
ZWRATKA
allein, zieht ein als Trinkhorn geschnitztes Bockshorn hervor.
Tschart, Tschart! Verneinender! sieh, Schmach und Spott
Trag ich um dich, du finstrer, süßer Gott!
Gesegne mir den Trunk, komm, komm! ich trinke,
Dir gilts, Schelm, Schelm! ich kenne deine Winke,
Schon treibt die Birke, mahnt mit jungem Reise
Und macht zur Maienfahrt den Besen brünstig,
Der Maiwurm summt so süß verwirrte Weise,
Mein Dunkler, Heftiger, o sei mir günstig!
Kennst du mich noch, mein Wüterich, mein Tschart,
Kennst du dein Bräutchen noch, und diesen Ring,
Dies Nägelmal, das du auf deine Art
Mir kneiptest, als ich einst, ein junges Ding,
Zum erstenmal dich sah zur Maienfahrt
Und auf dem Besen meiner Mutter hing?
Ach Unschuldszeit! ich schrie vor deinem Bart,
Doch von der Zauberglocken Lustgekling
Betäubt, ward ich den Klügsten bald gepaart.
Der Übung scheint das Schwerste bald gering,
Du bist ein Meister, ich ward hochgelahrt,
Denn tiefe Kunst ward deiner Gunst Beding.
Das Birkenäuglein, das dort nackt und zart
Kaum mit dem Maiwurm an zu buhlen fing,
Ragt jetzt als mächtger Stamm schon dicht behaart,
Von dem schon mancher Besen zu dir ging;
Die du gehütet, hält dir jetzt den Daum,
[565] Laß ich dich fahren, denkt man deiner kaum.
Ei du – sag, Göttchen! Schwarzer, bin ich alt?
Sieh da, Herr Jäger, weg die Hahnenfeder!
Sieht sie der Hahn, so ist es aus, so kräht er,
Tschart! Tschart! du Schrecklicher – hu! kalt –

Sie setzt sich unter diesem Selbstgespräch, in welchem sie immer verwirrter wird, an der Eiche nieder, und fällt zuletzt durch den Hexentrank in eine Art Starrsucht.
Pachta und Trinitas treten als Reisende auf.
TRINITAS.
Umsonst blies nicht der Sturm die Fackel aus,
Es ist des Wegs genug, laß uns hier ruhen.

Sie faßt an ihre Füße.
PACHTA.
Ich löschte sie, ich sah im Blitz dies Haus,
Mut, Freundin, Mut, was drückt dich in den Schuhen?
TRINITAS.
Ach, lieber Meister, meine Füße bluten,
Seit gestern geh ich schon auf nackten Sohlen.
O wenn wir eine Stunde nur hier ruhten!
Es brennt mich jeder Schritt wie glühe Kohlen,
Es ist genug des Wegs, ich kann nicht mehr.
PACHTA.
Du armes Mägdlein machst das Herz mir schwer,
Solange hast du deinen Schmerz verschwiegen?
TRINITAS.
Solang ich konnte, mußt ich ihn besiegen;
Doch hier ists gut, der kühle Rasengrund
Kühlt meine Füße, die von Dornen wund.
Horch, horch, es rauscht! vergönn, daß in die Quelle
Ich meine Füße zur Erquickung stelle.
PACHTA.
Die Moldau rauschet an der Felsenwand,
Landeinwärts müssen wir, denn menschenvoll
Und angebaut ist meist der Flüsse Rand.
Nicht weiß ich, wie ich hier dich bergen soll.
TRINITAS.
Verbergen, Meister? Folgt ich darum dir?
PACHTA.
Nicht sicher ist dein teures Leben hier,
Wo rings das Beil des wilden Volks dir droht.
So weit gewandert bist du nicht, den Tod
Von blinder Roheit Überfall zu leiden,
Hier, wo du heilge Lehre willst verbreiten!
[566]
TRINITAS.
Wo aber wäre endlich dann mein Ziel,
Fänd ich es hier nicht in dem tiefsten Herzen?
Bei Gott! ein einzger Schritt noch ist zuviel,
Mir sagts der Herr, er spricht zu mir in Schmerzen.
Genug bin ich der Wälder nun durchzogen
Auf nächtlich banger wildverschlungner Bahn,
Von falschen Führern, Blitz und Mond, betrogen,
Knüpft ich schon tausendmal die Hoffnung an
Und trieb doch fort, gleich wie auf ewgen Wogen
Ein willenloser, steuerloser Kahn.
Doch hier, hier, fühl ich, pocht des Landes Herz,
Hier lande ich, und steure himmelwärts.
Denn alles, was nur hier auch kann begegnen,
Will mir mein gütger heilger Gott gesegnen,
So knie ich nieder, bet und schlafe hier!

Sie kniet.
PACHTA.
O bete laut, ich bete dann mit dir!
TRINITAS.
Gelobet seist du, Herr! es ist vollbracht,
Zu dieser Wälder tiefer Mitternacht
Ist deines Glaubens Licht nun auch gedrungen,
Es beten hier zu dir zwei fromme Zungen;
Wird erst dein Lob an jedem Ort gesungen,
Dann reich' der Erde, kniend vor deinem Throne,
Im Untergange eine Märtyrkrone!
ZWRATKA
zusammenfahrend.
Blut! Blut!
TRINITAS
steht auf.
Der Mond geht auf, wer will mein Blut?
PACHTA
will sie wegreißen.
Flieh, Trinitas!
TRINITAS.
O Jesus! von dem Weibe
Hier kam der Schrei!
PACHTA.
Fort, fort, sieh, kalte Wut
Zuckt in dem starren Antlitz!
TRINITAS.
Nein, ich bleibe,
Sie ist erstarrt, erkrankt, ich helfe ihr.

Man hört den Ruf eines Wächterhornes.
PACHTA.
O Trinitas, ein Hornruf! fliehen wir!
TRINITAS.
Mut! Mut!
PACHTA.
Verberge dich, hör, Männerschritte!
[567]
TRINITAS.
Gott sei gelobt! es lenken sich die Tritte
Hierher zu uns, er naht von dieser Seite,
Ich red ihn an.
PACHTA.
Du machst uns elend beide,
Zurück, und schweige!
SLAWOSCH
tritt mit einem Horn und einer Fackel auf.
He, wer redet hier?
PACHTA.
Ein Wanderer, vergönn ein Obdach mir,
Ich bin verirrt und müd, und mein Geselle,
Ein zarter Jüngling, kann nicht weitergehn,
Verführet von der ungewissen Helle
Des Blitzes, blieben wir hier zögernd stehn.
SLAWOSCH.
Geduldet euch, ich stoße dort am Rand
Der Moldau einmal noch ins Horn, und wecke
Die Männer jenseits; morgen wählt dies Land
Sich einen Herrn. Nur eine kleine Strecke
Wohn ich von hier, ich öffne euch mein Haus,
Da eßt und trinkt, und schlafet ruhig aus.

Im Begriff zu gehen.
PACHTA.
Freund, eh du gehst, sag, wer ist dieses Weib?
SLAWOSCH.
Die böse Zwratka ists, die Zauberin,
Sie dient dem schwarzen Gott. Mit starrem Leib
Sitzt sie oft Tag und Nacht ohn Seel und Sinn
So leblos da im geistigen Gesicht.

Ab.
TRINITAS
tritt hervor.
Gut sind die Menschen, du nur willst nicht trauen.
PACHTA.
Du selge Unschuld kennst den Feind noch nicht!
TRINITAS.
Daß ich ihn liebe, zeige mir den Feind!
PACHTA.
Sieh hier dies Weib, erregt sie dir kein Grauen?
Die erste, die hier deinem Blick erscheint,
In Zauberei berauschet sitzet sie.
TRINITAS
naht ihr, und indem sie Zwratka ansieht und erschrocken aufschreit, hebt sich diese.
O Jesus, hilf mir!
PACHTA.
Fort, sie hebt sich, flieh!

Pachta, Trinitas weichen; da aber Zwratka wankt und zu fallen droht, faßt sie Trinitas in die Arme und wird grell von ihr angesehen.
[568]
ZWRATKA
traumtrunken.
Weh! halte mich, mein Tschart, Blut! Blut!
Halt mich, du sollst es haben süß und gut,
Verfluchter Hahnenschrei aus andrer Welt!
Wer wecket mich? Halt, Tschart! dein Bräutchen fällt.
Fluch, Fluch dir, alle schwarzen Flüche dir!
Wer bist du, wer, woher, was willst du hier?
Fluch, Fluch dir, alle roten Flüche dir!
Blut, Blut! dein rotes Blut hier fließen soll.

Sie schließt die Augen, und sinkt. Trinitas legt sie zur Erde.
TRINITAS.
O Raserei der Sünde, sie ist toll!
SLAWOSCH
der auftritt, reißt sie zurück.
Hinweg, nicht menge dich ins Werk der Nacht!
Sprich, war, als sie geflucht, ihr Auge offen?
TRINITAS.
Sie sah mich gräßlich an, und hat gelacht.
SLAWOSCH.
So hat sie, Arme! tödlich dich getroffen
Mit ihres Fluches Pfeil, du bist beschrien!
Schnell nehme deines Hemdes Saum, und reibe
Dein Antlitz ab, das sie mit Gift beschien.
TRINITAS.
Unsinnig wär ich dann, gleich diesem Weibe,
Nicht hat ihr Tschart an meinem Leibe Macht.
SLAWOSCH.
O, laßt uns fliehn, eh nochmals sie erwacht!
TRINITAS.
Und sollen wir sie hülflos so verlassen?
PACHTA.
Willst du dem Satan in die Zügel fassen!
TRINITAS
ruhig begeistert.
Hätt ich zu Golgatha am Sühnaltar,
Wo sich der Schöpfer opfert der Natur,
Geweidet eine kleine Lämmerschar,
Ja, wärs ein einzig frommes Lämmchen nur,
Und lenkte mir der Stolze mit Gefahr
Durch meines Segens Flur des Wagens Spur,
Ich wollt ihm kühnlich in die Zügel fallen,
Und wie ich fiele, hält ich Gott gefallen!
PACHTA.
Sie reget sich, o fort!
ZWRATKA.
Blut! Blut!
SLAWOSCH.
Unheimlich ist sie, meidet ihre Wut.

Sie gehen ab.
WLASTA
mit einer Fackel, Zwratka beobachtend.
Sie träumet noch, die Augen fest geschlossen!
[569] Auf! Mutter, auf! eh noch der Tag ergraut.
Kotar hat schon den Mond so voll gegossen,
Daß überträufend er zur Erde taut.
Libussa naht, ich hab mich weggestohlen,
Dich zu erwecken, wie du mir befohlen.
Auf! Mutter, auf! ich schrei in taube Ohren;
Wie sie die Daumen in die Fäuste klemmt,
Das ist der Riegel, der den Eingang hemmt,
Ich brech ihn auf.

Sie bricht ihr die Daumen auf.
ZWRATKA.
Blut! Blut! es ist geschworen,
Dreimal verfluchtes! soll, mein Tschart, dir rinnen
Das Blut, das mich erweckt!
WLASTA.
Sie ist von Sinnen,
Auf! Mutter, auf!
ZWRATKA.
Fluch ihr, die dich getragen,
Ihr Blut komm auf dies Land!
WLASTA.
Bist du unsinnig,
Du wütest gen dich selbst! Die Flüche schlagen
Dein eignes Herz. Erwache, Wlasta bin ich!
ZWRATKA.
Es ist vorüber, weh! wer spricht, wer spricht?
WLASTA.
Wlasta. Was fluchst du mir?
ZWRATKA.
Du warst es nicht!
Es riß mir ein Frecher
Mit Worten des Spottes
Den schäumenden Becher
Des finsteren Gottes
Vom saugenden Mund.
Die dunkele Pforte
Erbrach er hellstimmig
Mit zaubrischem Worte,
Und Tschart blickte grimmig,
Es bebte der Grund.
Die Schreie des Hahnen
Zerschneiden nicht dreister
Die nächtlichen Bahnen
Der irrenden Geister,
Als was er geschrien.
[570] Auf glühenden Hügeln
Lag tief ich entzücket,
Von kühlenden Flügeln
Des Gottes erquicket,
Der freundlich mir schien!
Gefahr, die ihm drohte,
Hat er mir vertrauet,
Und seine Gebote
Hab all ich durchschauet
Und Hülfe erlernt.
Wir saßen zusammen,
Der Erde entrücket,
Von eiskalten Flammen
Des Abgrunds durchzücket,
Von Wonne umsternt.
Vom Erdeerschütternden
Ward kalt ich durchrissen,
Der mir in die zitternden
Lippen gebissen,
Da hört ich den Schrei!
Er riß mir im Herzen
Wie feurige Kämme,
Gleich glühenden Erzen
Brach wild er die Dämme
Der Nacht mir entzwei.
Es stachen, gleich hellen
Lichtspeeren der Sonne,
Die Töne, die grellen,
Mir frech in die Wonne
Der Traumnacht hinab.
Die Sichel des bleichen,
Des Mondes, schnitt klingend
Mit schmerzlichen Streichen
Den Herrn, mich umschlingend,
Vom Herzen mir ab.
Blut! Blut! ohn Erbarmen
Auf den, der mich weckte,
Aus seligen Armen
[571] Den Gott mir erschreckte,
Es fließe sein Blut!
WLASTA.
Unsinnige Wut!
Dein Fluch über dich!
Ich war es, fort, fort!
Was schmähest du mich?
Nun meide den Ort!
SCHARKA
mit einer Fackel.
Das Opfer rüste, Wlasta, schnell ohn Säumen,
Die Töchter Kroks verließen schon die Schwelle.
WLASTA.
Die Mutter bringe ich nicht von der Stelle,
Sie ist betöret ganz von bösen Träumen.
ZWRATKA.
Blut, Blut, dem schwarzen Gotte fließe Blut!

Slawosch, Primislaus, Biwog treten zur Wahl gehend auf.
SLAWOSCH.
Noch immer raset sie?
WLASTA.
Brecht ihre Wut!
Zwingt sie, zu gehen.
SCHARKA.
Schon zum Opfer kommen
Die Fürstinnen.
PRIMISLAUS.
Sie ärgre nicht die Frommen,
Entweich, Feindselige! zerreiße nicht
Den heilgen Schleier der berauschten Nacht
Mit bösem Fluch! Das milde Angesicht
Des selgen Mondes deines Wahnsinns lacht.
Still trägt Triglawa ihn zur Hochzeitskammer,
Schlag' nicht ans Tor der Nacht mit bösem Hammer!
ZWRATKA.
Triglawen Fluch, und ihrer Buhlerei!
Fluch dem, der mir mit fremdem Zauberschrei
Den Gott entriß!
WLASTA.
O bringet sie von dannen,
Tragt sie zum Fluß, erweckt benetzend sie.
BIWOG.
Hilft das, wohlan, so will ich sie entbannen!
Ich tauche sie mit allen Teufeln unter,
Und wasch ihr fluchend Maul. Auf, munter! munter!

Er hebt sie empor, und trägt sie weg.
ZWRATKA
wehrt sich.
Weh! ich bin Zwratka, weh euch, laßt mich! laßt mich!
[572]
BIWOG
trägt sie ab.
Sei wer du willst, die Moldau ruft zu Gast dich!
SCHARKA.
Als von der Erde sie sein Arm erhoben,
Ward sie der Macht des finstern Gotts entrücket.
SLAWOSCH.
Nun kommt zur Wahl, den will als Freund ich loben,
Der mir für Tetka stimmt, die, fromm entzücket,
Der Götter Haus mit heilgem Wort erschlossen.
PRIMISLAUS.
Libussen wähle ich, des Krokus Lehre
Hat mehr als ihre Schwestern sie genossen.
WLASTA.
Heil dir, du Edler, dessen Wahl ich ehre!
BIWOG
kehrt zurück.
Es ist geschehn, doch, um sie einzutauchen,
Mußt alle meine Kräfte ich gebrauchen,
Wie eine Blase leicht schwamm sie stets oben,
Die ich wie eine Bleilast schwer gehoben.
Doch endlich hat vom Pech der Unterwelt
Das erste Maul voll Wasser sie gereinigt.
Ich ließ sie los, ans Ufer hingeschnellt,
Hat sie nicht schlecht mit Flüchen mich gesteinigt,
Wie eine nasse Katze durch das Feld,
Lief sie nach Haus, von kalter Flut gepeinigt.
PRIMISLAUS.
Dies Weib macht zu Gespenstern uns die Götter.
SLAWOSCH.
Den Donnrer kennt sie nur als Donnerwetter.
SCHARKA.
Heil dir, du Starker, der den Zauber brach,
Gen guten Willen ist selbst Tschart zu schwach!
BIWOG.
Wohlan, ihr Männer, laßt zur Wahl uns gehn,
Auf Kaschas Seite wird heut Biwog stehn.

Die Männer ab.
STRATKA
von der andern Seite eintretend.
Schnell legt den Holzstoß, denn die Schwestern nahn.

Während folgender Rede legen sie einen kleinen Holzstoß zusammen.
SCHARKA.
Du bliebst zurück?
STRATKA.
Mit Wrsch hab ich gesprochen.
SCHARKA.
Den Biwog, Slawosch, Primislaus wir sahn.
[573]
STRATKA.
Und fühlet eure Herzen ihr nicht pochen?
SCHARKA.
Warum? warum?
STRATKA.
O welch unwahres Fragen!
Darum, weil wir am Zauberfeuer lagen,
Den ersten, der uns würd entgegengehn,
Für unsern künftgen Buhler anzusehn.
SCHARKA.
Schon lange ists, daß Wrsch dir Liebe bot.
WLASTA.
Schnell, schnell, es schimmern Fackeln durch den Wald.

Man hört fernen Gesang.
STRATKA.
Ich hör das Chor, das durch die Felsen hallt,
Die letzte Klage um des Vaters Tod;
Sie opfern hier dem Tag, der sie geboren!
SCHARKA.
Und bald begrüßt das Volk sie mit der Krone.
STRATKA.
Libussen hat der kühne Wrsch erkoren.
WLASTA.
Dich also nicht?
STRATKA.
Ich rede von dem Throne,
Sonst wäre auch wohl Primislaus für dich.
SCHARKA.
Biwog ist für Libussa nicht, wär er für mich!
WLASTA.
O schweigt, und spielet mit dem Feuer nicht,
Die Flamme hat ein ernsthaftes Gesicht.
STRATKA.
Genug des Holzes! Ruft, sie ziehn herbei.
SCHARKA.
Heran, ihr Töchter Kroks, das Feld ist frei!

Tetka, Kascha und Libussa treten, von einer Schar fackeltragender Jungfrauen begleitet, auf; diese bilden einen Halbkreis um sie, und singen.
CHOR.
Hinab, hinab in das dunkle Haus
Sank uns der Tag,
Der über Böheim lag,
Und die leuchtenden Sterne, sie löschten aus.
Es mußten Krokus' Augen
In finstre Meere untertauchen,
Bittre Woge des Todes, du schlägst an das Herz,
Und in Tränen taut dich der Schmerz
In die Kelche des Frühlings!
TETKA.
Klagt länger nicht der Götter Willen an!
Das himmelschaunde Haupt beug ich zur Erde,
[574] Und küß der mütterlichen Füße Bahn,
Daß ihres Wandels ich teilhaftig werde!
Und zu der Eiche, ihres Lebens Sitz,
Die ihr des Donnrers Zorn mit scharfem Blitz
Zur Gruft gehöhlt, heb weinend ich die Augen.
KASCHA.
Laß mich der Trauer glühe Schmerzen tauchen
In wunderbarer Kräuter Wohlgeruch,
Der mir der Tränen Flamme kühlend stillet.
O Erde, aller Schmerzen Tränentuch!
O Erde! heilge Mutter! Heilkraut füllet
Die Spur von unsrer Mutter heilgen Füßen.
LIBUSSA.
Wo ihr die Nacht, wo uns das Licht begann,
Beug ich das Haupt, die Erde fromm zu küssen,
Den einzgen Stern, den ich erreichen kann!
TETKA.
Wie spielen jetzt die Lüfte süß und kühl
Der Sternennacht im schimmernden Gefieder,
Wie war die Zeit vor wen'gen Stunden schwül!
Peron der Donnerer goß Feuer nieder.
Ich stand auf eines Berges Felsengipfel,
Und unter mir, zum Opfer aufgeschichtet,
Errauschten in dem Sturm die Eichenwipfel.
Die Blicke zu dem Himmel aufgerichtet,
Sah ich den Gott, im Wolkenwagen rollend,
Die dunklen Rosse rissen ihn durchs Blau,
Des Sturmes Geißel traf sie heftig grollend,
Und Feuer zuckte über Wald und Au,
Wenn ihre Hufe in den Felsen kletterten,
Die Räder rasselnd in das Echo schmetterten.
Still stand der Gott, in finstrem Ernst erhaben,
Sein Purpur und sein Haar den Blitz durchflaggend,
Ließ, sicher zügelnd, er die Rosse traben,
Und brach mit glüher Schar das Nachtfeld krachend,
Und sieh, die Sterne, eine fromme Saat,
Sind aufgeblüht in seiner Furchen Pfad!
Wie glänzt Triglawas Freund auf lichter Bahn,
Wie freundlich lacht der Mond Libussen an!
KASCHA.
Es sehnet sich die Erde himmelwärts,
[575] Der Frühling pocht in tausend Knospen an,
Schon sinkt der Himmel tauend an ihr Herz,
Es duftet bräutlich rings der Thymian.
Und träumend spiegelt seinen grünen Schauer
Im klaren Fluß der Eichwald jung belaubt.
Du ernster Rosmarin! du Freund der Trauer,
Hebst sinnend treu das immergrüne Haupt.
O keusch gesenkter Blick der Maienbraut!
Erblühnder Mund, wie redet ihr so laut!
Du unerschloßnes Herz, ich hör dich pochen,
Die Rose, die noch in dem Keime träumt,
Weiß nicht, ob sie nach wen'gen Sonnenwochen
Im Rausche aller Wonnen überschäumt,
Weiß nicht, ob sie, von Tau und Düften voll,
Zum Lichte weinen oder lachen soll!
Schlank Lilienkraut! bald wird in deinen Kelchen
Die nachtverirrte fromme Biene schwelgen.
Im Fackelscheine deut ich euch die Kräuter.
Der Himmelsschlüssel und die Himmelsleiter
Erheben schon ihr Haupt auf Tetkas Feld.
Mit Krokus, Baldrian, Heil aller Welt
Seh ich das meinige auch wohl bestellt.
Doch sieh, Libussa, deines Gärtleins Boden
Legt aus den Schatz von herrlichen Kleinoden.
Den Ehrenhut verheißt die Jungfraunkrone,
Der Königszepter reicht den Zepter dir,
Und wie ein Gürtel deinem Frühlingsthrone
Sproßt rings des blauen Ritterspornes Zier.
Zwar könnte mich bei allen diesen Schätzen
Der wilde Mägdekrieg in Sorgen setzen,
Doch mahnt mich hier der kräftge Ackermann,
Daß jenen ich auch Pflugsterz nennen kann.
So lacht das Glück, Libussa, dir im Garten!
LIBUSSA.
Ihr Gütigen könnt kaum mein Heil erwarten;
Der Himmel, Tetka, läßt mich durch dich grüßen,
Dein Aug der Götter leuchtend Werk belauscht,
Die Erde, eine Wolke dir zu Füßen,
Mit ihren Wäldern, ihren Strömen rauscht.
[576] Aus Gartensternen deutet Kascha mir,
Die Erdvertraute, gut des Abgrunds Traum;
Den Gott verstehet und verkündet ihr.
Ich breche uns an seines Mantels Saum,
In seiner Dreiheit eins, dies Kleeblatt mild,
Mit Tauesperlen ist es schön geschmückt.
Es sei der frommen Schwesterliebe Bild,
Das weinend zu geliebten Gräbern blickt.
Kein Heil kann uns, den Töchtern, fortan blühn
Als Einigkeit in dreifachem Bemühn.
Doch sieh, wie seltsam spielt das Glück mit mir,
Dies Kleeblatt trägt der zarten Blättlein vier!
KASCHA.
Heil dir, es pflücken Götterfreunde nur
Des Glückes Winke auf des Frühlings Spur!
TETKA.
Das Doppelblatt in dieses Kleeblatts Zier,
Es ist das irdsche Glück, es neigt sich dir.
Zum Opfer nun, hier, wo ums Angesicht
Der Drillinge zuerst der Sonne Licht
Mit dieser Eiche Schatten fromm gespielt,
Als uns die Mutter an dem Busen hielt,
Werf ich drei Krokusblüten in die Flamme,
Zu Ehren unsers Vaters selgem Geist,
Das edle Würzkraut, heilig unserm Stamme,
Deß Tugend unsers Vaters Namen preist.
KASCHA.
Wachholder bringe ich, und Majoran.
LIBUSSA.
Hier ist das Demutkraut, der Thymian;
Auf, zündet mit den Fackeln nun die Glut!

Wlasta, Stratka, Scharka geben ihnen drei Fackeln; sie zünden das Holz an, und werfen die Kräuter zur Glut.
LIBUSSA.
Hell loderts auf, mein Herz hegt frohen Mut!
TETKA.
Die Flamme laßt den jungen Tag begrüßen,
Der sie verlösche mit den Rosenfüßen!
WLASTA, STRATKA UND SCHARKA.
Lado, Lado, Krasnipani,
Krasnipani, schöne Frau!
Schimmernd auf dem goldnen Wagen
Über Berg und Tal getragen,
Gütig auf dies Opfer schau!

[577] Lado, Lado, Krasnipani!
Goldne Äpfel trägst du drei,
Lieb' um Liebe anzulocken,
Und es wehn die goldnen Locken
Um dich, Schöne, frank und frei!

Lado, Lado, Krasnipani!
Der drei goldnen Äpfel Gunst
Hast der Mutter du gegeben.
Und drei Jungfraun nun erheben
Zu dir heilger Flamme Brunst!
TETKA
den Rauch betrachtend.
Seht, wie der Rauch des Opfers senkrecht steigt,
Die Säule die Gebete aufwärtsträgt.
Wenn jede Brust einst fromme Glut bewegt
Und alle Sehnsucht so zum Himmel reicht,
Der Andacht Säulenwald die Erde bildet,
Den Peron mit gestirnter Kuppel schildet,
Dann wird das Leben eines Opfers Schein
Und Erd und Himmel nur ein Tempel sein.
Kommt, setzt euch, denkt der Mutter, die hier ruht!

Sie setzen sich um das Feuer.
KASCHA
in die Flamme schauend.
Figurend durch die Reiser irrt die Glut,
Sie läuft am Zweig, gleich einer Schlange, fort,
Macht hier das Blattgeripp zur glühnden Spinne,
Und hüpft dort, wie ein Frosch, von Ort zu Ort:
Drei Bilder, deren ich mich wohl besinne,
Man hängte sie uns an die goldnen Ringe,
Uns in der Schule leicht zu unterscheiden.
Zufällig nicht ist die Gestalt der Dinge,
Das eine will das andre stets bedeuten.
O selig, wer die Zeichen all ergründet,
Die Tiefe würde laut von ihm verkündet!
LIBUSSA
das Haupt erhebend.
Es spielt ein kühler Wind aus Orient
In meinem Haar, und sieh! des Feuers Herz,
[578] Das, von der Heimat angeweht, entbrennt,
Zuckt mit der Flamme Puls nun abendwärts.
Du heilger Odem! nenne mir die Namen
Der Väter all, die auch vom Morgen kamen!
Uns trägt der Strom, sie tranken aus den Quellen,
O möchte sich der Aufgang uns erhellen!
Ich leg mein Haupt nun zu den Blumen hier,
Erzähle, Tetka, von der Mutter mir.
TETKA.
Laß uns den Tag, der uns das Licht ließ schauen,
Mit Blumenschmuck empfangen auf den Auen;
Ihr Mägdlein, gehet, flechtet uns die Kränze,
Daß unsre Stirn dem Lenz entgegenglänze.

Die Jungfrauen löschen die Fackeln, und gehen.
LIBUSSA.
Sie von uns weisend, kränkst du ihren Mut.
KASCHA.
Nicht alles wissen ist den Mägden gut,
Laß immer sie in Unschuld Blumen brechen!
TETKA.
Vom Wunder unsrer Abkunft will ich sprechen,
Geheimnisvoll war unsrer Mutter Leib,
Die mehr gewesen als ein sterblich Weib.
Das Heilige bewache frommer Geiz;
Dem Wundervollen allzuleicht ergeben,
Folgt die Unwissenheit geheimem Reiz,
Zur Anbetung Verhülltes zu erheben,
Und webt des Unverstandnen höhern Schein
Falsch in des Glaubens Bilderteppich ein.
Der Sinne Blindheit rückt, sich selbst zu blenden,
Das Unerschaute in des Gottes Licht,
Zur Flamme greift das Kind mit dummen Händen,
Doch besser tut es, wenn es Blumen bricht.
Wird einst nicht Raum im Schoß der Erde bleiben,
Die Wurzeln der Unwissenden zu fassen,
Die ihre Blüten in den Himmel treiben,
Wird dieser die Allwissenden entlassen,
Dann wird sich jenen Gottes Liebe zeigen,
Die Götter sehn als Menschen niedersteigen.
KASCHA.
Geschaffnes in des Schöpfers Werkstatt dringet,
[579] Und mit dem Werkzeug selbst das Werkzeug ringet.
Der Wurzeln Wunderwirkung gen die Wunden,
Der heilgen Kräuter Kräfte für die Kranken
Und der Gesteine gut und giftge Geister,
Der Sterne Siegel auf der Stirn der Stunden,
Gelöst vom Golde göttlicher Gedanken,
Der Welten Spiegelbild im Aug der Meister
Gespensten an der Lebensquellen Rand,
Entheiligt in unheilger Hexen Hand.
Der Sünde Hunger kann kein Licht ertragen,
Wahnsinnig muß sein eignes Herz er nagen
Und meint, das Herz der Nacht, sich zu erlaben,
Mit Zauber aus des Abgrunds Kern zu graben.
Euch, die zur Tiefe so das Antlitz wenden,
Wird Flüche sie statt ihrem Segen spenden.
LIBUSSA.
So wird der Götterdienst zum Götzendienste,
So wird der Herrendienst zur Sklaverei,
So webet in dem heiligen Gespinste
Der Unterirdischen die Zauberei.
In guter Mitte steht die Waage ein,
Der Fuß getragen auf der Erde ruht,
Das Haupt sieht selig in des Himmels Schein,
Inmitten schwebt das Herz gesund und gut.
Was abwärts zieht, ist allzutief dem Menschen,
Was aufwärts zieht, ist allzuhoch dem Menschen,
Der irdisch leben soll und himmlisch denken,
Daß Erd und Himmel sich in ihm versöhne;
Jener den Gott, den Menschen diesem schenken,
Kann nur der menschlichste der Göttersöhne.
TETKA.
Mein Haupt möcht in des Himmels Augen lesen
Der guten Götter, Bilobogi, Wesen,
Und allzuhoch geht also wohl mein Streben.
KASCHA.
Mein Fuß forscht nach des Abgrunds sichren Stufen,
Wo mich die Unstern Tschernobogi rufen,
Und allzutief dringt also wohl mein Leben.
LIBUSSA.
Wie selig ruht das Herz mir in der Mitte,
Der Himmel höret gütig meine Bitte,
Die Erde füllt mit Segen meine Schritte,
[580] Zum Himmel bet ich, lach und wein zur Erde,
Daß mitten in dem Leben wohl mir werde.
TETKA.
Als Kind schon nahmst du gern die Mitte ein,
Trank ich der Mutter rechte Brust allein,
Sog Kascha Nahrung nur aus ihrer linken,
So schlummertest du lächelnd zwischen beiden
Und wachtest freundlich, ohn uns zu beneiden,
Die rechte und die linke Brust zu trinken.
LIBUSSA.
Erzähle, Tetka, unsrer Abkunft Wunder!
KASCHA.
Erzähl, der Tag ergraut, der Mond geht unter.
TETKA.
O meine Seele, Spiegel frühster Zeiten!
Den Knappen Chechs, den Krokus zeigst du mir,
Den Vater, seines Herren Rosse weiden,
Er ißt sein Brot, er schlummert sorglos hier;
Die Eiche sehe ich ihm Schatten breiten,
Ein Geisterweib, die Mutter, wohnt in ihr,
Vertraut dem frommen Freund an ihrem Baume
Zeigt sie der irren Rosse Spur im Traume.
KASCHA.
Heilige Zeit! als im wehenden Schatten
Ewiger Eichen die Geister noch lebten,
Die über des Wiesengrunds tauichte Matten
Selig auf luftigen Füßen hinschwebten.
Über den wiegenden Wogen der Wellen
Und in des Walddickichts krausem Gesaus
Waren lebendige Götter zu Haus.
Wo jetzt die Wildnis
In wilden Waldquellen
Einsam sich spiegelt,
Schauten ihr Bildnis
Die selgen Gesellen.
Noch nicht versiegelt
Waren die Bronnen,
Sich auf den Schwellen
Der Felsen zu sonnen
Liebten die Nymphen.
Noch nicht verriegelt,
Saß in des Widerhalls
Tönenden Grotten
[581] Ohlas, zu schimpfen,
Und heimlich zu spotten.
Und um des Wasserfalls
Tosenden Lärmen
Sah man geschäftige Fräulein hinschwärmen.
Schaukelnd und gaukelnd,
Auf wiegenden Zweigen
Ließ sich der Reigen
Der frommen Waldfrauen,
Der Russalki, erschauen,
Die aus den Locken
Blumen und Perlen und edle Gesteine
Kämmten und sangen,
Daß jubelnd die Haine
Wie Himmel erklangen,
Und in der Blumen nickenden Glocken
Hauste ein duftendes Jungfrauenchor,
Trugen den blinkenden Tau bei der Feier
Göttlicher Feste als Perlen im Ohr,
Und der Reif war ihnen ein silberner Schleier.
Selige Zeit! aus den Flüssen und Teichen
Sah man noch Wodnick, den Wassermann, steigen,
Bunte Bänder mit silberner Elle
Maß der freundliche grüne Geselle,
Und warf sie der grüßenden Hirtin ans Land.
Selige Zeit, wo unschuldiger Tand
Liebende Geister und Menschen verband!
LIBUSSA.
Heilige Zeit, der Herbst war ein Wirt,
Der Frühling ein Sämann, der Schatten ein Hirt,
Und an des Sommers glühendem Herde
Opferten gütige Geister der Erde.
Heilige Zeit, kein Jäger, kein Ritter
Schleuderte des Krieges feindliche Speere
Als Peron der Donnrer im Ungewitter,
Und die Wolken waren die fliehenden Heere.
Goldene Zeit, hier war noch kein Schnitter,
Als der Tod, Marzana, das hagere Weib,
Und der Winter deckte des Toten Leib.
[582]
TETKA.
O kurzer Traum! Schon rings erbebt der Wald,
Der Siwa goldnem Wagen bahnen Wege
Die slavschen Männer; hell das Beil erschallt,
Und mörderisch knirscht schon der Zahn der Säge;
Bald dringet auch die menschliche Gewalt
In dieses Baumes heiliges Gehege.
Da weckt den Vater Nivas Lilienhand;
Sie sprach zu ihm, die schimmernd vor ihm stand:
O Krokus, reiner Mann, mit meinem Heile
Ist fest verbunden dieser Eiche Leben,
Bewahre sie vor deines Volkes Beile,
Die Schatten, Schlaf und Traum dir oft gegeben,
Der Schützenden nun wieder Schutz erteile!
Da legte Krokus, ohne zu erbeben,
Zum Schwur die Rechte an des Bartes Haar,
Das kaum dem jungen Kinn entsprosset war,
Und schwur: So wahr mir Lado geb ein Weib,
An Sinnen klar, gesund und rein an Leib,
Soll dir kein Beil den heilgen Baum verwunden.
Er schwört, der Baum errauscht, sie ist verschwunden!
KASCHA.
Selig an des Himmels Grenzen
Der unschuldigen Helden Traum!
Blüten aus der Götter Kränzen
Fallen auf ihres Lagers Saum,
Und aus den Schatten, die sie bedecken,
Freundliche Mächte der Ewigkeit
Hülfebegehrende Hände ausstrecken
Zu den vergänglichen Kindern der Zeit.
LIBUSSA.
Schattig gedeckt, ist die Waldnacht ein Haus
Und die Erde ein Tisch mit erquickender Last,
Gerüstet von Göttern, doch ein trunkener Gast
Stößt der Mensch die Wirte undankbar hinaus,
Und er zerschmettert, die Tempel erbauend,
Töricht die Wiegen der himmlischen Geister,
Die ihm, gleich treuen Gespielen, vertrauend
Boten die Hände zum Bund mit dem Meister;
So hat nicht Krokus, der fromme, getan:
Denn als die Männer in irdischem Wahn
[583] Fällten die Haine, die Wohung der Elfen,
Schloß er, der heiligen Mutter zu helfen,
Feierlich schwörend dem Himmel sich an!
TETKA.
Im Dienst verspätet auf des Herzogs Schloß,
Treibt er die Füllen einst in dies Gehege,
Da schallet Beilschlag, und es stutzt sein Roß,
Er horcht – so rauscht kein Laub, so zischt die Säge –
Rasch sprengt er her, und sausend folgt der Troß,
Vom Dorn gegeißelt durch verwachsne Wege;
Dort bricht er vor, mit wütendem Entsetzen
Sieht Beil und Säge er den Baum verletzen:
Fluch deiner Säge, Fluch auch deinem Beile!
Die Keule schwingt er, und sie flohn in Eile.
KASCHA.
Heiliger Grimm, der den Vater getrieben
Zum Schutze der Elfe, sie lernte ihn lieben;
Die Geister des Lebens sind dankbar, sie weben
Irdische Schätze in himmlischen Segen;
Wer sah die Gütgen je, müde zu geben,
In den Schoß die goldenen Hände hinlegen.
LIBUSSA.
Sieh, es vernarbte die Wunde am Baum;
Aber der Fluch ist ohne Zügel und Zaum.
Geschleudert vom Zorne, den tödlichen Stein
Führet das grausame blinde Geschick,
Kein Segen je holet den grimmigen ein
Und reißet ihn schützend im Falle zurück;
Geltend dem Vater, verletzt er die Söhne,
Und spät noch, daß er den Vater versöhne,
Rächt sich der Enkel am zürnenden Glück!
TETKA.
Nun ist die Elfe dankend ihm erschienen,
Ein Kleeblatt brach sie, sprach: Nimm hin, mein Sohn!
Das erste Blatt lehrt dich den Göttern dienen,
Der Erde Kenntnis ist des zweiten Lohn,
Die Hauswirtschaft, das Regiment der Bienen
Lehrt dich das dritte, führet dich zum Thron.
Er schlug es aus, er könnt nur sie verlangen,
Umfangen hat er sie, die uns empfangen.
KASCHA.
Wie in des Wollkrauts zaubrischer Schlinge
Listige Meister Farnsamen gewinnen,
[584] Wie die goldenen Netze fleißige Spinnen
Zum Fange der schimmernden Schmetterlinge,
Der geflügelten Blumen, vor die Sonne weben,
Wie die Blätter zum Lichte die Hände heben
Und wie die Lilie in Unschuld die Kelche
Öffnet, daß küssend die Biene schwelge,
Und sich schließet, in ein duftend Gefängnis
Einfangend die trunkene Künstlerin,
Also auch fängt in des Schicksals Bedrängnis
Gütige Geister der liebende Sinn,
Also wird heiliges Geben Empfängnis
Und es sät sich der Sämann Gewinn;
Denn es ist in der Zeit kein Verlieren,
Wenn ihre Kränze die Ewigkeit zieren.
LIBUSSA.
Seliger Tausch, der göttliche Segen
Mehrt ihm das Gut, hier erbaut er das Haus,
Und von hier gossen auf blühenden Wegen
Quellen des Trosts und des Heiles sich aus,
Und unsrer geistigen Mutter Gunst
Schien mit der Weisheit lebendigen Sonnen
Ihm in das Haupt, in den quellenden Bronnen
Des Rates, des Rechtes, der göttlichen Kunst.
So ward in der Seele der Himmel ihm groß,
Ihr wachsen die Früchte der Erde im Schoß,
Und daß ihm die Erde, der Himmel ihr bliebe,
Ward sie ihm Weib und uns Mutter aus Liebe.
TETKA.
Es ward erfüllet ihr der Monde Zahl,
Mit Sonnenaufgang sind es zwanzig Jahr,
Daß uns drei Mägdlein lächelnd ohne Qual
Die Mutter an der Eiche hier gebar.
Hier ist das Kleeblatt, sprach sie, mein Gemahl,
Das du verschmähtest, und reicht uns ihm dar;
Er küßte uns, und sprach: Die hohen Gaben
Des Kleeblatts mögt ihr süßen Kinder haben!
KASCHA.
Heilig der Gebärenden erster Wunsch und Segen,
Dem die Himmel erfüllende Hände auflegen;
Heilig der Sterbenden letzter Wunsch und Willen,
Denn die Erde erfüllt ihn, die sie selbst erfüllen.
[585]
LIBUSSA.
Im Arm der Mutter hielt uns der Vater umschlossen,
Noch trägt uns die Erde, vom Himmel umflossen,
Noch sind wir nicht einsam, noch nicht verlassen,
O laßt uns mit zärtlichen Armen umfassen!

Sie umarmen sich.
TETKA.
Sie lehrte Gold ihn waschen aus dem Sand
Und Perlen fischen aus der Moldau Grund,
Und schlösserbauend ward bald rings im Land
Sein Reichtum und sein hohes Leben kund.
Die Armen segneten des Milden Hand,
Die Reichen schlossen gern mit ihm den Bund.
Treu dienten ihm die Menschen und die Geister,
Zu Budetz in der Schule war er Meister,
Als Herzog hat zu Psary er gesessen;
Da war des Glückes Maß ihm voll gemessen.
Einst saßen spielend wir allhier im Kreise,
Der Tag war finster, Sonne wollt nicht scheinen,
Schwermütig kam der Vater von der Reise,
Die Mutter sah ihn an, und mußte weinen;
Sie nahte ihm, und sprach mit ernster Weise:
Mein Krokus, heut bedroht Gefahr die Deinen,
Heut hütest du vergebens meine Eiche,
Den Ring, den ich dir gab, zurück mir reiche!
Da sprach ergrimmt der Vater: Fluch der Hand,
Die deiner Eiche mit dem Beile droht,
Der Baum ist ewig, ewig ist ein Pfand
Der heilge Ring, den mir die Liebe bot;
Die starke Fessel, die das Glück mir band,
Zerbreche nur der Tod, und nicht die Not!
Da hallte rings der Donnerwagen wieder,
Und Peron warf erzürnt den Blitzstrahl nieder!
LIBUSSA.
Weh, kein menschliches Herz kann es wagen,
Zu umfassen der göttlichen Güter Fülle.
Sterbliche Schultern können den Himmel nicht tragen,
Dem unendlich die Macht und der Wille.
Weh uns! vom Strahle des Donnrers erschlagen,
Sank Niva zur Erde, und ihre Freude ward stille!
[586]
KASCHA.
Weh, er erzürnte den Gott; denn sein Schwur
Nannte die Göttin der Liebe, die Lado, nur,
Und dem Donnrer vergaß er ein Opfer zu reichen,
Dem doch geheiligt die ewigen Eichen,
Und rächend höhlte der Blitzstrahl den Baum
Zur dunkelen Gruft; drin nistet der Traum.
TETKA.
Also irret leichtlich der Mensch, der die Götter
Zerstreut sieht wie des Baumes wogende Blätter.
Ein Stamm ist der Glaube, eine Himmelsstütze,
Wie Blüten und Früchte auf den ragenden Zweigen
Haben die Götter und die irdischen Geister
Ewig und sterblich ihre heiligen Sitze,
Die all aus einem zu einem hinsteigen,
Zum heiligen Lichte; denn es setzet der Meister
Seine Füße in der Krone schwindelnde Spitze,
Und wenn er donnert, so führt er den Reigen
Und schleudert nieder die schmetternden Blitze
Tief in den Schoß der geschaffenen Erde,
Wo die finsteren Götter, die gefallenen Knechte,
Gefesselt sitzen in einsamer Wacht;
Daß auch der Abgrund bevölkert werde,
Hausen sie, fluchend auf verlorne Rechte,
In der Wurzeln schlangendurchwundener Nacht.
Seh ich erst Peron das Nachtfeld zerreißen
Mit seines Donnerpflugs glühenden Scharen,
Werd ich bald Siwa in den goldenen Gleisen
Auf dem ährenumwinketen Wagen gewahren;
Denn unter des Wetters gewaltigem Zorn
Träufelt ein alles erquickender Regen;
Und überschwenglich dann füllet der Segen
Mit glühenden Früchten des Suetowids Horn.
Selbst Jagababa, die Riesin der Schlachten,
Dünget mit sinkenden Leben das Feld,
Und wie auch die Männer zum Tode hintrachten,
Tragen und lieben die Götter die Welt.
Die Stürme verstürmen, und auf tauichten Auen
Läßt sich Frau Lado, die liebliche, schauen;
Doch wie wär der eine, wo der andere nicht wäre,
[587] Denn einer nur lebet, und dieser ist alle,
Und daß ich allen in einem gefalle,
Gebe ich allen in einem nur Ehre,
Dem lebendigen Himmel, der Ewigkeit,
Dem erdenumarmenden Vater, der Zeit!
KASCHA.
Nicht das herrliche Gold, die unterirdische Sonne,
Der mächtige König, der in der Tiefe thront,
Nicht das adelige Silber, des Abgrunds Mond,
Reichen dem Menschen das Weh und die Wonne;
Nicht das lügende Kupfer, das Blei, der stumme Planet,
Nicht der rüstige Held, das hellklingende Erz,
Nicht das starrende Eisen, der kalte Komet,
Der mit dem Schweife zum Nordsterne dreht,
Erquicken und drücken das menschliche Herz.
Nicht der Jäger des Abgrunds, der grüne Smaragd,
Fesselt die flüchtigen Tiere der Jagd,
Und nicht des Rubinenaugs feurige Glut
Stillet den schreienden Wunden das Blut.
Nicht ist es der Zaubrer, der weise Demant,
Der die Gifte verrät und die Untreue bannt,
Und nicht der künstliche Stein in der Schlange Haupt,
Der dem Feinde die Macht seines Schwertes raubt.
Nicht der Alrun, der zasrichte Wurzelgötze,
Legt in die Truhen die schimmernden Schätze,
Nicht kann der Farnsamen, nach dem die Geister ringen,
Das Glück und die Liebe den Sterblichen zwingen.
Weder des Safrans Feuer, noch der bittere Wermut,
Noch des gewürzigen Thymians Demut
Brechen die Schmerzen, und leichtern die Schwermut,
Und wandlen in Freude die zagende Wehmut;
Keine Sonne, keinen Mond erkennet als Herrn
Der himmelumschlossene irdische Stern;
Denn alle sie zwingt in die heilige Spur
Die Mutter der Dinge, die ewge Natur!
LIBUSSA.
Aber zwischen Himmel und Erde wandelt
Der Mensch, ein Bild, und betet und handelt,
Und liebet sich selbst, und wähnet sich frei;
Da senket der Schlaf vor dem Erdengebieter
[588] Den bleiernen Spiegel des Todes hernieder,
Und erinnert ihn, daß er ein Sterblicher sei!
Nun lasset uns ruhen, ich schlafe nicht,
Aber sinnend leg ich mein Angesicht,
Daß es den grauenden Morgen erschaut.

Sie legt sich gen Morgen, und entschläft.
KASCHA.
Mich betäubet das duftende Kraut,
Und der Moldau finsteres Rauschen
Wieget mich ein wie ein Schlummerlied,
Und meine Seele treibt hin unterm Lauschen,
Wie der Kahn ohne Schiffer den Strom hinabzieht.

Sie legt sich aufs Antlitz, und entschläft.
TETKA
in das einsinkende Feuer schauend.
Es weht kein Lüftlein, es verlöschen die Flammen,
Einsame Fünklein irren wie ferne
Wiederfindende Freunde zusammen,
Und küssen sich, und sinken wie schießende Sterne.
Mit der Aschenwimper über dem glühenden Aug
Der Kohle spielet der Schlummernden Hauch,
Es blicket, und sinket, und stirbt; und den Saum
Des Sternenmantels der Nacht hebt der Traum,
Und spiegelt mit zerrissenen Bildern uns an;
O sei uns wundervoll, du heiliger Wahn!

Sie legt sich auf den Rücken, und entschläft.
ZWRATKA
leise hervortretend.
Bald reißt der Hahn mit sichelförmgem Schrei
Ins Herz der Nacht, und bricht die Zauberei.
Jetzt muß es sein, eh noch der graue Saum
Des Himmels sich in Glut des Safrans taucht,
Eh Morgenluft in Tau und Duft dem Traum
Die zauberischen Larven noch zerhaucht.
O Kikimora, Traumgott, steh mir bei!
Schon in Triglawas, deiner Mutter, Schoß
Triebst ungeboren du Verräterei.
Ihr ward das Herz in Liebessehnsucht groß,
Und mit dem Monde ihre Buhlerei
Gabst ihrem Herrn, dem finstern Tschart, du bloß.
Da riß er zweifelnd, wer dein Vater sei,
[589] Erzürnet dich aus ihrem Schoße los;
Sie fluchte dir, und gab dich vogelfrei,
Und zwischen Nacht und Tod fiel dir dein Los,
Gespenstisch Kind, ins Reich der Zauberei.
Die Nacht des Himmels hast du losgerissen,
Verräter, von des Abgrunds Finsternissen,
Und zwischen beiden saugst du nun, Bastard,
Des Zwitters Brust, des Schlafs, der Amme ward.
Wie ein Vampyr trinkst du sein friedlich Blut,
Ihn mit des Traumes Heuchlerflügeln fächelnd,
Daß er sich reich und selig glaubt und lächelnd
Hinschiffet auf der goldnen Lügen Flut;
Auch beißest du ihn wohl mit schwarzem Zahn,
Und jagst ihn atemlos den Fels hinan,
Wo unter ihm ein Chor von Geisterschwänen
Sein Sterblied singt auf bittrem Meer der Tränen.
Oft liegst du, Bleiklump, mit dem dummen Albe
Auf edler Brust, und schmutz'st das Leben ein,
Schreckst Wachen mit dem glühgeaugten Kalbe,
Dreibeingen Hasen, hagern Mutterschwein.
Mir selbst, Verruchter, mischst du in die Salbe
Oft deine mißgebornen Sudelein;
Doch kenn ich dich, zeigst du gleich nur das Halbe,
Zieh ich das Ganze doch zum Sonnenschein.
Nun lasse dich, eh sich der Morgen falbe,
Auf diese Jungfraun nieder, spiele fein,
Der Tag wird deine Schelmerei der Schwalbe
Auf ihres Liedes Gaukelfaden reihn.
Den Liebling opfr' ich dir, die Fledermaus,
Den Zwischenträger, des Verrats Gespiel,
Wie dich stieß Maus und Vogel sie hinaus,
Daß nachtlos, taglos, sie zur Dämmrung fiel.

Sie wirft eine Fledermaus in die Glut.

Sie schlummern tief, die Äpfel geb ich ihnen;
Der Dirnen Mummerei wird gut mir dienen,
Erwachen sie, so spreche ich: Ich führte
Lel, Lado und die Huldinnen euch vor,
Weil eures Lebens Jahrestag dem Chor
[590] Mit Festlichkeit zu grüßen wohl gebührte!
Doch schlafet nur, was mit geschloßnen Augen
Ihr sehen werdet, wird mir immer taugen!

Sie pocht an die Türe von Kroks Hütte.
Hubaljuta als Lado mit den goldnen Äpfeln in der Hand, Meneljuba, Entawopa, Moriwescha als die drei Huldinnen, Ziack als Lel treten aus der Hütte. Die Huldinnen begleiten Lados Gesang mit den Harfen, sie treten um die schlummernden Fürstentöchter her.
LADO.
Zu mir drang eures Opfers fromme Glut
Ins sterngezierte Haus der heilgen Nacht;
Mit Wohlgeruch erfüllt der Locken Flut,
Bin über eurer Andacht ich erwacht.
Ich kenne euch, ihr Jungfraun weiß und mild,
Ihr seid der keuschen Triglawa ergeben,
Sie trägt den Mond, auf ihrem goldnen Bild
Drei Häupter sich in Einigkeit erheben.
Auch ihr seid drei, doch dreifach euer Sinn
Trank einig eines Herzens Liebe nur,
Nun nehmt von mir drei goldne Äpfel hin,
Umfassend alle Schätze der Natur.
LEL.
Mutter, laß die Äpfel mich
Hin zu Krokus' Töchtern schwingen,
Jeden Apfel küsse ich,
Sie mit Liebe zu bezwingen.
LADO.
Lelio, du mein süßer Knabe,
Du Gespiele meiner Tauben,
Nein, ich darf dir nicht erlauben,
Erst zu küssen diese Gabe,
Denn dem finstern Donnergotte
Peron, der in Wolken tobet,
Sind die Mägdlein auch verlobet,
Und dein Kuß wär ihm zum Spotte.
Werft ihr Jungfrauen,
Euch kann ich vertrauen,
Das himmlische Los
Den Schwestern zum Schoß!
ERSTE HULDIN.
Nimm, Tetka, den Apfel des Himmels von mir!
[591]
ZWEITE HULDIN.
Den Apfel der Erde geb, Kascha, ich dir!
DRITTE HULDIN.
Libussa, der Apfel des Lebens wird dir!

Sie werfen bei diesen Worten den drei Schwestern die goldnen Äpfel in den Schoß, und fliehen auf den Wink Zwratkas schnell in das Gebüsch, wo man sie unter Harfenklang sich entfernen hört. Zwratka wirft sich im Hintergrunde an die Erde.
TETKA
erwachend.
Wer weckt die Tochter Kroks? Horch, Harfenschlag!
Wer warf den goldnen Apfel mir zum Schoß?
KASCHA.
Wer mir?
LIBUSSA.
Wer mir? Es warf der junge Tag
Uns allen dreien heut ein gleiches Los!

Sie heben alle drei die Äpfel empor. Zwratka steht auf, und naht sich, begeistert erzählend.
ZWRATKA.
Grüß euch der morgenrote Jutrobog!
Zur Stunde, die euch hier zum Licht gebar,
Saht ihr Frau Lado nicht, vorüberzog
Sie hier vor euch mit ihrer Jungfraun Schar;
Aus jeder Huldin Hand ein Apfel flog,
Sie brachten euch Geburtsgeschenke dar.
So zauberisch war ihrer Harfen Spiel,
Daß ich entzücket an die Erde fiel.
TETKA
ernst und monoton.
Mir träumte, als stieg ich zu göttlicher Kunde
Durch Wolken hinauf in des Himmels Paläste,
Ich hielt durch die schimmernden Säle die Runde,
Leer standen gleich einem verlassenen Feste
Die goldenen Tische auf silbernem Grunde,
Ich fand da nicht Götter, nicht Geister, nicht Gäste,
Ich eilte und suchte, und fand, und erschreckte –
Mein Bild, das in spiegelnden Wänden mich neckte.
Über schweigenden Donner und erloschene Blitze
Mein Fuß, vom Traume belastet, hin schwebte
Bis zu des Donnrers verödetem Sitze,
Wo ein wunderbar Klingen den Saal durchbebte,
[592] Und ich sah, wie hoch in des Thrones Spitze
Eine Riesenspinne ihr Netz hinwebte.
Öd war das Haus, durch die einsamen Hallen
Hört ich das Schifflein der Weberin schallen,
Und ich blickte entsetzet, und sah die Sonnen,
Die Monde, die Sterne in den zaubrischen Gleisen,
Die sie aus dem Gift ihres Leibes gesponnen,
Wie gebundne Gespenster der Unterwelt kreisen.
Sieh, da hat meine Seele eine Inbrunst gewonnen,
Und es wuchs mir eine Kraft, das Geweb zu zerreißen.
Aber wie ich die zürnenden Hände ausbreite,
Trat mir eine schimmernde Jungfrau zur Seite,
Begeistert und stille, weltfremd und vertraut,
So nimmer gesehen, so innig verwandt,
So fern ihre Sprache, so aus der Seele ihr Laut,
So weither verirret, so aus dem Herzen gesandt,
Wie die Braut in die Augen des Bräutigams schaut.
Und sie trug in eines goldenen Kelches Rand
Eine Primel, und sagte: Dein Himmel ist leer,
Dies ist der Himmelsschlüssel, die Himmelskehr!
Und da sie die Blume zu dem Netze erhoben,
Wo die Spinne den Weberknoten schürzte,
Begann diese im schwebenden Webstuhl zu toben,
Daß die Gestirne erbebten, und niederstürzte
Das Scheusal, wie Div auf die Jungfrau, von oben,
Und stach sie, daß ihr Blut die Lüfte würzte:
Doch aus der Erde sprang wie ein Held die Rache,
Und zertrat die Spinne, es sank der Drache,
Und mit dem Kelch und der Primel in des Spinnwebes Leiter
Kletterte ich hinauf, das Gestirn zu erreichen;
Doch wie ich auch klimme und ringe, stets weiter
Steigen zur Höhe die himmlischen Zeichen.
Dann umgab mich ein Garten, und der Himmel war heiter,
Rings um mich war Friede, Ruhe und Schweigen,
Und die fliehenden Sterne zerrannen in ein Licht,
Das wogte und blickte, und ward ein Angesicht,
Und da sah ich: vor verschloßnen Paradiesen
Saßen Niva und Krokus, und waren blind;
[593] O wann erscheint, das Aug und das Tor zu erschließen,
Sprach Niva, mit Schlüssel und Kelch unser Kind?
Hier bin ich, rief ich aus, und wollte Heilung gießen
Aus dem Kelch in ihr Aug; doch kein Tropfen rinnt
Als ihre Tränen, die sie seufzend fallen ließen,
Die wurden zu Blumen, und zerflossen in Wind;
Und als ich des Paradieses verschlossene Türe
Mit der Primel, dem Himmelsschlüssel, berühre,
Neiget das Blümlein das Haupt, und spricht:
Zu frühe erblüht ich, ich öffne noch nicht;
Mich hat das Feuer gelocket und das Gift begossen,
Ich habe das Licht nur geahndet und bin gestorben.
Aber vor des Himmels Türe, die noch unerschlossen,
Hab um guten Willen ich eine Stelle erworben.
Und ich pflanzte es knieend, da sprach Niva zu mir:
Höre mich an, o mein Kind, ich verkünde dir,
Gehe hin, und erbaue auf Felsen dein Haus;
Denn von der Liebe des Volks auf reißendem Wagen
Wird einst aus deines Schlosses Toren hinaus
Der Kelch durch den Garten des Landes getragen,
Und die Liebe giebt dem Volk den Kelch zu trinken:
Aber der Hunger des Abgrunds verlegt ihr die Straße
Und spendet Nacht den Blinden mit teurem Maße,
Und viele werden trinkend zum Abgrund sinken.
Aber die Liebe des Volks auf dem reißenden Wagen
Wird Tschernobog mit dem teueren Maße erschlagen.
Dann wird mit demselben Maße ihm wieder gemessen,
Das teuere Maß wird der Hunger des Abgrunds fressen,
Und mit mächtigem Stoß wird der reißende Wagen dringen
Gegen die Tore des Himmels, daß die Riegel zerspringen,
Und die Welt schaut im Lichte des Heiligtumes
Den Kelch, und die Liebe des Volks, und den Kranz des Ruhmes!
Also und noch vieles hat die Mutter gesprochen,
Aber es traf mich der Apfel, und der Traum war zerbrochen.
KASCHA.
Im Traume folgt ich dem Eber durch verwachsene Schluchten.
Der verschwand, und es lockte eine schimmernde Schlange
[594] Mich tiefer zum Abgrund, und rings um mich fluchten
Die Felsen, die Wurzeln, die auf dem finsteren Gange
Mich wälzend und windend zu verhindern suchten;
Aber ich kämpfte, getrieben von einem inneren Drange,
Wie ein Taucher der Tiefe gegen die hebenden Wellen,
Und gelangte zum Abgrund, zu des Zornes Schwellen.
Da sah ich die Schlange hinunterdringen,
Und hörte unten die Quäler, die finstern Mächte,
Die alten Zornlieder des Fluches singen,
Und sah sie weben die lichtlosen Zaubergeflechte
Und die schimmernde Schlange hinein sich schlingen;
Da war diese ihr Meister, und sie waren Knechte.
Aber vom Keuschlamm, das neben mir blühte,
Fiel ein Blättchen hinab, und es hob sich ein Gewüte.
Da erbebte die Tiefe, da wichen die Schwellen,
Und in sich zerstürzte der Finsternis Haus,
Und wo ich zur Flucht meine Füße wollt stellen,
Wich sinkend der Grund, und mit wildem Gebraus
Ergossen und zerflossen sich glühende Quellen,
Und der Eber brach gen mich aus den Büschen heraus;
Aber ein Starker ergriff und würgte das Tier
Und legt es mir zu Füßen, und neigte sich mir!
Frei stand die Bahn und mein Herz zur Flucht,
Da senkte mir der bleierne Schlaf die Glieder,
Am Äpfelbaum ruht ich in waldichter Bucht,
Und die Schlange, die verdächtige, sah ich wieder.
Sie reichte aus dem Laub mir eine glühende Frucht,
Aber aus der Höhe tönte eine Stimme nieder:
Der Schlange Haupt soll der Same des Weibs zertreten!
Und es traf mich der Apfel, und die Gesichte verwehten.
LIBUSSA.
Mir träumte, als zog ich durch schimmernde Wiesen,
Umschirmet von Dirnen in Gold wohl gerüstet,
Mit flatternden Fähnlein an stahlblanken Spießen,
Wie Käfer gepanzert, wie Pfauen gebrüstet,
Und vor mir in Silbertrompeten sie stießen:
Lache lustig, lieb Leben, solang dir gelüstet!
Still standen die Herden, mich brüllend zu grüßen,
Und mir hüpfte ein goldenes Fröschlein zu Füßen,
[595] Es sang von der Zukunft; da führten den Zelter
Des Krokus mir stattliche Männer heran,
Und ich schwang mich zum Sattel, da neigten die Wälder,
Die Felsen ihr Haupt mir, und auf freudiger Bahn
Umwogte das Roß mir der Segen der Felder,
Und das Gold sprang aus Bergen, und lachte mich an;
Da verstummte das Fröschlein, es erhob sich ein Wetter,
Und eine Taube flog vor mir, ein Bote der Götter,
Ich folgt ihr zur Hütte in das einsame Tal.
Zum Dach schwebt' sie nieder, und drehte und girrte,
Und es ward mir geboten das ländliche Mahl
An eisernem Tische von freundlichem Wirte;
Doch als er den Apfel von herrlicher Wahl
Mir reichte, eine Fledermaus das Haupt mir umschwirrte,
Und aus meinen Dirnen, die zur Seite mir gingen,
Wollt eine die schimmernde Frucht mir entringen;
Doch die es gewesen, die nenne ich nicht;
Und es traf mich der Apfel, und es sank das Gesicht.
TETKA.
Die Nacht der Zukunft spielet in dem Zwielicht
Des Schlafs, des Zeitenbrechers, mit dem Traum,
Und rätseldeutend hebt das heilge Frühlicht,
Der Seher, schon des Schleiers Safransaum,
Die Schwalbe aber plaudert alles aus;
Was singt sie, Zwratka, über Krokus' Haus?
ZWRATKA.
Ich sage euch, was mir aus eurem Traum
Sich selbst erklärt, und was die Schwalbe sagt:
Ihr wart, als ihr hier in der Wiege lagt,
So ähnlich euch, daß selbst die Mutter kaum
Die eine von der andern unterschied:
Doch als sie einst nach eurer Wiege sieht,
Erblickt sie, daß um Tetkas Angesicht
Den Silberschleier eine Spinne flicht
Und Kaschas Stirne eine bunte Schlange,
Gleich einem Zauberdiadem, umfange
Und auf Libussens Haupt ein Fröschlein sitzt,
Gleich einem Blatte, das vom Taue blitzt.
Erschrocken, also euch geschmückt zu sehn,
Vertrieb die Tiere sie mit ihrem Stabe,
[596] Doch ist aus falscher Liebe dies geschehn;
Denn Geister waren es, die ihre Gabe
Im Traume in die Seele euch gelegt.
Und wunderbar, als ihr vom Schlaf erwachtet,
War jeder Antlitz anders auch bewegt,
Man unterschied euch, wenn ihr weintet, lachtet;
Und als zu mir ihr in die Schule gingt,
Die Zeichen dieser Tiere ihr empfingt;
Sie, die dem finstern Tschart als Boten dienen,
Sind euch am Jahrstag der Geburt erschienen,
Zum Dienste Tschernobogs euch zu ermahnen;
Denn von der lichten Götter Glanz verführt,
Verlasset ihr den Glauben eurer Ahnen
Und nehmt dem finstern Herrn, was ihm gebührt;
Besinnet euch, der, den ihr stolz verlassen,
Wird euch verschlingend selbst als Opfer fassen.
Was außer diesem ihr im Traum gesehn,
Sind nur die Larven eurer Eitelkeit,
Traumsonnen, die sich um die Torheit drehn,
Irrsterne selbsterfundner Herrlichkeit.
Die Äpfel Lados brecht im ersten Blick
Des jungen Tags; dort auf dem Berge zieht
Er aus dem Nachthelm, losend, ein Geschick;
Kehrt euch zu ihm! So sprach der Schwalbe Lied.

Sie wenden sich gegen Morgen. Die Sonne geht auf, und sie brechen die Äpfel, und zeigen sich die darin verschlossenen goldenen Tierbilder mit Verwunderung.
TETKA.
Mir gab die Spinne Lado!
KASCHA.
Mir die Schlange!
LIBUSSA.
Und dieses goldne Fröschlein ich empfange!
ZWRATKA.
Erwäget! meine Worte werden wahr;
Des Abgrunds Boten, die euch früh geneigt,
Die Kikimora euch im Traum gezeigt,
Bot Lado euch in Himmelsäpfeln dar.
Laßt nicht umsonst die finstern Götter winken,
Dem Abgrund dient, er läßt euch nimmer sinken.

Sie geht ab.
[597]
LIBUSSA.
War es Betrug? Nein, möglich wär es kaum!
KASCHA.
Die Tiere, welche Niva von uns scheuchte,
Hier in den Äpfeln wieder, und im Traum!
TETKA.
O Bielbog, weiser Sonnenführer, leuchte,
Gieb heute keinem Zweifel in mir Raum.
KASCHA.
Mit Morgentau den Apfel ich befeuchte,
Die erste Träne, die Triglawa weint,
Bricht Zauberei und ist der Nachtkunst Feind.
LIBUSSA.
Ich folge dir.
TETKA.
Auch ich; nun mag sie glauben,
Daß wir, wie sie, dem finstern Tscharte dienen;
Mir wird kein Zauber je den Eindruck rauben
Der Jungfrau, die im Traume mir erschienen.
KASCHA.
Der Mutter ist sie immer Feind gewesen,
Und niemals wird sie uns, die Töchter, lieben.
TETKA.
In ihres Blickes Kälte ist zu lesen,
Daß sie der Neid zum Dienst des Tschart getrieben.
LIBUSSA.
Es starrt ihr struppicht Haar gleich einem Besen,
Und aus den Augen blickt sie, wie nach Dieben
Die Hexe durch die Zaubersiebe schaut.
TETKA.
Und doch hast ihrer Tochter du vertraut!
LIBUSSA.
Auf giftgem Steine wächst oft heilsam Kraut.
Von früher Jugend war sie mein Gespiel,
Auch Niva war der kleinen Wlasta gut,
Bei unserm Wettlauf schmückte sie als Ziel
Mit Jungfernkronen ihren Kinderhut,
Und als ich einst von meinem Rößlein fiel,
Bemalte sie ihr Herz mit meinem Blut.
Um mich hat ihre Mutter sie verlassen;
Ich kann zu ihr wie einem Schwerte fassen!

Biwog, Slawosch, Primislaus treten auf.
BIWOG.
Heil euch, am Tage, der euch uns geboren!
SLAWOSCH.
Heil euch, ihr Sterne in dem slavschen Land!
PRIMISLAUS.
Heil euch, ihr böhmschen Fürstinnen erkoren!
TETKA.
Wem ward der Stab des Krokus zuerkannt?
SLAWOSCH.
Dir, Tetka!
BIWOG.
Kascha, dir!
PRIMISLAUS.
Libussa, dir!
[598]
TETKA.
Es scheint, ihr sprecht, uns zu verhöhnen, hier.
SLAWOSCH.
Straf' Peron solchen Frevel! Wißt, zur Wahl
Ertönte jeder gleiche Stimmenzahl;
Doch nur für dich, o Tetka, hob die Hand ich!
BIWOG.
Dich, Kascha, rief ich aus!
PRIMISLAUS.
Libussen nannt ich!
LIBUSSA.
Daß guter Wille dir belohnet werde,
Wähl dir aus meinem Hof den schönsten Pflug,
Und weiter noch aus meiner besten Herde
Zwei schöngefleckte Stiere zum Bezug,
Und kehre heim, bestelle treu dein Feld;
Dem bringt es Frucht, der es getreu bestellt!
KASCHA
zu Biwog.
Für deine Wahl muß ich dich auch beschenken,
Den blanken Jagdspeer nimm zum Angedenken,
Bequem ist er der Hand, und schwingt sich gut,
Trag ihn zum Wald, und tilg des Ebers Brut.
TETKA
zu Slawosch.
Ich schenke dir des Opfers Silberbeil,
Das niemals noch unheilges Blut bespritzt,
Fäll' reine Opfer für des Landes Heil,
Auch nimm die Scheiben, die ich selbst geschnitzt;
Wie viele weiß, ein Zeichen guten Glücks,
Wie viele schwarz, ein Wink des Mißgeschicks,
Zur Luft geschleudert, an die Erde kehren,
Wird dich des Loses Götterlaune lehren.
PRIMISLAUS.
Libussa, werter, als aus deiner Habe,
Wär mir aus deiner heilgen Hand die Gabe.
LIBUSSA.
Nichts hab ich hier, doch ja, den Treiberstecken
Schneid ich dir selbst aus diesen Haselhecken,
Wenn er erblüht, erblühet auch dein Heil!
PRIMISLAUS.
Du schnittst ihn selbst, mein ist das beste Teil!
LIBUSSA.
Nun kehrt nach Haus, und laßt die Götter wählen.
Die Stimmen, die belohnt, sind nicht zu zählen.
SLAWOSCH.
Heil jeder, die von euch zum Throne steigt!
BIWOG.
Ihr habt euch mild und huldvoll uns gezeigt!
PRIMISLAUS.
Heil Böheim, das sich solchen Sternen neigt!

Alle drei ab.
LIBUSSA.
Naht schon das Volk?
[599]
KASCHA.
Ich höre nahes Singen.
TETKA.
Die Mägdlein sind es, die uns Kränze bringen.

Der Chor der Jungfrauen tritt auf; Wlasta, Stratka, Scharka tragen Kränze.
CHOR
zu Tetka.
Heil dir, du Seherin,
Göttliche Schauerin,
Himmlische Späherin,
Tempelerbauerin,
Am Tag der Geburt!
STRATKA
setzt ihr einen Kranz von Schwalbenkraut auf.
Ich reiche dir den Kranz von Schwalbenkraut,
Du Seherin, auch Lichtkraut wirds genannt,
Am Morgen, da du einst das Licht erschaut,
Aus Lichtkraut ich den Ehrenkranz dir wand!
CHOR
zu Kascha.
Heil dir, du Heilende,
Abgrundergründende,
Hülfe Erteilende,
Opferentzündende,
Am Tag der Geburt!
SCHARKA.
Nimm hin den Kranz zu deines Hauptes Zier,
Gewunden ist er aus dem heilgen Kraut
Berufswand, das mit heilender Begier
Tief in die Blicke der Bezaubrung schaut.
CHOR
zu Libussa.
Heil dir, du Sehende,
Vorwelterwägende,
Mitweltverstehende,
Nachweltbewegende,
Am Tag der Geburt!
WLASTA.
Aus Frauendistel wand ich dir den Kranz,
Ein scharfer Gürtel deiner hohen Zucht,
Du liebest starker Waffen Schutz und Glanz,
So hab ich dir ein streitbar Kraut gesucht!
KASCHA.
Wie trifft sich dies, auch Spinnenkraut genannt
Wird Schwalbenkraut, und Tetka hat die Spinne;
[600] Auch Schlangenäugel heißt Berufeswand,
Das Aug ich nun zur Schlange noch gewinne;
Froschkraut ist auch der Frauendistel Namen,
Und du, Libussa, hast den Frosch. Wie kamen
Die Kräuter euch zur Hand?
SCHARKA.
Dort auf den Auen!
LIBUSSA.
Dem, der mir lüget, werd ich nie mehr trauen.
WLASTA.
Wir flochten Primeln, Veilchen und Narzissen,
Doch meine Mutter hat sie uns zerrissen,
Da sie vorüberging; sie gab uns diese,
Die selbst sie mühsam suchte auf der Wiese!
LIBUSSA.
Was will dies Weib von uns, ist sie von Sinnen?
KASCHA.
Zur Sonne kömmt es bald, laßt sie nur spinnen!
TETKA.
Wohlan, ich trag den Kranz, den ich nun habe,
Es heißt auch Herrgottskraut und Gottesgabe.
KASCHA.
Und mag das Schlangenäuglein mich beschreien,
Will ich doch heiligem Beruf mich weihen.
LIBUSSA.
Von schönen Tagen soll der Frosch mir sprechen,
Die Frauendistel meine Feinde stechen.
Hört, Hörnerklang!
WLASTA.
Es zieht das Volk heran,
Zur Seite schnell mit diesen Opferbränden.

Sie ergreift mit Stratka, Scharka und andern noch glimmende Brände des Opfers.
LIBUSSA
heftig.
O haltet ein, das ist nicht gut getan,
Kein Feuerbrand sei in der Mägdlein Händen!
WLASTA.
Wir wollten Raum der Männerschar bereiten.
LIBUSSA
drängend.
Nicht redet mehr, ihr setzet mich in Wut,
Hinweg zur Moldau, löschet schnell die Glut,
Ihr sollet böse Vorbedeutung meiden!

Die Mägdlein gehen.
TETKA.
Libussa!
KASCHA.
Schwester, was ist dir geschehn?
LIBUSSA.
Ihr Himmelsgötter, was hab ich gesehn!
Was fuhr mir durch das Haupt mit Blitzesschnelle,
Der ganze Wald war eine Feuerwelle.
[601]
TETKA.
Du täuschest dich, es war die Morgenglut.
LIBUSSA.
Es war ein Meer von Flammen, und von Blut!
KASCHA.
Die Sonne war es, die aus Wolken brach.
LIBUSSA.
Nicht tröstet mich, ich sah es, ich bin wach.
O Böheim, Böheim, einst in blutgen Tagen
Wirst du um diese blutge Sonne klagen!
Wohlan! sie nahn, wem wird heut Krokus' Hut,
Welch Haupt hat heut zum letztenmal geruht?
TETKA.
Der herrscht nicht, der dem Himmel sich geweiht!
KASCHA.
Der Erde Tempel liegt vom Throne weit!
LIBUSSA.
Die Ewigkeit borgt Kronen von der Zeit!

Der Zug des wählenden Volkes zieht unter dem Vortritt von Hornbläsern heran. Ihnen folgt Drzewoslaus mit der zusammengerollten Fahne Chechs. Ihm folgt Lapack in einem safranfärbigen Rock, zwei andere Priester führen ihm das heilige
weiße Roß des Swantowid nach, weiter Wrsch und Domaslaus, und die ganze Masse des Volks; die drei Töchter Kroks treten an die Eiche, ihre Jungfrauen umgeben sie, das Volk füllt rechts und links den Raum.
DRZEWOSLAUS.
Euch naht, ihr Töchter Kroks, des Volkes Zug,
Zu deuten hier vor euch der Vögel Flug;
Denn in geteilter Liebe schwankt die Wahl,
Und jeglicher ward gleiche Stimmenzahl.
Die Schwalbe, kehrend von der Winterreise,
Zog über unserm Haupt die Jubelkreise
Und schoß zum Tempel Perons gleich dem Pfeile,
Der von dem Bogen fliegt, mit Blitzeseile.
Ihr Ziel war über Perons Haupt die Spinne,
Die in des Gottes goldnen Locken webte;
Sie raubte sie, flog dann zur Tempelzinne,
Sang hell ihr Siegesliedlein, und entschwebte.
Nun höret mich, den Ältesten im Land,
Der als ein Jüngling hier mit dieser Hand
Vor Chech und Lech die heilge Fahne trug,
Den Krokus seinen Lehrer oft genannt,
Der alles Wesen dieses Volks erkannt;
Mich hört, ich deute euch der Schwalbe Flug!
Die Freundin unsres Stamms und unsrer Art,
[602] Flog sie dem Wanderzuge Chechs voraus,
Und als er hier vollendet seine Fahrt,
Hing fest am Felsen schon ihr kleines Haus;
Sie streckte mit geschwätzger Heiterkeit
Das kluge Köpfchen grüßend aus dem Neste,
Und Chech ward froh, und sprach: Es ist nicht weit
Von hier nach Haus, wir sind willkommne Gäste;
Des Lichts Gespielin weissagt gute Zeit
Und ladet ein zu einem Frühlingsfeste
Dich, edles Volk, das aus der Heimat zog,
Und dich, o morgenroter Jutrobog!
Dann nahm er mir die Fahne aus der Hand
Und pflanzte sie ins Herz dem Vaterland.
Und wenn die Schwalben sich dann, gegen Winter
Zur Reise rüstend, durch die Lüfte schwangen,
Sprach er zu uns: Wer will von euch, ihr Kinder,
Zum Frühling Botschaft von zu Haus erlangen,
Der rede nun, kein Bote mag geschwinder
Zum Orient und wieder her gelangen.
Da wuchs in mancher Brust ein heimlich Sehnen,
Und unsre Grüße waren stumme Tränen,
Und auf der Schwalbe schuldlos Plaudern hörte
Wohl mancher fromm, wenn sie zum Frühling kehrte.
So kehrte sie uns auch zum Wahlfest heute,
Die treue, fromme, heilige Sibylle.
Vergönnet, daß ich euch ihr Liedlein deute,
Das ich belauschte in des Tempels Stille –
Der Spinne Trugnetz nahm sie von dem Bilde
Des Donnerers, und sang: O laßt die milde,
Die Götterrreundin Tetka euch regieren,
So wird das Licht im Tempel triumphieren!
VOLKSRUF.
Heil, Tetka, dir! Ja, Tetka soll uns führen!
TETKA.
In meinem Kranze ihr das Schwalbenkraut,
Auf meinem Stab die goldne Spinne schaut,
Im Traum sah ich die Himmelsschwalbe schweben
Und über Perons Thron die Spinne weben;
Doch sah die Schwalbe ich von dieser töten,
Als Jutrobog des Lichtes Tor erschloß;
[603] Ich sah den Tag von ihrem Blut erröten,
Das racheflehend sich in ihn ergoß.
Und was ich sah, das wird die Zeit euch lehren.
So wendet eure Blicke weg von mir,
Und laßt zum Himmel mich die meinen kehren,
Denn keine Krone trage ich von hier!
LAPACK.
Grüß euch der Tag, ihr edlen Krokusblüten,
Die Götter mögen unsern Stamm behüten:
Der Specht umflog sein Nest mit bangen Schwingen,
Das Zwratka, meine kluge Frau, verstopft;
Er sollte ihr die starke Springwurz bringen,
Von der die Schlösser all, an die sie klopft,
Und alle Siegel, alle Felsen springen.
Schnell flog gen Morgen er, und kehrte wieder,
Erschloß sein Nest, und ätzte seine Brut,
Und warf zum Feuer dann die Springwurz nieder,
Die, Schlangen gleich, sich drehte in der Glut.
Es ist der Specht ein kräuterkundger Jäger,
Der unterirdschen Mächte Schlüsselträger;
Die Springwurz aber wächst, wo ihre Haut
Die Königin der Schlangen abgelegt,
Die, eine Künstlerin, manch Wunderkraut
Zum Haupt der Sterbenden belebend trägt.
Specht, Schlange, Springwurz, Kascha, dich erheben,
Die sich vor allen tiefer Kunst ergeben.
VOLKSRUF.
Heil, Kascha! dir soll man die Krone geben!
KASCHA.
Wenngleich die Schlange auf dem Stab mir glänzt
Und Schlangenäuglein mir das Haupt umkränzt,
Ward doch der Schlange bös ein Fluch geflucht:
Ihr Haupt zertrete einst des Weibes Frucht!
Nehmt euren Ruf zurück, die ihr mich rieft,
Nicht herrschen kann, die überm Abgrund sinnt
Und schöpfend unergründlich ihn vertieft.
Der Tiefe Schatz, den meine Kunst gewinnt,
Ist also groß an Umfang und Gewicht,
Daß ihn kein Thron umfaßt und kein Gebiet
Mich krönet eure Krone nicht, es blüht
Mein Zepter zwischen Erd und Himmel nicht!
[604]
DOMASLAUS.
Nun deute ich der frommen Taube Flug.
WRSCH.
Nein, mir gebührt das Wort, ich sah den Schwan!
DOMASLAUS.
Die Taube fliegt zuerst in Lados Zug.
WRSCH.
Der Schwan schließt dichter sich der Göttin an.
DOMASLAUS.
Die mehr geehrte Taube zieht voraus.
DRZEWOSLAUS.
Nicht streitet, Männer; rede, Domaslaus!
DOMASLAUS.
So preis ich denn die keusche Taube hoch,
Der Liebesgöttin Lado Herzgespiel,
Die sie zugleich mit Lel, dem Kind, erzog,
Deß süßer Pfeil, wo er auch niederfiel,
So Mensch als Tier gleich einem Zepter zwingt.
Des Friedens und des stillen Glückes Bild,
Die Brut mit treuem Flügel sie umschlingt;
Wer ist gleich ihr so huldvoll und so mild?
Den Göttern Freund, den Menschen Schutzgenoß,
Ließ sie sich sanft herab auf Krokus' Schloß,
Und drehte sich, und hat dich aufgesucht,
Libussa, Bild der Milde und der Zucht!
WRSCHOWETZ.
Ich aber preis den Schwan vor allen hoch,
Der, wie ein Vollmond, vor dem jungen Tag
Heut aus dem blauen Himmel niederflog;
Wie mächtig ist der reinen Flügel Schlag,
Wie heiß, wie kühl die Woge seiner Brust,
Die an der Nymphe Schoß oft trunken schlug.
Und aus des Schneegefieders keuscher Lust
Springt wie ein Quell des Halses Schlangenbug
Und senkt des Hauptes ernsten Blick beschaulich
Zum See, dem Spiegel des Gestirns vertraulich.
Er weiß zu herrschen, denn des Volkes Zug
Führt er, ein Held, keilförmig gen die Welle!
Er weiß zu leben, denn um seine Zelle
Liebt er des edlen Kalmus duftend Rohr!
Er weiß zu sterben, stärker als der Tod,
Singt er des Lebens Traum den Sternen vor!
Ich sah ihn schweben vor dem Morgenrot
Um Krokus' Schloß, dann in die Moldau rauschen
Und schnell besonnen auf ein Fröschlein lauschen,
Das helle Tage sang in lauer Nacht!
[605] Der Held, der Dichter, Denker, will uns sagen:
Libussa soll auf unserm Throne ragen.
VOLKSRUF.
Heil ihr! Libussa soll die Krone tragen!
LIBUSSA.
Der Taube Flug hat mich im Traum gelenkt,
Der weckend mir den goldnen Frosch geschenkt,
Und meinen Kranz flocht man aus Froschkraut mir,
Vierblättrig brach ich auch dies Kleeblatt hier;
Frisch ist mein Sinn, mein Herz ist wohlgemut,
Auch fühl ich in den Adern Herrscherblut,
Den Himmel ehr ich, und den Abgrund hüt ich,
Andre erkenn ich, und mir selbst gebiet ich;
Doch allzumenschlich scheint des Schwanes Deutung,
So lasset dann dem Lose die Entscheidung:
Die heilgen Scheiben werft.
LAPACK
wirft vier Scheiben in die Luft.
Sie fielen gleich!
DRZEWOSLAUS.
So führ ich dann das heilge Roß vor euch,
Das uns den Herrscher grüßend stets gezeigt.

Führt das weiße Roß an ihnen vorüber.

Welch Wunder! allen hat es sich geneigt.
LAPACK.
Nicht Wahl, nicht Vögelflug, kein Los, kein Zeichen
Ruft eine unter diesen Jungfraun aus;
Doch können dreie nicht zum Throne steigen,
Und einer kann es nur aus Krokus Haus;
Aus seinem Stamm bin ich ein ältrer Sprosse:
Als ich das Roß des Swantowids schon pflegte,
Trieb Krok als Knabe noch des Herzogs Rosse,
Der faul hier an den Baum sich schlafen legte.
Sein Dienst war knechtisch und der meine heilig,
Kaum wußt er noch, welch Futter mehr gedeihlich,
Als ich schon manch Gebiß zurechtgefeilt
Und manchen lahmen Bug und Huf geheilt.
WRSCH.
O Wundermann! voll Kunst, und voll Beruf!
Warum nicht heiltest du den eignen Huf?
Dein Übermut ist recht ein Überbein,
Mit deinen Untertanen lebst du in Verdruß
Und hinkst mit lahmer Eitelkeit herein.
Bei dir kömmt auch der Hochmut vor dem Sturz,
[606] Denn gegen deines Stolzes hohen Fuß
Kömmt deiner Weisheit Stelze stets zu kurz!
LAPACK.
Für diese Schmähung werde einst beschämt,
Und dein Geschlecht vergehe im Gericht.
Umsonst hat nicht Didilia mich gelähmt;
Daß meine Weisheit früher komm ans Licht,
Entriß sie mich der Mutter Schoß zu schnell,
Die mit dem Leben zahlte solch ein Kind.
Um Mitternacht ward da der Himmel hell,
Und wie ein Weltsturm tobte rings der Wind.
Aus keiner Brust trank ich gemeine Nahrung,
Ich saugte an den Fingern ewger Geister,
Und was ich saugte, war die Offenbarung.
Der schwarze Tschart war meiner Zunge Meister,
Von ihm erlernte ich den heilgen Zorn,
Früh könnt ich segnen, früher doch noch fluchen,
Als Swantowid mich tränkte aus dem Horn
Und fütterte mit heilgem Honigkuchen.
Ein wundervolles Kind bin ich gewesen:
Da man zuerst mich in den Tempel legte,
Ergriff ich heftig gleich den Priesterbesen,
Mit dem ich ernsthaft tüchtig um mich fegte.
Wer hält an Rat und Hülfe mir die Waage?
Wer heilt die Luft wie ich, wenn in den Pflock
Die Seuche ich mit starkem Fluche schlage?
Wer ists, der würdiger als ich den Rock
Von Krokus heilger Feuerfarbe trage?
Aus reinem Stamm ist Zwratka auch, mein Weib,
Und herrlich raget meiner Wlasta Leib;
Niva, des Krokus Weib, ist unbekannt,
Und keiner kennt die Wurzeln ihres Lebens.
DOMASLAUS.
Nun halte ein, du wähltest dir vergebens
So übersafranfarbig das Gewand.
Wohl näher rühmst du dich der Krokuszwiebel,
Denn deine Prahlerei bekommt uns übel.
Doch in den Blüten liegt des Krokus Kraft,
Nicht in der Zwiebel, in dem leeren Schaft.
Nicht länger dulden wir dein eitles Schwätzen
[607] Von dir, und dir, und dennoch nicht von dir,
Von Zwratka lerntest du so frech verletzen
Den Ruhm des selgen Krokus und nun hier,
Um seiner Töchter Glanz zu überprahlen,
Den Lügenrock mit Safran dir bemalen.
LAPACK.
Dir segne, Domaskus, Zwratka die Herde,
Und Gold und Silber pflüge aus der Erde,
Und also übermehre sich dein Gut,
Daß du erstickest in dem Übermut!
DOMASLAUS.
Den Fluch dir selbst zurück, und deiner Brut!
WLASTA.
Wer schützet mir den Vater gegen Hohn,
Wer ist hier Herr, wer steigt auf Böhmens Thron?
WRSCH
schwingt sein Schwert.
Heraus, mein Schwert, Libussa hoch und hoch!
DOMASLAUS
schwingt sein Beil.
Empor, mein Beil, Libussa hoch und hoch!
DRZEWOSLAUS.
Die Götter wollen auch das, was wir wollen,
Es schwebt ein Adler über unsrem Haupt,
Ich laß die Fahne Chechs im Wind entrollen,
Es rühre seine Zunge, wer da glaubt.
ALLE ANWESENDE
außer Libussa knien nieder.
Libussa über alle Slaven hoch!
LIBUSSA.
So wahr ich Peron in dem Donner höre,
So wahr ich Bielbog in dem Lichte ehre,
So wahr mir Lado ihre Gunst beschere,
So wahr mein Blut sich zu Triglawa kehre,
So wahr ich bei dem finstern Abgrund schwöre,
Nehm eine Krone ich von dem Geschick,
Die ihr gegeben, die ich nicht begehre,
Und nur den Göttern geb ich sie zurück!
TETKA.
Auch ich, Libussa, beuge mich vor dir!
KASCHA.
Libussa, Fürstin, Kascha huldigt hier!
LIBUSSA.
Zu Füßen nicht, am Herzen ruhet mir.
Aus Tetkas Augen grüße mich der Himmel,
Aus Kaschas Brust der Erde Herz mir schlage,
Daß ich in Ehren durch das Weltgetümmel
Den Hut des Chechs, den Stab des Krokus trage.
[608] Gieb Segen, Himmel, gebe Trost mir, Erde,
Daß Trost und Segen in mir herrschend werde!
DRZEWOSLAUS.
Zum Schlosse Psary folg uns, Jungfrau, jetzt,
Dort wird der Hut des Chechs dir aufgesetzt.
LIBUSSA.
Eh ich betrete eures Thrones Schwelle,
Gebührt, daß ich das eigne Haus bestelle!
Zuerst bedenke ich die Nächsten mir
Und teile meines Vaters Güter hier.
Der weit umschaunden Berge Himmelsstufen,
Die Felder, Wälder, Höfe, hoch gelegen,
Wo kühne Hirten auf den steilen Wegen
Zerstreuten Herden mit dem Horne rufen,
Verleih ich, himmelschaunde Tetka, dir;
Doch was der Berg verschließt, das bleibe mir.
Der Flüsse Bett, der Felsentäler Schlünde,
Die Felder, Auen, Höfe, tief gelegen,
Wo durch der fetten Triften Schattengründe
Der Quellen Silberbänder sich bewegen,
Verleih ich, Erdefreundin Kascha, dir;
Doch was die Flut herschwemmt, das bleibe mir!
Psary, des Vaters Schloß am Moldaurand,
Sei nun nach mir fortan Libin genannt,
Mit Mauern und mit Türmen auch gezieret,
Daß seine Zinne fürstlich triumphieret.

Sie wendet sich zu ihren Jungfrauen.

Ihr Mägdlein, rüstig, züchtig, schlau und kühn,
Gespielen mir in edler Waffenlust,
Gefährten mir in Freude und Bemühn,
Ihr, deren Pfeil der Schwalbe Silberbrust,
Ihr, deren Schwert des Wolfes Nacken bricht,
Ihr, deren Beilschlag Stiere niederreißt,
Ihr, deren Speer des Bären Fell durchsticht,
Ihr, die mit freudigkühnem Reitergeist
Dem Wildroß bändgend in die Mähne greift,
Und, zwingend mit der Lenden Wucht, auf Gäulen
Der Wälder wildverschlungne Bahn durchschweift;
Ihr, die im Wettspiel starke Felsensäulen
Mit eurer Arme Macht zum Ziele schwingt
[609] Und auf der Füße Schwung sie überspringt,
Euch wähl zu meines Leibes Wache ich!
Und wer begehret jetzt das Wort an mich?

Druhan und Chobol treten aus der Menge, und legen ihr einen Block Silber vor die Füße.
DRUHAN.
Druhan und Chobol werden wir genannt,
Es sendet uns der Vater Borzislaus,
Gen Niedergang der Sonne steht sein Haus,
Dort jenseits an der blauen Berge Wand;
So tief steht er in seines Lebens Abend,
Daß er des Wegs hieher nicht mehr vermag,
Er förderte jüngst, seine Grube grabend,
Hier diesen freudgen Silberblock zu Tag
Und legt dem neuen Herrscher ihn zu Füßen
Durch seine Söhne, die dich für ihn grüßen.
LIBUSSA
sieht erst denkend auf das Silber, dann steigt sie plötzlich auf den Block, hebt ihren Stab empor, und spricht mit Begeisterung, bis zur Bewußtlosigkeit steigend.
Ich sehe einen Berg im Morgenlicht,
Er hebet dreigezackt sich aus dem Grund,
Weil dreimal sich das Silber in ihm bricht,
Mit Kupfer wechselnd in der Tiefe Schlund;
Dort schlaget ein, dort lagert reiche Schicht,
Es spricht zu mir der guten Götter Mund:
Verheißen ist euch also reiches Gut,
Als reich die Wahrheit euch im Herzen ruht.

Ich sehe einen Berg, dort mittagwärts,
Der Fichte finstres Grün umdüstert ihn;
Der ernste Held trägt stolz ein goldnes Herz,
Aus dem auch eine goldne Zeit wird blühn,
Bis einst um einen grimmen Mord der Schmerz
Den reichen Schatz zur Asche wird verglühn;
Drum haltet euch in Bruderliebe warm,
So trägt euch ewig dieser goldne Arm.

Ich sehe einen Berg gen Niedergang,
Die Birke saust um seine graue Stirn;
[610] Ein gut Gefäß giebt einen guten Klang,
Des Greisen Haupt umfaßt ein silbern Hirn;
Schlagt ein, ihr Männer, dort ist reicher Fang,
Und führt euch recht gen Abend das Gestirn,
So mehrt sich euer Stamm und euer Reich
Und fremdes Volk beugt seine Kniee euch.

Ich sehe einen Berg gen Mitternacht,
Wo fremd ein Volk nicht unsrer Zunge wohnt;
Wie schimmert ihm der Schoß, wie silbern lacht
Sein Herz gleich einem vollen Erdenmond!
Dort tut sich auf ein unermeßner Schacht,
Dort ist der Thron, wo recht das Silber thront;
Ich höre, wie der Hammer fleißig schlägt,
Ich seh die Münzen rollen, die er prägt.

Ich sehe rings der Mittelberge Schoß
An Zinn und Eisen, Blei und Kupfer voll,
Und Edelsteine brechen funkelnd los,
Und Perlen spielen in dem Flußgeroll,
Des Landes Herz ist so an Reichtum groß,
Daß Erd und Himmel in ihm überquoll.
O slavsches Volk! beginne deinen Lauf!
Rings jauchzet dir der Grund Glück auf! Glück auf!
CHOR VON MÄNNERN.
Glück auf! Glück auf!
O lehr uns den Lauf!
Wir bringen das Gold dir,
Die Sonne des Abgrunds;
Wir heben das Silber,
Den Vollmond der Tiefe;
Das Kupfer, das Eisen,
Die Sterne der Erde,
Zum Tag dir herauf.
Glück auf! Glück auf!
LIBUSSA
erhebt sich aus ihrer Schwestern Armen.
Was singen diese Männer? warum hattet
Ihr in den Armen mich, da ich erwacht?
[611]
TETKA.
Aus den Gebirgen kehrt dein Geist ermattet!
KASCHA.
Gen Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht
Warst du mit glühndem Antlitz hingewendet;
Ein Silbermond, hat deine Stirn gelacht,
Dein Haar war dir von Sonnengold umblendet,
Die Augen funkelten, gleich Edelsteinen,
Wie glühend Kupfer schimmerten die Wangen,
Und Tränen sah ich dich, wie Perlen, weinen,
Die Hände schlössest du, wie Eisenspangen,
Und lagst im Arm uns, schwer, wie Zinn und Blei,
Es leuchtete dein Mund wie ein Rubin,
Und deine Lippe sprach in Phantasei
Von dieses Landes Herz, das dir erschien.
Die Männer wollen zu den Bergen hin,
Den Schatz der Tiefe an das Licht zu ziehn.
LIBUSSA
gesammelt.
So hatte dann die heilge Morgenstunde,
Mein gutes Volk, heut Gold für dich im Munde.
Chobol und Druhan, euch sei nun verliehn
Des Bergbaus Amt, erwählet euch Gesellen,
Was ich verkündet, an den Tag zu stellen,
Und fördert, was ihr findet, nach Libin,
Daß sich der Erde Segen, weis geleitet,
In allen Adern dieses Volks verbreitet.
Doch wer bemerkte meiner Rute Schlag
Und kennt noch meiner Rede reichen Gang?
Er fördre meines Traumes Schatz zu Tag,
Den mein Erwachen wieder nun verschlang;
Die goldnen Berge, die ich mir geträumt,
Sind sonst wie Morgenwolkengold verschäumt.
LAPACK
stellt ihr den Knaben Ziack vor.
Ich schenke dir hier Ziack, den klugen Knaben,
Auf Rinden lehrt ich ihn dein Wort zu graben.
LIBUSSA.
Die Seele war mir also Gottes voll,
Ich sprach, so wie der Himmel überquoll,
Du schriebst der Jungfrau Worte auf, mein Kind,
Weil Weisheit, Unschuld gern beisammen sind.
Ich nehme dich zu mir, sei mein Gesell!
Nun, lieber Schreiber Ziacku, schreibe schnell:
[612] Aus diesem Silberblocke, der mich trug,
Als meine Rute auf die Schätze schlug,
Zelu, ein Götterbild, geformet werde,
Das alle Götter Himmels und der Erde
Und Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht
Mit seines Leibs Gestaltung sichtbar macht.
Ich bin bereit, führt mich auf Krokus' Schloß,
Und setzet mir Chechs Hut auf meinen Kranz,
Daß er nicht welke in der Sonne Glanz.
VOLK.
Heil dir, Heil dir, auf unsres Gottes Roß!

Sie besteigt das heilige Roß, und zieht in festlicher Ordnung unter Musik ab.
2. Akt
Zweiter Akt
Ein Waldplatz, von hohen Eichen umgeben; links vom Vorgrunde zieht sich eine Felsenwand am Hintergrunde herum, bildet dort rechts Höhlen, und öffnet links eine wildverwachsene Schlucht; mitten durch den Plan ergießt sich eine Quelle. Libussa tritt mit ihren Jungfrauen, bewaffnet, auf.

LIBUSSA.
Hier, wo ich von den Schwestern bin geschieden,
Will ich, zu ruhen, mich ins Grüne setzen.
WLASTA.
Was störet, Fürstin, deiner Seele Frieden?
LIBUSSA.
Entbehrung nur lehrt uns das Werte schätzen.
WLASTA.
Sie kehren bald, denn Fürstentöchter finden
Die Höhen leicht, wo, in die Ferne schauend,
Sie, ihrem Namen stolze Hallen bauend,
Den ewgen Widerhall des Nachruhms gründen.
LIBUSSA.
Doch fühle ich, der Mensch bricht jeden Stein
Der Selbsterbauung aus des Freundes Herzen.
WLASTA.
Am Haus der Eigentümlichkeit baun Schmerzen.
LIBUSSA.
Und mit den Herren zieht die Sorge ein!
Sonst wandelte ich harmlos, und nun rag ich
Als Doppelziel der eifernden Begier;
Der Jungfrau und der Fürstin Krone trag ich,
Und Sorge nistet in der Ehre Zier.
[613]
STRATKA.
Doch wer erkeckte sich, nach dir zu schauen,
Du Seherin, du herrlichste der Frauen!
LIBUSSA.
Nicht möcht ich über Männer herrschend ragen,
Die meiner niemals zu begehren wagen;
Die Adler sind sie, die in Kronen bauen,
Und lichtbegierig nach der Sonne steigen.
STRATKA.
Die Sonne bist du, die sie nie erreichen.
LIBUSSA.
Hat mich geheiligt gleich der Götter Gunst,
Tönt gleich von Weissagung mein irdscher Mund,
Bin ich doch Erbin nur so hoher Kunst,
Der Götter Weisheit tue ich nur kund.
Das Meinige ist sterblich, Schaum und Dunst,
Ich bin ein Werkzeug, göttlich ist der Grund.
Ein goldnes Heft hat manchen schon verführt,
Zum Schwert zu greifen, das ihm nicht gebührt.
Saht ihr nicht Domaslaus, den reichsten Mann,
Mit ekler Schmeichelei die Wahl mir stimmen,
Und nicht den kühnen Wrsch im Friedensbann
Sein Schwert mit eitler Hast, mich wählend, schwingen?
Zur Wette sah ich Geiz und Kühnheit klimmen,
Im regen Eifer schienen sie zu ringen.
WLASTA.
Zum Hohne Lapacks!
LIBUSSA
bedeutend.
Wlasta, liebst du mich?
WLASTA.
Mehr als mich selbst, wie meine Ehre dich.
Lapack ist Bazacks Sohn, der deinem Vater
Der ältre Bruder war; aus reiner Ader
Sproßt Zwratka, aus dem ältsten Stamm der Chechen;
In mir fließt Krokus' Blut, das an den Frechen
Sich Rache nimmt nach heiligem Gesetz.
STRATKA.
Nicht nenne frech den kühnen Wrschowetz,
Der höher stammt als du, ein Sohn der Lechen.
Ein freudger Schütze schießt auch ohn zu zielen;
Berauscht schon, wo nur bunte Fahnen wehn,
Läßt er den Helmbusch gern im Winde spielen;
Erfreut war er, Libussens Glanz zu sehn
Im Spiegel seines Schwertes. Sag, wer meistert
Ein edles Herz, von Festlichkeit begeistert?
Sein Schwert hat er zur Sonne nur erhoben.
[614]
LIBUSSA.
Laut wirst du, stille Stratka, ihn zu loben.
STRATKA.
Ihn nicht zu loben, war ich still allein.
LIBUSSA.
Und was wirst du einst sein, um ihn zu schmähen?
STRATKA.
Um aller Götter willen, halte ein,
Weil deine Worte die Geschicke säen.
Ich liebe ihn, o gieb ihm deine Huld!
LIBUSSA.
Die Huld, die du verschwendest, wird dir Schuld!
STRATKA.
Nach Ehren strebt er, denkt sich mein nicht würdig.
LIBUSSA.
Durch seiner Demut Stolz wirst du erniedert.
STRATKA.
O mach an Ehren ihn mir ebenbürtig!

Sie kniet vor Libussen.
LIBUSSA.
Bedenke, was du Wlasta kaum erwidert;
Steh auf, und schone dein, entreiße nicht
Die finstre Prophezeihung meinem Munde,
Die, wahr geworden, bald zu Tage bricht.
Vom Stamm des Lechs ist der bescheidne Kunde,
Der, dir nicht ebenbürtig, Ehr begehrt?
Wer so mit Demut eignen Ruhm versehrt,
Ist nur ein stolzer Wolf, als Schaf verkleidet,
Der dir, du schuldlos Lamm, Verrat bereitet.
Ein Gürtel von Jungfräulichkeit dem Thron,
Nicht für die Männer Mittler, Lockung, Schlingen,
Ließ ich von euch den Stuhl des Chechs umringen.
Die Zunge, die ihn lobte, wird zum Lohn
Der Buhler dich hinabzuschlingen zwingen.
Wer Männer liebet, soll es mir verschweigen,
Wer mich liebt, werden treue Waffen zeigen.
STRATKA.
Libussa!
LIBUSSA.
Rede nicht, ich bin ohn Zorn!
Laßt mir ertönen nun das ernste Horn,
Die Töne machen alles wieder gut,
Zerrißne Herzen füllet ihre Flut.

Schwermütige Hornmelodie. Libussa sitzt an einem Felsen, Stratka und Scharka stehen ihr zur Seite, Wlasta hinter ihr. Stratka scheint im Nachdenken begriffen, und schwingt zugleich ihr Beil im Takte der Musik. Es fliegt ein Pfeil nach Libussa. Wlasta fängt ihn mit ihrem Schilde auf.
WLASTA.
Ihr Mägdlein, Schilde vor, es droht Gefahr!

[615] Die Mägdlein decken Libussa mit Schilden. Ziack klettert auf eine Eiche.
LIBUSSA.
Verrat! Verrat! o fechte, meine Schar!

In diesem Augenblick springen mehrere Avaren hinten hervor, und reißen Libussen ins Gebüsch, Wlasta schlägt mit dem Beile wütend drein, Moribud trifft sie mit einem Pfeil in den Arm. Von allen Seiten dringt der Feind ein und wird kühn zurückgedrängt, sie verlassen alle fechtend die Bühne. Das volle Orchester fällt bei dem ersten Pfeilschuß in die Waldhornmelodie ein und begleitet das Getümmel des Streites diminuendo bis in einige Entfernung; man sieht Ziack, schreibend auf der Eiche beschäftigt. Wrschowetz und Domaslaus treten von entgegengesetzten Seiten auf, sie messen sich mit eifernden Blicken, die Musik verstummt in leisester Ferne.
WRSCHOWETZ.
Was treibt dich, Domaslaus, hieher zum Wald?
DOMASLAUS.
Was treibt dich, Wrschowetz, hieher zum Wald?
WRSCHOWETZ.
Du suchst wohl fette Weide, satter Hirt?
DOMASLAUS.
Du suchst wohl zahmes Wild, mein brünstger Jäger?
WRSCHOWETZ.
Du suchst wohl zahmes Vieh, das sich verirrt?
DOMASLAUS.
Wer stellte dich in diesen Wald als Häger?
WRSCHOWETZ.
Ich stehe, daß man zahmes Vieh nicht raube.
DOMASLAUS.
Schimpfst du ein zahmes Vieh die reine Taube,
Libussens Vogel auf des Glückes Bahn?
WRSCHOWETZ.
Schimpfst du ein zahmes Wild den edlen Schwan,
Deß Flug der Götter Wille ausgesagt?
DOMASLAUS.
Ich nenne zahmes Wild des Schwanes Magd,
Die Gans; um Stratka, denk ich, gehst du aus?
WRSCHOWETZ.
Ich nenne zahmes Vieh des Stieres Weib,
Um Kühe nur, denk ich, buhlt Domaslaus.
DOMASLAUS.
Vor ihren Hörnern hüte deinen Leib,
Sie stößt dich nieder, wird sie mir zuteil.
WRSCHOWETZ.
Und Stiers genug erschlägt an dir mein Beil!

Sie stehen in einer drohenden Stellung.
ZIACK
liest, was er geschrieben.
»Am Tag nach ihrer Krönung fiel Libussa« –
WRSCHOWETZ.
Wer spricht hier, Schreiber, du?
[616]
DOMASLAUS.
Wo ist Libussa?
ZIACK
fortfahrend im Lesen.
»In Feindes Hand, und ihr prophetscher Schrei
Rief aus, sie falle durch Verräterei.
Wie Männer fochten Dirnen für ihr Glück,
Und Männer eiferten um sie wie Dirnen.«
DOMASLAUS.
Ich rette sie, jetzt ist der Augenblick!

Will ihr zu Hülfe eilen.
WRSCHOWETZ.
Kein reicher Bauer glänzt in den Gestirnen!

Vertritt ihm den Weg.
DOMASLAUS.
Du willst mich halten, armer Degenschelm!
WRSCHOWETZ.
Schlag Gold dir, armes Schwert, vom Schelmenhelm!

Erhebt sein Schwert gegen ihn, Domaslaus legt sich in Schutz, sie beginnen zu fechten. Libussa tritt mit einigen Mägden auf, die Streitenden fahren auseinander. Ziack steigt vom Baume nieder.
LIBUSSA.
Ha, Feinde! weh mir, Schlimmres muß ich sehn!
Der junge Sieg, kaum unserm Schwert entsprungen,
Muß innerm bösen Streit entgegengehn!
Entweihst du so, o Wrschowetz, das Schwert,
Das du, mich wählend, gestern kühn geschwungen?
Wird so, o Domaslaus, dein Beil entehrt,
Das mir zur Ehre gestern du erhoben?
Ist leer der Stuhl des Chech, daß jene Waffen,
Die gestern feste Treue mir geloben,
Sich heute eigenmächtig Recht verschaffen?
Mein Schreiber Ziack, du ehrest das Gesetz,
Sprich, wie brach hier der Streit der Männer aus?
ZIACK.
Du buhlst um eine Kuh, sprach Wrschowetz;
Du buhlst um eine Gans, sprach Domaslaus.
LIBUSSA.
Mit dieser Kuh, sprich Wrsch, was meintest du?
WRSCHOWETZ.
Beim Peron, andres nicht als eine Kuh,
Des Stieres milchreich Weib, das fromme Wesen,
Am Haupt der Gabel gleich, am Schweif dem Besen!
DOMASLAUS.
Er lügt, ich suchte dich, o freche Stirne!
LIBUSSA.
Was meintest, Domaslaus, du mit der Gans?
[617]
DOMASLAUS.
Beim Peron, keine Gans, nein, eine Dirne,
Des Menschen Weib, die ins Gesicht des Manns
Liebkost und hinterm Rücken grimmig haßt.
WRSCHOWETZ.
Ich suchte dich, er lügt, der freche Gast!

Wlasta, Stratka, Scharka und die Mägdlein kommen zurück, sie führen Moribud gebunden.
WLASTA.
Sieg! Sieg! durch Stratkas Hand gebunden,
Sieh hier den Sohn des Königs der Avaren,
Den Moribud.
STRATKA.
Durch Wlasta überwunden,
Sind ihm gesunken seine stolzen Scharen.
LIBUSSA.
Euch werde hoher Lohn vor aller Welt!
Dir, Stratka, schenk ich den Gefangnen hier,
Erschlage ihn, mach ihn zum Sklaven dir,
Laß frei ihn gegen reiches Lösegeld;
Mit kühner Tat getilgt ist deine Schuld,
Den preis ich selig, der in deiner Huld.
STRATKA
zu Wrschowetz.
Dich preist Libussa, nimm den Königssohn,
Den ersten Mann, den ich gefangen habe.
WRSCHOWETZ.
Nicht hütet mich ihr Lob vor seinem Hohn;
Nähm ich von einer Dirne solche Gabe,
Er dächte, selbst läg ich in ihren Banden;
Gebrauch ich einen, fange ich mir einen.
STRATKA.
Nimm ihn von mir, es ist zum Tausch verstanden,
Den ersten, den du fängst, mach du zum meinen.
WRSCHOWETZ.
Ein jeder sei des eignen Sklaven Wächter,
Ich nehm ihn nicht von dir, und geb dir keinen.
Für Königssöhne nähmst du Königstöchter,
Nicht zahl ich einer Magd so hohen Preis.
STRATKA.
Halt ein, o Wrschowetz, Libussa weiß –
WRSCHOWETZ
einfallend.
Daß herrlich sie, das weiß sie nicht von dir.
STRATKA.
Weh mir, daß du mich liebest, sagt ich ihr!
WRSCHOWETZ.
Verfluchte Zunge, die sie so belog,
Unselger Mund, der, Stratka, dich betrog,
[618] Armselig Herz, das jedem Kusse glaubt,
Den um die Herrin man der Magd geraubt.
So werf vom Harnisch ich das bunte Fell
Des trügerischen Liebesgotts, des Lel,
Für einen Krieger ist er kein Gesell;
Fahr wohl, o Stratka, und verstehe Scherz!
STRATKA.
Weh mir! weh mir! der Zorn bricht mir das Herz!
MORIBUD.
Lös meine Bande, Magd, den Lügenheld
Erschlag ich dir, er sei mein Lösegeld!
LIBUSSA.
Schweig, Sklave, denke deiner eignen Schmach!
STRATKA.
So groß ist fremde, ohn sich zu vermessen,
Durft er vor ihr die eigne Schmach vergessen.
LIBUSSA.
Gedenke, Stratka, wie ich zu dir sprach:
Dich wird des Buhlers frecher Undank zwingen,
Die Zunge, die ihm diente, zu verschlingen!
Wer Königssöhne fängt, verzweifle nicht,
So ihm gemeines Wild das Netz durchbricht.
WRSCHOWETZ.
Du höhnst zu hart mich, der die Magd betrog,
Denn jeder Adler, der zur Sonne flog,
Wählt erst die Zeder sich zum hohen Sitze,
Eh er den Flug zur Sonne wagt zu richten;
Von dort, gewöhnt an Strahlen und an Blitze,
Mag kühner er zum Licht die Flügel lichten.
Sich so nicht nähernd erst mit listgem Witze,
Dürft leicht des Lichtes Fülle ihn vernichten.
Nur um die Sonne diente ich dem Strahl,
Ich schwang mein Schwert, und brach die träge Wahl.
DOMASLAUS
auffahrend.
Nicht du allein, ich brach mit diesem Beil
Der Wähler Zweifel zu Libussens Heil!
WLASTA.
Rast ihr, ihr wollt wohl gar mit Schwert und Beilen
Euch hier in unsre hohe Fürstin teilen?
LIBUSSA.
Nie dank ich euch, ich hab es nie begehrt,
Ein Reich, das ihr mir gabt, ist nichts mir wert.
WRSCHOWETZ
zieht das Schwert.
Sei nochmals Zunge mir, heraus, mein Schwert,
Daß ich Libussen liebe, sage laut!
[619]
DOMASLAUS
hebt sein Beil.
Dies Beil dir deine Vorhand niederhaut.

Sie dringen gegeneinander.
STRATKA.
Erschlage ihn, denn ich war seine Braut!
LIBUSSA
tritt zwischen sie.
Recht, Frevler, so gering war euch mein Wert,
Daß ihr aus niedrer Selbstsucht mich erwählt.
O schlechte Liebe, die erst mein begehrt,
Sieht mit dem Stab des Chech sie mich vermählt.
Doch schlecht ist schlechte List euch hier geglückt,
Ihr habt mich der Begierde selbst entrückt.
Mich lieben durftet ihr; vor manchem Weib
Hat Lado herrlich mir geschmückt den Leib.
Doch nicht nach meinem Kranz, nein, nach der Krone
Streckt ruhestörend ihr die freche Hand.
Eh ihr gedient, wollt herrschen ihr im Land,
Deß klage ich euch an vor meinem Throne!
Welch Zeichen führst du, Wrschowetz, im Schild?
WRSCHOWETZ.
Die Säge, Fürstin, Krokus gab dies Bild
Dem alten Wrsch, weil er ohn Widerstand
Kroks heilge Eiche ungefällt verließ,
Als er ihm, was er nicht gewußt, verwies.
LIBUSSA.
Wie kömmt ins Schild dir, Domaslaus, das Beil?
DOMASLAUS.
Mein Vater nahm an jenem Holzschlag teil.
LIBUSSA
feierlich.
Wen du berührst, Geschick, der muß verderben,
Die Sünde sah von Kind zu Kind ich erben,
Die Väter legten Hand an Krokus' Eiche,
Die Söhne legen Hand an ihre Zweige –
Und ineinander leg ich eure Hände;
Auf daß ich wie der milde Krok vollende,
Verzeih ich euch, vertraget euch in Güte!
Der finstre Tschart, der alle Flüche höret,
Die Bilder eurer Schilde euch behüte!
DOMASLAUS.
So höre, Fürstin! Domaslaus hier schwöret: –
LIBUSSA.
Nicht sprich den Eid aus bei so kleiner Sache;
Wer oft die Götter ruft, reizt ihre Rache.
[620] Der Männer Handschlag sei ein fest Gesetz,
Wer treulos ist, wird auch meineidig sein.
DOMASLAUS
reicht ihm die Rechte.
Um unsrer Väter Freundschaft, Wrschowetz!
WRSCHOWETZ.
Wir stehn in gleichem Weh, ich schlage ein.
LIBUSSA.
Nun zeige, Wrsch, um mich dich als ein Held,
Die Feinde, deren Vortrab Wlasta schlug,
Vernichte gänzlich auf dem böhmschen Feld.
Nun zeige, Domaslaus, daß nur dein Pflug
Um mich allein so vieles Gold erpflügt;
All deine Macht, der seinen beigefügt,
Vertilgt der Feinde Spur in diesem Land;
Zu Führern meines Heers seid ihr ernannt.
Versammelt eurer Knechte starke Scharen,
Und ziehet morgen schon gen die Avaren.
Seid reich und stark zum Schutze meines Throns,
Tilgt eurer Schilde Schuld in Feindes Blut,
Siegreich gewärtiget euch hohen Lohns,
Ein kühner Arm erringet hohes Gut!

Sie beugen sich vor ihr.
STRATKA.
Vergönne nun das Wort, Libussa, mir!
Ich löse, Moribud, die Fesseln dir;
Zieh hin zu deinem Vater, sprich: Die Magd,
Die einen Mann geliebet, warf mich nieder,
Die Magd, die keinen liebt, befreit mich wieder,
Und aus dem Lande unterm Thron der Magd
Zieht nun der Magd Verräter, dich zu treiben!
Doch mußt du noch der Magd verpflichtet bleiben,
Bis du den Wrsch erschlagen in dem Feld;
Denn seine Zunge ist dein Lösegeld.

Sie löst Moribuds Fesseln.
LIBUSSA.
Genug, zieh, Moribud, befiehl den Deinen,
Den böhmschen Grund und Boden zu verlassen,
Sonst wird das Schwert der Jungfrau sie erfassen;
Und stünden dicht sie, wie in diesen Hainen
An Zahl und Kraft die Stämme sind gescharet,
Soll Domaslaus, der seines Beiles Schläge
Mit Wrschowetzens scharfgezahnter Säge
[621] Zu meines Willens Diensten nun gepaaret,
Sie lichten, daß die Geister der Avaren
Wie Rabenschwärme zu dem Abgrund fahren!
MORIBUD.
Zu gut gehalten deiner Drohung Wert,
Sag, hohe Jungfrau, was du Böhmen nennst?
LIBUSSA.
So weit als Rauch von einem böhmschen Herd
Zum Himmel steigt und in der Sonne glänzt,
So weit als mein jungfräulich Ehrenschwert
Dem Feinde Trutz, dem Freunde Schutz gebietet,
So weit und weiter ist dies Land begrenzt.
Böheim nenn ich der milden Täler Schoß,
Von goldgeherzter Berge Kranz umfriedet,
So weit die Chechen nach der Götter Los
Mit Pflug und Herde wandernd ihn durchzogen,
So weit sie fortan ihn durchziehen mögen;
Ich nenne Böheim, wo auf Ährenwogen
Im goldnen Scheffel schwimmt der Siwa Segen,
Der europäischen Jungfrau Brustgeschmeid,
Das Schmuckkästlein zu ihrem Ehrenkleid,
Voll Perlen, Edelsteinen und Granaten,
Den reichen Schatz voll aller Götter Gnaden,
Hier vor dem Thron Libussens aufgestellt,
Der Schmuck, das Kleinod, ja das Herz der Welt.
MORIBUD.
Da dieses Herz an dich verloren ging,
Schäm ich mich nicht, daß mich ein Mädchen fing,
Nenn' Böheim, wo die herrlichen Jungfrauen
Auf falsche lügenhafte Männer schauen,
Wo Fremden, die die Jungfrau konnt besiegen,
Die Männer endlich werden unterliegen.
Libussa, voller Mond, gleich den Gestirnen
Umglänzen dich die auserwählten Dirnen,
Wer möchte unter solchem Himmelsschein,
Gediehen Männer hier, ein Mann nicht sein!
LIBUSSA.
Schweig, Übermut, denn Böheim heißt das Land,
Soweit dich schlagend trifft der Böhmen Hand.
MORIBUD.
Leb wohl, Libussa; Stratka, ich bin dein,
Bis daß dein Lösegeld gezahlt wird sein;
Lebt wohl, ihr Männer, bis auf Wiedersehen!
[622]
DOMASLAUS.
Auf Niederschlagen!
WRSCHOWETZ.
Und auf Niedermähen!
MORIBUD.
Schon' deine Zunge mir, mein Lösegeld,
Du falsche Ader in dem Herz der Welt!

Ab.
WRSCHOWETZ.
Mich treffe deines Hohnes ganze Schärfe,
Bis ich der Magd dein Haupt zu Füßen werfe.

Mit Domaslaus ab.
LIBUSSA.
Ich atme frei, wie lohn ich deinen Mut?
Wlasta, mein treues Schild, komm an dies Herz.

Sie umarmt Wlasta, ihr Schleier wird blutig.

Gieb, Stratka, mir zur Hälfte deinen Schmerz.

Sie umarmt Stratka; als sie Scharka umarmen will, ruft Ziack aus.
ZIACK.
Libussa, weh! dein Schleier ist voll Blut!
LIBUSSA.
Wer ist verwundet, und verhehlt es mir?
WLASTA.
Es ist mein treues Blut, ich schenk es dir;
Den zweiten Pfeil, der dir gegolten, fing
Mein Arm hier auf, es hat der goldne Ring
Mir schwach die neue Wunde nur geschlossen,
Die, dich umarmend, freudig sich ergossen!
LIBUSSA.
Dich zu verbinden, muß den Ring ich nehmen.

Sie nimmt Wlastas Armring von der Wunde, und steckt ihn sich an den eignen Arm, zerreißt dann ihren Schleier, und verbindet sie.
WLASTA.
Wär diese Wunde groß wie deine Huld,
Sie wär ein Tor, die Seele auszuströmen,
Die mir zur Riesin wächst an Dank und Schuld.
LIBUSSA
zieht nun ihren eigenen und Wlastas Ring vom Arm, vertauschet beide, ohne daß Wlasta es bemerkt, und schiebt Wlasta ihren eigenen, nämlich Libussens Ring, über den Verband; den Ring Wlastas aber wickelt sie in den mit Blut befleckten Zipfel des Schleiers, den sie vorher abgerissen hat, als sie Wlasta verband.
Leg diesen Ring nie ab, er bringt dir Heil!
Ich hüll den meinen in den blutgen Teil
Des Schleiers, leg' ihn in die frische Quelle,
So kann die Wunde sich nicht bös entzünden.
Verlosch das Licht erst in der kühlen Welle,
Dann wirst du auch den Arm geheilet finden.
[623] Den Stein werf ich darauf. An dieser Stelle
Will eurer Tugend ich ein Denkmal gründen.
Dir, Wlasta, Stratka, Scharka, sei verliehn
Die Waldhöh hier, ihr Name sei Djewin.
Von hier geh böhmscher Mägdlein Ehre aus,
Hier bauet euch ein festes Waffenhaus.
Geh hin, mein Ziack, du sollst mir Blumen pflücken,
Ich will die Siegerinnen festlich schmücken.

Ziack bricht im Hintergrunde Kräuter.

Mit Streitgetös und gräßlichem Geheule
Zog vor euch her des Krieges Angstgebild,
Die Schlachtenriesin Jagababa wild
Trieb rasselnd vor euch her mit erzner Keule
Den Eisenmörser, ihren Siegeswagen,
In dem sie steht auf starken Knochenfüßen.
Wo sie erschien, da war der Feind geschlagen
Und mußte seinen tollen Frevel büßen.
Ein glühnder Besen, Wlasta, war dein Schwert,
Der ihre Bahn von Feinden rein gekehrt.
Füg einen Stein dem Ehrenmale zu.
WLASTA
legt einen großen Stein auf den Libussens.
Auf ihrem Ringe, meinem Blute, ruh!
LIBUSSA.
Gleich einer Löwin sprangest, Scharka, du,
Die Schilde reißend von der Feinde Brust,
Daß sie geworden unsrer Pfeile Lust;
Gieb deinen Stein!
SCHARKA.
Hier sei der Männer Grenze!

Wirft ihren Stein darauf.
LIBUSSA.
Stratka!
STRATKA.
Das Mal vollendet, daß ichs kränze.

Die ganze Schar wirft Steine darauf, bis sich eine Pyramide bildet.
LIBUSSA
zu Stratka.
Der Lieb, des Kampfs, des Siegs, der Rache Kranz,
Setz du ihm auf, du warst heut herrlich ganz!
STRATKA
mit steigendem Schmerz.
So weint um Herrlichkeit, mich hat erschlagen,
[624] Der mir der Liebste war, ein giftger Drache.
Der armen Lieb, dem armen Sieg zur Rache
Muß ich Elende dem Geschlecht entsagen.
Kein Weib mehr bin ich, jene war ein Weib,
Die schwach vertraute eines Mannes Schwur.
Versteine, Herz, verwilde, zarter Leib,
Zerrissen ist mein Band mit der Natur!
LIBUSSA.
Halt ein, o Jungfrau, reiz den Himmel nicht!
STRATKA
heftiger.
Verflucht sei jeder, dem ein Bart entspringt!
Der dir, der mir, der einer andern Magd
Mit Schmeichelreden böse Fesseln schlingt,
Und fleht, und drängt, und schlingt, und schwört, und klagt,
Bis er ihr löst den Gürtel ihrer Zucht,
Daß sie, gebunden mit [des] Schoßes Frucht
An seinen Herd, die Sklavin ekler Lust,
Des Elends Lasttier, seines Hofes Besen,
Dem Kind verzweifelnd flucht an müder Brust,
Die herrlich, frei und selig sonst gewesen.

Es hebt sich ein Sturm.
LIBUSSA.
Die Götter zürnen, Stratka, halte ein!
STRATKA
in höchster Leidenschaft.
O rase, Sturm, ich kenn dich, Angstgeselle!
Der gepeitscht des Blutes ruh'ge Welle,
Bis der Elende seinen Zweck erzielt;
Du bist es, der mit schwüler Angst mich drängte,
Daß ich mich an des Mannes Hals erhängte,
Du bist es, der mit den Erhängten spielt!
Den Männern Fluch! o rase, Sturm, und schwelle
Der Zeit die Segel, daß an dieser Stelle,
An diesem Steine das treulos bemannte
Weltschiff in rettungslose Trümmer strande.
Stürz in die Flügel, Sturm, den bösen Drachen,
Und treib sie in der Rache offnen Rachen;
Fluch ihnen, rase, Sturm, ich rase nicht –
Es wächst die Zeit, die unsre Fesseln bricht,
Die Zügel legt sie in der Frauen Hand,
[625] Die jetzt so schmählich in den Pflug gespannt!
Der schwarze Stein, der meinem Herzen gleicht,
Das fortan keine Träne mehr erweicht,
In dem die durstge Rache, hart und kalt,
Die dunklen Riesenfäuste zitternd ballt,
Er gebe meinem Fluch Gewicht, Gewalt!

Sie legt einen schwarzen Felsblock auf das Denkmal, es donnert in der Ferne, Ziack legt einen Haufen Kräuter zu Libussens Füßen.
LIBUSSA
mit frommem Ernste.
Weh dir! die Götter murren deinem Fluche!
O reißt, ihr Stürme, die im Haine rauschen,
Der Dirne Notwort aus dem finstern Buche
Der Unterirdschen, die den Flüchen lauschen!
Der Goldring, der hier ruht im blutgen Tuche,
Mög ihren Fluch mit gutem Segen tauschen.
Die Götter hüten, Stratka, deine Stärke,
Ich werde richten über deine Werke;
Wie du erziehst die Seele, wird sie bleiben
Dein Hausgenoß, du kannst sie nicht vertreiben.
Reicht mir den Meth, trink ab, unschuldger Mund,

Ziack, der ihr das Trinkhorn reichte, trinkt ab.

Seid uns versöhnt, ihr in der Tiefe Grund.

Sie trinkt, und gießt den Rest auf den Siegstein.
Die Mägdlein nehmen die Blumen, welche Ziack zu Libussens Füßen geworfen, und schmücken ihre Mützen und Helme mit ihnen.
LIBUSSA.
O haltet ein, was ist dies, Unglücksknabe?
Weh mir! daß ich dir anbefohlen habe,
Die Sträußer zu der Mägde Schmuck zu brechen!
Hinweg mit ihnen, wißt ihr, was sie sprechen?
Dies hier ist Frauenkrieg, dies Mägdekrieg,
Dies Weiberkrieg!
WLASTA.
Es wollen unsern Sieg
Die Götter durch dies Zeichen anerkennen,
Gönn uns den Schmuck!
LIBUSSA.
Ich seh den Ginster brennen;
Es ist, als trügt ihr Flammen in dem Haar.
STRATKA.
Du bist der Stern, wir die Kometenrute.
[626]
SCHARKA.
Erleucht' die Nacht, wir geißlen die Gefahr,
Es sprosset dieser Strauß aus unsrem Mute.
LIBUSSA.
Nicht zwing ich dich, du freudig kühne Schar!
Doch wißt, ihr tragt die Rache auf dem Hute.
Ihr dürstet, mäßigt euch, trinkt nicht so schnell,
Es schwimmt ein Schlangenei im kühlen Quell;
Es wächst in euch, und würgend von euch ringet
Sich einst das Tier, das ihr jetzt leicht verschlinget,
Und stellt sich gegen euch, und zischt euch an,
Und tötet euch einst selbst mit giftgem Zahn!
O hütet euch, die Unterirdschen lauschen,
Den neugebornen Sieg euch zu vertauschen
Mit einem Wechselbalg; den Übermut
Säugt ihr an eurer Brust mit giftgem Blut!
Das Kindlein, das aus unsern Augen blicket,
Es wächst empor, und schaut in unsre Augen,
So mild, so wild, als wir es ausgeschicket.
Soviel wir taugen, wird die Welt uns taugen.
Folgt mir, laßt uns die Blicke senken, denken
Auf unsre Bahn, die Götter werden lenken.

Sie geht mit den Dirnen ab.
WRSCHOWETZ
tritt auf.
Die Winde toben, und die Donner rollen,
Und ihrer bösen Flüche Wetterkeile,
Die mich der Weiberrache opfern sollen,
Umsausen noch mein Ohr wie glühnde Pfeile!
Zerbrechen muß der Siegstein dieser Tollen,
Der fluchgeweihte, daß zu meinem Heile
Der Fluch nicht Wurzel in dem Abgrund schlage
Und böse Früchte zu der Nachwelt trage.
Für alle Männer war ihr Fluch bestimmt,
Ich bin allein als Feind ihr nicht genug.
Welch Riesenweib ist gegen mich ergrimmt!
Den ungeheuren Stein, den leicht sie trug,
Erheb ich schwer!
DOMASLAUS.
Halt ein, ich helfe dir!
Was dich im Walde hielt, hielt mich auch hier;
Die Eiche fällten einig Säg und Beil.
[627]
WRSCHOWETZ.
Sie sprach: Die Sünde geht von Kind zu Kind –
Doch fiel die Eiche durch des Donnrers Keil,
Daß also wir der Schuld entnommen sind.
DOMASLAUS.
So sündhaft, als Libussa redet, legen
Wir nicht die Hände an den Zweig der Eiche;
Schon unsrer Väter Schild muß uns bewegen,
Vereinet diesem jungen Weiberreiche
In seinen bösen Früchten vorzugreifen,
Die jenen Winteräpfeln ich vergleiche,
Die, grün gebrochen, auf dem Strohe reifen.
Es wird das Reich, das spröd als Mägdlein lacht,
Wird es nicht mild als Weib zu Bett gebracht,
Als eine alte Jungfrau sauer keifen.
Die Männer sollen ewig dem lobsingen,
Dem es gelingt, Libussen zu erringen.
WRSCHOWETZ.
So gleichnisweise wärst du auf der Spur,
Wie Kronen man gleich sauren Äpfeln rafft.
Galläpfel aber bringt die Eiche nur,
Der Fliege Stachel nährt die herbe Kraft,
Libussa nährt der Dirnen Unnatur.
Mir wächst zum bittern Ernst die Leidenschaft;
Die wie ein junges Roß ich leicht getragen,
Fühl treibend ich mit Sporn und Geißel schlagen.
Dreifacher Sporn treibt mich nach diesem Weib,
Der Liebe Sporn nach ihrem stolzen Leib,
Der Ehre Sporn nach dieses Landes Krone,
Des Heiles Sporn, daß hier kein Weib mehr throne.
Wer sie erringt, der sei dem andern wert.

Reicht ihm die Hand.
DOMASLAUS
schlägt ein.
Wer sie erringt, den hat das Glück geehrt.
WRSCHOWETZ.
Daß Säg und Beil nicht voneinander weiche,
Laß, was der Väter dunkler Trieb versucht,
Uns sehend nun vollenden. Bei der Eiche
Ward ihnen, uns bei diesem Stein geflucht.
DOMASLAUS.
Weg mit dem Denkmal aus dem Weiberreiche!

Sie werfen die Steine auseinander.

Die Steine sind von ungeheurer Wucht,
[628] Wer glaubte, daß die Mägdlein sie gehoben;
Ein jeder wäre Last für einen Wagen.
WRSCHOWETZ.
Bestimmt, das Joch, den Mann, das Kind zu tragen,
Ist solche Kraft in ihnen nur zu loben.
Wer von uns soll Libussens Stein bewegen?
DOMASLAUS.
Laß uns vereint die Hände an ihn legen.

Sie erheben den Stein, lassen ihn fallen, und greifen zugleich nach dem Ringe in dem Tüchlein.

Nun sage, Wrschowetz, was soll dies sein?
WRSCHOWETZ.
Libussens Ring und Schleier, Wlastas Blut!
DOMASLAUS.
Ich frage, was dies ist, daß wir den Stein
Zugleich hinwarfen und mit gleicher Wut
Den Ring ergriffen, den so fest wir halten.
WRSCHOWETZ.
Ein Ringen ists, du willst ihn mir entreißen.
DOMASLAUS.
Eh ich ihn lasse, mußt du mich zerspalten.
WRSCHOWETZ.
Es schließt sich meine Faust wie Stahl und Eisen.
PRIMISLAUS
bewaffnet, mit einigen Knechten.
Wo treffe ich Libussens Feinde an?
Weh, welches Blut befleckt dies weiße Tuch?
WRSCHOWETZ.
Das Blut der Wlasta, die die Feinde schlug.
PRIMISLAUS.
Heil ihr und Ruhm! Und was habt ihr getan?
DOMASLAUS.
Den Fluch, den hier ein Mägdlein ausgesprochen
Gen alle Männer, haben wir zerbrochen.
WRSCHOWETZ.
Den Siegstein ihres Übermuts zerstört.
PRIMISLAUS.
Weh euch, wenn diese Tat Libussa hört!
Was fasset ihr an diesem Ring so fest?
DOMASLAUS.
Weil jeder ungern ihn sich nehmen läßt.
WRSCHOWETZ.
Wir wissen wohl, daß du ein Ringer bist,
Und hüten ihn vor deiner Finger List.
PRIMISLAUS.
Ihr spottet mein, der ehrlich euch begrüßet;
Damit ihr diesen Frevel hier nur büßet,
Biet ich um diesen Ring den Kampf euch an.
WRSCHOWETZ.
Die Sache sei in Frieden abgetan.
Ich sprech im Scherz, und wirklich wir ihn fassen,
Als wollten wir ihn uns nicht nehmen lassen.
[629]
PRIMISLAUS
legt die Hand an den Ring.
So leg ich friedlich an den Ring die Hand.
DOMASLAUS.
Laß ihn, o Wrschowetz, den Ring bewahren:
Dem sei von ihm der Ring einst zuerkannt,
Der siegreich kehret über die Avaren.
WRSCHOWETZ.
So halt in treuer Hut dies teure Pfand,
Und wisse, daß wir offen hier verfahren:
Es ist Libussens Ring; beim Siegesstein
Warf sie als Grundstein ihn zum Bach hinein,
Und über ihn sprach Stratka ihren Fluch.
PRIMISLAUS.
Was aber sollt im Quell dies blutge Tuch?
WRSCHOWETZ.
Der Wlasta Ehrenwunde sollt es heilen.
PRIMISLAUS.
Wohlan, ich weiß genug, nehmt meine Knechte
In euer Heer, und ziehet ohn Verweilen
Nach Kuchel hin, dort werdet im Gefechte
Ihr Slawosch mit dem wilden Rozhon finden.
Brecht ihren Streit, sucht sie euch zu verbinden;
So mehren die, die selbst sich Feinde waren,
Gen die Avaren eure kühnen Scharen.
WRSCHOWETZ.
So wollen wir, leb wohl, bewahr den Ring!

Beide ab.
PRIMISLAUS.
O! treu, als ob er an dem Himmel hing!
Selig die Stunde, die zum Ort mich führte,
Wo solch ein Kleinod mir ward anvertraut,
Selig der Arm, den dieser Ring berührte,
Selig ihr Pflug, der jetzt mein Feld mir baut,
Es werde dieser Goldreif seine Zierde;
Dann muß er sicher mir des Glückes Braut,
Der Güterfülle mäßiges Genügen,
Den irdschen Schatz aus meinem Acker pflügen;
Dies blutge Tüchlein leg ich in die Quelle,
Die durch den Garten meiner Hütte fließt,
Daß, ausgeströmet von der reinen Welle,
Sich heilend auch des Mägdleins Wunde schließt;
Denn Ruhe hat es nicht an dieser Stelle,
Wo durch verflucht Gestein der Bach sich gießt,
Und diesem Fluch will opfernd ich begegnen,
Nicht schaden Flüche mir, ich kann noch segnen.

Ab.
[630]
ZWRATKA
tritt, um sich schauend, auf.
Hier ist der Ort, ich maß zehntausend Schritte:
Acht mächtge Eichen um des Planes Rand,
Ein offner Hain, ein Quell in dessen Mitte,
Links eine labyrinthsche Felsenwand,
Durch die zum Tal in waldbewachsner Schlucht
Der Quell hinlenket seiner Wellen Flucht,
Rings stehet Besemkraut und Katzenspeer,
Auch Natterkopf, Hauhechel wächst umher.
Ich irre nicht, hier ists, wie Ziack mir sagte,
Wo Moribud das falsche Glück versagte;
He, Lapack, zähle recht, und eile dich!
LAPACK
tritt auf.
Zehntausend sinds, ich schlepptezählend mich
Hieher, die Ewigkeit der langen Zahl
Maß wohl mein lahmer Fuß zu seiner Qual;
Nun gieb mir auch den Wunderring zum Lohne,
Der mich in Ruhe setzt zum böhmschen Throne.
ZWRATKA.
Weh uns, die Blöcke sind umhergestreut,
Zerstöret ist der Mägde Siegesstein,
Hier mußte er, wie Ziack gesprochen, sein.
Beim Tschart, wir haben uns umsonst gefreut,
Gestohlen ist der Ring; Fluch! Fluch ihm Tschart!
LAPACK.
Unselig Weib, das ist so deine Art,
Nur Flüche deiner armen Kunst gelingen,
Die Schätze riechst du, und wenn sie versinken,
Willst du mit Flüchen gern zurück sie bringen,
Mich läßt du für die Langeweile hinken.
ZWRATKA.
Was schimpfst du mich, faß selbst dich bei den Ohren,
Nur prahlen kannst du, und mit Prahlerei
Hast du am Wahltag nur dein Recht verloren.
Ich leg das Ei, du gackst, und dein Geschrei
Ruft schnell den Dieb herzu, der es uns stiehlt.
Kann ich davor, daß Moribud schlecht zielt,
Die Pfeile hatt ich ihm in Gift gelegt,
Das in den Wunden wilde Brunst erregt.
Kroks Töchtern gab die Zauberäpfel ich,
Die an den Dienst des schwarzen Tscharts sie binden.
[631]
LAPACK.
Und alle deine Flüche treffen dich,
Die Pfeile wußten Wlastas Herz zu finden;
Es wütet nun dein Gift im eignen Blut.
ZWRATKA.
Elender Mann, ist sie nicht deine Brut?
O daß ich je mit dir mein Bett geteilt!
Du brachtest in ihr Blut des Krokus' Art,
Sonst wäre bei der Mutter sie verweilt,
Dir fluche ich in deinen roten Bart:
Du hast sie in der Fürstin Dienst gehetzt;
Den klugen Ziack ich auch durch dich verlor.
LAPACK.
Wie toll das hier im Zorne mich umschwätzt!
Ja, deinen armen Künsten beugt ich vor:
Du hättest ihn mit Hexenzwirn umsponnen,
Nun hast du einen Kundschafter gewonnen,
Er trägt dir zu, du darfst um ihn nicht sorgen,
Du lehrtest ihn an allen Wänden horchen.
Doch was der Zauberäpfel Kraft verspricht,
Das dient dir schlecht, denn nimmt der schlaue Tschart
Die schönen Töchter Kroks sich erst in Pflicht,
Dann hüte du dein Recht; er hat des Kuckucks Art,
Und brütet gern in einem fremden Nest;
Gieb acht auf deinen Freund, und halt ihn fest!
ZWRATKA.
Fluch dir! Fluch dir! Was schwätzest du von Pflicht,
Was meinst du, kahler Prahler, mit dem Nest,
Was sprichst vom Kuckuck du? Ins Angesicht
Sag deinen Frevel mir, du giftge Pest!
LAPACK.
Still, still, mein Weib, es rauscht hier in dem Laube.
ZWRATKA.
In deine Zunge dir die kalte Gicht!
Sag her, sag her, ich stehe dir hier fest.
Zerreiß mich, Geier!
LAPACK.
Schweige, meine Taube;
Sieh, Wlasta naht.
ZWRATKA.
Nein, sprich, beim schwarzen Tschart,
Ich raufe dich, ich will, ich muß es hören!
LAPACK.
Halt, weise Frau! O schone meinen Bart,
Laß unsren Streit nicht ihre Achtung stören.
Drei Nächte seien dein zur Maienfahrt!
ZWRATKA.
Die kannst du, Hinkender, mir doch nicht wehren.
[632]
LAPACK.
Ein Pferdefuß ist freilich schönrer Art;
Mehr als den Augapfel liebst du die Hufe,
Denn dieser mußte vor dem Pferdezeichen
Aus deinem linken Aug ins rechte weichen,
Worin du zweie wälzest im Berufe.
ZWRATKA.
Ich lobte wahrlich jedes Hufs Natur,
Fänd ich auf deiner Stirne seine Spur!
WLASTA
tritt erstaunend auf.
Was muß ich sehn, weh! das ist unerhört!
Wer hat der Mägdlein Siegesstein zerstört,
Wo ist Libussens Ring, wo ist mein Blut,
Die unter Steinen hier im Quell geruht?
ZWRATKA.
Wir gingen selbst hieher, den Ring zu suchen,
Und können nichts hier als dem Diebe fluchen.
WLASTA.
Dies Mal zerstörte nur der Männer Spott,
Es strafe sie dafür der finstre Gott!
ZWRATKA.
Weh um den Ring, an ihm hängt hohes Los,
Wer ihn besitzt, der wird vor allen groß,
Und weh Libussen, die ihn so verlor!
WLASTA.
Der ihn besitzt, er steige nie empor,
Fluch allen, die den Siegstein frech zerschlagen,
Ich eile, vor Gericht darum zu klagen.
Ich habe schon die Männer rings gerufen,
Sie sammeln heut sich an des Thrones Stufen;
Zu Primislaus allein wollt ich noch gehen,
Und traf ihn in dem Walde. Oft gesehen
Hart ich ihn früher schon, doch ganz verwirret
Hat mich sein Anblick heut; es brannte
Die Wunde mich am Arm, daß ich verirret
Hieher zu diesem bösen Schauspiel rannte!
Jetzt lasset mich, ich eile vor Gericht.
LAPACK.
Das lasse sein, mein Kind, es hilft uns nicht!
Denn findet sich auch, wer den Ring genommen,
Wird doch der Ring nur an Libussen kommen.
Zu unserm Heil ging ihr der Schatz verloren,
Wir suchen ihn, und du sollst sein genießen.
So herrlich als sie selbst bist du geboren,
Ja herrlicher, wie ich zur Wahl bewiesen.
[633]
WLASTA.
Was du gesprochen, Vater, bleibet mir,
Es fiel dein Wort in eine gute Erde,
Ich sinne, was ich bin, und was ich werde,
Und räche deiner Spötter Hohn an dir;
Doch sage, Mutter, wie ich glauben soll,
Daß jener Ring so hoher Kräfte voll!
ZWRATKA.
Niva, Libussens Mutter, war ein Wesen,
So unbegreiflich stark, so leicht und zart,
So kunstreich und geheimnisvoller Art,
Daß keiner je erfuhr, wer sie gewesen.
Mit Chech kam nicht ihr Stamm in dieses Land,
Und niemand war auch hier, der ihr verwandt.
Auf ihrer Herkunft ruhet Finsternis,
Doch daß ich sie gehaßt, weiß ich gewiß.
Als Krok mit ihr gelebt, stieg er empor,
Da hab ich seines Bruders Sohn genommen,
Den Vater Lapack. Ich kann nicht davor,
Daß wir im Glück gen Krok zurückgekommen.
Doch quälte mich, sie, die doch unsersgleichen,
An Glück und Habe nimmer zu erreichen.
Mit Niva saß ich einst im Mondenschein,
Und als wir so von unsrer Frucht gesprochen,
– Eh ihr geboren, war es zwanzig Wochen –
Da klagte ich ihr meines Herzens Pein
Und bin vor ihr in Tränen ausgebrochen,
Sie ward gerühret, und gestand mir ein:
Des Krokus' Glück hängt an dem goldnen Ring,
Den er von mir am Hochzeitstag empfing.
Nun ward mein Sehnen nach dem Ringe groß,
Ich klagte ihr des Mutterherzens Sucht,
Und mächtig rührtest du dich mir im Schoß.
Sie war besorgt um mich und meine Frucht,
Ich riß ihr flehend ein Versprechen los,
Das ich mit aller Liebe nur gesucht.
Sie sprach zu mir: Es nahen sich die Zeiten,
Daß ich auch solchen Ring dir kann bereiten,
Der alle tausend Jahre nur gelingt,
Das Werk ist wunderbar, und schwer bedingt.
[634] Ich trieb sie an, sie sammelte das Gold,
Das in dem tiefen Bett der Moldau rollt,
Sie schmolz, sie goß, ich mußt den Blasbalg treten;
So fertigte den Ring sie mit Gebeten;
Es ist derselbe, den am Arm du trägst,
Und wenn du ihn zu jenem Ringe legst,
Kann selbst ich nicht die Ringe unterscheiden,
Doch ist die Form nur ähnlich in den beiden.
Den glühnden Ring nahm sie mit heiler Hand,
Und sprach zu mir; Laß sehn, ob auch dies Pfand
Des ewgen Glückes dir mit Recht gebührt,
Sonst ist er nur ein Ring wie andre auch;
Ich griff nach ihm, und warf ihn, bös verbrannt,
Zur Erde fluchend hin; ein dichter Rauch
Umwölkte mich; da nahm sie meine Hand,
Und heilte sie mit einfachem Berühren,
Und sprach: Dir will kein solcher Ring gebühren,
Doch darf ich dir ihn wohl zur Zierde lassen.
Ich nahm den Ring, und ging, und mußt sie hassen.
WLASTA.
O, hätte früher ich den Ring gekannt!
Oft hielt ich ihn schon spielend in der Hand,
Libussen hätte ich im Schlaf belauscht,
Und leicht des Glückes Ring ihr abgetauscht.
Doch sagt, kennt nicht Libussa diesen Ring?
LAPACK.
Mein hohes Kind, ihr Kennen ist gering,
Sie liest nicht, schreibt nicht, wie sie selbst gestand,
Ihr goldner Frosch hat mehr als sie Verstand;
Verschlossen ist ihr die Vergangenheit,
Wie andre tappt sie dunkel in der Zeit.
Zukunft so viel, als wohl ein Gänsehirn
Vom Wetter merkt, liest sie aus dem Gestirn;
Die andern Tiere findens im Geruch,
Wenn sich die Katze leckt, dann kommt Besuch.
O Kunst des Federviehs! den Hals gestreckt,
Den leeren Gänseblick in blaue Ferne,
Sieht sie das Buch der Zukunft aufgedeckt,
Und hält die Sterne wohl für Haberkerne,
Bis mit Geräusch ein Hofhund sie erschreckt.
[635] Sie weiß kaum mehr, als mir zur Nacht die Sterne
Noch auch wohl sagen, wollt auf übermorgen
Ich gern für ungelegte Eier sorgen.
WLASTA.
Doch weissagt sie, und was sie weissagt, trifft.
Nicht mindert ihre Kunst des Neides Gift,
Ihr machet sie nicht kleiner, als sie ist.
ZWRATKA.
O Wlasta, willst du ewig blind denn sein?
Daß du nie größer werdest, als du bist,
Weil du es kannst, hat dich dies Weib allein
So ganz betört mit ihrer armen List,
Zu spät siehst du einst deine Torheit ein;
Denn in der andern Schwestern klugen Reihen
Ist sie die schwächste gar von allen dreien.
War jemals in dem Chor der weisen Frauen
Zur Maiennacht sie einmal nur zu schauen?
Laß ich sie mit dem Zauberfrosch gleich spielen,
Wird nie sie doch der Frösche Kron erzielen;
Den Stein des Raben, der unsichtbar macht,
Sie kennt ihn nicht; wie klein ist ihre Macht!
Nicht keilt sie in den Eichenpfahl die Pest,
Sucht nicht die Springwurz durch des Spechtes Nest,
Nicht kann sie Mörder, Lügner, Hehler, Dieb
Mit scharfem Blick erkennen durch das Sieb.
Was kann sie dann? Kann sie Verlornes finden,
Kann sie den Räuber durch ein Sprüchlein binden,
Ward jemals sie zum Trutze aller Geister
Des wunderbaren Farrensamens Meister,
Kann Feuer sie, kann Wasser sie besprechen,
Mit ihrer Faust den heißen Himmel brechen,
Und, Wolken führend an den Fingerspitzen,
Die durstge Erde laben mit dem Regen,
Kann sie, die Stirne faltend, donnern, blitzen
Und, ihre Locken schüttelnd, Sturm erregen,
Weiß in das Feld Korallen sie zu stecken,
Um es gen bösen Hagelschlag zu decken?
Weibliche Arbeit selbst ist ihr entfernt,
Was jedes Mägdlein von der Mutter lernt,
Von ihrer Schwester, von sich selbst begreift,
[636] Sie weiß nicht, wie man näht, wäscht, steift.
Ja, alle Frauenkünste sind ihr fremd,
Sie kennt die Kraft nicht von dem Jungfernhemd;
Nicht Nestelknüpfen, nicht Zerrißnes flicken,
Nicht zu beschreien mit allmächtgen Blicken,
Sie kann kein Flechtwerk, kann kein Haarnetz stricken.
Und welche Kocherei! kein Liebestrank,
Kein Schlaftrunk, und kein weckend Wecksüpplein;
Was sie erzeugt, das macht nicht dick, nicht schlank,
Nicht Kleines groß, und Großes auch nicht klein.
Sie mißt kein Kind, und kann kein Licht bereiten,
Daß der, für den es brennt, den Tod muß leiden.
Vermögen, und Empfangen, und Gebären
Kann sie befördern nicht und nicht verwehren,
Als schadlos, hülflos Mensch und Vieh sie kennt –
Und, alle Kunst verschmähend, liefst auch du
Dem Trosse dieser Übergläubgen zu,
Die deine Mutter abergläubig nennt.
WLASTA.
Wir wandten lange, wie wir wandlen sollen,
Bis wir gelernet, wie wir wandlen wollen.
Der blinde leichte Pfeil, der Winde Spiel,
Hat statt des Schützen Ziel sein eignes Ziel,
So hat mich, der Libussen galt, getroffen,
Und sie verband mich, ich will Heilung hoffen;
Doch dieser Ring, der, wo mein Blut geflossen,
Die tiefe Wunde engend mir geschlossen,
Er drückt mich nun, ich denk an seinesgleichen.
Den Ring, den Ring, wir müssen ihn erreichen!
Zu milde ist Libussa meinem Sinn,
Und lange wird der Frauen Reich nicht grünen;
Ich fühle, was ich sein kann, was ich bin,
Ich werde keinem Manne jemals dienen;
Doch diene ich auch keinem glatten Kinn.
Hier gelte nur das Regiment der Bienen:
Die übrig bleibt, die sei die Königin.
Lebt wohl, geht zum Gericht, laßt mich hier sinnen,
Wie hier der Mägde Burg ich soll beginnen.
ZWRATKA.
Zur Nacht mußt du den Siegstein wieder bauen,
[637] Daß keiner mag des Rings Verlust erschauen.
Ist er gefunden, Wlasta, wird er dir,
Der deine liege dann als Grundstein hier.
Ich weihe dir den Ort mit allen Segen,
Des Zaubers Schule will hieher ich legen,
Der dichte Hain und dort die Felsengrotte
Sind mir bequem und meinem starken Gotte.
Hier sei sein Tempel, und hier sei mein Haus,
Hier gehe Kraft, hier gehe Weisheit aus,
Hier wollen, so den Glücksring wir erst finden,
Die Menschen und die Götter wir uns binden.
LAPACK.
Geduld, mein Weib, denk, allzu scharf macht schartig!
ZWRATKA.
Fluch dir, höhnst du den Tschart, nennst du mich Tschartig?
Nennst du mich schartig? Zupf am eignen Bart dich!
LAPACK.
Es wäre Spott, mein Weib, denn Tschart behaart mich,
Sei artig, Tschartig, schartig, Tschart bewahrt dich.
Doch weil der Scharten und des Tschartes Art ich
Nun einmal hasse, so bleib mir zu Liebe
Bei deinem rußgen Kessel, deinem Siebe.
Folg zum Gericht, und schiele nach dem Diebe.
ZWRATKA.
Du Wortverspieler, wenn ein Wort doch bliebe,
Das er nicht schimpfend durch die Kehle triebe,
Das er nicht auf der Zunge Würfel setzte,
Das er verletzend gen den Gott nicht hetzte!
LAPACK.
Als Heckpfennig bleibt eins dir stets,
ZWRATKA.
Das letzte.

Beide ab.
WLASTA
allein.
Der Ring, der Ring, und immer nur der Ring!
Ich habe in der Sonne Glut geschauet,
Bis daß mein Aug in Tränen überging;
Wo Erde grünet, wo der Himmel blauet,
Folgt meinem Blick der Ring, den er empfing.
Ein Sonnenfleck wird Sonne dem, der trauet.
Du Ring des Glücks, werd ich dich an mich bringen,
Mußt mir den Mann, der mich errang, beringen.
Weh! Wlasta, dieses Herz von Kieselstein,
Aus dem nur Feindesschwerter Feuer hieben,
[638] Zu dem die Jagababa nur allein
Des Krieges ernste Pfeile sonst getrieben,
Zerschmolz vor einem Mann in süßer Glut,
Mein freies Aug sank vor des Ruh'gen Blick,
Der alle Ruh, seit er auf mir geruht,
In Angst verkehrt; o nimm aus meinem Blut,
Verbuhlter Lel, das Gift des Pfeils zurück!
Ich fühle wohl, der Pfeil, der mich getroffen,
Kam nur von dir, und ist kein Heil zu hoffen,
So beiß ich, ewgen Schmerz in meiner Brust,
Die Zähne ob geheimem Weh zusammen,
Und sterbe gern, wenn keiner nur gewußt,
Daß Wlasta lag in grimmen Liebesflammen.
Weh mir! ich blieb, hier, wo Verräterei
An Stratka ich gesehen, selbst nicht frei.
Hier, wo nicht sicher vor der Männer Hand
Der Siegsstein meines kühnen Magdtums stand.
O all die andern wünscht ich auszurotten,
So könnte keiner meiner Schwachheit spotten!
Entsetzlich ist mir bang, in meiner Brust
Kocht wilder Haß und ringet weiche Lust;
Vor meinen Augen schwebt der böse Ring.
Verfluchter Räuber! der den Ring empfing,
Der groß mich machen soll in diesem Land –
Und wär ich groß, ihn zöge diese Hand
Zu mir empor; ich hätte ihn erschaffen,
Ich zog zur Schlacht, er trüge mir die Waffen.
Mein, mein wär er! Ich hätt mich sein erbarmet,
Und wäre von dem Dankbaren umarmet.
Schweig, Wlasta, schweig! die Blätter alle lauschen,
Wie Wlasta, Stratka Lieb und Fluch hier tauschen;
Laß deinen Mut um deine Liebe rauschen,
Denn hier soll morgen eine Burg beginnen,
Wo Mägdlein fechten, bis die Männer spinnen.
Er wohnt nicht weit von hier, ich werd ihn sehn!
Durch Stratkas Haß und Wlastas Lieb entstehn
Soll hier der Männer Trutz, die Burg Djewin;
Ihr Eichen, wißt, was Wlasta hier wird blühn!

[639] Szene vor Libin


Libussens Schloß auf einem Felsenlager in einfacher Bauart, ein hohes Geschoß mit hohen Fenstern, in
der Mitte ein halbrunder Vorsprung mit offenen Bogentoren, aus denen Felsentreppen herablaufen und in der Ebene in einem viereckigen Torturme, auf dessen Zinnen man gehen kann, zusammentreffen. Zu beiden Seiten dieses Turmes bildet der Fels eine Terrasse mit mäßiger Höhe, auf welcher man rechts den Eingang zu Kroks Gruft und links Libussens Badegrotte sieht, von welcher ein Quell über die Felsen herabfließt. Der Vorgrund ist ein offener Eichenhain, der sich an den Seiten zum Schlosse hinanzieht.
Wrschowetz, Domaslaus, mit bewaffneten Knechten, und viele andere slavische Männer treten von verschiedenen Seiten ein, und begrüßen sich.
DOMASLAUS.
Eh noch Libussa zu Gericht wird schreiten,
Mehrt jetzt, ihr Männer, unsres Heeres Scharen,
Um, gut gerüstet, eilig die Avaren,
Die Feinde unsrer Grenzen, zu bestreiten,
Die, also frevelnd, drangen in dies Land,
Daß heut zum Raube sie die freche Hand
Nach unsrer hohen Fürstin ausgestreckt,
Doch furchtbar nicht, sie flohn vor ihren Frauen.

Murren und Lachen unter der Menge.
WRSCHOWETZ.
Gen sie, die ihre Dirnen schon erschreckt,
Will uns Libussa nun den Kampf vertrauen,
Den lieber ich nur einen Jagdzug heiße;
Drum schmückt die Mützen euch mit grünem Reise
Hier im Gebüsch. Hornruf zieh vor uns her,
Die Weiberflüchtgen stehn nicht unserm Speer.

Die Menge eilt unter dem Geschrei Hussach! ins Gebüsch, und kehrt nach und nach mit grünen Feldzeichen zurück.
WRSCHOWETZ.
Das Glück soll sich in unserm Mute sonnen,
Die Schlacht gewonnen, und das Heer gewonnen,
Sehn kühn wir unsrer Wünsche Braut entgegen.
DOMASLAUS.
Den Stolz der Krieger müssen wir erregen,
Daß Weiberherrschaft ihnen schimpflich sei.
[640] Drängt sie um einen Herzog ihr Geschrei,
Wen kann sie wählen aus der Schar als –
WRSCHOWETZ.
Einen
Von uns, mich oder dich, meinst du, sonst keinen!
Kömmt Rozhon heut mit Slawosch vor die Schranken,
Die wir zu Küchel sahn so heftig streiten,
Dann wird der Stuhl der Jungfrau heut schon wanken.
Ich kenne Rozhons Art seit langen Zeiten.
Spricht ihm Libussa hier zu Gunsten nicht,
So schmäht er ihr Geschlecht und ihr Gericht.
DOMASLAUS.
Vor Unbild sie zu schützen wird uns frommen.
WRSCHOWETZ.
Das Unsre tun wir: still, die Männer kommen!

Drzewoslaus, Lapack, Chirch, Slawosch, Druhan, Chobol, Stiason und andere treten auf, sie begrüßen sich mit Händedruck; es ertönt ein Hornruf von dem Schlosse, sie ordnen sich in einen Halbkreis.
STRATKA
von dem Turme.
Ihr! ordnet euch, hört ihr das Horn nicht klingen?
Libussa richtet euch, sie naht!
ERSTER SLAVE.
Ihr? Ihr?
Wer ist so schlechtweg Ihr?
STRATKA.
Ich bin nicht hier,
Mit Worten euch zu Ehren jetzt zu bringen.
ZWEITER SLAVE.
Doch so es Not, mach ich zuschanden dich!
WRSCHOWETZ.
O schonet sie, sie ist von heut im Schwunge,
Versucht in ihrem Siegsgefieder sich.
STRATKA.
Du sprichst, Verräter, mit versetzter Zunge.
DRITTER SLAVE.
Befiehl, o Herr! willst du die Dirne preis?
WRSCHOWETZ.
Preiswürdig ist sie nicht, trägt sie am Hut,
Gleich wie ein käuflich Pferd, das gelbe Reis;
Berauscht ist sie.
STRATKA.
O trink dir einen Mut.
Doch nie an Stratka wirst du ihn mehr kühlen.
Wie Ruten sollst du meinen Strauß einst fühlen,
Denn wisse, Weiberkrieg heißt dieses Kraut.
STIASON.
O schweige, andre Namen mach ich laut,
Hauhechel, Pflugsterz, Wetzstein, Katzenspeer.
Den schlechtsten sag ich nicht, doch schau hieher:
[641] Mannsschild, Mannsharnisch bricht auf meiner Mütze
Dem Katzenspeer des Weiberkriegs die Spitze.
Und hier mit Mannsbart, mit dem Teufelszwirne,
Dem Hexenstrange binde ich dich Dirne.

Er hält ihr seine Mütze entgegen, und zeigt ihr seinen Strauß.
STRATKA.
Den Bart trägst du, Unbärtiger, am Hut,
Der mit den Gänsen noch im Streite liegt.
DOMASLAUS.
So wächst er ihm, hat er dich erst besiegt,
Zum Trinken ist zu giftig jetzt dein Blut!
STRATKA.
Doch wäre Meth mein Blut, das Wrsch vergiftet,
Den Becher riss'st du neidend ihm vom Munde,
Und söffst den Tod, und Friede wär gestiftet.

Ab.
WRSCHOWETZ.
Wie frech wird doch ein Weib in einer Stunde!
Libussa richtet euch!
DRZEWOSLAUS.
Sie wollte sagen:
Wird über Recht und Unrecht Recht hier sprechen;
LAPACK.
Auch über sich, wenn wir sie hier verklagen;
STIASON.
Den Stab vor allen diesen Dirnen brechen;
LAPACK.
Die beißt sie nicht, da gilt das Recht der Krähen.
DRZEWOSLAUS.
Nicht frevelt jetzt, das Rechte muß geschehen.

Libussens Zug geht aus dem mittelsten Bogen des Schlosses die Treppen herab. Voran spielen Hornbläserinnen einen ernsten Marsch; ihnen folgen Jungfrauen mit Teppichen und Polstern, sodann Wlasta mit der gelben Fahne Chechs, ein
schwarzer Adler im roten Schilde, vor ihm ein großes kelchförmiges Becken; weiter Stratka und Scharka als Führerinnen der weiblichen Leibwache, in deren Mitte Libussa. Die Hornbläserinnen erscheinen auf dem Torturme, worauf Wlasta die Fahne steckt. Dieses öffnet sich nun; man sieht die Mägdlein beschäftigt, das Innere des Tores mit Teppichen zu behängen und mit den Polstern einen orientalischen Sitz zu bereiten. Die Wache tritt zu beiden Seiten die Stufen herab, und Libussa im herzoglichen Schmuck durch den hintern Teppich herein vor ihren Sitz. In diesem Augenblicke schweigen die Hörner auf dem Turme, und man hört in der Ferne den Schluß einer ähnlichen Musik, wie einen Widerhall.
LIBUSSA.
Begrüßet mich der Widerhall des Waldes?
Nochmals ertönt, ihr Hörner!

[642] Die Hornbläserinnen geben einen Akkord an, eine modulierte Erwiderung ertönt in der Nähe.

Diesseits schallt es.
Der Kascha Lied! Schau, flüchtge Scharka, eile!
Ihr guten Männer, gönnt mir eine Weile,
Daß ich sie zärtlich schließ an diese Brust;
Sie ists, sie ists, o teilet meine Lust.
ROZHON
mit bedecktem Haupte und fliegendem Haar, den Stock in der Hand, tritt von der andern Seite ungestüm vor Libussa.
Libussa, hieher schau, gieb mir mein Recht
Gen Slawosch, gen den Schleicher, und bezeige
An mir zuerst, daß würdig dein Geschlecht
Den Richtstuhl über Männer hier besteige.
LIBUSSA
befremdet.
Wer tritt ohn Gruß und Anred frech vor mich,
Wer bist du, wer dein Gegner, wer bin ich?
Noch nicht eröffnet ist hier das Gericht.
ROZHON.
So öffne es, und tue deine Pflicht,
Und gieb mir Recht: denn wisse, Colos Sohn,
Rozhon bin ich, befleckt mit grimmem Hohn,
Gewohnet bin ich nicht, Schmach zu ertragen,
Ins Antlitz hat ein Bube mich geschlagen;
Weißt du auch wohl, was eine Schande ist?
LIBUSSA.
Ich weiß es, seh es, weil du schändlich bist:
Libussa, Krokus' Tochter, Fürstin bin ich,
Es trifft mich nicht dein niedriges Betragen,
Ich schone dein, du zeigest dich unsinnig.
Warum man dich ins Angesicht geschlagen,
Das werd ich hören, weich', bis wir dich rufen,
Daß Recht dir werde vor des Thrones Stufen.
Hinweg mit ihm, trennt von des Zornes Bilde,
Ihr Jungfraun, mich!

Die Mägdlein bilden einen Kreis vor dem Throne.
ROZHON.
O widerliche Milde,
O eingelernte Kälte!

Wrschowetz und Domaslaus ziehen ihn zurück.
DOMASLAUS.
Bist du toll?
[643]
ROZHON.
Ein Mann bin ich, und weiß wohl, was ich will!
WRSCHOWETZ.
O schweige, halt dich ruhig jetzt.
VOLK.
Still! still!
Hinweg mit ihm, er ist des Methes voll.

Wrsch und Domaslaus drängen ihn zurück, und suchen leise ihn zu beschwichtigen; indes tritt Kascha unter dem Vortritt von Flötenspielerinnen auf. Jungfrauen folgen ihr, die Hörner Libussas begrüßen sie und konzertieren mit den Flöten, die Schwestern umarmen sich. Libussa setzt Kascha zu ihrer Linken auf den Thron. Die Mägdlein ordnen sich, die Musik schweigt, und die Wache öffnet den Zutritt des Thrones.
DRZEWOSLAUS.
Glück wünschen diese Männer dir durch mich,
Daß du entkamst der List des Hinterhalts,
Doch alle bitten wir vereinet dich:
Vertrau nicht mehr dem Labyrinth des Walds
So kühn das Kleinod dieses Landes an;
Erwähl aus edlen Männern dir zur Seite
Die Wache nun. Es führe ihr Geleite
Dein Heil auf unwirtbarer Reise Bahn.
LIBUSSA.
Ich danke eurem Wunsch und Anerbieten,
Es wollen nicht die Götter mein Verderben,
Seid treu und einig, haltet meinen Frieden,
So kann ich festre Wache nie erwerben.
Doch nähm ich Männerwache, mir, dem Weib,
Unziemlich wär es, ja selbst undankbar,
Weil heute meinem jungfräulichen Leib
Der Jungfraun Mut ein starker Gürtel war.
Und diesen Gürtel ziere Gold der Ehre:
Euch Mägdlein dank ich Freiheit, Ehre, Leben,
Und ich will eurem Leben Freiheit geben,
Und eurer Freiheit Ehre, daß sich mehre
Die Freiheit euch, die Ehre und das Leben.
Du Wlasta, die den Pfeil statt mir empfing,
Des Schleiers Hälfte, der dir heut verbunden
Die Wunde unter deines Armes Ring,
Sei dir als Ehrenschärpe umgewunden.
Sie schmücke dich, die stets mir teuer war,
Als Führerin der freien kühnen Schar!
[644]
WLASTA
tritt, wankend und verlegen, vor sie, und empfängt den Schleier.
Libussa, Herrin, denke, weil ich wanke,
O denke nicht, daß ich gerührt nicht danke.
LIBUSSA.
Daß du verlegen, daß du eine Kranke,
Ist, arme Wlasta, jetzt noch mein Gedanke.
Dir, Stratka, die den stärksten Feind gefangen,
Heft ich den Mantel als der Mägdlein Fahne
An deinen Speer, laß stets ihn siegreich prangen,
Daß sich zu höh'rem Ruhm der Weg uns bahne;
Die einen Mann in Fesseln hat geschlagen,
Wird gen den Sturm selbst stark den Mantel tragen.
STRATKA
indem Libussa ihr den Mantel an den Speer heftet.
Häng jemals ich den Mantel nach dem Winde,
Dann, Fähnlein, meine Schmach mir überwinde.
LIBUSSA.
Du, Scharka, die dem Feind mit wildem Mute
Die Schilde von der feigen Brust gerissen,
Trag diesen Ehrenhandschuh an dem Hute:
Daß alle Mägdlein deine Kühnheit wissen,
Soll jede, die der Ehre Schar will mehren,
Die Hand gelegt auf diesen Handschuh, schwören.
SCHARKA
da ihr Libussa den Handschuh auf den Hut heftet.
Wird falsch dein Glück, so werf ich, daß es büße,
Ausfordernd ihm den Handschuh vor die Füße.
LIBUSSA.
Ihr Dirnen stehet all in meinem Sold,
Von allem Eisen nehmt den zehnten Teil,
Den zwanzigsten von Silber und von Gold
Zu Gürtel, Spange, Ring, Speer, Schwert und Beil;
Die Rosse wählt und nehmet, wo ihr wollt,
Wer sie auch hat, ich mache sie euch feil.
Vor euch nur schmettre der Trompeten Schall,
Der Kraft gehört das Roß und das Metall.

Sie nimmt vier silberne Trompeten aus einem Tuche, und giebt sie Scharka, die sie den Hornbläserinnen auf dem Turme reicht.

In allen Forsten steht die Jagd euch frei.
Euch richten die drei Führerinnen nur,
Entscheidend trete dem Gericht ich bei;
Doch regt in euch sich also die Natur,
[645] Daß Jungfernstand euch nicht mehr schicklich sei,
So werbt im Wald, im Feld und auf der Flur
Die Männer euch in offner Freierei;
Jed andres Mägdlein weiche eurer Spur.
Folgt ihr dem Mann in edle Sklaverei,
So lös ich, euch beschenkend, euren Schwur,
Den Thron, den Leib, die Ehre mir zu schützen;
Gebärend und erhaltend, mögt ihr nützen.

Trompetenschall vom Turme, Stratka schwenkt die Fahne, die Mägdlein nehmen eine kriegerische Stellung an, und rufen.
DIE DIRNEN.
Heihussa, heihussa, die freie Wache der Libussa!
LIBUSSA.
Wer nun zu klagen hat, ihr Männer, klage,
Doch Rozhon eher nicht, als ich ihn frage.
ERSTER SLAVE.
Am Fluß hab ich den Garten mir erlesen,
Ich schützt und schirmte ihn mit Zaun und Rain,
Doch trüglich ist der Fluß mein Freund gewesen,
Er reißet feindlich meine Brustwehr ein
Und wälzet mir mit ungestümem Wesen
Die wilde Woge in die Saat hinein;
Libussa, sag dem übermütgen Fluß,
Daß er zu seinem Bette kehren muß.
LIBUSSA.
Dein Garten, Landmann, ist mir wohl bekannt,
Weislich hast deinen Feind du nicht genannt,
Nur bändgen willst du ihn und nicht beleidgen;
Wer unter euch will nun den Fluß verteidgen?

Alle schweigen; man erblickt eine Verlegenheit an Domaslaus.

Dich fesselt, Fluß, mein Spruch mit einem Damme,
Den nimmermehr dein Übermut verletze;
Dich, der den Armen drängte, ich verdamme;
Mit Fischen siebenfach du ihm ersetze
Die Saat, die du zerstört mit deinem Schlamme,
Ein Feldverständiger den Schaden schätze;
Den Armen drücken ist des Reichen Schande,
Und dieses werde kundgetan im Lande.
ZWEITER SLAVE.
Bei dir, Kroks weise Tochter, such ich Rat;
Ich frage: Wem gehört die Frucht der Saat,
Dem Sämann, der die Körner mühsam sät,
Dem Sturmwind, der mutwillig sie verweht?
[646]
LIBUSSA.
Den Sämann lohnt nur Siwa mit den Ähren.
ZWEITER SLAVE.
So wolle, Fürstin, mir den Sturm beschwören,
Daß er austobe auf dem eignen Pfade
Und ferner nicht dem frommen Sämann schade.
LIBUSSA.
Wer will, ihr Männer, hier den Sturm vertreten?

Allgemeine Stille. Wrschowetz scheint betroffen.

Ihr schweiget rings, so muß Libussa reden:
Wenn alle Enkel Stribogs auch vom Hügel
Zur Hülfe dir herstürmten mit Gebraus,
Fall ich dir doch, o Sturm, in deine Zügel
Und pfände dich um deinen Mantel aus,
Reiß nieder dich aus deines Rosses Bügel,
Und führ es dem Beschädigten ins Haus.
Im Feld der Ehre, nicht im Ährenfeld
Tummle dein Roß, und zeige dich als Held,
Im Drachenhaus, im Sumpfhaus an Gewürmen,
Nicht an des Segens Halmen werd zum Ritter;
Die mitternächtgen Wolken, die sich türmen,
Die dunkle Wagenburg der Ungewitter,
Sollst du durchbrechen, sollst du niederstürmen,
Ich mache sonst die Lanze dir zum Splitter.
Daß so Libussa Sturmesflügel band,
Das werde kundgemacht in diesem Land!
CHIRCH.
Schenk einen Pflug mir, Fürstin weis und klug.
LIBUSSA.
Fehlt dir der Pflug? wer raubte dir den Pflug?
CHIRCH.
Es ruht ein schwerer Fluch auf meinem Pflug,
Und segenlos furcht er in meinem Lande;
Mein Vater Mann mein Söhnlein mir erschlug,
Als er vor Jahren wild im Zorn entbrannte,
Und Krok befahl, als ich drum Klage trug,
Daß ich zum Stiere in den Pflug ihn spannte;
Er zog, bis des Erschlagnen Hügel grünte
Und sterbend er sich mit dem Enkel sühnte!
LIBUSSA.
O grimmer Fall! o Rache ungeheuer!
Elender Mann! kein Segen ruht auf dir,
Verzehr auf deines Vaters Grab im Feuer
Den bösen Pflug und den verfluchten Stier
Den Unterirdischen als Söhnungssteuer!
[647] Nimm neu den Stier, und neu den Pflug von mir,
Der alte dürfte dir mit scharfem Eisen
Das Feld nicht, nur das harte Herz zerreißen.
Doch weis nenn ich des Vater Krokus' Spruch,
Das Urteil mußte auch der Sohn mit tragen,
Denn wißt, es spricht der Rache heilges Buch:
Du Hand, die ihren Vater hat geschlagen,
Du Haupt, getroffen von des Vaters Fluch,
Sollst, warnend aus dem Grabe wachsend, ragen!
Es ist ein Recht der Ewigen gegründet,
Kein irdscher Richter hat es je ergründet.
Aus Tugend gehet auf ein ewges Leben,
Die Sünde trägt des ewgen Todes Blüte,
Dem Tode wird der Sünder nur gegeben,
Daß nicht der Tod erwachsend um uns wüte.
Den Tod nur töten, nur das Leben heben
Will des Gesetzes ewig strenge Güte.
Der weise Gott, am Thron des Lohns die Wache,
Wird an dem Haus der Rache schwarz ein Drache!
Wer ist der Mann, den Rozhon angeklaget?
Es werde dieser Streit nun abgetaget.
SLAWOSCH.
Ich will nicht klagend ins Gericht hier gehn,
Mir ziemet nur, ihm Rede hier zu stehn.
ROZHON
tritt heftig vor.
Er kkget nicht, er hütet sich zu klagen,
Der mir, mir Rozhon, ins Gesicht geschlagen.
LIBUSSA.
Wer rief dich, Rozhon, vor des Thrones Stufen?
ROZHON.
Was brauch ich Rufs? Der Zorn hat mich gerufen,
Der mir, wenn ich den Schmeichelhund erblicke,
Die schwarze Galle hebt, daß ich ersticke.
LIBUSSA.
Eh du erstickst, sag an, was ich verschuldet,
Was Kascha, was der Jungfraun Ehrenschar,
Die lang dein niedres Toben schon erduldet,
Was dieser edlen Greise Silberhaar,
Was dieser Friedensort, der Streit nicht duldet,
Was diese Männer, diese Frauen alle?
Die du besudeln willst mit deiner Galle.
ROZHON.
So schnür ich denn mein Herz, gleich einer Magd;
[648] Doch sei es, Jungfrau, dir vorausgesagt,
Löst nicht dein Urteil gut den Nestel mir,
Zerschmettre wie ein Wetter ich vor dir.
LIBUSSA.
Ich stehe in des Volks, der Götter Schutz,
Dem Rechte biet ich Recht, dem Unrecht Trutz.
ROZHON.
Verzeih, nicht fabelweis werd ich hier klagen,
Denn ausgefabelt hat, den man geschlagen.
Mein und des Slawoschs Feld trennt eine Eiche,
Sie wirft unfruchtbarn Schatten mir aufs Land,
Und wie ich ihr auch stutz die frechen Zweige,
Tut doch ihr geiler Wuchs mir Widerstand,
Und will ich mir den bösen Nachbar fällen,
Wehrt Slawosch mir mit Knechten und Gesellen.
Sein Knecht nahm heut dem meinigen das Beil:
Da ich es höre und zum Orte eil,
Bringt Slawosch selbst das Beil zurückgetragen,
Nicht Antwort steht er mir auf meine Klagen,
Schwätzt lang und breit von treuer Nachbarschaft
Und von des Baums geheimer Eigenschaft,
Und bietet für den Fleck mir andres Land,
Sein Vater schwätzte mit, der bei ihm stand.
Doch bin ich nicht die Jungfer, die gleich tanzt
Für jeden Geiger, der sich vor sie pflanzt.
Ich nahm mein Beil, ich mußt es ihm entringen,
Und da ich es nun von mir wollte schwingen,
Traf seines Vaters Haupt des Beiles Stiel,
Der, sich verstellend, an die Erde fiel.
Da schlug ins Angesicht der Bube mir,
Ich griff ihm in den Bart, so rauften wir;
Nun mischten sich, teilnehmend am Gefechte,
In unsern Streit herzugelaufne Knechte,
Uns trennten Wrschowetz und Domaslaus,
Wlasta erschien, und rief den Richttag aus,
Vor dem ich, Rozhon, klagend hier erschien;
Nun gebe mir mein Recht, und strafe ihn.
LIBUSSA.
Was kannst du, Slawosch, zur Verteidgung sagen?
SLAWOSCH.
Daß ich nur zur Verteidgung ihn geschlagen.
Traf ungern mit dem Beil den Vater er,
[649] Nur den wilden Eber mästen;
Und wenn auch die Stürme schweigen,
Will sich doch kein Vogel zeigen
Als nur finstre Rabenschwärme,
Die mit heiserem Gelärme
Um die Eiche kämpfend krächzen
Und gleich Leichenfeldern ächzen.
Aus der wildgeborstnen Rinde
Blickt ein Bild gleich einem Kinde;
In die Augen, die nicht schauen,
Wilde Bienenschwärme bauen,
Und es ist ihm nicht zu trauen,
Denn es hörten weise Frauen,
Die da nächtlich Kräuter suchen,
Bald es beten, bald es fluchen.
Baum voll Wunder, Baum voll Schrecken!
Wer darf sich gen dich erkecken?
Nistet doch in deinem Raume
Kikimora, der im Traume,
Als die Sonne blutig neigte,
Jüngst in ernstem Nachtgesichte
Schreckenvolle Weltgerichte
Mir und meinem Vater zeigte!
Ja, wir sahn von allen Seiten
Männer mit dem Stiere streiten,
Und der Stier stieß alle nieder,
Streckte dann die Riesenglieder
Auf das blutge Leichenfeld,
Starb im Schatten wie ein Held.
Auch sahn wir zur Eiche gehen
Stark ein Weib in Kindeswehen,
Und aus ihrem Schoß erstehen
Sahn wir einen blinden Jungen,
Einen Kelch in seiner Hand.
Hat er wild ein Lied gesungen,
Daß es rings ertönt' im Land.
Als er sich emporgerungen,
Einen Hammer hochgeschwungen,
[650] Sahn wir furchtbare Gesellen
Rings sich um den Blinden stellen,
Die vom Baume sich mit Krachen
Beil- und Hammerstiele brachen.
Und nun ging es an ein Schmieden.
Wie die Funken also sprühten,
Wie die Felder rings erglühten,
Zog das Kind gleich einem Riesen
Durch die aschenvollen Wiesen;
Wälder, ganz von Eisenspießen,
Sah ich, wo es zog, entsprießen.
Hinter ihm ein Heergewimmel,
Vor ihm her ein Schlachtgetümmel,
Über ihm ein Feuerhimmel,
Bis es an des Waldes Rand
Meinem Traumgesicht entschwand.
Und mir ward der Traum gedeutet,
Daß ein spät Geschick hier liege,
Daß hier liege späte Not,
Daß an diesem Baum bereitet
Einem Helden sei die Wiege,
Einem Helden sei der Tod!
LIBUSSA.
Den Kelch trägt auch der Adler in Chechs Fahne,
Geboren bin auch ich bei einer Eiche,
Doch solchen Pfad der Himmel mir nicht bahne,
Und solchen Hammer nie der Zorn mir reiche!
Zur Eintracht ich euch, starke Männer, mahne,
Daß keines Sohn dem Kind des Zornes gleiche!
Den Baum nehm ich als Gut des Throns zurück,
Denn an die Gipfel knüpft sich das Geschick.
Ich will den Stamm dir siebenfach vergüten;
Dein Vater unter ihm begraben liege:
Bis über ihm die Streiter einstens wüten,
Bewahre er des Helden Grab und Wiege.
Du, Slawosch, aber sollst die Eiche hüten,
Daß nie ein Frevler mehr den Baum bekriege;
Auf hundert Schritte rings herrsch heilger Frieden,
Der Geister Tummelplatz sei abgeschieden!
[651] So traf mein Faustschlag auch von ungefähr;
Verzeih ich ihm, hat er mich nicht beleidigt,
Verzeih er mir, daß ich mich nur verteidigt.
ROZHON.
Verzeihen, dir? ich dir? dem räudgen Hunde,
Eh schlüge ich euch beide tot zur Stunde.
LIBUSSA.
Sinnloser Mann, du mehrest deine Schuld,
Ich höre dich, er hört dich mit Geduld,
Du rasest, schmähest ihn, und schmähest mich,
Nun sag ich, schweig! sonst tret ich selbst gen dich.
Bei deiner Treue gen die Götter sage
Mir, Slawosch, was ist wahr in Rozhons Klage?
SLAWOSCH.
Den er gefährdet, heilig ist der Baum,
Mein Vater, Feld sich ebnend, ließ ihn stehen,
Aß, schlief und betete in seinem Raum,
Und will auch einst bei ihm zu Grabe gehen;
Denn aus der Eiche stieg zu ihm ein Traum,
Ein Weltgesicht, auch ich hab es gesehen,
Ja heilig, wundervoll ist diese Eiche,
Die Nachwelt lauscht und rauscht in ihrem Reiche.
Geschwätzig, da sie nachbarlich einst pflügen,
Erzählt mein Vater Rozhon sein Gesicht,
Und welche Früchte diese Zweige trügen;
Doch dieser frevelt, ehrt die Götter nicht,
Lacht meines Vaters, straft ihn schimpfend Lügen,
Der als ein Greis zu ihm ermahnend spricht,
Und er, auf daß er seine Bosheit zeige,
Treibt nächtlich einen Nagel in die Eiche.
Seit jener Untat ist der Streit entstanden.
LIBUSSA.
Rozhon, wirst du noch immer nicht zuschanden?
Triebst du den Nagel in des Slawoschs Eiche?
ROZHON.
Ich trieb den Nagel in des Niemands Eiche!
LIBUSSA
heftig.
Du triebst den Nagel in Libussens Eiche,
In Slawoschs Eiche, ja in Perons Eiche.
Nun sprich, warum triebst du ihn in die Eiche?
ROZHON.
Was frägst du mich gleich einen Buben aus?
LIBUSSA.
Ich frag dich nicht gleich einen Buben aus,
Du aber sprichst, wie nur ein Bube kann,
[652] Doch werde dir dein Recht wie einem Mann.
Verkünde, Slawosch, laut der Eiche Wesen,
Und was im Traume ihr bei ihr gelesen.
SLAWOSCH.
Auf dem Hügel steht die Eiche,
Sie ist wunderbar gestaltet,
Und in ihrem Schatten waltet
Schauer wie im Geisterreiche;
Ihre Wurzeln seltsam greifen,
Seltsam, aber klar und helle
In den Abgrund, oder schweifen
Durch die wildgerißne Welle
Ewig grau bemooster Felsen,
Die sich wie ein Schlachtfeld wälzen.
Die verzerrten Wurzeln scheinen
Wild Gewürme, hagre Drachen,
Die mit aufgesperrten Rachen,
An erschlagner Riesen Beinen
Nagend, über Schätzen wachen;
Denn die mondgebleichten Klippen,
Schimmern weiß, gleich den Gerippen
Starker Helden, die, im Kampfe
Sinkend, mit dem letzten Krampfe
Noch das Herz der Erde fassen,
Zu umarmen, was sie lassen.
Alle Zweige schrecklich starren,
Schrecklich, aber herrlich, kräftig
In die Lüfte, und geschäftig
Kämpfen mit dem Astgewürme
Stribogs Enkel, wilde Stürme,
Daß die harten Schlangen knarren
Und des Laubs erwühlte Meere
Sausen wie die wilden Heere,
Daß es raset, rasselt, stöhnet,
Wie ein Schlachtgetöse tönet.
In den sturmgepeitschten Ästen
Kann kein lustges Eichhorn klettern;
Eicheln, die gleich Hagelwettern
In die Felsen niederschmettern,
[653] Du, Rozhon, der das Schicksal nicht geehrt
Und nicht des Greises Liebe zu dem Baum,
Ja selbst des Baumes Leben frech gestört,
Du, der des frommen Mannes ernsten Traum
Mit Hohn erwidert, du hast mich empört;
Dich, Frevler, treib ich aus dem heilgen Raum,
Ich nehme dir so Feld als Wiesenplan,
Gen Mitternacht bau andres Land dir an,
Wo einsam du den Nachbar nicht kannst plagen:
So spricht das Recht, zieh ab in sieben Tagen!
ROZHON
bricht wütend aus.
In sieben Tagen, ja in sieben Tagen
Die siebentausend Teufel, ihn zu schlagen,
Und in dein Jungfernreich die sieben Plagen.
Warum in sieben grad, und nicht in sechsen?
Mit Sieben richten nur allein die Hexen –

Er schlägt sich in das Angesicht.

Unselig Antlitz, das den Faustschlag trug!

Er zerschlägt seinen Stab.

Verfluchter Stab, der nicht den Hund erschlug!
Elendes Volk! so spricht die Jungfrau Recht
Dem freien Mann, und lohnt dem Jungfernknecht.

Er will gegen Slawosch.
LIBUSSA.
Auf, haltet ihn, er rast!
WLASTA
und Scharka halten ihn.
Ich schlag dich nieder,
Sprichst so tolle Worte du hier wieder!
ROZHON
wehrt sich.
Wollt ihr mit Hindinnen den Eber hetzen?
Ich würge euch, laßt mich, laßt los, ihr Metzen!
BIWOG
tritt durch die Menge; er trägt einen lebendigen Eber, wie Hirten die Lämmer, über dem Nacken.
Wer bricht der Götter Fried, Libussens Zucht?
ROZHON.
Verfluchte Zucht, die so die Männer zieht,
Notzucht, Unzucht, die auf den Männern kniet.
Laßt, laßt mich los, ihr männertollen Metzen. –
BIWOG.
Noch so ein Wort, ich reiße dich in Fetzen,
Ich schlag den Eber hier auf dir zu Tod!
LIBUSSA.
Laßt ihn, laßt ihn, klag, Rozhon, deine Not!
[654]
ROZHON
immer noch von den Dirnen gehalten.
Ihr slavschen Männer, seht mein Elend hier,
Mich halten Dirnen, es gestattet mir
Die übermütge Dirne hier die Rede
Die anders nicht beschaffen ist als jede
Ins Bad, ihr Männer, mit dem Weiberkönig!
Beim Peron! steht ein Weib, so weiß sie wenig,
Und liegt, wie diese hier, sie gar auf Kissen,
So mag sie gar nichts als nur eines wissen,
Ihr Recht zu fordern, eh, als Recht zu geben.
Kein Weib gab Recht dem Manne je im Leben.
Ja all ihr Wesen ist ein Widersprechen,
Denn sie zu stärken, darf man sie nur schwächen.
Lang Weiberhaar, und kurzer Frauensinn,
Ins Haar, ins Kraut schoß ihnen der Verstand,
Die Spule geben sie dem Manne hin,
Und nehmen selbst den Zepter in die Hand.
Nein, würdger ist der Tod als dieses Dulden,
Verkehrt allein in uns ist die Natur,
Vor allen Völkern kömmt die Schmach zu Schulden
Nur diesem Volke, diesen Slaven nur;
Uns fehlt ein Richter, und ein männlich Recht,
Mein Volk ward einer Weiberzunge Knecht.
BIWOG.
Libussa, länger halte ich mich nicht,
Kannst du ihn hören, so kann ichs doch nicht.
Fing ich den Eber hier mit meiner Hand
Und trug ihn lebend weither durch das Land,
Zu Ehren dir, o Kascha hohe Frau
Und soll nun wüten sehn die wilde Sau?
Den Eber schmettre ich vom Felsen nieder,
Und kehre, Rozhon, dich zu bändgen, wieder.

Er läuft einige Stufen den Felsen hinan, schwingt den Eber hoch in die Höhe, und schleudert ihn hinten hinab.

So werde aller Frevler Hals gebrochen!
WRSCHOWETZ.
Rozhon, zurück, du hast zu viel gesprochen!
DOMASLAUS.
Wir sehn uns wieder, geh, es hebt sich Streit.

Sie fassen ihn, und führen ihn weg.
[655]
ROZHON
im Abgehen.
Bewahre, Dirne, deine Herrlichkeit.
BIWOG
von dem Fels kehrend.
Ihn hat zu gehn sein guter Geist gelehrt,
Lebendig wär er nie zurückgekehrt.
LIBUSSA.
Nimm unsern Dank, du wunderstarker Mann;
Sag, wie du heißest, daß ich lohnen kann
Den Helden, der den Eber fing und trug.
BIWOG.
Biwog heiß ich, dein Lob ist Lohns genug.
Seit Kascha mir geschenkt den eignen Speer,
Irrt in den Wäldern jagend ich umher,
Begierig, ihr ein solches Wild zu fangen,
Womit ich könnt vor ihrer Güte prangen.
Ermüdet lauscht ich an umbuschter Stelle,
Und sah den Eber, in dem Grunde wühlend,
Da sprang zutag vor ihm heiß eine Quelle,
Er wälzte grunzend sich, die Wärme fühlend,
Und übertretend rann die Wunderwelle
Zu meinem Stand, den Fuß mir lau umspülend:
Nun wuchs mein Mut, der Arm erstarkte mir,
Mit niegefühlter Kraft faßt ich das Tier
Im Überschritte bei den borstgen Ohren,
Brach ihm die Hauer, und es gab verloren;
Ich konnte seine Füße sicher packen
Und wie ein Lamm es tragen auf dem Nacken.
SCHARKA
bricht plötzlich aus.
O welch ein Riesenmann an Mut und Stärke!

Die andern Dirnen schaun sie höhnend an, sie zieht sich beschämt zurück.
LIBUSSA.
Sieh, selbst die Jungfraun preisen deine Werke;
Als Gabe nimm den Gürtel an von mir,
Ich setze in das Schild den Schweinskopf dir,
Und wo die heiße Quelle sich ergoß,
Erbaue deinen Kindern stolz ein Schloß.
BIWOG.
Ein Schloß? Für dich, ich habe keine Frau. –
KASCHA.
Biwog, du Stärkster, deinem Glück vertrau:
Dir habe ich den Speer, den Ring gegeben,
Nimm diese Hand, so du mit mir magst leben!
[656]
BIWOG.
O Herrin, allzu hoch ist dieser Preis!
KASCHA.
Dir, Biwog, nicht, der so zu ringen weiß;
Du wähltest mich, du bist mir auserwählt,
Der heiße Quell, der dir den Mut gestählt,
Ist nächtlich auch im Traum zu mir geflossen,
Die Götter haben diesen Bund geschlossen!
BIWOG.
Dein Diener bleibe ewig der Gemahl!
LIBUSSA.
Heil, Kascha, dir, ich ehre deine Wahl!
VOLK.
Heil, Kascha, dir! Heil, Biwog, starker Mann!
KASCHA
sich erhebend.
Das eigne Heil preis ich, euch dankend, an.
Wer solcher Jungfrau Reich sich schimpflich glaubt,
Der wirft von sich ein goldnes leichtes Los:
Legt doch gezähmt sein nie besiegtes Haupt
Das Einhorn gern in reiner Jungfraun Schoß;
Die Götter und die Helden, die ihr glaubt,
Sie wurden all in einer Mutter groß;
Die heilige Natur, der Dinge Leib,
Empfängt, gebärt, ist jungfräulich, ein Weib!
Und wie mich Biwogs Stärke konnte binden,
Mag auch ein Weiser diesen Thron einst finden.
DOMASLAUS.
Den Eber fing er, Feinde will ich fangen!
WRSCHOWETZ.
Den Feind und dich fang ich, sie zu erlangen!
STRATKA.
Wollt beide ihr euch bei den Ohren packen,
Und beide her euch tragen auf dem Nacken?
VOLK.
Wir wollen einen Herrn, sei er ein Held,
Sei er ein Weiser, wie es ihr gefällt!
LIBUSSA.
Den Himmelsgöttern sei es heimgestellt,
Dem Mann im Monde bin ich untertan,
Und geben sie mir ihn, ich nehm ihn an.
Jetzt, schmerzlich fühlend dieses Tages Schmach,
Des Volks verführten Sinn, Rozhons Geschrei,
Der mir den Frieden meines Richtstuhls brach,
Geselle ich mir kluge Richter bei.
Biwog, Drzewoslaus und Wrschowetz,
Slawosch und Domaslaus, stützt mein Gesetz,
Des Thrones Nächste nenn ich euch Wladicken.

Sie neigen sich vor Libussa.
[657]
DRZEWOSLAUS.
Lies frohen Dank in deiner Diener Blicken!
LIBUSSA.
Des Thrones Nächste sollt den Spruch ihr üben:
So wie dich selbst sollst du den Nächsten lieben!
Sag, Domaslaus, sprach ich dem Flusse Recht?
DOMASLAUS
betroffen.
Recht gingst du ins Gericht mit deinem Knecht!
LIBUSSA.
Wrsch, durfte andres Recht dem Sturm ich sprechen?
WRSCHOWETZ
entschuldigend.
Er eilt der Feinde Wolken zu zerbrechen!
LIBUSSA.
Drzewoslaus, wie gab ich Chirch den Pflug?
DRZEWOSLAUS.
Mild war ihm deine Hand, die hart ihn schlug.
LIBUSSA.
Sagt alle, war gen Rozhon ich gerecht?
VIELE STIMMEN.
Mild, mild, er schmähte dein Geschlecht, dein Recht.
LIBUSSA.
Wladicken, hört, ich lehr euch eure Pflicht,
Daß recht von euch das Recht gesprochen werde.
Aufgeht im göttlichen Gesetz das Licht,
In ewger Ordnung Himmels und der Erde
Geht auf gerecht das einzige Gericht,
Der Menschen Recht sei ahmende Gebärde!
So lebet fromm, schaut auf der Götter Wesen,
Dann werdet ihr im Buch des Rechtes lesen.
Den Göttern gebet, was den Göttern ist,
Den Menschen, was den Menschen angehört,
Das Recht sei treu und wahr und ohne List.
Schlecht ist der Richter, der sich selbst nicht ehrt,
Wie der, der nicht sein eignes Wohl vergißt;
Denn Richtern ist ein göttlich Amt gewährt.
Nun, Richter, lasset jedem Recht ergehn,
Wie ihr gewünscht, daß euch es mög geschehn!
Ihr Krieger, zieht gen die Avaren aus,
Ihr Mägdlein, schmücket festlich mir das Haus,
Ich pflücke meiner Kascha Hochzeitsstrauß!

Die Heerhörner der Männer beginnen einen Marsch, die Trompeten der Dirnen fallen variierend ein, alles kommt in Bewegung zum Abzug. Libussa erhebt sich, mit Kascha und Biwog zum Schlosse zu ziehen; plötzlich bleibt sie ernst stehen, blickt starr in die Ferne, und erhebt ihren Stab.
[658]
BIWOG.
Halt, steht, verlasset lärmend nicht den Plan!
Libussa sieht, die Götter schaun sie an!
LIBUSSA.
Ja wahrlich, wahrlich, sieh, es kommt die Zeit,
Die Eiche Slawoschs rauschet über mir,
Die Nachwelt tobt, im Zorne wild entzweit,
Es kämpft wie Swantowid der starke Stier,
Er trägt allein der grimmen Feinde Streit,
Die Eiche deckt ihn, er sinkt unter ihr!
O liebe dich, mein Volk, die Kämpfer sterben,
Ein redend Grab dem Nachruhm zu vererben!
Ich sehe mit dem Kelch das blinde Kind
Bei dieser Eiche von der Mutter gehn,
Es schießt empor gleich einem Wirbelwind,
Und alle Türme seh ich niederwehn;
Ist gleich der Zorn blind, und das Schicksal blind,
Kann doch kein Hälmlein vor ihm sicher stehn!
O liebe dich, mein Volk, und halte Frieden,
Der Nachwelt ist ein hartes Los beschieden!
Doch nieder wend ich die erschreckten Augen,
Denn milder als die Menschen ist die Erde,
Sie tut sich auf, die heißen Quellen rauchen,
Ein ewges Heil der kränkenden Beschwerde;
Wer wird zuerst, zuletzt ins Heil sich tauchen,
Daß er geheilet und geheiligt werde?
O liebe dich, mein Volk, dich liebt der Grund,
Betritt ihn fromm, so macht er dich gesund.

Die unterbrochenen Märsche fallen ein, der Vorhang fällt.
3. Akt
Dritter Akt
Diewin, der Mägdlein Siegesfeld.
Die Fahne der Dirnen steckt auf dem Siegsstein, der mit Schilden und Helmen umgeben ist; die Mägdlein liegen um ihn her, und zechen unter Trompetenklang. Im Hintergrunde sind Wachen ausgestellt.
Am Siegssteine glimmt ein Opferfeuer.

STRATKA
steht auf, und hebt das Trinkhorn empor.
Libussa hoch und hoch und ewig hoch!
[659]
DIE MÄGDLEIN
springen auf, außer Wlasta und Scharka.
Trompetenklang.
Libussa hoch und hoch und ewig hoch!
STRATKA.
Ihr schwieget, Wlasta, Scharka, da wir tranken?
WLASTA
erhebt sich.
Der Ort hier macht mir ernsthafte Gedanken;
Als heute nacht ich zu dem Siegstein ging,
Zog durch den Wald vor mir ein kleines Licht;
Es lockte mich, es war ein glühnder Ring,
Und immer doch erreichte ich ihn nicht;
Da hieb ich zürnend nach dem Zauberding,
Und gleich zerfuhr es in ein Schreckgesicht;
Es brannte rings der Wald, das wilde Feuer
Umtobte mich, ein grimmes Ungeheuer.
Am Siegstein hier die klare Sprudelquelle,
In die Libussa fromm gelegt mein Blut,
War siedend Blut; ich schöpft die heiße Welle
Mit banger Eil in meinen Eisenhut,
Und goß ihn aus, und füllt ihn wieder schnelle,
In regem Wechsel löschend an der Glut;
Da ward erst recht der Grimm des Feuers helle,
Es stürzte prasselnd mit erneuter Wut
Bergan, bergab, zerriß die Felsenschwelle,
Und füllte alles Land mit glüher Flut;
Die Adler sausten schrei'nd aus ihrer Zelle,
Dem Felsennest entstürzt' der Drachen Brut,
Und Stribogs Sohn, der Sturm, der Angstgeselle,
Brach, schrecklich heulend, aus des Vaters Hut,
Und hetzte in des Rauches Nacht die Flammen,
Die Adler und die Drachen glüh'nd zusammen;
Und hier an unserm Siegesmal die Steine,
Sie waren Schädel, grinsten wild mich an,
Und krähend stürzte aus dem Feuerhaine
Mir in das Haar ein kühner roter Hahn;
Er schrie: Zu diesen Schädeln fehlt der deine;
Und als ich mit ihm rang, zerriß der Wahn,
Sank das Gesicht in Nacht, ich war alleine.
Ich fühlte Nässe, die zur Brust mir rann,
Doch Tränen nicht, glaubt nicht, daß Wlasta weine!
[660] Warm war die Flut, und als ich mich besann,
Fühlt wankend ich, daß hier bei diesem Ringe
Der Wunde Blutstrom aufgerissen springe.
Kaum hatte ich die Wunde neu verbunden,
Sah wieder ich den bösen Feuerring,
Doch mühsam hab den Heimweg ich gefunden,
Wenngleich der Lichtkreis immer vor mir ging,
Der bis zum Tage, wie an mich gebunden,
Vor meiner Seele, meinen Augen hing
Und endlich vor der Sonne erst verschwunden,
Die überm Schlosse an zu leuchten fing.
Jetzt wie Gewitter schwer und drohend bin ich,
Und überm Feuermeer des Traumes sinn ich.
STRATKA.
Dein Nachtgesicht, erwägt von allen Seiten,
Ist nur dein Blut, das aus der Wunde rinnt.
Daß auf Libussens Ring gegründet sind
Die Siegessteine, zeigt des Rings Begleiten.
Aus unserm Blute, ernste Wlasta, spinnt
Die Schar der Männer wahrlich keine Seiden.
Fleuch hin, du Traum! wer auf Gesichte sinnt,
Verträumet die Geschichte und die Zeiten.
Verschollen ist des roten Hahnes Schrei;
Doch treten wollte er, vom Zorn erregt,
Und hat den Basilisk der Angst im Ei
In deine dunkle Locken dir gelegt.
Nicht brüt ihn aus; sein Herz brach schon entzwei,
Als sich dein spieglend Aug gen ihn bewegt,
Da sank des bösen Traumes Zauberei;
Das volle Leben jauchzt dir zu: Sei frei!
Ach, leer' das Horn!
WLASTA
trinkt das Horn aus.
Wohlan, es sei vorbei!
Der Mägdlein Freiheit über alles hoch!
Und höher, als die Taube jemals flog,
Und höher, als der Schwan am Wahltag zog!
DIE MÄGDLEIN
Trompetenklang.
Der Mägdlein Freiheit über alles hoch!
STRATKA.
Auf! singet nun, laßt die Trompeten blasen.
[661] Die Dirnen, die im Tale unten grasen,
Wir locken sie, und alle, die wir werben,
Wir lehren sie zu leben und zu sterben.
He, Scharka! träumst du auch? Auf, singe vor!
SCHARKA.
Ich, singen? Singe selbst, singt all im Chor,
Denn lieber als jetzt singen möcht ich weinen.
WLASTA.
So nimm dir erst von diesen Ehrensteinen
Den deinen weg, in einen Winkel schleichen
Magst du mit ihm, ihn heulend zu erweichen.
Nie weine eine Magd hier an dem Ort,
Für Tränen lebt kein Aug hier und kein Wort!
STRATKA.
Wie, weinen, Scharka? Wahrlich, fluche lieber,
Ein tüchtger Fluch heilt dir ein jedes Fieber!
WLASTA.
Hast auf der Hochzeit du zuviel getanzt?
Trankst du zuviel, hast du den Katzenjammer?
So geh, und schlafe aus in deiner Kammer.
SCHARKA.
Das ist es nicht, ich trank, ich tanzte nicht.
STRATKA.
Wie eine Hexe an die Wand gepflanzt,
Saß'st du mit stummem, starrem Angesicht.
Die Fackel träufte glüh'nd auf deine Hand,
Du fühltest nichts.
SCHARKA.
Weil andres ich empfand.
WLASTA.
Die Hochzeitsfackeln dir am Herzen brannten.
STRATKA.
Bist du gebrannt, so hast du überstanden.
Nicht falte mehr die Stirn in Liebeszorn.
Heraus mit aller Klage, zieh den Dorn
Der Löwin aus dem Fuß, stampf rüstig auf,
Laß allen deinen Wünschen freien Lauf!
Ein frischer Trunk, ein tiefer frischer Schrei
Macht dir die Brust, das ganze Leben frei;
Heihussa, freie Mägdlein der Libussa!

Sie reicht Scharka das Horn, sie trinkt unter Trompetenklang.
DIE MÄGDLEIN.
Heihussa, freie Mägdlein der Libussa!
SCHARKA.
Dank, Dank dir, Stratka! ich bin wieder frei:
Der Trunk, der Schrei war gute Arzenei.
Und ginge jetzt der Hochzeitreihen los,
Ich legte nicht die Hände in den Schoß.
[662] Wie du wollt ich die Füße kräftig heben,
Nach meinem Takte müßt der Saal erbeben;
Nun muß sie ganz vom Herzen mir, die Last.

Sie schlägt mit der Faust gegen ihren Brustharnisch.

Heraus aus meiner Brust, du trüber Gast!
Hört meine Schmach, euch Dirnen sag ich laut,
In Luft hab ich eine Liebesschloß gebaut.
Den starken Biwog liebt ich lange schon;
Da gestern mit dem Eber vor dem Thron
Er männlich widerstand des Rozhons Hohn,
Wuchs mir das Herz, es war recht zum Erbarmen!
Zum Lohn wollt vor dem Volk ich ihn umarmen.
O lachet mich nur aus, denkt meinen Stand,
Als Kascha ihm gereicht die Fürstenhand.
WLASTA.
Du hattest, arme Scharka, übles Nachsehn.
STRATKA.
Was immer besser ist als üble Nachwehn;
Den Göttern danke, so davonzukommen.
Hätt Biwog dir erst deinen Schatz genommen,
Wie Wrsch an mir hätt er an dir gehandelt,
Zum frechen Jäger sich nach kurzen Wochen,
Zum armen Eber, Scharka, dich verwandelt,
Zum Preis der andern dir den Hals gebrochen!
SCHARKA.
Du redest wahr. Nun hab ich freie Wahl.
Verachten will ich alle auf ein Mal
Und nehmen mir zur Freude eine Zahl.
Nun ist mir einer keiner, er allein
Konnt nur der eine und der einzge sein,
Den ich verlor, um alle zu gewinnen.
Ich brauche keine Schlingen mehr zu spinnen
Und auszulegen nach so bösen Hechten.
Die Lust mir wählt, macht Liebe mir zu Knechten.
Zum Narren hatte uns der alte Brauch,
Am Feuer sitzend in dem hohen Rauch
Den Mann zu sehen, der uns ist beschert:
Die Folge hat uns bitterlich belehrt.
STRATKA.
Die Augen hat der Rauch uns gut gebeizt,
Zum Weinen dich, zum Fluchen mich gereizt.
SCHARKA.
Es ist zum Lachen, all, die wir gesehen,
[663] Begegneten uns auch in jener Nacht;
Als Opferfeuer wir im Wald gemacht,
Sahn wir sie alle zu der Wahl hingehen.
STRATKA.
Du übertreibst, ich sah nicht Wrschowetz.
Doch, Wlasta, sage: Wen hast du gesehn?
WLASTA
betroffen.
Ich? Meine Mutter – lasset das Geschwätz.
Denn, sah ich einen, werd ichs nie gestehn.
EINE VON DEN WACHEN.
Ich sehe Dirnen, die im Busche lauschen.
STRATKA.
So klingt und singt, und laßt die Fahne rauschen!
SCHARKA.
Es ist ein Schloß gegründet,
Ein Feuer angezündet,
Ein Fähnlein aufgestellt
Den Jungfraun in dem Feld!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
STRATKA.
Die Fahne der Jungfrauen,
Kein Mann darf nach ihr schauen,
Der beste ist uns schlecht,
Der liebste unser Knecht,
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
WLASTA.
Verflucht sei Rad und Spindel
Und Feuerherd und Windel,
Der Speer tut Rockendienst,
Giebt eisernes Gespinst!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
SCHARKA.
Der Mann muß unten liegen,
Das Kind im Schilde wiegen,
Wir ziehen frank und frei
Auf neue Freierei!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
STRATKA.
Die Männer müssen singen
Den Kindern, die wir bringen,
Das Lied: Was ich nicht weiß,
[664] Macht mir die Stirne heiß.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
WLASTA.
Es nehme keine einen,
Viel lieber nehm sie keinen,
Denn einer ist Betrug
Und alle nicht genug.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
SCHARKA.
Das Weib ergreift den Zügel,
Der Mann hält ihr den Bügel,
Im Sattel sitzen wir,
Und spornen frisch das Tier.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
STRATKA.
So ziehen wir Jungfrauen,
Geschmücket wie die Pfauen,
Durchs Land in stolzem Putz,
Den Männern nur zum Trutz!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
WLASTA.
Die Ketten sind zerbrochen,
Und auf das Schild wir pochen,
Im Harnisch ist das Weib,
Der Mann seh, wo er bleib!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!

Milenka und Zastawa, zwei Bäuerinnen, nahen schüchtern.
MILENKA.
Ei! bei euch Dirnen geht es lustig her!
ZASTAWA.
Hussa Libussa macht mirs Herz ganz schwer.
STRATKA.
Hast du das Lied verstanden? Nun, laß sehn.
ZASTAWA.
Da müßte ich kein Böhmisch ja verstehn:
Man nimmt so viele Männer, als man kann,
Arbeitet nichts, und niemals weiß der Mann,
Ob er der Vater von den Kindern allen,
Doch, hat das kräftge Huihussa Libussa
Am besten mir vor allem noch gefallen.
[665]
STRATKA.
Und was gefällt dir so an diesem Schrei?
ZASTAWA.
So gut und wohlfeil ist die Arzenei,
Wie sag ich gleich? – Als wenn man kratzt, wo's juckt,
Als wenn zur Arbeit in die Hand man spuckt.
SCHARKA
zu Milenka.
Du, sage, wie gefällt das Lied denn dir?
MILENKA.
Ihr habt gut singen, doch was hilft es mir?
Wenn auch die Männer waschen, sattlen, spinnen;
Ich habe ja nicht Roß, nicht Flachs, nicht Linnen.
Die Kuh schreit; grasen, melken muß ich doch.
Und seht, ich lieg gern lang, ich bin gar faul. –
SCHARKA.
Beruh'ge dich, da giebts ein Verslein noch,
Das melkt die Kuh, und stopfet ihr das Maul.
Wenn wir im Bett uns drehen,
Muß er das Gras schon mähen,
Wir liegen noch in Ruh,
Da melkt er schon die Kuh.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
MILENKA.
So muß ich buttern doch und Gänse hüten.
SCHARKA.
Vor beidem soll der Himmel dich behüten.
Der Mann geht mit der Sense,
Und hütet uns die Gänse,
Und buttert uns im Faß,
Das ist der Dirnen Spaß.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
MILENKA.
Ihr dürft wohl gar zu Bier und Meth auch gehn,
Im Mondschein singend vor den Hütten stehn?
SCHARKA.
Der Mann schläft unterm Pfluge,
Wir sitzen spät beim Kruge,
Und unser Lied verschont
Selbst nicht den Mann im Mond.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
MILENKA.
Da ist noch eins, ihr sangt: Der Mann muß wiegen,
Da muß ich doch noch stets die Kinder kriegen,
Das ist mir aber gar zu sehr zuwider,
[666] Von aller Arbeit bin ich keine müder.

Die andern Mägdlein lachen.

Ja, lachet nur, der Punkt ist gar zu kitzlich,
So sehr beschwerlich als erstaunlich nützlich.
SCHARKA.
Du wirfst dem Liede deine Schwäche vor,
Willst du nicht hören, so verschließ dein Ohr.
Wenn wir uns tapfer wehren,
Die Welt nicht mehr vermehren,
Sinnt Peron eine Nacht,
Sieht, wie ers besser macht.
Peron, der Welterfinder,
Läßt wachsen dann die Kinder
Den Männern an dem Horn,
Wie Röslein an dem Dorn.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
MILENKA.
Das läßt sich hören, das ist doch natürlich,
Denn es ist sehr bequem und auch gar zierlich.
Was kostet es, wenn ich gleich bei euch bleibe?
ZASTAWA.
Ich bin dabei, nehmt mir den Rock vom Leibe!
STRATKA.
Was, kosten? Ihr kriegt Geld noch oben drauf,
Und Harnisch, Mützen, Waffen in den Kauf!
MILENKA.
Ich trau der Sache kaum, das ist zu billig.
ZASTAWA
wirft die Jacke ab.
Weg mit dem Zeug, den schwersten Panzer will ich.
WLASTA.
Bist du auch stark, kannst diesen Stein du heben?
ZASTAWA
hebt ihn, und wirft ihn weit weg.
Hier, dieser da? Der geht mir nicht ans Leben.
STRATKA
zu Milenka.
Mit einer Hand spann du mir diesen Bogen.
MILENKA
bricht ihn überspannend.
Ach Himmel! seht, ich hab zu stark gezogen.
WLASTA.
Stark sind sie, legt die Waffen ihnen an;
Auf, munter, singt, dort ziehn noch mehr heran.
SCHARKA.
Im Walde wir regieren,
Den Mann die Hörner zieren;
Den Hirsch, wir hetzen ihn
Zum steilen Abgrund hin.
[667]
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
STRATKA.
Hat dich ein Mann geschlagen,
Du brauchst nicht drum zu klagen,
Tritt her in unsern Kreis,
Mach ihm die Hölle heiß.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
WLASTA.
Dem Buhler, der dich necket,
Mit andern Dirnen hecket,
Verschließe du dein Bett,
Und mache es ihm wett.
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!
DOBROWKA
wirft einen ungeheuern Grasbund und Sichel und Harken an die Erde.
So trage denn das Gras nach Haus, wer mag,
Mit Rozhon leb ich länger keinen Tag!
Vier Wochen sind es nach dem Hochzeitsgang,
Mehr Prügel hab ich als auf Lebelang,
Und seit getroffen ihn Libussens Strafe,
Trifft mit der Geißel er mich selbst im Schlafe,
Und spricht: Die Hiebe zahl Libussen wieder.
STRATKA.
Der giftge Hund, und du warfst ihn nicht nieder,
Zerfleischtest nicht mit Näglein sein Gesicht?
DOBROWKA.
Hätt ichs versucht? Obs geht, das weiß ich nicht.
STRATKA.
Den Stein dort bei der Eiche trag herbei.
DOBROWKA
wirft ihn auf einen andern, daß er bricht.
Eins werdet ihr nie mehr, ihr seid nun zwei.
STRATKA.
Es werde ihr der Harnisch angelegt.
DOBROWKA
tritt, da sie zu den Waffen geht, auf ihren Harken; da der Stiel ihr ins Gesicht schlägt, zerbricht sie ihn.
Verdammter Stecken, der Dobrowka schlägt!
STRATKA.
O, hättest du dem Rozhon so getan!
DOBROWKA.
Ich zahl ihm alles nach, treff ich ihn an.
HODKA
tritt auf.
Mich bringt das ewge Weben, Nähn und Spinnen,
Das Bohnenzählen gänzlich noch von Sinnen.
[668] Gebt grobe Arbeit her, ich bin, gottlob!
Gesund und stark, und gar zu gerne grob.
Die Mutter ist ganz toll mit sieben Sachen,
Die ich in einem Tag soll fertig machen;
Das Ärgste aber ist das Federschleißen,
Da möcht ich lieber Bäume niederreißen;
Die Linsen mag ihr Tschernobog belesen,
Der schwarze Gott hol all das feine Wesen!
Gebt Arbeit her, doch sei es von der groben,
Ich will was leisten, ihr sollt mich erproben.
STRATKA.
Den Ast brich, der zum Nachbarbaume reicht.
HODKA
reißt den Ast nieder.
Herab, du Buhler, der zur andern schleicht!

Dobromila, Klimbogna, Budeslawka, drei Zauberschülerinnen der Zwratka, treten verschleiert aus der Höhle.
BUDESLAWKA.
Heraus ans Licht, wer mag im Dunkel schwitzen,
Wenn Helm und Panzer an der Sonne blitzen.
KLIMBOGNA.
Hussa Libussa tönt die Höhle wieder,
Ich halts nicht aus, ich reiß den Schleier nieder!
DOBROMILA.
Lebt wohl, ihr Salben, Kräuter, Suppen, Fratzen,
Bewacht den Herd, ihr Böcke und ihr Katzen,
Schaut durch das Sieb, und lecket euch die Bratzen,
Brummt, oder schreit die alten Zaubersprüche,
Ich überlasse euch die ganze Küche.
Ihr Dirnen, gebet Rosse uns beizeiten,
Auf einem Besen lern ich nimmer reiten.
WLASTA.
Was wird die Meistrin Zwratka dazu sagen?
DOBROMILA.
Was ihr beliebt, wir wollen sie nicht fragen.
KLIMBOGNA.
Wir trugen ihr Geräte hier hinein,
Sie will ja Schule halten hier im Hain.
BUDESLAWKA.
Das macht sie gut, sie mehrt nur euren Haufen,
Es werden alle zu euch überlaufen.
Bei Huihussa Libussa und Trompeten,
Wer kann da lange Zauberflüche beten?
Wir lauschten lange in dem Felsengang,
[669] Bis euer freier Klang und Sang uns zwang,
Ans Licht zu eurer Fahne herzutreten.

Mladka, Nabka, Swatawa, Radka, andere Bäuerinnen, nahen.
ZASTAWA
prahlend.
Nun, wie gefall ich euch, ihr zahmen Schwestern?
Von heute bin ich, und ihr seid von gestern!
MLADKA.
Ei, wenn du Tölpel hier den Helm darfst tragen,
Will ich den sehn, der mir ihn ab will schlagen.
NABKA.
Du blaues Wunder, schau, des Rozhons Weib!
DOBROWKA.
Hat blauen Stahl gen's Bläuen auf dem Leib!
SWATAWA.
Die linkische Milenka trägt den Helm!
MILENKA.
Ihr Schwert trägt sie nun rechts, hüt dich, du Schelm!
RADKA.
Du Ungeduld, ei, Hodka, hier auch du?
ALLE.
Dazu, dazu, wir müssen auch dazu!
HODKA.
Nun tobt nur nicht, das geht in schönster Ruh,
Nur Steine dürft ihr kräftig niederschmeißen
Und tüchtge Äste von den Eichen reißen!
ALLE.
Ei, sowas soll man uns nicht zweimal heißen!
DIE ZAUBERSCHÜLERINNEN.
Drauf! lasset uns die Probe nicht entreißen!

Sie fallen alle über den Siegesstein, und beginnen ihn auseinanderzureißen. Wlasta, Stratka, Scharka schlagen mit den Schwertern unter sie.
STRATKA.
Halt, halt! ihr Rasenden, was fangt ihr an?
SCHARKA.
Was, Tolle, hat der Siegsstein euch getan?
WLASTA.
Ich sehe Vorbedeutung mir bereiten,
Das, was zum Haken wird, krümmt sich beizeiten!
STRATKA.
Du bist zu schnell, o Wlasta, im Verdammen;
Man muß nur eines Bessern sie bescheiden.
Ihr, legt die Steine wieder hier zusammen!

Sie stellen das Mal wieder her.

Stellt euch zum Kreis, wir wollen euch vereiden.

Sie werden mit einzelnen Rüstungsstücken versehen, und stellen sich rings um den Stein, bei welchem die drei Führerinnen stehen.
WLASTA.
Scharka, den Handschuh nimm, Stratka, die Fahne,
[670] Daß ich die Neugeworbnen nun ermahne.
Bedenket, was ihr tut, da frei ihr seid,
Erwäget, eh ihr schwört der Wlasta Eid.
Was seid ihr noch? Was waret ihr bisher?
Was werdet nach dem Schwur ihr nimmermehr?
Den Eltern und den Brüdern untertan,
Des Mannes Magd, so ihr des Mannes Weib,
Und segnet die Natur euch euern Leib,
Bricht erst die Bürde nach neun Monden los,
Ihr legt mit Schmerzen, eine lange Qual,
Ein schreiend Kind euch in den müden Schoß,
Und alle Jahre eins, wirds eine Zahl.
Kaum, daß ihr es, das in des Schoßes Raum
Ihr trugt und nährtet, seiner Haft entlaßt,
So hängt auch gleich, der noch lebendig kaum,
Wie die Schmarotzerpflanze an dem Ast,
Als wäret ihr des Lebens voller Baum,
An eurer Brust der unverschämte Gast,
Und sauget euer Leben selbst im Traum,
Und schreit, und quäkt, zum Dank für alle Last
Beißt, kneipt es euch, läßt allem freien Lauf,
Es täte Not, es fräße gar euch auf.
Dabei des Waschens, Fütterns gar kein End,
Und Murren, Schelten, Schlagen von dem Mann,
Der, will er nicht, das Kind als sein nicht kennt,
Und wärs ein Fremdes, was schiert ihn es dann?
Als sichs mit Pein von eurem Schoß getrennt,
Hat nur sein Finger ihm drum weh getan?
Kaum ist er noch zur weisen Frau gerannt.
Genug, es lebt, und schreit die Sterne an,
Ihm leuchtet Bielbog, donnert Peron auch,
Wie andern ihm den Mond Triglawa zeigt,
Und Siwa nährt, wie alle, ihm den Bauch,
Und Swantowid, eh er zu Rosse steigt,
Füllt ihm mit Meth wie anderen den Schlauch,
Die finstern Götter sind ihm auch geneigt,
Ihm auch macht Tschart den Leib mit Haaren rauch,
Auch ihn der Tod, das hagre Weib, umschleicht.
[671] Die Menschen wachsen gleich des Baumes Blättern
Und gleich des Abgrunds Erzen und Gesteinen;
Daß Kinder kommen, das gefällt den Göttern,
Ob Slawoschs, Biwogs, Chirchs, das kümmert keinen.
Der Schleier gürtet mich der hohen Magd,
Ihr Mantel hier als Fahne vor euch ragt,
Ihr Handschuh ists, auf den ihr schwörend schlagt,
Daß ihr der Männer Herrschaft nun entsagt.
SCHARKA.
Ich aber sag euch, was ihr werdet sein,
Schlagt schwörend ihr in diesen Handschuh ein.
Aus allem jenem Elend geht ihr aus,
Zu mehren dieser freien Mägde Chor,
Zu mauern hier der freien Mägde Haus,
Dem Männereingang ein verschloßnes Tor;
Und übt ihr kühnlich euch zu Kampf und Strauß,
Hebt bald Djewin der Mägde Haupt empor.
Von aller Männer Herrschaft schwört euch los,
Zu aller Waffenübung schwört euch fest,
Zu Lauf, Sprung, Wurf, zu Hieb und Stoß,
Schwert, Bogen, Beil und Speer euch nie verläßt.
Ihr gehet nie von Gurt und Panzer bloß,
Lockt zum Verrat die Männer nur ins Nest:
Denn ihre Schwachheit ist in Liebe groß,
Geheimnis wird mit Küssen leicht erpreßt.
Der Jungfrau Ehre blüh in eurem Schoß,
Der Jungfrau Fahne stehe ewig fest,
Und würfe rings um sie der Tod sein Los.
Fluch jeder, die das Siegspanier verläßt!
In Friedens Schlauheit oder Schlachtgetos
Der Dirnen Freiheit mit dem Leben meßt!
Thron, Leben, Ehr der Magd schütz euer Leben;
So ihr dies schwört, mögt ihr den Handschlag geben.
DIE MÄGDLEIN
gehen an ihr vorüber, und schlagen ein.
Ich schwöre, ich schwöre,
Frei leben und sterben,
Der Fahne die Ehre,
Den Nachruhm den Erben,
Der Jungfrau den Schutz,
[672] Den Männern den Trutz,
Den Göttern die Seele,
Der Erde den Leib,
Solang als die Tage,
Die Nächte ich zähle,
Solang als ich Jungfrau,
Solang als ich Weib!
STRATKA
schwenkt die Fahne über sie.
Die Fahne grüßend über euch geschwenket,
Hört an, was ihr nun seid, daß ihrs bedenket.
Frei wie die Enkel Stribogs auf der Heide,
Frei, frei von Dienst, von niedrer Arbeit frei,
Nur eure Rosse führt ihr auf die Weide;
Ihr baut kein Feld, ihr hütet keinen Herd,
Kein Feuer, das nicht Opferfeuer sei;
Statt zu dem Rocken greift ihr zu dem Schwert;
Wiegt nur das Kind, das noch im Leib ihr tragt,
Wenn ihr zu Roß die weite Flur durchjagt;
Ihr schlachtet mehr kein Tier als Männer nur,
Umarmet keinen Mann nach Pflicht und Schwur,
Ja welche und wie viele ihr euch wählt,
Fangt ihr euch aus der Herde ungezählt,
Ihr haltet sie, ihr jaget sie davon,
Nur freie Lust genügt der Last als Lohn.
Das Wild in allen Wäldern steht euch frei,
So Mann als Hirsch fällt eurer Jägerei;
Doch zahlen wir die Jungfrau nur mit Gold,
Und Silber ist den Liebenden der Sold,
Und Kupfer nur erhält, die ihren Leib
Dem Jüngling reicht; die aber, die als Weib
Dem Manne folgt und so den Eidschwur bricht,
Die zieht des Schwertes Eisen ins Gericht.
SCHARKA.
Es ist der Eid gesprochen,
Und auf das Schild wir pochen,
Im Harnisch ist das Weib,
Der Mann seh, wo er bleib!
CHOR.
Huihussa, huihussa!
Die Mägdlein der Libussa!

[673] Sie beginnen einen kriegerischen Tanz um den Siegsstein, werden aber in den ersten Takten durch das Kriegslied und das Heerhorn der Männer unterbrochen.
WLASTA.
Was ist dies?
SCHARKA.
Still, Gesang!
STRATKA.
Es ist das Heer,
Vorüber lassen wir sie nimmermehr.
Fällt vor den Hohlweg schnell den jungen Stamm,
Und hinter ihm steht wie ein Felsendamm!

Die Mägdlein umgeben den Baum mit größter Geschäftigkeit, einige klettern hinan und suchen ihn mit ihrer Last niederzuziehen, andere hauen an seinem Fuße; während dieser Arbeit hört man das Heerhorn der Männer und den Kriegsgesang immer näher.
CHOR DES HEERS.
Jagababa, Jagababa,
Die mit dem knochichten
Fuße im eisernen
Mörser hoch stehet
Und mit der erzenen
Keule ihn heulend
Treibet durchs Feld,
Jagababa, Jagababa
Zog vor uns her!

Es bricht der Baum, wo die Beile eingeschnitten, und sinkt, durch die Mägdlein beschwert, langsam, wie ein Schlagbaum nieder.
GESCHREI IM HEER.
O Wunder, Wunder! seht, ein Baum voll Dirnen!
Aufs Stroh, aufs Stroh mit diesen reifen Birnen!
WRSCHOWETZENS STIMME.
Kein Wunder, daß den Stamm man niederschlug,
Der solche bitterböse Früchte trug.
WLASTA.
Die Fahne hoch! Wer redet mich hier an?
DOMASLAUS.
Weg mit dem Baume, öffnet uns die Bahn,
Wir kehren siegreich über die Avaren.
STRATKA.
Links durch das Tal führt eure trunknen Scharen.
DOMASLAUS.
Was sollen wir um euch den Umweg nehmen?
WRSCHOWETZ.
Ein siegreich Heer soll Weibern sich bequemen?
[674]
STIMMEN AUS DEM HEER.
Voran, voran, es dränget sich der Zug.
DOMASLAUS.
Siegtrunken ist das Heer, tut auf, seid klug!
SCHARKA.
Zäunt euren Wahlplatz ein, daß wir ihn meiden,
Der Mägdlein Siegsfeld soll kein Mann beschreiten.
WRSCHOWETZ.
Läg nicht Libussens Seele an euch krank,
Es würde hier der Baum im blutgem Zank
Mit allen seinen Früchten überschritten;
Doch weiser scheint es jetzt noch, euch zu bitten,
Denn, wenn die lange Schlucht zurück wir ziehn,
Gelangen wir zu spät nach Schloß Libin.
WLASTA.
So harrt; ob ohne unsrer Ehre Schaden
Ihr ziehen könnt, will ich mich erst beraten.

Sie tritt mit Stratka und Scharka am Siegsstein zusammen, indes plaudern die Dirnen mit einzelnen Kriegern über den Schlagbaum.
WASTIL.
Beim Tschart, ei, Hodka, wie kömmst du hieher?
Zum Weibe nehm ich dich nun nimmermehr,
Ich glaubte dich so fleißig und so still.
HODKA.
Zum Weibe nimmst du mich, wenn ich dich will,
Und weil ich dich nicht will, nimmst du mich nicht.
Hier werf ich deinen Ring dir ins Gesicht.
WASTIL.
Die Peitsche, treff ich dich allein, soll knallen.
HODKA.
He, hast du Lust, so prügl ich dich vor allen,
Ich bin Libussens Magd.
HOWOR.
Nun, nun, gottlob,
Libussens Magd ist aus der Weise grob.
Auch, Nabka, du ließ'st zu der Schar dich werben?
NABKA.
Als Jungfrau will ich leben nun und sterben.
HOWOR.
Dann lebst und stirbst du nie. Wo ist mein Kind?
NABKA.
Dein Kind? dein Kind? Es liegt in seiner Wiege.
HOWOR.
Mein ists so wahr nun nicht, als keins ich kriege:
Dies hätte seine Mutter nie getan.
NABKA.
Ist es nicht dein, was geht es dich dann an?
Ist es nicht dein, so ist es auch nicht mein.
Frag nicht um Kinder, die nicht mein, nicht dein.
MILICK.
Beim Svetowid, Milenka, meine Braut!
Du liefst hieher, wer kocht zu Haus mein Kraut?
[675]
MILENKA.
Koch dir es selbst, denn wiß, das Sprichwort lautet:
Wer ausgebrautet, hat auch ausgekrautet.
STIMMEN AUS DEM HEER.
Hindurch, hindurch, schlagt all die Dirnen tot!
SCHARKA.
Schild vor! legt euch in Schutz und Trutz zur Not!
WRSCHOWETZ.
Ruhig, ihr Männer, laßt die Wespen summen!
STRATKA.
Ruhig, ihr Jungfraun, laßt die Käfer brummen!
WLASTA.
Um euren Sieg, und weil ihr angesucht,
Und weil noch nicht verschüttet diese Schlucht,
Sei euch der Zug ohn Sang und Klang gewährt,
Doch mit gesenktem Beil, bedecktem Schwert;
Wollt ihr dies nicht, so fließt hier euer Blut.
DOMASLAUS.
Bist du zufrieden, Wrsch, so sei es gut.
WRSCHOWETZ.
Zufrieden? wer ist mit der Schmach zufrieden?
Kann solchen Vorschlag ich dem Heere bieten?
Kaum wag ich es, wenn heilgen Grund sie nennt.
WLASTA.
Libussens Fahne weht, ein Opfer brennt!
WHSCHOWETZ.
Voran, das Schwert bedeckt, das Beil gesenkt,
Das Opfer ehrend, seid ihr ungekränkt.

Die Mägdlein bilden eine Gasse; die Männer ziehen, über den Stamm schreitend, durch.
WRSCHOWETZ
wirft Stratka Moribuds Haupt vor die Füße, und zieht weiter.
Hier, Stratka, bring ich dir dein Lösegeld.
STRATKA
wirft den Kopf ins Opferfeuer.
Weh! besser warst du, als der dich gefällt!
ZASTAWA
reißt einen Mann aus dem Zug.
Halt, du bist mein.
POPLOPECK
stößt sie zurück.
Wenn ich des Guckucks wäre!
Doch noch bis jetzt dank ich für diese Ehre.
Spräch Nabka so wie du, ich wär nicht faul.

Zieht ab.
NABKA.
Ich mag dich nicht, du hast ein schiefes Maul.

Greift nach einem andern.

Ha, du gefällst mir gut, du bleibst nun mein!
SCHRIBEN.
Bei dieser Sache müssen zweie sein.

Er reißt sich los.
[676]
STIMMEN AUS DEM HEER.
Verfluchte Hexen, laßt uns.
WRSCHOWETZ
tritt zurück.
Welch Geschrei?
STRATKA.
Die Mägdlein üben offne Freierei,
Sie buhlen falsch und heimlich nicht wie du.
WRSCHOWETZ.
Wählt beßre Zeit, und lasset uns in Ruh,
Sonst färben wir mit eurem Blut die Bahn.
SCHARKA.
Nicht gleich so oben aus, und nirgend an,
Den Göttern dankt, daß man noch einen will.
Ihr Dirnen, merkt sie euch, und bleibet still,
Begehrt sie morgen vor Libussens Thron!
MEHRERE DIRNEN.
Vorbei, vorbei, die Wahl gereut uns schon!
STIASON
mit roten Hahnenfedern auf dem Helm; als er an den vorliegenden Baum kömmt, zieht er sein Schwert, und spricht zum Heer.
Verfluchte Schmach! hier über meine Klinge
Spring jeder, ehe er hinüberspringe.
Hinweg, ihr Männer, mit dem Weiberbaum,
Raum für der Chechen siegreich Heer!
STIMMEN
sie heben den Baum weg, und dringen durch.
Raum, Raum!
WLASTA
hat Stiason mit Spannung angeschaut, und bricht plötzlich mit größter Heftigkeit gegen ihn.
Auf ihn, auf ihn! er ists, der rote Hahn!
Ich kenne ihn, zurück!
STIASON.
Bahn, Bahn!
Hindurch, an meinem Helmbusch klebt ihr Blut.
Die Waffen hoch!
STRATKA.
Ha, nieder mit der Brut!

Die Männer dringen mit Gewalt durch, die Dirnen drängen sie mit den Schilden über die Bühne, und
kehren zurück.
SCHARKA.
Was setzet, Wlasta, dich so sehr in Wut?
WLASTA.
Hast du gesehn an seinem Busch mein Blut?
Er wars, der nachts im Traume mich gestört,
Die blutge Feder hat mich so empört,
Ich kenn ihn, Stiason aus Heskys Stamm,
[677] Dem roten Hahn schwillt gegen mich der Kamm.
Doch eilet jetzt den kurzen Pfad durchs Holz,
Kommt ihnen vor, daß sie nicht unsren Stolz
Unvorbereitet vor Libussen klagen.
Ich gehe, Zwratka um den Traum zu fragen.

Die Mägdlein eilen schnell mit der Fahne durch den Wald ab.
WLASTA
allein.
In Zorn und kühnem Weiberübermut
Wogt noch gleich stürmschen Wellen mir das Blut,
Und schlägt ans Herz mir, wie die Meerflut schlägt
Ans Schiff, das einen Ungerechten trägt.
O ruhe, Sturm, o schwelle mir, Begier,
Die Segel auf nach ihm, den ich nur suche,
Nach einem Mann, der mir ein Abgott schier,
Zu dem ich bete, und zu dem ich fluche.
Ich muß ihn wiedersehn, ich muß ihn sprechen;
Doch eher soll ihn dieses Schwert durchstechen,
Eh will am Felsen ich mein Haupt zerschlagen,
Als meines Herzens Schmach ihm deutlich klagen.
Und würde er mit strengen züchtgen Sitten
Um meine Gunst, um meine Liebe bitten,
Wie sprach ich dann? – Schaff mir Libussens Ring!
Verfluchter Ring! da seh ich ihn schon wieder,
Er tanzt am dunklen Waldrand auf und nieder,
Wie er zur Nacht auf meinen Pfaden ging.
Ist es der Geist des Rings, der mich umschwebt,
Daß schaudernd sich das Haar empor mir hebt,
Daß meine Seele wie ein Schilfrohr bebt?
Was ists, das so in meinen Füßen strebt?
Ich muß, ich muß ihm folgen, dem Gesellen,
Und führte er zur tiefsten aller Höllen.

Sie eilt durch den Wald.

Die Hütte des Primislaus


Rings schöner Acker. Der Pflug Libussens steht vor der Hütte, an deren Seite ein Grabhügel. Primislaus tritt mit Slawosch aus der Türe.
SLAWOSCH.
Du kamst zur Hochzeit nicht, nicht zum Gericht?
PRIMISLAUS.
Ich habe keinen Streit, auch tanz ich nicht.
[678] Leicht würde mir des Vaters Grab entsühnt,
Das ohne Blumen noch kaum spärlich grünt.
Nahm froh Libussa teil an Kaschas Glück?
SLAWOSCH.
Mit Tetka ernsthaft im Gespräch sie schien,
Von ihrer Wandrung kam die spät zurück.
Auf einem Berg wird sie nun bald Tetin,
Ihr Schloß, erbaun, und Kascha baut Kaschin.
Auch soll ein neuer Gott gegossen werden.
PRIMISLAUS.
Ein Gött?
SLAWOSCH.
Der Götter, Himmels und der Erden,
Der Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht
Mit seines Leibes Stellung sichtbar macht,
Allgegenwärtig, ewig, unergründet.
Kascha hat ihn erfühlt, Tetka erdacht,
Libussa lebend bei der Wahl verkündet.
PRIMISLAUS.
Und welchem Meister wird man dies vertrauen?
SLAWOSCH.
Durch Gottes Willen, nicht von ungefähr,
Kam, unbekannt den herrlichen Jungfrauen,
Ein Mann mit einem Mägdlein zu uns her
Aus fremdem Land, wo diesem Gott sie dienen.
Zuerst sind meinen Augen sie erschienen,
Als nachts zur Wahl die Männer ich geweckt.
Ich fand bei Krokus' Eiche sie, erschreckt,
Denn Zwratka, dort in Zauberei versunken,
Verfluchte gräßlich sie, im Traume trunken.
Ich aber führte, die ein Dach begehrt,
Die Fremdlinge zu meiner Hütte Herd.
O, teuer sind die Gäste mir geworden,
Mein Geist ist ganz entflammt von ihren Worten.
Ein Bildner ist er, jenes Pachta Sohn,
Der Psary baute. Als ein Knabe schon
Ward er dem Vaterland entführt, und kehrt
Mit einer Jungfrau, schön, und tief gelehrt,
Zur Heimat, um zu bilden und zu bauen,
In Erz zu gießen und in Stein zu hauen.
Er zog auf meinen Rat der Tetka nach,
Der diese Jungfrau er wird anvertrauen.
Sie blieb bei mir, o wie sie göttlich sprach!
[679] Trost, Weisheit, Lehre fließt von ihrem Munde,
Von Zucht und Schönheit strahlt ihr Angesicht.
Selig, da ich sie fand, die heilge Stunde!
Denn solche Lehre kömmt von Menschen nicht.
Ein wunderbar Geschick bewegt die Welt,
Bild, Silber, Meister, die zu gleicher Zeit
Sich hier getroffen, also unbestellt,
Verkünden, daß der ewge Gott nicht weit.
PRIMISLAUS.
Vor vielen bist du, Slawosch, wohl gesegnet,
Daß dir die Fremdlinge zuerst begegnet.
Vergönne, Freund, mir, sie bei dir zu grüßen.
SLAWOSCH.
Bei Krokus' Hütte sie sich niederließen,
Wo sie zum Guß den Ofen schon erbaut.
Unheimisch sind sie noch, und unvertraut;
Von Zwratkas bösem Blutfluch noch erschreckt,
Hält vor den Priestern er die Magd versteckt;
Auch fürchtet von den Dirnen er Gefahr.
PRIMISLAUS.
Zu sehr begünstigt ist die freche Schar.
SLAWOSCH.
Heut nacht erst sah ich ihre tollen Sitten.
Unsinnig sind im Brauttanz sie gesprungen,
Das Schloß erbebte ihren wilden Tritten,
Und wie ein Kriegsheer haben sie gesungen.
Es flog ihr Haar im Sturmgebraus der Stimmen.
Und als im Tanz die Männer schon ermüdet,
Da höhnten sie, und schienen zu ergrimmen;
Da haben sie entsetzlich erst gewütet,
Der Saal mußt in vergoßnem Methe schwimmen.
Dem lahmen Lapack nahmen sie die Bank,
Und drehen mußt er, bis er niedersank
Im Wrtack, dem Tanz, den Raserei empfangen,
Die mit dem Schwindel ehlich sich begangen.
Als nun die Schwestern schon den Saal verließen,
Da ließen sie erst alle Zügel schießen,
Sie rasten, wie das wilde Heer zur Nacht,
Die Panzer rasselten gleich einer Schlacht,
Ja selbst die Eulen von des Schlosses Türmen,
Vom Lärm und Schein der Fackeln scheu gemacht,
Begannen, gen die Fenster anzustürmen.
[680] Stratka soff aus den größten Trinkgeschirren,
Und warf gen Kaschas Kammer sie mit Klirren.
Und als kein Krug, kein Glas mehr übrig war,
Da tranken sie den Meth aus Helmen gar;
Die Fackeln warfen sie im Hof zusammen,
Und sprangen, schrecklich fluchend, durch die Flammen.
PRIMISLAUS.
Aus diesen Dirnen ohne Scheu und Zucht
Erwächst noch einst dem Lande blutge Frucht,
Denn ihre Art erkenn ich an der Blüte.
SLAWOSCH.
Vor allen laut war Stratka im Gewüte.
Wlasta war still, doch schrecklich anzusehn;
Als ob sie über finstrem Schicksal brüte,
Sah, wie ein Steinbild, ich am Herd sie stehn,
Und plötzlich dann, wie aus dem Traum erwacht,
Mit ernstem Schritte um die Mitternacht
Ohn Gruß und Lebewohl vom Saale gehn.
Auch Scharka saß allein, in sich gekehrt;
Man sagt, daß sie den Biwog selbst begehrt.
PRIMISLAUS.
Auf jeden Mann, der ihnen sorglos naht,
Schaun sie mit frechen unverschämten Stirnen.
SLAWOSCH.
Heut abend halten die Wladicken Rat
Aus Sorge um den Übermut der Dirnen.
PRIMISLAUS.
Ich komme.
SLAWOSCH.
Lebe wohl, mein Primislaus!
PRIMISLAUS.
Zur Grenze, Freund, geleit ich dich hinaus!

Beide ab.
WLASTA
tritt erstaunt auf.
Hierher führt mich der Ring – wo ist er hin?
Verschwunden vor des Himmels vollem Glanz,
Als aus der Waldnacht ich getreten bin.
Umfriedet von des Zaunes blühndem Kranz,
In tiefer grader Furche liegt das Feld,
Zum Schutze sind rings Steine noch gestellt;
Wer wohnet hier? Vertraulich schmückt der Eppich
Der reinen Hütte Wand mit grünem Teppich.
Klar ist der Sinn, der so das Haus verziert,
Stark ist der Arm, der so den Pflug regiert!
Libussens Pflug! Weh mir, er selbst wohnt hier,
Und an dem Pflug Libussens Ring! Heil mir!
[681] Ich folgte einem doppelt heißen Triebe,
Mich trieb zum Mann, mich trieb zum Ring die Liebe.
Er hat ihn nicht geraubt, er kennt ihn nicht,
Dann wär er nicht zu jedermanns Gesicht.
Doch nimmer lasse ich ihm diesen Ring,
Mein müßt er sein, wenn er am Himmel hing;
Hat doch der Geist des Rings mich hergeführt,
Der Ring des Glücks nicht vor den Pflug gebührt,
Und führt das Glück den Pflug hier in dem Land,
So sei vor meinen Ring es nun gespannt;
Ich hänge meinen Ring ihm vor den Pflug,
Der jenem gleicht, er merket nicht Betrug.

Sie vertauscht die Ringe.

Und wird nun Wlasta durch den Glücksring groß,
Wirft sie dir, Primislaus, ein reiches Los!
Ein Liebeszeichen ist der Ringe Tauschen.
Wer naht? Ich höre die Gebüsche rauschen.
Er ists! Wie wandelt er mit sichren Tritten,
So kömmt ein edler Löwe hergeschritten!
PRIMISLAUS
tritt auf.
Ich grüße dich auf meiner stillen Flur,
Herrliche Magd, die die Avaren schlug.
WLASTA.
Ohn andres Lob ist mir dein Gruß genug,
Denn Fleiß und Zierde blüht auf deiner Spur!
PRIMISLAUS.
Bringst du Befehle in des Pflügers Haus?
WLASTA.
Mit Recht befragest du mich, Primislaus.
Nie sieht der Pflüger durch des Zaunes Grenzen
Im Sonnenstrahl die Waffen Wlastas glänzen,
Daß sie vom Thron nicht käme, ihn zu mahnen.
Doch komm ich nicht zu dir, dem Untertanen;
Heut bin ich Lapacks braune Tochter nur,
Und komm aus eigner Lust zu deiner Flur!
PRIMISLAUS.
So lege dann den schweren Helm von dir.
Heiß ist der Tag.
WLASTA
legt den Helm auf den Pflug, ihre schwarzen Locken wallen nieder.
Wie ruhig ist es hier!
Aufsinnend aus des Winters Stille, liegen Friede
Und Segen, von der Grille Wiegenliede
[682] Erwecket, in der Wiesen grünen Wiegen,
Wie Kinder spielend in den Wiegen liegen
Und beim Geschrill der Silberklingeln lächeln.
Die Spinne schon der Siwa Seide webet,
Ein reges Leben überm Saatfeld schwebet,
Der Sonne heißen Feuerschleier hebet
Ein kühles Lüftlein, an der Hütte fächeln
Die Eppichblätter, winken einzukehren,
Den Meth zu trinken zu des Wirtes Ehren.
Durchs Fenster wiegt der Wind die Frühlingsträume
In süßen Blütenkeimen frischer Bäume,
Daß sie sich küssen müssen und die Lüfte
Erfrischend würzen aus dem Kelch der Düfte.
Wohin mein Auge blickt, ist es erquicket,
Mir ist hier wohl, als sei ich auch ein Kind.
PRIMISLAUS.
Die Locken spielen freudig dir im Wind,
Die unter schwülem Helmdach dich gedrücket.
WLASTA.
Vergönnst du mir, o Freund, die volle Lust?
So leg ich auch den Panzer von der Brust.
PRIMISLAUS.
Du bittest mich?
WLASTA.
Weil du mir helfen mußt.
PRIMISLAUS
schnallt ihr den Panzer ab.
Ich schnall ihn auf, an meinem Pflug er liege,
Ein Friedensbild, der Pflüger, der dem Siege
Den Harnisch löst – du blutest!
WLASTA.
Von dem Kriege.
Es ist die Wunde, die Libussen galt,
Nie ruhend, strömt sie noch mein Leben aus,
Dreimal ergoß sie sich schon mit Gewalt.
Weg mit dem Schleier, hilf mir, Primislaus!
Libussens Schleier, der mich schlecht verband,
Ersetz ein Tüchlein mir aus deiner Hand.
PRIMISLAUS.
Ihr Himmlischen, o schenke mir den Schleier!
WLASTA.
Warum? was treibt dich? Brünstger greift kein Freier
Zum Schleier seiner Braut.
PRIMISLAUS.
Er ist mir teuer.
Erinnernd hänge er am Hausaltar,
Daß ich der Arzt der kühnen Wlasta war.
[683]
WLASTA.
So nimm ihn hin, und denke, daß dies Blut
Bei deinem Anblick wallend sich ergoß.
Seit mich verwundet Moribuds Geschoß,
Ist eine Angst in mir, die nimmer ruht,
Ja selbst zu dir trieb mich die innre Glut.
PRIMISLAUS
zerreißt ein buntes Tuch, womit er sie verbindet.
Dies bunte Tüchlein will ich mit dir teilen.
WLASTA.
Ich danke dir, du wirst die Wunde heilen,
Die nimmer ungeduldig sich ergießt,
Weil dieser edle Goldring fest sie schließt.

Sie schiebt den Ring über den Verband.

Mir ist so leicht, und schwerer doch ohn Waffen!
PRIMISLAUS.
Gepanzert trotzest du dem schönen Ziel,
Zu dem Natur dich weislich hat erschaffen;
Entwaffnet bist du heilger Triebe Spiel,
In dir regt des Geschlechts Bestimmung sich.
Der Wind, dein Haar durchspielend, mahnet dich:
Du bist ein Mägdlein, Ehre sei dein Gut
Und deine einzge Waffe fromme Zucht;
Der milde Mond regiere nur dein Blut,
Dein züchtger Leib trag züchtger Liebe Frucht.
Dein Busen, der sich frei zutage hebt,
Zeigt, wie dein Herz in milder Fülle bebt,
Und fessellos jauchzt deiner Schönheit Welle:
Ich bin des Lebens Schwelle, Lebens Quelle.
Erschreckend fühlst du, daß das Weib im Mann,
Der Mann im Weib nur ganz sich fühlen kann.
WLASTA.
Ich fühle mich als Jungfrau, rate mir!
PRIMISLAUS.
Der Quell des Rats springt in Libussa dir.
WLASTA.
Nicht trinke ich den Quell, ich hüt ihn nur.
PRIMISLAUS.
Rat wächst dir in der weisen Mutter Spur.
WLASTA.
Geheime Kunst und Ehr ist nur ihr Ziel!
PRIMISLAUS.
Der witzgen Jungfraun Schar bist du Gespiel.
WLASTA.
Der Stamm erholt sich Rats nie bei der Frucht,
Ratlos sind sie, wie ich, und selbst verlassen,
O nenne Jungfraun nicht, die Männer hassen.
Der ist kein Kind, der seinem Vater flucht
Genug, ich kenne dich, ich hab zu dir,
[684] Zu dir allein Vertraun im Volke hier.
PRIMISLAUS.
Folg deinem Trieb, so rein, er dir entspringt,
Den hör ich gern, der, weil er freudig, singt.
WLASTA.
Es singe, Primislaus, wer voll von Freude;
Ich, die voll Qual und tiefer Angst, ich leide.
PRIMISLAUS.
Dem Freunde, Wlasta, klage deinen Harm,
Dein Panzer lauschet nicht, dein Helm ist stumm.
WLASTA.
Sie schlummern tief in deines Pfluges Arm,
Ich wache, und die Scham bringt mich noch um.
O daß, ein Traum, ich auf dein Lager schwebte,
Du träumtest, was zu sagen ich erbebte.
PRIMISLAUS.
Ich lieb den Traum nicht, eines Kinds Gespenst,
Riß das Verfluchte aus der Mutter Schoß
Unreif der schwarze Gott im Zorne los.
WLASTA.
Es gleicht mein Leid dem Traum, wie du ihn kennst.
Ein Kind ists, denn vom Mann hab ichs empfangen,
Nur kurze Zeit bin ich mit ihm gegangen,
Daß ich es schon verfluchte tausendmal,
Denn es zerriß mein Herz mit bittrer Qual.
Dein Anblick aber ist der schwarze Gott,
Der unreif noch, eh ich es konnt verschmerzen,
Hervor mir es gerissen unterm Herzen;
So ward es ein Gespenst, ein Traum, ein Spott!
PRIMISLAUS.
Das Eisen, das du handhabst, aus dir spricht.
Trügst du die Spindel, also sprächst du nicht.
WLASTA.
Dann spänn ich endlos Weh am Faden nieder,
Und webte mit der Sorge Schiff, das wieder
Und ewig wieder kehrt, mein wachsend Leiden
Und bleichte es mit bittrer Tränenflut,
Um auf ein schlaflos Lager es zu breiten,
O! der Gedanke setzt mich schon in Wut!
Ein langes Spinnen, Weben meiner Schuld,
Ein Dornenlager meiner Ungeduld!
Unwürdger Trost dem Leid der kühnen Magd!
Jetzt wird in Männerwunden, in der Schlacht
Mit Schwert und Beil zu Grabe es gebracht,
Ertränkt im Blut des Bären auf der Jagd;
Doch wie ein Zauberpfennig, wie ein Alrungeist
[685] Steigt ewig mir, wälzt ich auch Berge drauf,
Das Leidgespenst in meinem Herzen auf,
Daß mir der wilde Schmerz die Wunde reißt.
Gieb mir den Helm, gieb mir den Panzer wieder,
Ich sag es nie im bloßen Haupt und Mieder!
PRIMISLAUS.
Entsetzlich Wesen eines wilden Weibs!
Triebst du mit frecher Arbeit deines Leibs
Ein unreif Kind aus deines Schoßes Hut,
Hast du geboren und in toller Wut
Die Hand getaucht in dein lebendig Blut?
So flieh und stirb, denn das wird nie mehr gut!
WLASTA.
Schweig! schweig! nie hätt ich angehört
Von einem andern, was mich so empört.

Sie waffnet sich schnell.
PRIMISLAUS.
Die Unnatur ward schon in dir Natur.
WLASTA.
Im Panzer, nennst du diesen Unnatur,
Kann sprechen ich von meiner Schwachheit nur?
Weh mir, ich ragte in der Dirnen Schar
Wie überm Wald die Eiche, der im Wipfel
Der Adler thront, der Phönix den Altar
Der Auferstehung baut, und nun im Gipfel
Girrt mir verbuhlt der Lado Taubenpaar.
Ich trieb die Feinde, bin vom Freund getrieben,
Ich haß die Männer, muß den Mann doch lieben.
Ich, fest, ein Fels, wo Pfeile es geregnet,
Beb wie ein Laub, seit mir ein Mann begegnet:
Es traf zur Wunde, die er mir gesegnet,
Des Liebesschützen Lelio giftger Bolz.
PRIMISLAUS.
Verschmähte dich ein Mann, den nennt ich stolz.
WLASTA
aufbrausend.
Und ich, ich schlüg ihn tot, und nennt ihn tot.
PRIMISLAUS.
So liebst du glücklich! Klagest ohne Not?
WLASTA.
Nicht glücklich lieb ich, eh er mein begehrt.
PRIMISLAUS.
Hat ihm dein Stolz, vom Siegesruhm betört,
Was deine Liebe ihm beschert, verschwiegen,
So leide Not; Stolz muß in Nöten liegen.
WLASTA.
Ich habe Not um meinen Stolz gelitten,
Ich habe gegen mein Gefühl gestritten,
[686] Als Magd, als Kriegerin mich ihm geneigt,
Die Krieges-, Liebeswunde ihm gezeigt.
PRIMISLAUS.
Und er, was sagte er?
WLASTA.
Er fragte!
PRIMISLAUS.
Vielleicht, daß ihm, nach des Geschenkes Reichheit
Zu greifen, die Bescheidenheit versagte.
Nicht Liebe, doch Vertraun verlanget Gleichheit.
Er wagte nicht, vor deiner Augen Blitz,
In deines Stolzes, deiner Liebe Kampf,
In notgedrungener Erklärung Krampf
Sein Glück zu lesen aus des Rätsels Witz,
Worin geschämig du dein Weh verhüllt,
Deß Ahndung ihn mit Seligkeit erfüllt.
Hilf ihm empor, erhebe seinen Mut,
Lob' seinen Fleiß, so mehret sich sein Gut,
Lehr ihn erwerben deiner Fürstin Gunst,
Den Liebsten adeln ist der Liebe Kunst.
Vertraue mir, sieh, ich versteh dein Leiden.
WLASTA.
Reich' mir die Hand, o du bist zu bescheiden!
Bald sollst du sehn, was Wlastas Liebe kann.
Der fromm mich nicht beschämt, dem lieben Mann
Bereite ich ein Glück, das zu beneiden.
Bei dir geht Rat und Tat auf ebnen Wegen.
Wie grünt auf deiner Flur des Fleißes Segen,
Das Apfelstämmchen selbst, am Pfahle, schlank,
Sagt einst mit Früchten deiner Pflege Dank!
PRIMISLAUS.
Im letzten Jahr gab eine Frucht es mir,
Sie ist von schönster Art, ich zeig sie dir!

In die Hütte.
WLASTA.
O selge Stunde, da ich zu ihm ging,
Denn er verstand mich, und ich fand den Ring.
PRIMISLAUS
mit einem Reinette-Apfel.
Sieh, diesen Apfel nennt man Königin,
Und einer Herzogin ist er bestimmt.
Wenngleich ich nur ein armer Pflüger bin,
Ist königlich doch meiner Gabe Sinn.
WLASTA.
Die Gabe ist, wie man sie giebt, sie nimmt,
Und keine Frucht zu hoch, die man erklimmt.
[687]
PRIMISLAUS.
Liebt wohl Libussa solche edle Frucht?
WLASTA.
Warum? O wohl, ich bin von ihrer Zucht,
So fällt der Apfel von dem Stamm nicht weit.
PRIMISLAUS.
Ja, ihre Weisheit wuchert weit und breit.
Den Apfel bring ihr, doch sei sie ersucht,
Mir zu bewahren seine edlen Kerne;
Ein treuer Hauswirt denkt gern in die Ferne,
Den Stab und Pflug hat sie mir einst gegeben!
WLASTA
stutzt bei der vorigen Rede; sie glaubte den Apfel für sich.
Sie muß dich zum Wladicken auch erheben.
PRIMISLAUS.
Was mir gebührt, das werde ich erleben.
WLASTA.
Leb wohl, mein Freund, es scheidet dein Gespiel.
PRIMISLAUS.
Ich geh desselben Wegs!
WLASTA.
Dann naht das Ziel!

Stiason tritt am Waldrand hervor.

Weh mir, Unseliger! hier ist es schon!
Sein Bild verfolget mich.

Sie flieht.
PRIMISLAUS.
Sie ist entflohn!
Bist du es, den sie flieht, und den sie sucht?
STIASON.
Ich suche ewig sie, sie fliehet mich.
PRIMISLAUS.
O wunderbare Sucht, verkehrte Flucht!
Sie sucht dich nur allein, und fliehet dich!
STIASON.
Daß sie mich fliehet, ist mir wohl bekannt,
Doch bin ich auf die Ferse ihr gebannt.
PRIMISLAUS.
Sie liebet dich?
STIASON.
Mich?
PRIMISLAUS.
So verstand ich sie!
STIASON.
Was so mich zu ihr reißt, versteh ich nie.
Die Liebe ist es nicht; daß sie ein Weib,
Das hab ich nie gedacht. Ihr stolzer Leib
Steht vor mir wie ein flüchtig Jägerziel;
Ich folge ihm, bis es dem Speere fiel.

Ab.
PRIMISLAUS.
Von Lel und Did sind sie zugleich getrieben,
Sie lieben sich, und können sich nicht lieben.

Er geht ab.
[688] Offene Halle auf dem Schlosse Libin. Durch die Bogen im Hintergrunde sieht man über die Moldau in das Waldgebirge. Links und rechts Türen, an den Wänden Steinbänke und Teppiche. Libussa. Tetka. Biwog. Kascha.
KASCHA
zeigt durch einen Bogen.
Dort auf dem Berg, der längs dem Flusse hin
Die Aussicht schließt, erbau ich mein Kaschin.
Umstaunet von der steilen Felsenwand,
Reicht dort auf Rasenteppichen im Tal
Die Moldau, ernst, im silbernen Gewand,
Wie eine Fürstin in dem Königssaal,
Der bundgenossenen Beraun die Hand.
Der Frühling schmückt dort schon am Uferrand
Mit seidner Wimper aller Weiden Augen,
Die träumerisch ihr Haupt zum Spiegel tauchen.
So ziehn die Flüsse, eine Augenweide,
Durchs Land, in blühendem Geleite beide.
TETKA.
Den Bau sollst, Kascha, du dem Mann vertrauen,
Der mir mein Schloß Tetin auch wird erbauen,
Wohin er neulich mir gefolget ist.
Den Plan hat er gar wunderbar vollendet,
Er ist voll tiefer Kunst und weiser List,
Hat auch des Zelu Formen schon beendet.
Dein Schloß wird er dir also herrlich baun,
Daß du mit Lust hinan, hinab wirst schaun.
KASCHA.
Er sei willkommen; sag, wie heißt der Mann?
TETKA
hinabschauend.
Pachta – und sieh, dort schreitet er heran.
BIWOG.
Er schreitet senkrecht, setzt den Fuß vertraut,
Als hätte er die Treppen selbst erbaut.
TETKA.
Sein Vater baute dieses Schloß. Verwandt
Ist ihm das Werk im Bild und im Verstand.
KASCHA.
Sein edles Antlitz ist voll Ernst und Ruh.
TETKA.
Nur wenig Stunden hörte ich ihm zu,
Und lernte doch von ihm unendlich viel,
Das in den dunklen Geist mir leuchtend fiel.
LIBUSSA.
Woher ist dieser Mann, ich sah ihn nie,
Wann kam er in das böhmsche Land, wo, wie?
[689]
TETKA.
Er nahet, höre es aus seinem Munde;
Was bringst du, Meister, Gutes uns heran?
PACHTA
tritt ein.
Ich bringe euch von Besserem die Kunde,
Das Gute selbst, ein treuer Untertan,
Der segnend seiner Fürstin Antlitz schaut.
Das ganze Land spricht deine Weisheit aus.
LIBUSSA.
Willkommen, Pachta, du bist hier zu Haus.
Es hat dein Vater dieses Schloß erbaut.
PACHTA.
Die Mauern schaun auf mich ernst und vertraut.
LIBUSSA.
Wie lange bist du hier in diesem Land?
PACHTA.
So lange Krokus' Stab in deiner Hand!
LIBUSSA.
Und wo, mein Meister, lebtest du bisher?
PACHTA.
Ich lebte zu Byzanz.
LIBUSSA.
Wo liegt Byzanz?
PACHTA.
Am Hellespont.
LIBUSSA.
Und dieses ist?
PACHTA.
Ein Meer.
TETKA.
Zu beßrer Zeit erkläre dies uns ganz;
Jetzt sage erst, was führet dich hieher?
PACHTA.
Gießt zu der Form selbst das Metall hinein,
Und schmelzt dem Bilde eure Wünsche ein.
KASCHA.
Wann wird zum Fluß es kommen?
PACHTA.
In der Nacht.
LIBUSSA.
Es wird im Dunkel mir die glühe Pracht
Das Aug ergötzen.
PACHTA.
Gott ists, und kein Götze.
Verzeih, ohn Grund ich nicht dein Wort versetze.
BIWOG.
Welch Holz trägst du, dreieckigt, im Gewand,
Und welches schiefe Eisen in der Hand?
PACHTA.
Dies ist das Winkelmaß, dies die Bleiwaage.
KASCHA.
Ich kenne beides, aber, Meister, sage,
Warum ist hier ein Auge hingemalt,
Das dreimal nach des Dreiecks Winkeln strahlt?
Erkläre dies, denn ich versteh es nicht.
PACHTA.
Auch diese drei sind eines Auges Licht,
Die Kugel aber, die im Auge schwebt,
Ist die geschaffne Welt, die in dem Stern
[690] Des Auges schweben muß, das sie belebt.
Sonst ist der Bau nicht recht, nicht in dem Herrn;
Dasselbe ist in anderem Gebrauch
Das Winkelmaß, ja alles andre auch.
BIWOG.
Hat solch Gerät dein Vater auch geführt?
PACHTA.
Das Winkelmaß, die Bleiwaage gebührt
Wohl jedem Maurer; viel und Hohes denkt
Der eine sich, der andre nichts dabei;
Wie mehr, wie weniger das Aug sich senkt,
Wird ihm die Aussicht enger oder frei.
Allgegenwärtig bleibt die eine Wahrheit,
Doch wenige begreifen sie in Klarheit.
BIWOG.
Das ist wohl herrlich, doch schwer einzusehn.
PACHTA.
O wer ist würdig, dieses zu verstehn?
LIBUSSA.
Doch du wohl selbst, da es dein Mund verkündet?
PACHTA.
Ich glaube es, ich bin davon entzündet.
Und bleibt er gleich mir ewig unergründet,
Sterb ich ihm doch.
BIWOG.
Wem?
PACHTA.
Dem Dreieinigen,
Dem einen ewgen Gott, dem meinigen,
Den ihr als euren Zelu habt genannt,
Der unter tausend Namen wird bekannt.
LIBUSSA.
Wer lehrte alles dieses, Pachta, dich?
PACHTA.
Am Haus des Herrn, am Tempel, baute ich,
Da hört ich fleißig weisen Meistern zu.
LIBUSSA.
Sprachst mit Drzewoslaus, dem Priester, du?
PACHTA.
Arm ist des Menschen Mund, und allzuschnell
Wird leicht das ausgesprochne Wort lebendig.
KASCHA.
Und was heißt dies?
PACHTA.
Der Bildner, der verständig,
Erwärme erst die Form, eh er den Quell
Des glühenden Metalles noch erschließt.
Sonst bricht sie, und die Feuerwelle schießt
Vernichtend auf den Meister und das Haus,
Es rinnt die Masse durch die Risse aus,
Des Gottes Bild erstarrt zur Mißgestalt.
TETKA.
Mißlang dir jemals so ein Werk?
[691]
PACHTA.
Mir nicht;
Doch einem Meister im herzynschen Wald,
Aus einer Schule, die man Corbey nannte.
Er zog auf Arbeit aus dem Vaterlande,
Goß zu Arkona auch ein heilig Bild.
Ihm ward zu früh lebendig da das Wort;
Kalt war die Form, der Glutstrom brach sie wild,
Kaum kam er mit dem Leben von dem Ort,
Weil gegen ihn die Feuerwelle schoß.
Aus einem Sancto Vito, den er goß,
Ward ungestaltet nur ein Swantowid.
BIWOG.
Nur um ein O ist ja der erste größer;
Das scheinet doch kein großer Unterschied.
PACHTA.
Und jenen gar gefiel er noch viel besser.
Doch mit dem Tage uns das Licht erwacht,
Und andre liegen währenddem in Nacht.
So lebt dann wohl, ich rufe euch zur Zeit.
TETKA.
Auf Wiedersehn, wir halten uns bereit.

Pachta ab.
BIWOG.
Ein seltner Mann, doch unverständlich spricht
Er nur in Redensarten seiner Kunst,
Und wer kein Maurer ist, versteht ihn nicht.
Mir, der ich Jäger bin, wärs eine Gunst,
Doch das lebendge Wort einmal zu sehn.
KASCHA.
Du möchtest wie den Eber es bestehn;
Als Bildner spricht in Bildern er verhüllt,
Oft ahnd den Sinn ich, der das Bild erfüllt.
TETKA.
Sein Wort, ein Blitzstrahl, mir ins Innre fällt,
Der mir geheimer Ahndung Bild erhellt,
Sein Licht beleuchtet eine andre Welt.
LIBUSSA.
Er glaubt den Gott, deß Bild sein Werk uns schenkt.
So glaube ich ihm, wie ers meint und denkt.
BIWOG.
Nur Maurer, wie gesagt, verstehen ihn,
Ihr alle baut, Libin, Kaschin, Tetin.
LIBUSSA.
Du scherzest, doch mit Recht, denn unverständig
Hat in ihm selbst sein Meister sich entfaltet.
In ihm ward auch das Wort zu früh lebendig,
Und seiner Rede Bild ist mißgestaltet.
[692]
TETKA.
Das Ganze reinigt sich von unserm Tadel,
Denn jeder Teil zeigt von des Ganzen Adel!
BIWOG.
Ich wüßte keinen, der an Ernst ihm gleicht;
Seht, wie er fest die Treppen niedersteigt.
Er sieht nicht auf, hört nicht die Waffen klingen
Der Dirnen, die am Fels dort niederspringen.
Gleich sind sie hier.
KASCHA.
Hört ihr, das Heerhorn schallt.
BIWOG.
Das Heer zieht auch heran, dort links am Wald.
LIBUSSA.
So siegten sie.
BIWOG.
Durch sie macht mit dem Schwert
Wlasta sich Bahn.
LIBUSSA.
Sie kömmt, allein, zu Pferd?
Seit ihrer Wunde lenkt sie aus der Bahn.
BIWOG.
Schon holte sie die Mägdlein ein, sie nahn!

Trompetengetön, vor den Bogen füllet sich die Durchsicht mit den Dirnen, die drei Führerinnen treten herein. Wlasta überreicht Libussen den Apfel des Primislaus auf ihrem Schilde.
WLASTA.
Den Pflüger, dem ich heute früh begegnet,
Hat Siwa mit dem Apfel hier gesegnet.
Man nennet diesen Apfel Königin,
Und einer Herzogin ist er bestimmt.
LIBUSSA.
Die Gabe ist, wie man sie giebt, sie nimmt,
Und königlich ist seiner Gabe Sinn.
WLASTA.
Doch bittet dich der Geber um die Kerne.
LIBUSSA.
Ein guter Hauswirt denkt auch in die Ferne.
WLASTA.
Libussa!
LIBUSSA.
Nun?
WLASTA.
Du machest mich erbeben.
Du sprichst wie er!
LIBUSSA.
Der dir die Frucht gegeben?
Für mich? Man kann ja wohl beim Apfelbrechen,
Beim Geben, Nehmen anderes nicht sprechen.
WLASTA.
Du solltest zum Wladicken ihn erheben.
LIBUSSA.
Was ihm gebührt, das wird er auch erleben!
WLASTA.
Auch dies sein Wort!
LIBUSSA.
So fällt vom Stamm nicht weit
[693] Die Frucht, ich lese dunkel in der Zeit.
WLASTA.
Von deinem Wesen ganz erschüttert steh ich.
LIBUSSA.
Habt ihr geworben? Viele Helme seh ich.
SCHARKA.
In Eid hat sie dein Handschuh mir genommen.
STRATKA.
Bei deiner Fahne schrieen sie Huihussa!
LIBUSSA.
Seid mir gegrüßt, ihr Dirnen, seid willkommen!
DIE DIRNEN.
Huihussa, Heil der Herzogin Libussa!

Man hört die Hörner des Heeres.
STRATKA
zu Wlasta, die tiefsinnig ist.
Sie nahen schon; sprich nun, was sinnest du?
WLASTA
vor Libussa tretend.
Die Männer wollten, Fürstin, durch Djewin,
Der Mägdlein Siegsfeld, ungebeten ziehn;
Nur mit gesenkten Waffen gab ichs zu.
STRATKA.
Und mir warf Wrsch, mit Hohn den Hohn zu büßen,
Das blutge Haupt des Moribud zu Füßen,
Das sühnend ich dem Feuer übergeben.
LIBUSSA.
So sterben alle, die uns feindlich leben!
Vergoßt im Zank ihr mit den Männern Blut?
SCHARKA.
Mit flachen Klingen und mit scharfen Worten
Ist nur die leere Luft verwundet worden.
LIBUSSA.
Wohlan! doch mäßigt euren Jugendmut,
Traut nicht dem Wolfe, wenn er schlafend ruht.
Ich bin durch ihre Wahl das, was ich bin,
Der freien Böhmen freie Herzogin.
Ihr seid durch meine Wahl das, was ihr seid,
Frei seid ihr, meiner Freiheit frei zu dienen;
Doch solchem Ehrendienst folgt auch der Neid.
Ihr steht mir näher, doch nicht über ihnen.
Die dient mir schlecht, die mir den Löwen rauft
Und aus dem Schlafe mir den Feind erweckt.
Neckt sie nicht mehr, als jedes Mägdlein neckt
Zum Scherz den Mann. O Freiheit, hoch erkauft!
Ein fester Panzer bleibt mir, der mich schützt,
Ein Säulenchor, das meinen Thron mir stützt,
Libussens Sicherheit, Libussens Zier,
Doch werdet nimmer ein Gefängnis mir,
Daß, mich zu sehn, mein Volk euch nicht vernichtet.
[694] So ihr zu sehr in Übermut gewichtet,
Reißt mich des Helmes Last vom Throne nieder,
Und sichrer als mein Panzer wär mein Mieder.
Nun ordnet euch, zur Seite sollt ihr stehn,
Das Heer begrüßet, laßt die Fahne wehn.

Die Führerinnen treten hinaus, die Schar der Dirnen öffnet sich, das Heerhorn der Männer wird von den Trompeten begrüßt. Domaslaus und Wrschowetz treten durch den Mittelbogen ein, und legen Libussen eroberte Fahnen zu Füßen.
DOMASLAUS.
Libussa, nimm die Beute deines Glücks,
Und würdge deine Sieger eines Blicks.
WRSCHOWETZ.
Der Feinde Wut hat unsern Kampf verkürzt,
Die nicht zerstreut, die wir zermalmet haben.
Nicht wie der Sturm sind wir auf sie gestürzt,
Nein, wie ein Fels, von Schwertern untergraben.
LIBUSSA.
Seid mir vor allen Männern hochgeehrt,
Die Waffen teilet würdgen Kriegern aus,
Die Fahnen schmücken eurer Fürstin Haus.

Sie tritt in die Halle.

Heil dir, mein Volk, das siegreich mir gekehrt,
Zieht freudig heim, ich segne euren Herd.
Ihr Mägdlein, traget ins Gemach die Wunden,
Durch Kaschas Pflege sollen sie gesunden.
DAS HEER.
Heil dir, Libussa!
GESCHREI DER VERWUNDETEN.
Weg, laßt uns, ihr Dirnen!
LIBUSSA.
Wer tobet so?
DOMASLAUS.
Die wunden Krieger zürnen!
WRSCHOWETZ.
Nicht lassen sie sich von den Weibern tragen,
Die kaum mit schnöden Worten sie geschlagen.
LIBUSSA.
So tragt sie selbst, ich kenne deine Klagen.
Doch in des Tages siegerfülltem Lauf
Gebt kleinen Streit um meinetwillen auf!

Verwundete werden durch die Seitentüren getragen; Kascha, Tetka und Biwog folgen.
WRSCHOWETZ.
Erlaube, Fürstin, daß wir dich verlassen.
DOMASLAUS.
Wir müssen unsre Krieger nun entlassen.
[695]
LIBUSSA.
Verweilet noch, seid meines Mahles Zierde.
WRSCHOWETZ.
Der Meth, den du zutrinkst, mehrt die Begierde –
Nicht nach dem Honig, der den Trank versüßte,
Nein, nach der Lippe, die den Becher küßte.
DOMASLAUS.
Das Fleisch, das du uns vorlegst, mehrt den Reiz –
Nicht nach dem Fleisch, und doch –
LIBUSSA.
O schweige, Geiz!
Selbst einen Scherz gönnst du ihm nicht allein,
Grob macht der eine, was der andre fein.
Die Worte ihr so glücklich nicht verschwendet,
Als eure Schwerter siegreich ihr entblößt.
Heil hast du, Wrsch, die Zunge ausgelöst,
Die Stratka dir an Moribud verpfändet;
Doch, daß ihr nicht so nüchtern geht von dannen,
Mach ich um euren Sieg euch zu Zemannen,
Und geb euch zu dem Meth, den ihr nicht trinkt,
Und zu dem Fleische, das ihr hier nicht esset,
Als Nachtisch hier der Äpfel Königin,
Die euch zu essen niemals auch gelingt.

Sie reicht ihnen des Primislaus Apfel.

Seht, sie ist rot, damit ihr nicht vergesset,
Daß ich vor eurem Scherz errötet bin.
Teilt euch in sie, doch keiner sie zerschneide.
Lebt wohl! Zeigt euch so weis als tapfer beide.

Ab.
DOMASLAUS.
Wie scherzhaft und wie reizend war ihr Wesen!
WRSCHOWETZ.
O wäre sie zweideutiger gewesen!
DOMASLAUS.
Der Apfel wäre dann in zwei gedeutet.
WRSCHOWETZ.
Zwei Namen und ein Apfel sind erbeutet!
DOMASLAUS.
Wir brechen auf, der Apfel ruh im Schild.
WRSCHOWETZ.
Tragt ihn uns vor, ein kernhaft Siegesbild!

Sie legen den Apfel auf einen Schild, und lassen ihn vor sich hintragen; das Heer zieht mit ihnen ab. Die Dirnen gehen rechts und links in die Türen, Wlasta bleibt zuletzt allein.
WLASTA.
Den teuren Apfel gab sie hin zum Hohn,
Ich hätte ihr um dieses Apfels Lohn
[696] Den Bart geholet von des Etzels Kinn.
Ja, wärf sie diesen Apfel auf den Grund
Der Moldau, niedertaucht ich in den Schlund.
Schlecht schätzt sie königlicher Gabe Sinn,
Und besser war die Gabe, als sie gab,
Und weit vom Stamme fiel der Apfel ab.
Wie er ihn liebte, als sein Liebstes ihn
Der Stolzen sendete; warum nicht mir?
Nicht als des Spottes Preis gäb ich ihn hin.
Ich eifre mit den Lüften, die er trinkt,
Und mit dem Laub, das ihm am Fenster winkt
Erhebe deinen Freund, sprach er zu mir,
Dann wagt er in die Augen dir zu schauen;
Dem böhmschen Adler will das Nest ich bauen.
So hoch, so hoch, daß er mit Zuversicht
Mag blicken in der Sonne Augenlicht.
Ja höher, als Libussens Taube flog,
Und höher, als der Schwan am Wahltag zog,
Um Primislaus ist mir kein Preis zu hoch,
Libussa nicht, ja selbst die Götter nicht.
Sind ganz die Mägdlein erst mir zugetan,
So steige ich zum Stuhle Chechs hinan.
Sie wuchs am Herrscherstamm aus fremder Rute,
Ich bin unmittelbar aus Krokus' Blute.
Sie darf sich nimmer einem Mann ergeben,
Ihn will ich an dem Herzen mir erheben.
Mir zieht der Ring mit Macht die Hand zur Krone,
Und reißt mit goldner Fessel mich zum Throne!
LIBUSSA
tritt auf.
Die lästgen Freier wichen schon, wohl mir!
Denn schwerer wird es diesen frechen Chechen,
Sich meiner als des Diebstahls zu entbrechen.
WLASTA.
Du wirst zum Diebstahl ihnen, denn mit dir
Wird ungerechtes Gut durch sie geraubt.
LIBUSSA.
Die Krone locket sie auf meinem Haupt.
WLASTA.
Elende Männer, eitel, ehrvergessen,
Durch ewigen Besitz seid ihr besessen.
Entartet der Natur, Herrn irdscher Güter,
[697] Nicht kennend göttlicher Begierde Sporn,
Sind sie erkünstelten Besitzes Hüter;
Gestachelt von des Geizes nacktem Dorn,
Erwuchert stets das fruchtlose Geschlecht,
Und wird um Geizes Sold des Reichtums Knecht.
LIBUSSA.
Sie krönten mich als ihres Zieles Säule,
Und schießen nach der Krone ihre Pfeile.
WLASTA.
Und du, was wirst du tun?
LIBUSSA.
Ich bin ein Weib,
Ich fühle, daß ichs bin; doch wird mein Leib
Es ewig diesen Elenden verschweigen,
Der Sterne Willen nur muß er sich neigen.
Sie krönten mich als Ziel, ich mein Geschlecht,
Es blühe seine Zier mir ungeschwächt.
Dem Mond folgt unsre Blüte nicht vergebens,
Wie Sonnenblumen sich zur Sonne lenken.
Es steht das Weib am Born des ewgen Lebens,
Den Staat aus Quellen der Natur zu tränken;
Die Götter geben gern mit unsern Händen.
Die linke, ruhend in des Lebens Schoß,
Spinnt, webt die rechte, Segen auszuspenden,
Und wirft die Liebe uns ein fruchtbar Los,
Gehören nimmer wir doch ganz dem Mann,
Der, allen Göttern bundesbrüchig, thront,
Der freie Knecht, der knechtische Tyrann,
Der süße Lust mit bittrer Last belohnt
Und in der selbstgeschaffnen Rechte Bahn,
Fern der Natur, im Eigensinne wohnt.
Dem Ewgen fremd, dem Zeitwahn untertan,
Füllt Streit und Neid des Widerwärtgen Bahn.
Ans Leben sind wir Darlehn der Natur,
Den Sternen nur gehört die Jungfrau an,
Und wenn ihr Schoß in Liebe hat empfangen,
Gehört die Mutter ihrem Kinde nur,
Ihr Stern ist in ihr selbst dann aufgegangen.
WLASTA.
Den äußern Sternen lasse uns verbleiben,
Verschließen vor den innren unsre Demut.
LIBUSSA.
Die Reben weinen, eh sie Blüten treiben,
[698] Es weint die Braut, die Liebe ist voll Wehmut,
Es klagt Natur um heiligen Verlust.
WLASTA
heftig.
Sie klagt, sie klagt, ja sie zerreißt das Herz!
LIBUSSA.
Was ist dies, Wlasta, welcher schnelle Schmerz
Bewegt so plötzlich stürmend deine Brust?
Seit Tagen schon find ich verwandelt dich.
WLASTA
faßt sich.
Die Hochzeit deiner Schwester quälte mich,
Ich fürchtete, sie könnte dich verführen.
LIBUSSA.
Was wäre ich verführt, was nennst du so?
WLASTA.
Wer wäre so viel wert, dein Herz zu rühren?
Kein Würdiger kann deine Hand erwerben.
Verführt, erniedrigt nur wirst du zum Weib.
LIBUSSA.
Beruh'ge dich, ich werd es nimmer so,
Denn meine Ehre gönn ich meinen Erben,
Und wie du selbst behüt ich meinen Leib!
Was hat dich zu dem Pflüger heut geführt?
WLASTA.
Die Ehre, die der Herzogin gebührt.
Ich bat ihn, weil ich sah, wie er dich ehre,
Daß er die Stimmen für dein Magdtum mehre!
LIBUSSA.
Und er versprachs?
WLASTA.
Mit Freuden, denn er gleicht
An stillem Fleiße und an reiner Sitte
Mehr einer Jungfrau selbst als einem Mann;
Die Gabe seiner Einfalt schon bezeugt,
Und mehr noch um die Kerne seine Bitte,
Die ihm Libussa nicht erfüllen kann,
Denn jenen Apfel –
LIBUSSA
gerät in Begeisterung.
Ja, ich gab ihn hin,
Und wahrlich, ja, er muß ihn wieder haben,
Ihm wird sein Apfel, seine Königin,
Und seine Kerne, ja ein ganzer Wald
Von seiner Zucht wird späte Zukunft laben.
O er wird stark, ihn hebet die Gewalt!
WLASTA
die mit Erstaunen zugehört.
Wie meinst du das?
[699]
LIBUSSA
unbefangen.
Wie nennst du diesen Mann?
WLASTA
lauernd.
Ich weiß es nicht!
LIBUSSA
ernst.
Der Nachruhm wird ihn nennen.
WLASTA.
Wie meinst du das?
LIBUSSA.
Libussa kann nicht meinen.
Ich fühle es, ich muß es so bekennen,
Ich sage es, es ist durch mich gesagt,
Man sagt es mir, ich hab nicht drum gefragt,
Den Göttern sei mein Leid darum geklagt!
Frag ihn, ob er den Apfel nicht erhielt.
WLASTA.
Die Götter haben jetzt mit dir gespielt.
LIBUSSA.
Die Jungfrau ist ein Spiclwerk seiger Götter.
WLASTA.
Unschuldges Spielwerk, selge kindsche Götter!
LIBUSSA.
O frevle nicht, sie möchten zornig werden!
WLASTA.
Und würfen dann das Spielwerk an die Erden.
LIBUSSA.
Und es zerbräche, und es wär ein Weib!
WLASTA.
Ihr Götter, zürnt Libussen nicht, zürnt mir!
LIBUSSA.
Zerbrechlich ist des Schicksals Zeitvertreib,
Es spielet so mit mir, gleich wie mit dir!
Doch schonen sie wohl mein um deinetwegen.
WLASTA.
Und mir, mir wird um dich des Himmels Segen.
LIBUSSA.
Nun laß uns zu den wunden Kriegern gehn.
WLASTA.
So liebe ich die Männer nur zu sehn.

Platz im Hain.
PRIMISLAUS.
Noch herrschet auf dem Sammelplatz der Frieden,

Man hört der Männer Heerhorn in der Ferne.

Sie kommen spät, sie nahn, ich hör das Horn.
Wem wird der Ring? O, blieb es unentschieden!
Es treibe sie des gleichen Neides Sporn!
Daß jeder wieder nach dem Ringe greife,
Dann blieb ich Hüter von dem goldnen Reife.
Seh ich ihn an, bin ich voll kühner Wonne
Der Zielstern meines Pfluges in der Sonne.
Ihr Pflug, ihr Stab, ihr Armring und ihr Schleier
[700] Schmückt mir das Haus wie einem selgen Freier.
Der gleiche Ring an Wlastas Arm allein
Verführte mich, ihr also mild zu sein.
Wie hat des Jünglings Anblick sie erschreckt,
Zu dem sie heiße Liebe mir entdeckt.
Der, den sie sucht, hat sie hinweggetrieben.
O Unnatur! sie liebt, und möcht nicht lieben.
Sie muß ein Weib sein, wäre lieber keines,
Und war sie keines, würde sie gern eines.
Wie war sie, waffenlos, ein edles Bild,
Ihr Leib geschwungen, ihre Rede mild,
Erschienen in der Schönheit Sieg begeistert;
Ja siegreich wäre sie, blieb sie jungfräulich,
Doch von des Panzers Tyrannei gemeistert,
Ihr Leib gezwungen, ihre Rede wild,
Wird sie in fremdem Eigensinn abscheulich.
Es herrscht in ihrer Brust ein steter Kampf,
Und ihre Liebe wird ein böser Krampf.
Die Mutter zaubert, und der Vater hinkt,
Unruhe ist der Tochter cingchcxt,
Die aus so widcrwärtgcm Stamme wächst
Und nun an frecher Freiheit Quelle trinkt.
Des Leibes Schönheit zaubert, doch es muß
Die Seele ihr, gleich einem lahmen Fuß,
Die Weiblichkeit nachschleppen, um zu lieben.
Vom Stolze auf den hohen Fuß getrieben,
Zwingt Liebe auf dem kurzen sie zu hinken.
Schad' um des Leibes Zier, Wlasta wird sinken!
WRSCHOWETZ
hinter der Szene.
Ihr Männer, lagert friedlich euch umher!
PRIMISLAUS.
Die Stimme Wrschs! er redet mit dem Heer!
WRSCHOWETZ.
Habt redlich ihr geteilt des Tages Beute,
Entlasse ich euch noch am Abend heute.

Wrschowetz und Domaslaus treten auf, in dem Schilde den Apfel, mit Laub bedeckt, zwischen sich tragend.
PRIMISLAUS.
Heil euch, und Ruhm, ihr siegreichen Wladicken!
WRSCHOWETZ.
Wladicken? ist sonst nichts an uns zu blicken?
[701]
DOMASLAUS.
Erhole dich, laß dich den Glanz nicht blenden,
Und spreche das aus, was wir jetzt abbilden.
PRIMISLAUS.
Wie das? Ich sehe Beulen in den Schilden,
Ich sehe Feindesblut in euren Händen.
Siegern gleicht ihr vom Kopf bis zu den Füßen,
Drum wollte ich als solche euch begrüßen.
WRSCHOWETZ.
Zur Stirne müssen wir den Namen schreiben.
DOMASLAUS.
Die Ehre uns in unsre Wunden reiben,
Dann kömmt sie uns ins Blut und wird zur Art.
WRSCHOWETZ.
Sie tobt in allen Adern mir, beim Tschart!
PRIMISLAUS.
Wladicken, warum seid ihr mißvergnügt?
DOMASLAUS.
Wladicken waren wir, so halb vergnügt.
WRSCHOWETZ.
Zemannen wurden wir, ganz mißvergnügt!
PRIMISLAUS.
Zemannen? saget mir, was sind Zemannen?
DOMASLAUS.
Zemannen sind, was wir im Sieg gewannen,
Zemannen werden so wie wir gemalt.
Zemannen sind, die man Zemannen nennt.
WRSCHOWETZ.
Unwissender! der nicht die Münze kennt,
Mit der Libussa unser Blut bezahlt.
DOMASLAUS.
Drum gab noch andre Münze uns ihr Spott,
Das Volk kennt sie, doch teilet sie kein Gott!
PRIMISLAUS.
Sagt lieber mir, wem wird der Ring gebühren,
Wer von euch beiden trägt des Kampfes Preis?
WRSCHOWETZ.
Du weißt noch nicht, was wir im Schilde führen,
Wir tragen beide gleich des Sieges Preis;
Weil größer ich als Domaslaus nicht bin,
Ruht er inmitten, neigt zu keinem hin.
PRIMISLAUS.
So ihr nicht sprecht, leg ich den Ring hier nieder,
Und kehre ruhig zu der Hütte wieder.
WRSCHOWETZ.
Du mußt ihn noch zu halten dich bequemen,
Denn läg er hier, wir wüßten nicht, wer nehmen.
So höre dann Libussens stolzen Hohn,
Sie nannte uns zu unsres Sieges Lohn
Zemannen.
PRIMISLAUS.
Hat sie euch dazu gemacht,
So seid ihrs, dankt den Göttern, daß ihrs seid.
Hat euch der Name Ehre nicht gebracht,
[702] So möget ihr dem Namen Ehre bringen;
So ehrbar als ihr seid, bei meinem Eid!
Wird, euch verehrend, das Zemann erklingen.
WRSCHOWETZ.
So klingt es dann so herrlich als zwei Helden,
Die eines halben Apfels Wert nicht gelten;
Den Apfel gab sie uns, mit Ruhm zu melden:
Teilt ihn, sprach sie, doch teilt ihn nicht in zwei.
DOMASLAUS.
Selbst Zwratka kann dies nicht mit Hexerei,
Mit Segensprechen und mit Geisterbannen.
PRIMISLAUS
nachdem er den Apfel aufmerksam betrachtet.
Noch schwerer wird das Rätsel, ihr Zemannen,
Denn wißt, daß mir die Kerne angehören.
Sie vorbehaltend mir zu neuer Zucht,
Schenkt ich durch Wlasta heut ihr diese Frucht,
Und seht, ich will sie euch zu teilen lehren.
Des Zankes Apfel ists, gebt ihn der Erde,
Daß er in seiner Frucht euch teilbar werde.
Um Rosen pflanzt den Dorn, Zeit bringet Rosen.
Gras wächst euch überm Frieden. Lang wird gut.
Wer pflanzt, dem blüht. Weil' haben will gut Ding.
DOMASLAUS.
Wir wollen kurz und gut.
PRIMISLAUS.
Wem wird der Ring?
WRSCHOWETZ.
Behalte ihn nur noch in deiner Hut.
Wer um die Braut, wird um den Ring nicht losen,
Und wird sie mein, gieb ihn an Domaslaus.
DOMASLAUS.
Gieb ihn dem Wrsch, führ ich die Braut nach Haus.
PRIMISLAUS
schiebt den Ring in den Busen.
Wie ihr es wünscht.
DOMASLAUS.
Dort kommen unsre Männer!
WRSCHOWETZ.
Nun laßt uns sehn, ob sie Zemannenkenner.

Rozhon, Chirch, Lapack, Druhan, Chobol und andere Männer des Heeres.
ROZHON.
Willkomm, Wladicken!
DOMASLAUS.
Nein, Zemannen sprich.
ROZHON.
Und spreche ich Zemann, was spreche ich?
WRSCHOWETZ.
Du sprichst, wozu nach blutersiegter Schlacht
Uns eine kecke Jungfer hat gemacht.
[703]
ROZHON.
Was ist es für ein Ding?
WRSCHOWETZ.
Was ich nicht weiß,
Beim schwarzen Tschart ein rechtes Jungferding,
Und darum macht es mir gewaltig heiß.
DOMASLAUS.
O wär es das, dann wäre es doch das,
Ein Fingerhut, ein Nadelöhr, ein Ring!
Wir könnten leicht dem Namen uns bequemen,
Wir könnten uns, ohn vieles weitre Schämen,
Die Ehre geben, uns die Ehr zu nehmen.
ROZHON.
Dies Adlen, Männer, ist ein Jägerstreich,
Den hohlen Kürbis wirft sie in den Teich
Als Spiel der Ente vor, doch in dem zweiten
Ist schon der listgen Jägrin Kopf versteckt,
Um unbemerkt dem Fange nachzuschreiten.
Vom Kürbis, der sich schwimmend mit ihm neckt,
Wird leicht das unvernünftge Tier betrogen
Und, von der listgen Hand hinabgezogen,
Tot in der Jägrin Gürtel festgesteckt.
DOMASLAUS.
Sie meint wohl so, doch ich, ich mein' nicht so,
Ich kenne wohl die Falle, die sie stellt.
WRSCHOWETZ.
Giebt sie den Gürtel nicht als Lösegeld,
Wird der Zemannheit nimmermehr sie froh.
LAPACK.
Nicht klagt, Wladicken, denn des Lands Geschick
Begehrt euch zäher, männlicher als dick.
DOMASLAUS.
Sie macht mit diesem Apfel uns zu Knaben,
Den wir als Preis des Siegs erhalten haben.
ROZHON.
Mich jagt von Haus und Hof sie um die Eichel,
Die vor Jahrhunderten zur Erde fiel,
Weil Slawoschs heiligtuendes Geschmeichel
Ihr besser als mein freies Wort gefiel.
Bedenkt, ihr Männer, noch steht es bei euch,
Wollt ihr verderben in dem Weiberreich,
Laßt wurzeln länger auf dem Thron die Hexe,
Hegt ihrer Dirnen stachlichte Gewächse,
Umzäunt bricht sie vom Dornenzaun der Frauen
Den Zank, die Ruten, um euch auszuhauen.
Dem Volke seine Waffe wegzunehmen,
Sucht mit dem Klang von leeren Ehrennamen
[704] Sie sich die Starken, Mächtigen zu zähmen,
Und fälscht mit hohlem Dinkel edlen Samen.
Nichts Männliches sei mehr in Zukunft groß,
Des Vaters Ruhm wird nun kein Sohn mehr erben,
Denn in verkehrter Dirnen frechem Schoß
Trägt alle Männlichkeit sie ins Verderben.
Erkennt, ihr Blinden, euer schwächlich Los,
In euren Kindern sollt ihr fort noch sterben.
Sie läßt allein die Männer nicht entmannen,
Daß ihr zu Unzucht, Nachzucht Werkzeug bleibt.
Der Seele Mannheit will sie nur verbannen,
Indem sie alle Weiber uns entweibt.
Ertragt ihr dies, so laßt die künftgen Zeiten
Ohn ihren eignen Schaden sie verschneiden.
Riecht nur ein Weib in dieser Hexe Spur,
So ist auch gleich verwechselt die Natur.
Mit allen Schwarzen stehet sie im Bunde.
Mein Weib zu prügeln war nur schlechte Freude,
Sie schmiegte sich gleich einem feigen Hunde,
Da lief sie von der Wiesenmahd mir heute,
Und bei den Dirnen kaum erst eine Stunde,
Heult sie mich an aus dieser Betzen Meute.
Es war die Kahle sonst gar leicht gemaust,
Leicht stopfen hatt ich ein kleinmündig Maul,
Im Roßschweif mausig jetzt, zeigt sie vom Gaul
Mir dick wie einen Pferdehuf die Faust.
HOWOR.
Ihr schuldlos Kind erkennet Nabka nicht?
POPLOPECK.
Und lügt dazu, ich hab' ein schiefes Maul.
WASTIL.
Den Ring warf Hodka mir ins Angesicht.
MILICK.
Milenka ließ mein Kraut zu Haus verbrennen.
WRSCHOWETZ.
Der frechen Dirnen Hohn wir alle kennen.
ROZHON.
So höhnt den Hohn zurück, und werdet klug.
Leicht wird die junge Schlange überwunden.
Ist mit dem Priesterdrachen sie verbunden,
Ziehn wir der Weiber und der Pfaffen Pflug.
LAPACK.
Stets redest, Rozhon, mehr du als genug,
Ein ungeschickter Opfrer wirfst du ganz
Mit Haut und Haar das Tier in Zornes Feuer.
[705] Ich öffne es; das Innere des Lands
Zeigt mir im Eingeweid das Ungeheuer.
Nie wird sie mit den Priestern sich verbinden,
Denn falsche Lehre spukt ihr im Gehirne.
Die Götter lassen sie im Stolz erblinden,
Und als des Himmels einziges Gestirne
Vergöttert sich wohl selbst die tolle Dirne.
Zwratka sah jüngst in göttlichen Gesichten
Dem Jungfrausohn Altäre hier errichten,
Geflohen war das freudige Gewimmel
Der Götter, und im sternverlaßnen Himmel
Sah Zwratka eine Jungfrau traurig prangen;
Den Sohn, der rein geboren und empfangen,
Trug sie, und um des Mondes Sichel wand
Die Schlange sich, auf deren Haupt sie stand,
Handgreiflich ist der Traum; der schwarze Tschart
Hat meinem Weibe selbst ihn offenbart;
Und mit der Schlange ist er selbst gemeint,
Denn wie den Männern ist dem Tschart sie feind.
ROZHON.
Den Himmel plündert sie, sich zu erheben,
Und nicht umsonst ist sie so sehr ergeben
Dem dreigeköpften wandelbaren Mond,
Den unter allen Göttern sie verschont,
Sie läßt im letzten Viertel ihn verdunklen,
Um einstens selbst als Gott herabzufunklen.
LAPACK.
Doch wie erklärest du der Jungfrau Sohn,
Der jungfräulich empfangen und geboren?
ROZHON.
Ich glaube gar, du fragest mich zum Hohn?
Vielleicht hat heimlich sie ein Kind geboren,
Verdächtig ist mir längst die Keusche schon.
PRIMISLAUS.
Entsetzlich Wort! kaum trau ich meinen Ohren,
Schweig, Frevler!
DOMASLAUS.
Rozhon, sprich!
WRSCHOWETZ.
Schweig, Primislaus!
LAPACK.
Sag alles, was du weißt!
VOLK.
Fort, fort, heraus!
ROZHON.
Umsonst hat sie in hundert Kammern nicht
Geteilet zu Libin der Säle Licht,
[706] Verlassen stehn des Krokus' Eichenbänke:
Auf Polstern, Teppichen und Kissen pflegen
Die Mägdlein sich geharnischt nicht zu legen,
Den Teppich tritt man nicht mit Eisenschuhen.
Unzählig sind der Buhlerinnen Ränke.
Verrostet stehn des Vaters Eisentruhen:
Doch was verbergen uns die Zederschränke?
Schlupfwinkel, Fallen und geheime Türen,
Schleichwege und verborgne Wendeltreppen.
Wohin soll alles dies, ihr Männer, führen?
Was hat sie zu verstecken, zu verschleppen?
Es baut der Fuchs gar künstlich zwar sein Loch,
Ein guter Schliefer aber greift ihn doch.
Wer bürgt im Panzer für der Dirnen Art?
Vielleicht birgt manche im Visier den Bart.
Ein jedes Tier erkennt man in dem Bau,
Der Mann baut Türme, Säulen, steil und fest;
In sich versteckt, baut die verbuhlte Frau
Ein kraus verwirrtes buhlerisches Nest.
Da giebts geheime Bäder, Wasserkünste,
Und fragen wir, so heißts: für Feuersbrünste;
Doch wahrlich, jeder sei auf seiner Hut,
Es heißt im Volk, dort fließe oft auch Blut,
Libussa lasse jeden dort ermorden,
Von dessen Liebe sie gesättigt worden.
Und unterirdisch unterm Schloß durchwinden
Die ewgen Gänge sich zu Labyrinthen,
Ist man den Buhler müd, mag er verschwinden.
Wo Biwog seinen Eber hingeschmissen,
Hat mancher schon die Jungfer küssen müssen.
Man nennt dies so, wenn man aus warmem Nest
Den Buhler in den Abgrund fallen läßt.
PRIMISLAUS
mit edler Erbitterung.
Betrunken bist du, des Verstands beraubt,
Denn nüchtern sprächest du dich um dein Haupt;
Der kann nicht leben, der den Unsinn glaubt.
Ich bleibe nicht, zu gehn sei mir erlaubt.
WRSCHOWETZ.
Nein, bleibe, bleibe!
[707]
DOMASLAUS.
Stets zu übertreiben
Pflegst, Rozhon, du.
CHIRCH.
O wolle hier noch bleiben,
Die gute Sache sollst du nicht verlassen.
LAPACK.
Man kann es so, man kann es anders fassen.
Vielleicht merkt sie auch jetzo erst die Frucht
Im Schoß, und sagt aus falscher Scham und Zucht,
Sie sei noch rein, es sei von einem Gotte,
Den Himmlischen, den Irdischen zum Spotte.
CHIRCH
einfallend.
Sagst du dies selbst und deine giftge Rotte!
Wo sagte sie dies je, wo, wie und wann?
Schäm dich in deinen Bart, du falscher Mann!
LAPACK.
Ich kenne euch, ihr würdet mit Vergnügen
Selbst Götter, um mit ihrem Kalb zu pflügen.
AUS DEM VOLK.
Ja, ja, sie sind für sie so eingenommen.
Weil neue Pflüge sie von ihr bekommen.
Stört nicht den Lapack, Lapack spreche aus!
LAPACK.
So reinigt dann von ihr der Götter Haus,
Vor der Geburt sterb ihre tolle Brut,
Versühnt die Götter mit verfluchtem Blut!
DOMASLAUS.
Und dann?
LAPACK.
Kehrt wählend euch zum Stamme Kroks.
WRSCHOWETZ
höhnend.
Und wählet mich, küßt mir den Saum des Rocks,
Nicht wahr? O Lapack, du begannst verdächtig,
Und schließest deine Rede niederträchtig.
DOMASLAUS.
Sein Wort schmeckt nach dem Dienst des schwarzen Bocks.
Wie bei der Wahl spricht er; es täte Not,
Daß er mit seinem bösen Weib noch droht.
LAPACK.
Weißt du! verschoben ist nicht aufgehoben!
An deinem Heil mag sich mein Fluch erproben.
ROZHON.
Nicht streitet, Männer, Eintracht will die Sache!
PRIMISLAUS.
Schlange, Drache!
ROZHON
verächtlich.
Schwache Rache!
PRIMISLAUS.
Starke Wache!
[708]
ZIACK
läuft zerstört, blutrünstig und berußet in Lapacks Arme.
O Lapack! Männer, nehmt euch meiner an!
Verstecket mich!
LAPACK.
Was hat man dir getan?
Du bebest wie ein Laub, was ist geschehn?
ROZHON.
Er hat vielleicht durchs Schlüsselloch gesehn,
Wie man die Jungfrau küßt, im Trüben fischt,
Und ward da überm Lauschen wohl erwischt.
LAPACK.
Geschwind erzähle, Ziack, sei wohlgemut,
Du stehst in aller dieser Männer Schutz.
Wie siehst du aus, voll Beulen, und voll Schmutz?
ZIACK.
Nie werd ich mehr den bösen Dirnen gut.
Sie liegen um den Herd mit Waffenputz
Beschäftigt, singen und sind gar berauscht.
Im Rauchfang steckend, habe ich gelauscht.
PRIMISLAUS.
Gelauscht? Das macht dich schwarz, denn eigne Schand
Hört überall der Lauscher an der Wand.
CHIRCH.
Ich dächte, wär er nicht mit Ruß bedeckt,
In Rozhons Labyrinth hätt er gesteckt.
Doch ists ein Winkel auch, geheim ein Gang,
Ein Schleichweg, wo der Rauch den Schinken küßt,
Wo oft die Fledermaus, vom Feuer bang,
Hat heimlich sie verbotne Lust gebüßt,
Den Speck hinab aus ihrem warmen Nest
Zum Abgrund in den Kessel fallen läßt.
Du, Schreiber, bist die Maus wohl selbst gewesen;
Was du im Rauchfang schriebst, wird niemand lesen.
ROZHON.
Unwürdge List, du unterbrichst das Kind.
CHIRCH.
Unwürdger Rauchfang, schrecklich Labyrinth!
VOLK.
Still, still, kein Streit, den Knaben lasset sprechen.
WRSCHOWETZ.
Er bleibet uns sonst gar im Schlote stecken.
VOLK.
Still, rede, Schreiber, ohne Unterbrechen.
LAPACK.
Sag an, mein Ziack, was hast du zu entdecken?
ZIACK.
Bei jeder Waffe, die sie fegten, sangen
Rings alle einen Vers; es ging reihum,
Sie wußtens alle, keine blieb da stumm.
»Wir fegen an der Zeit«, hats angefangen.
[709] Das Ärgste war Schild, Speer und Sattelzeug
Auf Eseln – nein, wart', ich besinn mich gleich:
»Mit Hörnern ziert die Schelmen.«
Beim Sattel war das nicht; nein, bei den Helmen.
»Rozhon soll drüberspringen.«
ROZHON.
Was, wo ward dies gesungen?
ZIACK.
Bei den Klingen.
Ihr macht mich irr.
WRSCHOWETZ.
Still, lasset ihn vollbringen.
ZIACK.
»Den Wrschowetz zu hetzen.«
DOMASLAUS.
Auch du?
ZIACK.
Das sangen sie beim Degenwetzen.
»Dem Domaslaus im Hirne«
Sang, als ein Sporn ihr fehlte, eine Dirne.

Die Männer lachen.
DOMASLAUS.
Ich will die Sängerin dafür schon spornen.
ZIACK.
Ihr machet mich verwirrt mit euren Worten,
Ich weiß nun nicht von hinten oder vornen.
LAPACK.
Du warst am Sporn, als du gestöret worden.
ZIACK.
»Das Heerhorn abgenutzet«
Fings an, als die Trompeten sie geputzet.
Jetzt fallen mir die schlimmen Reime ein,
Ich sage sie, doch müßt ihr stille sein.

Bald kommen unsre Zeiten,
Der Mann darf sitzlings reiten
Nur auf des Müllers Tier,
Das Roß beschreiten wir.

Den rechten Daum abhauen
Dem Knaben die Jungfrauen,
Daß nie, wächst er zum Mann,
Ein Schwert er fassen kann.

Daß sie nie zielen können,
Wird man mit Eisen brennen
Das linke Aug dem Kind,
So kömmt der Schutz uns blind.
[710]
ROZHON.
Abscheulich! Männer, macht euch dies kein Grauen?
PRIMISLAUS.
Schreckt euch ein witzig Lied berauschter Frauen?
Wär schmutzig die Natur, wie Zoten sind,
Der Fuchs so listig, als die Fabel ist,
Mehr wäre dann nicht wert ein menschlich Kind
Als ekles Luder, das der Fuchs sich frißt,
Solang sie singen, singet ihnen wieder,
Doch wenn sie schweigend schleichen, schlagt sie nieder!
LAPACK.
Die Wahrheit sprechen Kinder und Berauschte.
CHIRCH.
Die Narren auch – und doch wohl auch nicht immer,
Sie lügen in den eignen Sack viel schlimmer.
Sang man nicht auch vom Schreiber, der da lauschte?

Den Schreiber, der da lauschet
Und in dem Rauchfang rauschet,
Zieh aus dem Schlot herab,
Schneid ihm die Ohren ab.
ZIACK.
Das hört ich nicht; sie machten großes Feuer,
Ich ward ganz dumm, der Qualm war ungeheuer.
CHIRCH.
Da haben wir ja Rozhons Feuersbrünste;
Gabs denn da oben keine Wasserkünste?
ZIACK.
Ich fiel herab, und mitten auf den Herd,
Sie flohen auseinander, glaubten schüchtern,
Ich sei der Tschart. Doch von dem Schreck bald nüchtern,
Schlug Stratka auf mich los mit flachem Schwert,
Da schrien ergrimmend auch die andern Frauen,
Man solle gleich den Daumen mir abhauen,
Und andre wollten mir die Augen blenden.
LAPACK.
Entriß dich Wlasta nicht der Tollen Händen?
ZIACK.
Behüt, sie brannte mich mit glühen Kohlen,
Bis ich ihr sagte, wer es mir befohlen.
Dann sangen sie:
»Mit Hexen und mit Hinken
Erzieht man solche Finken,
Und macht dem Naseweis
Erst recht die Hölle heiß.«
Sie schlugen mich, bis daß Libussa rief
Und ich, so wie ich bin, zu euch entlief.
[711]
CHIRCH.
Er schwärzt die Dirnen an, die nur gescherzt,
Und, ihm was weiß zu machen, ihn geschwärzt.
LAPACK.
Ihr Männer, ohne Vorteil ist mein Zorn:
Aus meinem eignen Blute wächst ein Dorn,
Selbst Wlasta –
PRIMISLAUS.
Nein, du irrst, sie ist die Rose.
Begehrst du, daß sie etwa den liebkose,
Der als dein Laurer in den Rauchfang kriecht.
LAPACK.
Auf, auf, ihr Männer, seht, umschwirrend fliegt
Die Fledermaus.
PRIMISLAUS.
Die Schwalbe der Verräter.
Nach Haus gehn, die zu gutem Rate kamen.
LAPACK.
Nur schlechte Sache schimpfet ihren Täter.
PRIMISLAUS.
Drum nannte ich die Fledermaus beim Namen.
Mit ungewissem Flug, gleich dem Gewissen
Des neuen Diebs, ist in ihr die Natur
Zu guter und zu böser Art zerrissen.
Sie folgt der Nacht, sie folgt des Lichtes Spur,
Sie ist nicht Maus, sie ist nicht Vogel nur,
Mausvogel ist sie auch, und maust im Dunkeln,
Und stürzet blind zum Tod, wo Schätze funkeln.
So schwanket zwischen bösem Rat und Tat,
Wie ein Gespenst, gequälet, der Verrat,
Wie zwischen Licht und Nacht die Speckmaus schweift.
Wem mit den Krallen in das Haar sie greift,
Der glaube sich ermahnt auf bösem Pfad,
Und gehe heim, und lasse den Verrat.
ROZHON.
Nichts hör ich mehr, ich gehe nach Libin.
Der trete her zu mir, der mit will ziehn.
Mit seinen Reden zeigte uns das Kind,
Daß des Besuchs sie nicht gewärtig sind.
Libussa spielt mit ihrem Frosche jetzt,
Des Ebers Last mit Biwog Kascha schätzt,
Und Tetka zählt am Weberzug der Spinne,
Die in die Zahlenbüchse sie gesetzt,
In wieviel Zeit sie einen Mann gewinne;
Die Dirnen liegen prahlend um den Herd.
Wer noch den Daumen hat und noch das Schwert,
[712] Der folge mir ins stolze Frauenhaus.
Ein jeder wähle, die er mag, sich aus,
Nehm untern Daumen die, faß die im Aug,
Den Daum und Aug er nimmt zum Kriegsgebrauch.
Und geht die Sonne auf in diesem Lande,
Dann finde unsern Thron sie ohne Schande.
Wir wählen einen Fürsten, einen Mann
Und treiben Krokus' Töchter in den Bann.
DOMASLAUS.
Zu groß ist in dem Volke ihre Liebe.
ROZHON.
Die großen Häuser leeren feine Diebe.
WRSCHOWETZ.
Zu groß auch unter uns ist ihre Liebe.
ROZHON.
Gefangen schreit der Spatz im Hexensiebe;
Viel Lieb, viel Lieb! Haß! Haß! ist auch ein Schrei.
CHIRCH.
Ein Rabenschrei, ihn schreit Verräterei!
ROZHON
mit tiefem Hohn.
Jetzt kenn ich euch, und jetzt kann ich euch sagen:
Mit Ehrennamen seid ihr platt geschlagen.
Was ein Zemann ist, höret in der Kürze:
Leicht fällt aus engem Rock bei weiten Schritten
Gezähmt ein Mann aus einer Jungfernschürze,
Und drischt das leere Stroh mit feinen Sitten,
Und neigt sich, schleicht sich, schmiegt sich, biegt sich, dreht sich,
Dient nie den Göttern, Menschen dann und wann,
Des Weibes Edelmann gar wohl gelitten,
Gähnt sie, spuckt sie, nießt sie; spricht er, versteht sich,
Und das gesteh ich, i da muß ich bitten:
Ein gar ein lieber Narr ist ein Zemann!
WRSCHOWETZ.
Und du, du bist ein Narr, doch nicht ein lieber.
Ein widerlicher und ein unverschämter,
Ein widerhaarichter und ungezähmter.
ROZHON.
Nicht zürn ich dir, du sprichst im Liebesfieber.
KRIEGER.
Sie wähle einen Fürsten, einen Mann,
Der sie und ihre Dirnen bändgen kann.
PRIMISLAUS.
Laßt raten euch, ihr Männer, zieht nach Haus,
Löscht nicht des Tages Ruhm am Abend aus.
Ihr habt die äußern Feinde schlecht besiegt,
Wenn ihr dem innern Feinde schlecht erliegt.
[713] Vor Perons Thron die Frösche einst erschienen
Um eine Königin; der Gott gab ihnen
Ein goldnes Fröschlein, das sie weis regierte.
Da nahten Molche, die der Glanz verführte,
Im Gold der Herrscherin sich zu vergolden.
Es hob sich Neid und Streit, denn alle wollten
Und konnten nicht. Zum Donnrer sie nun schrien:
Vor einem Weib ist schimpflich uns zu knien.
Er sendete den ernsten Storch zum Sumpfe;
Die Frösche, angelockt vom roten Strumpfe,
Fraß schnell der neue König; unbeleidigt
Verblieb die Königin, vom Gold verteidigt.
ROZHON.
Sagt, wie gefällt euch diese Fabelwäsche?
So hört dann die Moral für euch, ihr Frösche.
Ein Frosch regiert euch: wollt ihr Frösche bleiben,
Laßt von dem Frosche euch Gesetze schreiben.
Es lüstet nach dem Frosche nur dem Storche,
Ein Storch ist, der der Fürstin Hand begehrt.
Ist euer Herr ihr Mann, dann traget Sorge
Vor einem roten Strumpf, der euch verzehrt.
Drum rate ich, seid lieber keine Frösche,
Werft den Regierungsfrosch von eurem Stuhl.
Wie er als Hexe auch das Wasser dresche,
Bald zieht das Gold hinab ihn in den Pfuhl.
PRIMISLAUS.
Du deutest schlecht. Sind Frösche wir, so ist
Auch deine Zunge nur ein roter Lappen,
Dem armen Volk mit schlechter Jägerlist
Des bösen Rates Angel zu Verkappen.
Ich sag nochmals: verdienet ihre Huld,
Ihr habet selbst zum Throne sie gesetzt,
Nun haltet ihre Zucht auch unverletzt.
Neigt sie sich keinem Mann, ists Männerschuld.
O Götter! hütet uns vor einem Leid,
Das also schwer und drückend auf uns liegt,
Das also tief, daß der, der es besiegt,
Libussens Hand verdient. Lebt wohl für heut!

Ab.
DOMASLAUS.
Ein kluger, stiller Mann.
[714]
LAPACK.
Zemannen, wißt,
Ein Stillmann wird er, wenn Libussa will.
WRSCHOWETZ.
Still, klug, beredet, immer doch gelind.
ROZHON.
Ja, grad so klug, als er beredet ist,
Und so beredt als still, und grad so still,
Als Frösche es bei trübem Wetter sind,
Und so beredet, wie bei lauem Wetter
Die Frösche sind, und endlich grad so klug,
Wie Frösche es bei jedem Wetter sind.
O strafet nicht, ihr unterirdschen Götter,
Der Chechen Einfalt, denn sie sind stockblind;
Was sie verstehn, ist ihnen klug genug!
Lebt wohl, ich schieße heut mit gutem Pfeil
Dem Frosch die Krone ab, und mach sie feil.
ZIACK.
Schlecht wird dir deine Mühe heut belohnt!
ROZHON.
Warum, du Knabe?
ZIACK.
Harr' zum Sichelmond,
Dann wirft den Bocksschlauch Zwratka in den Teich,
Um ihn versammelt sich der Frösche Reich,
Und oben drauf sitzt, wie auf einem Throne,
Die Königin mit schwarz und weißer Krone,
Den schießt sie dann mit einem Schneckenpfeil;
So wird die Krone ihr gar leicht zuteil.
Man setzt sie auf, wenn man in Stürmen schifft,
Nach Schätzen gräbt, auch dient sie gegen Gift,
Als Brautkrönlein dient sie den weisen Frauen,
Wenn sie sich mit dem schwarzen Gotte trauen.
LAPACK.
Du schwatzest dummes Zeug. Komm, komm nach Haus.

Ziack geht mit Lapack.
WRSCHOWETZ.
Er schwatzte seine Krönungsfeier aus.
KRIEGER.
Fort, fort! Sie wähle selbst, seis wer es sei;
Ein Mann nur mach uns von den Dirnen frei.
WRSCHOWETZ.
Folgt mir, ich bin ein Mann.
DOMASLAUS.
Mir, mir steht bei!
ROZHON.
Ihr! Männer? O Zemannen! ihr Befreier?
Sie tanzt auf euch, ihr spielt die Freierleier.
O Honig, den man um das Giftglas streicht!
[715] Die dumme Fliege ist bereits vergiftet.
O Schande, die ein Ehrenname stiftet,
Der jedem Unding, dem man ihn vergleicht,
So ähnlich ist und dennoch unvergleichlich.
Mit euch ists aus; das Ziel euch unerreichlich.
Die Listige warf in den Heldenlauf
Euch Äpfel, Rätsel und die leeren Namen.
Nun rast, und gafft, und löst die Rätsel auf.
Gefangen seid ihr in dem goldnen Rahmen,
Man kriegt bei Fürstinnen ihn in den Kauf!
Mehr tut bis morgen eines Mannes Sinn,
Als jemals zwei Zemannen heut vollenden,
Ich trenne mich von euch.

Ab.
WRSCHOWETZ.
Das ist Gewinn.
Mit schlechter Farbe wollt das Werk er schänden.
KRIEGER.
Wir sind bereit, nun führt uns nach Libin.
WRSCHOWETZ.
Wir müssen ruhig und geräuschlos ziehn.
DOMASLAUS.
Die Sonne sinkt, es weicht der Glanz vom Throne.
WRSCHOWETZ.
Im Abend blinkt ein Stern wie eine Krone.

Sie ziehen mit dem Heer ab.

Vor dem Schloss Libin. Abendhimmel


Die Mägdlein umhängen auf der Terrasse Krokus' Gruft gegenüber dem Eingang von Libussens Badgrotte mit einem Teppichzelt, und breiten Teppiche umher und Kissen.
SCHARKA.
Des Frühlings Duft ist süß, die Lüfte labend.
STRATKA.
Libussens erstes Bad, ein schöner Abend!
ZASTAWA.
Hier sind die Linnen.
HODKA.
Und hier sind die Schwämme.
SCHARKA.
Tragt sie hinein.
DOBROWKA.
Hier sind die goldnen Kämme.
MILENKA.
Ich bringe Balsam.
NABKA.
Ich den Salbenkrug.
STRATKA.
Wem hat die Kräuter Kascha anvertraut?
DOBROMILA.
Uns Schülerinnen, sieh da Krauts genug.
[716]
ZASTAWA.
Ist krank Libussa?
SCHARKA.
Nein, doch ist von Schwermut
Der Himmel ihrer Seele schwarz bedecket.
DOBROMILA.
Hier hab ich Himmelskehr, der Jungfraun Wermut,
Der stärkend in dem Bade Mut erwecket.
Liebstöckel, Herzenstrost und Immenblatt
Zum Trost der teuren Immenkönigin.
STRATKA.
Sieh, was Klimbogna in dem Strauße hat.
DOBROMILA.
Das weiß sie selbst, die Kräuterkennerin.
STRATKA.
So sage sie es, daß auch ich es wisse.
KLIMBOGNA.
Sibyllenwurz und Herzkraut, die Melisse,
Dann hier noch Thymian, die edle Demut.
BUDESLAWKA.
Und rings ums Bad streu ich den Farrensamen.
STRATKA.
Und gegen was?
BUDESLAWKA.
Gen ihrer Seele Wehmut.
STRATKA.
Hilft er dafür?
BUDESLAWKA.
Kennst du nicht seine Namen?
Helmwurz und Donnerwurz und Frauenschuh
Heißt auch das Kraut, und viel gehört dazu,
Den geisterhaften Samen zu erringen;
Denn augenblicklich in geheimen Zeiten
Sieht man wie Feuer aus dem Kraut ihn springen,
Und mit den schwarzen Göttern muß man streiten,
Die ihn heißhungrig in den Abgrund schlingen,
Weil sie dem Menschen diesen Schatz beneiden.
Der stehet gut, der sich auf ihn verläßt.
In Kampf, in Glück und Liebe macht er fest.
SCHARKA.
O seltne Kunst! geschwind streu ihn ums Bad.
Die Kräuter werft hinein, Libussa naht.

Libussa, Wlasta treten auf.
LIBUSSA.
Bielbog, der lichte Sonnenführer, senket
Am Berg hinab das schimmernde Gefieder.
Zur Bahn Triglawa schon das Nachtroß lenket,
Die Schattenmähne wallt zum Tal hernieder.
Still ruhn die Herden, die der Fluß getränket,
Kein Roßgewieher hallt am Felsen wider,
[717] Es schweigt der Hain. Am Quell die Linde denket
Und träumt, die sie gehört, die Frühlingslieder.
Der Strom in einsamer Begeistrung rauscht,
Entschlummernd sinnt der Widerhall und lauscht.
Der Himmel an das Herz der Erde sinkt,
Ein Bräutigam, der küssend Tränen trinkt.
WLASTA.
Die Göttliche, die nur den Göttern gleicht,
Mit Bielbog nun zugleich zum Bade steigt.
Den lichten Sonnenhelm nimmt ihr die Dirne,
Die Abendröte, Wlasta, von der Stirne,
Und wie des dunklen Rosses Mähnen wallen,
Die schwarzen Locken dir zum Nacken fallen.

Sie nimmt ihr den Helm ab.
LIBUSSA
monoton warnend.
Erröte, Wlasta, nur, du Abendröte,
Ganz anders als dein Herz spricht deine Rede.
WLASTA.
Solange ich dir traue, trau auch mir!
Entwaffnend nehm den Panzer ich von dir,
Und gleich dem Monde, der dem keuschen Weib
Aufs Lager sinket, leuchtet nur dein Leib.
Des Tages blanker Harnisch ist versunken,
In deinem spiegeln noch die Sternenfunken.

Sie schnallt ihr den Panzer ab.
LIBUSSA
zärtlich flehend.
Ihr seid die Sterne, Mägdlein, bleibt mir treu!
DIE MÄGDLEIN.
Treu, treu, solang dein Harnisch spiegelt, treu!
WLASTA.
Nun gehe ein ins Bad, du schöner Abend,
Von deines Tages Mühe dich erlabend.
Und gehe also leuchtend draus hervor,
Daß Triglawa, trägt sie den Mond empor,
Erstaunend anzieht ihres Rosses Zügel,
Als sähe sie ihr Bild im Moldauspiegel.
LIBUSSA.
Erröte, Wlasta, nur, du Abendröte,
Ganz anders als dein Herz spricht deine Rede!
WLASTA.
Noch einmal sprich dies nicht, du sprachst es zweimal,
Es würde wahr sein, sprächest du es dreimal.
Ich liebe dich, ich möchte sein wie du
Und schau, ohnmächtig, dir bewundernd zu.
[718]
LIBUSSA
auffahrend, als habe sie etwas gehört.
Horch! was war dies?
WLASTA.
Es seufzt der Wind im Rohr.
LIBUSSA.
Ein banger Schrei aus meines Vaters Gruft.
SCHARKA.
Der brünstige Fasan im Walde ruft.
LIBUSSA.
Nein, aus der Gruft Hrobka schrie's hervor,
In allen Adern starret mir das Blut!
Still, horcht, hört ihr, es ist der Div!
STRATKA.
In der vom Abendwind bewegten Flut
Seufzt so das Ruder an des Fährmanns Schiff.
WLASTA.
Schau auf, es war des böhmschen Adlers Schrei,
Er ziehet nach dem Schlachtfeld dort vorbei.
LIBUSSA.
Schwermütig ist mein Herz; ich muß mich schämen.
Wie jetzt betret ich nie mehr dieses Bad.
Mir ist, als sollte ich hier Abschied nehmen
Von mir, von euch, als drohe mir Verrat!
STRATKA.
Verzeih, Libussa, mir die freie Rede,
Wenn ich dein Weh zu deuten mich entblöde.
Nicht stieg der Schrei aus deines Vaters Gruft,
Aus deinem Innern dein Geschick dir ruft.
Folgt erst geheimnisvoll, wie Meeresflut,
Dem Kahn des bleichen Monds der Jungfrau Blut,
Dann schmilzt in Tränen vor dem Zauberspiegel
Der Dämmerung des tiefsten Lebens Siegel
Und in dem Innern sehen schnelle Blicke,
Wie gute Geister, wogen die Geschicke.
Es steht der Spiegel auf des Lebens Höhe,
O daß ich nicht mehr selig vor ihm stehe!
Denn eine Lüge nur, ein Trug –
LIBUSSA
plötzlich gestört.
Es schwirren
Hier Fledermäuse, sie sind mir zuwider;
Verjaget sie, ihr Mägdlein, schlagt sie nieder.

Die Mägdlein wehen mit Tüchern, sie faßt ruhig Stratkas unterbrochene Rede auf.

Nur eine Lüge?
STRATKA.
Eine Fledermaus,
Die gen den Spiegel fliegt, bricht ihn mit Klirren,
[719] Mit Scherben schmückt sich dann das Leben aus.
Sein ganzer Himmel brach vor ihm entzwei,
Und kälter, rauher wirds, doch frei, frei, frei!
LIBUSSA.
So schreit aus dir die trunkne Tyrannei!
Ihr Mägdlein, schlagt die Harfen mir, und singt,
Daß mir die öde Grotte widerklingt!

Sie geht ins Bad, und läßt den Teppich fallen.
WLASTA.
Die Harfen und die Flöten holt herbei,
Ich bleibe hier, daß sie nicht einsam sei.

Die Mägdlein gehen hinauf; sie sitzt vor dem Bade, und spricht vor sich.

Weh dir, Libussa, Jungfrau, Seherin,
Es neiget sich dein Stern zum Untergange.
Dein Blick wird finster, traurig wird dein Sinn,
Seit ich des Kampfs gen dich mich unterfange.
Es zehrt mein Licht gleich jenen Zauberkerzen,
Die gegen Feindesleben Fluch bereitet,
An deinem stolzen, nie besiegten Herzen;
Zu mir ist deines Glückes Strom geleitet,
Wie zieht ihr Ring an meinem Arme heftig,
Wie wird die ganze Seele mir geschäftig!
Du machst mich grausam, machst mich selig, Liebe!
Es trägt ihr Helm geflügelt eine Krone,
Ich setz ihn auf, daß ich zum Flug mich übe;
O tragt, ihr Flügel, mich hinan zum Throne!

Sie legt ihren Helm ab, und setzt den Libussens auf.
LIBUSSA
aus der Grotte redend.
Wlasta, bist du allein?
WLASTA.
Ja, Herzogin!
LIBUSSA.
O komm zu mir, weil ich so traurig bin.
WLASTA.
Vergönne mir, Libussa, hier die Wache.
Wie vor der Götter Haus ein Riese steht,
Der, hundertäugig, sie zu schützen späht.
LIBUSSA.
Nein, wie zweizüngig vor dem Schatz ein Drache.
WLASTA.
Was sagtest du?
LIBUSSA.
Erröte, Abendröte,
Denn anders als dein Herz spricht deine Rede.
[720]
WLASTA.
Libussa, du vernichtest meine Seele,
Zum drittenmal sprichst du dies Wort.
LIBUSSA.
Nicht zähle!
WLASTA
vor sich.
Was ist es, das sie quält, merkt sie Verrat?
Regt dunkel sich die Weissagung in ihr?
Nicht lang mehr, Wlasta, frommet Zaudern dir.
Am neuen Morgen schreite ich zur Tat.
Die Mägdlein nehme ich in engem Eid.
Es reifet die Vollendung an der Zeit.
DIE MÄGDLEIN
kehren mit Huslien und Flöten, und sitzen, auf den Felsen zerstreut, singend und spielend.
Heilge Nacht, heilge Nacht!
Sterngeschloßner Himmelsfrieden!
Alles, was das Licht geschieden,
Ist verbunden,
Alle Wunden
Bluten süß im Abendrot!

Bielbogs Speer, Bielbogs Speer
Sinkt ins Herz der trunknen Erde,
Die mit seliger Gebärde,
Eine Rose,
In dem Schoße
Dunkler Lüste niedertaucht

Züchtge Braut, züchtge Braut!
Deine süße Schmach verhülle,
Wenn des Hochzeitbechers Fülle
Sich ergießet.
Also fließet
In die brünstge Nacht der Tag!

Nachspiel der Instrumente; während dem Gesang zeigt sich Rozhon mit seinen Knechten schon links im Gebüsch. Unter dem Nachspiel spricht er.
ROZHON.
Berauschet sind sie ganz in Buhlerei.
Gut ist die Jagd, es falzt der Auerhahn:
Er hört und sieht nicht. Folgt mir leis hinan!

[721] Sie ziehen sich zurück, und erscheinen am Ende des folgenden Liedes über den Mägdlein.
LIBUSSA
im Bade.
Könnt ihr das Lied nicht von Triglawas Bad?
SCHARKA.
Wie ihr die Leschien, die Waldgötter, genaht,
Um in dem Bad die Keusche zu ermorden?
Und wie der Hirte Kotar sie befreit,
Der dann ihr Freund, der stille Mond, geworden.
LIBUSSA.
Ja, dieses singet, es ist an der Zeit.
CHOR.
Mond, Mond!
Wie die Wellen kühlen,
Wie die Winde wühlen
In den dunklen Mähnen der Nacht!
SCHARKA.
In dem Bade spielt die Keusche,
Und die Woge wühlt berauschet,
Ringsum schweigt das Waldgeräusche,
Weil es lüstern niederlauschet.
CHOR.
Mond, Mond!
Wie die Wellen kühlen,
Wie die Winde wühlen
In den dunklen Mähnen der Nacht!
SCHARKA.
Und die schlauen Leschien schleichen
Klein wie Gräser durch die Wiesen,
Durch die Haine hoher Eichen
Hoch wie ungeheure Riesen.
CHOR.
Mond, Mond!
Wie die Wellen kühlen,
Wie die Winde wühlen
In den dunklen Mähnen der Nacht!
SCHARKA.
Mit Geläut der Herdenglocken,
Mit der Turteltaube Lachen
Müde Wandrer sie verlocken,
Kitzlen dann zu Tod die schwachen.
CHOR.
Mond, Mond!
Wie die Wellen kühlen,
Wie die Winde wühlen
In den dunklen Mähnen der Nacht.
SCHARKA.
Und schon nahen sie dem Bade
[722] Auf den Wald- und Wiesenpfaden,
Doch ein Hirte am Gestade
Ruft –
PRIMISLAUS
tritt mit dem Schwerte, rechts aus dem Vorgrund.
Triglawa ist verraten!

Man sieht Rozhon und seine Knechte die Dirnen ergreifen, und sie mit Geschrei vom Fels reißen; sie verteidigen sich aber so tapfer, daß sie die Knechte aus der Szene treiben.
WLASTA.
Verrat, Verrat!
ROZHON.
Hinab mit dir, du Dirne!

Er springt mit ihr nieder.
LIBUSSA
springt aus dem Bade, setzt Wlastas Helm auf.
O Waffen, Waffen! kämpfe, mein Gestirne!
BIWOG
mit einer Fackel durchs Fenster, zieht sich zurück und kömmt herab.
Verräterei! Libussa ficht umringt.
WLASTA
ihr Schwert sinkt.
Verfluchte Wunde, die den Arm mir zwingt.
ROZHON
ringt mit ihr, und will sie fortreißen.
Ins Wasser mit dem Frosch, es ist schlecht Wetter;
Laß sehn, ob, wer das Ruder führt, auch schwimme!
PRIMISLAUS
ersticht ihn.
Nur einen guten Schwertstreich mir, ihr Götter!
WLASTA
sinkt verblutend.
Ihr Himmlischen, ich hörte seine Stimme!
ROZOHN
sinkt.
Weh mir, mich reißen dunkle Hände nieder!
LIBUSSA
springt, halb bewaffnet, herab.
Ein Schwert! ein Schwert! ganz Böheim für ein Schwert!
PRIMISLAUS
giebt ihr das seine, und zieht sich zurück.
Ich nähme dich beim Wort, wär Böheim dein!
Libussa sinkt!
LIBUSSA
erstaunt.
Wer ists? Das Nachtgefieder
Bedeckt ihn. Wessen Schwert ist Böheim wert?
Er halte mich beim Wort, Böheim ist mein,
Ich habe es verkauft um Schwertes Dank.
[723]
DIE DIRNEN
kehren zurück.
Sieg! Sieg! Die wilde Moldau trank
Das Leben und das Blut der feigen Knechte.

Tetka, Kascha, Biwog, bewaffnet mit einer Fackel.
TETKA.
Libussa, o Libussa!
KASCHA.
Bist du heil?
LIBUSSA.
Es deckte unser Heer mich im Gefechte.
Kotar gab mir sein Schwert!
STRATKA
sieht Wlasta.
Weh! weh!
Wlasta erschlagen, von des Rozhons Beil!
BIWOG.
Und Rozhon hier in seinem Blute tot!
LIBUSSA.
O Wlasta, hebt sie auf, daß ich sie sehe;
Die Fackel her!

Stratka und Scharka nehmen sie in den Arm, und beleuchten sie.
WLASTA
erwacht.
Weh mir, weh mir!
LIBUSSA.
Sie lebt!
Bringt sie hinauf, zu ruhn.
WLASTA.
Laßt mich, es schwebt
Ein Ring vor mir!
KASCHA.
Es reizet sie das Licht.
WLASTA
erholt sich.
Bringt mich hinan, die Wunde brach im Streit.
LIBUSSA.
Du hast mit meinem Helme mich befreit,
Zum zweitenmal floß so dein Blut für mich;
Wie dank ich, Wlasta, dir?
WLASTA
wankt.
Weh! fürchterlich
Dreht sich die Welt um mich, ich kann nicht stehn!
KASCHA.
Sie schwindelt, führet sie.
TETKA.
Auch uns laßt gehn.
LIBUSSA.
Wer rief von euch: Triglawa ist verraten?
KLIMBOGNA.
Es war ein Wunder.
STRATKA.
Ja, wir hörtens alle.
DOBROMILA.
Es war, als ob es aus dem Himmel schalle.
SCHARKA.
Dich rettete Kotar.
[724]
TETKA.
Auf deinen Pfaden
Gehn gute Geister.
BUDESLAWKA.
Sieh, den Farrensamen
Streut ich ums Bad. Auf Helmwurz standest du,
Und tratest auf den mächtgen Frauenschuh,
Die starken Geister dir zu Hülfe kamen.
LIBUSSA.
Dem Monde dank ich lieber. Scharka, singe
Des Liedes End, daß ihm mein Dank erklinge.

Sie gehen hinan, am Ende des folgenden Verses tritt der Mond über dem Schlosse hervor, und sie hinein.
SCHARKA.
Und den Hirten, der sie rettet,
Nun Triglawa hoch belohnt,
Treu in ihren Arm gebettet,
Trägt sie ihn, den keuschen Mond.
CHOR.
Mond, Mond!
Wie die Wellen kühlen,
Wie die Winde wühlen
In den dunklen Mähnen der Nacht!

Alle ab.
PRIMISLAUS
tritt mit einer Fackel zu Rozhons Leiche.
Wahrhafter als dein Leben ist dein Tod,
Er straft dich Lügen. Wohl war dir vonnöten
Um deine schnöde Rede blutig Rot.
Erbleichen mußtest du, um zu erröten;
Du, Lügner, wolltest auch die Jungfrau küssen,
Du hast statt ihr die Erde küssen müssen;
Und aus dem Labyrinth, das du erlogen,
Wirst du von keinem Gott ans Licht gezogen.
Ich opfre dir, Marzana, seinen Bart,

Er schneidet ihm eine Locke aus dem Bart, und verbrennt sie.

Halt', dunkle Göttin, fest ihn dran, und wehre,
Wie ihn zurück auch treibt der schwarze Tschart,
Daß nicht sein finstrer Geist zur Erde kehre.
Schwebt, eh sein Leib der Glut gegeben ward,
Sein Geist noch wachend um sein Haus, er höre:
Vom Schwerte keines Weibes sankst du nieder,
Doch war jungfräulich deines Todes Schwert,
Die trage auch dein Blut, die es begehrt!
[725] Du warst der erste, keinen töt ich wieder;
Ein doppelt Antlitz hast du, grimmer Tod,
Du schauest den auch an, der dich gesendet.
Zur Überfahrt sei dir der Sold gespendet,

Er wirft Geld auf ihn.

Was willst du noch? Nichts tut dir nun mehr not!
ROZHON
bewegt sich.
Weh mir!
PRIMISLAUS
kniet zu ihm nieder.
Er lebt! O Rozhon, zu beklagen!
ROZHON.
Bist du's, Dobrowka? Ehre meinen Leib.
PRIMISLAUS.
O Unnatur, sein Weib sah ihn erschlagen!
ROZHON.
Beklage mich, nicht bei den Dirnen bleib!
PRIMISLAUS.
Die bin ich nicht, die deine Lippe nennt.
ROZHON.
Wer bist du, der die böse Zeit erkennt?
PRIMISLAUS.
Primislaus, dessen Schwert dich rächend traf.
ROZHON.
Den Göttern Dank! Rozhon fiel keinem Weib,
Und riß Libussen in den ewgen Schlaf.
PRIMISLAUS.
Libussa lebt, kein Mord drückt deinen Geist.
ROZHON.
O weh mir dann! So sterbe ich vergebens!
Stumpf ist das Schwert, das boshaft mir zerreißt
Den Eisenfaden meines starken Lebens. –
Den Hügel gönn bei Slawoschs Eiche mir!
PRIMISLAUS.
Dort feire ich die Totenfeier dir.
ROZHON.
Die Wurzeln mich umflechten, o ihr Schmerzen!
Sie senken sich in meine Wunde ein,
Wie Schlangen dringen sie nach meinem Herzen.
O Slawosch, Slawosch soll versöhnet sein!
PRIMISLAUS.
Der Eiche Nagel, Armer, trifft dich wieder.
ROZHON.
Vom Räuber Katzei spreche mir die Lieder,
Auf ihren dunklen Sprossen steig ich nieder.
Katzei! Katzei!
O wem sollen die Myrten reifen
An des Mondes goldnem Bronnen?
Knöcherne Hände nach mir greifen.
Was gesponnen, kömmt zur Sonnen.
Weh! es rufet mir Div aus dem Baum,
Drinnen nistet Kikimora, der schreckliche Traum.
[726]
PRIMISLAUS.
Katzei, Katzei!
O du nie sterbender,
Mägdlein verderbender
Räuber, wohin?
ROZHON.
Ach, wem sollen die Myrten reifen?
PRIMISLAUS.
Mägdlein, Mägdlein!
Traut nicht der kühlenden,
Sorgenaufwühlenden
Woge des Lichts.
ROZHON.
An des Mondes goldnem Bronnen!
PRIMISLAUS.
Hirte, Hirte!
Führer der flockigten
Silberweißlockigten
Herde, schau auf!
ROZHON.
Knöcherne Hände nach mir greifen!
PRIMISLAUS.
Mägdlein, Mägdlein!
Flechtet dem Wagenden,
Räubererschlagenden
Myrten ums Schwert!
ROZHON.
Was gesponnen, kömmt zur Sonnen!
PRIMISLAUS.
Katzei, Katzei!
Fürchtet den Hirten nicht,
Unter den Myrten sticht
Tödlich der Stahl,
ROZHON.
Weh! es rufet mir Div aus dem Baum.
PRIMISLAUS.
Katzei, Katzei!
Nimmer verschließest du,
Nimmer genießest du
Bräute im Schloß.
ROZHON.
Da nistet Kikimora, der schreckliche Traum.
PRIMISLAUS.
Mägdlein, Mägdlein!
Singet des Hirten Preis,
Krönet mit Myrtenreis
Kotar, den Freund!
ROZHON.
Weh mir, sie krönen ihn, das Lied ist aus,
Weh mir!
PRIMISLAUS
hebt ihn auf.
Er stirbt, ich trage ihn nach Haus.
[727] Die letzte Schande hab ich ihm gestört,
Die letzte Ehre gebe ich ihm nu.
DOBROWKA
mit einer Fackel und bloßem Schwert.
Man sieht Domaslaus, Wrsch und Chirch an der Spitze des Volks aus der Szene treten.
Zurück von diesem Leib, der mir gehört!
PRIMISLAUS.
Entsetzlich Weib, drück ihm die Augen zu;
Sie flehn zu dir, du mögst ihn nicht beleidgen,
Und mit dem Schwerte trittst du ihm entgegen.
DOBROWKA
faßt nach dem Leichnam.
Ich will sein Haupt hin vor Libussa legen.
PRIMISLAUS
ausrufend.
Ein Schwert, ein Schwert, die Toten zu verteidgen!
DOMASLAUS
durchbohrt sie rücklings.
Ich mahne dich zur Pflicht, folg deinem Manne!
DOBROWKA
sinkt.
Fluch dir! du fallest durch der Jungfrau Schwert!
WRSCHOWETZ.
Die Leichen tragt nun aus dem Friedensbanne.
Du hast dich herrlich, Primislaus, bewährt.
Die Knechte Rozhons, die geflüchtet sind,
Erzählten uns, wie kühn du ihn erschlagen.
PRIMISLAUS.
Entlasset aus dem Heer mir mein Gesind,
Nach Haus die Ewigschweigenden zu tragen!

Sechs Knechte treten aus der Menge, zwei nehmen Rozhon, zwei Dobrowka auf Lanzen, zwei gehn mit Fackeln vorher.

Lebt wohl, ihr Männer, haltet euch bescheiden,
Ich sühne jetzt das Blut, das mich befleckt.

Ab.
CHIRCH.
Die Götter mögen, Frommer, dich geleiten.
DOMASLAUS.
Wir kommen recht; von Rozhon noch erschreckt,
Giebt sie uns nach.
WRSCHOWETZ.
Still, sehet, Lichter ziehn
Noch in dem Schloß. Stellt euch zur Mauer hin,
Und lasset eure Hörner sanft ertönen,
Daß wir die Ungebühr der Zeit versöhnen.

Sie treten vor den Turm, und spielen eine Melodie.
BIWOG
mit einer Fackel aus dem Schloß.
Was wollt ihr, Männer, von der Mitternacht?
WRSCHOWETZ.
Wir wollen unsers Himmels Mond jetzt sehen

[728] Libussa, Tetka, Kascha, Biwog, von den fackeltragenden Dirnen begleitet, treten, alle bewaffnet, zum Schlosse heraus, ziehen die Treppen nieder, erscheinen dann auf dem Turm, dessen Tor verschlossen bleibt.
DOMASLAUS.
O sieh den Mond in glanzumsternter Pracht!
WRSCHOWETZ.
Die Sterne mögen immer untergehen!
LIBUSSA.
Wer bricht den Bann der Nacht, der Friedensbraut,
Wer wecket jetzt Libussen also laut?
DOMASLAUS.
Wir wissen, du entkamest der Gefahr,
Und bringen unsre Segenswünsche dar.
WRSCHOWETZ.
Es drang zu uns, was kaum dir noch geschehn,
Da wollte dich dein Heer gerettet sehn,
Es sieht dich so, und –
LIBUSSA
heftig unterbrechend.
Und? und was denn und?
Und Lüge spricht dein gleisnerischer Mund!
Der Dirnen Schwert half mir gen Männer Spott.
DOMASLAUS.
Dir half ein Mann!
LIBUSSA
mit tiefem Ernste.
So war ein Mann ein Gott.
Ihr seid nicht Götter, trotzige Zemannen.
WRSCHOWETZ.
Ja, trotzig sind wir, doch was sind Zemannen?
LIBUSSA.
Es sind die edlen Männer in dem Land.
Die Männer, die Zemannen ich genannt,
Und die ich schimpfe, die sind nicht Zemannen.
WRSCHOWETZ.
So schimpfe uns, denn wir ziehn nicht von dannen,
Bis einen Mann du für das Land erwählt.
DAS HEER.
Wähl einen Herrn, ein Herr sei dir vermählt!
LIBUSSA.
Mir einen Herrn, Libussen einen Herrn?
Er fiele nieder, spräche dies ein Stern!

Eine Sternschnuppe fällt.
VOLK.
Libussa, beuge dich, o Wunder! Wunder!
Ein Stern sprach es, es fiel ein Stern herunter!
LIBUSSA.
Und weil ers sagte, mußt er niederfallen.
Ihr Meisterlosen könnt zu stehen wagen!
O jubelt nicht, die Nachreu kommt euch allen;
Der Himmel warf ihn weg, ihr müßt ihn tragen.
[729] Bedenkt, als eure Krone ich erlanget,
Sprach ich, ich nehme, die ich nicht verlanget;
Doch geb ich sie den Göttern nur zurück!
Was klaget ihr, genügt zu eurem Glück
Die Jungfrau nicht, die eure Krone trug?
DOMASLAUS.
Zuviel die Jungfrau!
WRSCHOWETZ.
Nur genug zum Weibe!
LIBUSSA.
Zuviel für alle, einem doch genug,
Doch ewig ich für zwei zu wenig bleibe!
Weil ich euch nicht mit Eisenruten schlug,
Glaubt ihr, ich sei ein Weib und wisse wenig,
Und weil ihr furchtlos lebt, ehrt ihr mich nicht,
Denn wo die Furcht, ist Ehrfurcht im Gericht.
Den Tauben gleichet ihr, die sich zum König
Den Taubenfreund, den Rüttelweih, gesetzt
Und dann, der Ruhe satt und sonst verhetzt,
Ob seiner Kraft den Geier sich erwählet.
Doch alle unverurteilt, ungezählet
Zerriß er sie in seines Grimmes Wut,
Und trinket noch bis heut der Tauben Blut.
Verzeiht, ihr Götter, daß ich Tauben nannte
Die, die als böse Raben ich erkannte!
CHIRCH
O schmäh uns nicht, weil einen Herrn wir wollen;
Befehle deinen Dienern, was sie sollen.
LIBUSSA
in schmerzlicher Leidenschaft.
Geht, opfert, schlafet, tuet, was ihr wollt,
Libussa wacht. O schwere, bange Nacht!
Verderben mußt du, klar jungfräulich Gold!
Das schnöde Kupfer hat dich angelacht.
O Ehrendienst! dir wird ein niedrer Sold,
Ein Sklavenrock wird freie Jugendpracht.
Die Toren kennen sich, ja, sie verdienen,
Was ihnen ähnlich ist, ich geb es ihnen!
Sink hin, sink hin, du jungfräuliche Eiche,
Und spreng das erzne Tor von Krokus' Gruft.
Die Elenden, sie fällen deine Zweige,
Doch deine Wurzeln schießen in die Luft,
Wie wilde Schlangen aus des Abgrunds Reiche,
[730] Aus der Tesani dunkler Rächerkluft.
Tesani, Furien, woher, wohin?
Wie raset ihr, was peitschet euren Sinn?
Weh dir! weh dir! mein Volk, dein Haar entflammet,
Die Brände schwingen Dirnen in den Händen;
Ich war unschuldig, ihr habt mich verdammet.
Der Rache Feuerstrom kann ich nicht wenden.
Die Götter, deren Schoß ich rein entstammet,
Sie wollen so, was ihr beginnt, vollenden.
Entwurzelnd mich, bracht ihr des Abgrunds Tor,
Entsetzlich steigt die Zukunft draus hervor!

Sie sinkt in den Arm ihrer Schwestern.
KASCHA.
Ihr Himmlischen, Libussa!
TETKA.
Komm zu dir!
LIBUSSA
sammelt sich, nach einer Pause.
Was wollen diese Männer hier von mir?
WRSCHOWETZ.
Nur Heil und Segen auf dich niederflehn!
DOMASLAUS.
Hab, Gut, Blut, Ehre dir zu Füßen legen!
LIBUSSA.
Heißt Hab, Gut, Blut und Ehr und Heil und Segen
Gemahl, o dann laßt lieber arm mich gehn!
Wohlan, kehrt morgen, daß der, den ihr wählet,
Als solch ein reicher Mann mir sei vermählet!
4. Akt
Vierter Akt
Nach Mitternacht. Szene bei Kroks Eiche. Im Hintergrund ein Schmelzofen, unter welchem starkes Feuer. Es laufen drei Rinnen aus dem Ofen in ebenso viele Gruben, in welchen die Bildformen versenkt sind. Pachta wirft Holz in den Ofen, Trinitas sieht hinein.

TRINITAS.
Zum Guß neigt das Metall, es naht die Zeit.
PACHTA.
Die Form steht fest. Glaubst du uns schon so weit?
TRINITAS.
Ich glaube. Sprich, wie heißt die hohe Dirne,
Die ich zuerst zum Quell des Lichtes führe.
PACHTA.
Tetka; indes ich auf des Felsens Stirne
[731] Ihr Schloß, erbaue du ihr Herz, und rühre
Gleich Moses quellenweckend an den Stein.
TRINITAS.
Wie! Pachte, und die andern bleiben blind?
PACHTA.
Hat Tetka erst des Heiles einen Schein,
Der Lichtquell still auch zu den andern rinnt.
TRINITAS.
Weis ist dein Wort. Was schnell die Nacht durchbricht,
Das ist kein Tag, kein steter Sonnenspiegel;
Nur Blitzerleuchten, glühnder Drachen Licht,
Zerbricht das mitternächtge Zaubersiegel,
Ein Lichtgespenst, dem überm Haupt sich schnelle
Des Nachtmeers wild zerrißne Woge schließt.
Glaub, Hoffnung, Liebe gleichen einer Quelle,
Die still im Kern des Lebens sich ergießt;
Sehnsüchtig ringend nach des Tages Helle,
Quillt sie im Grund, und schwillt, und steigt empor,
Und pocht an eines frommen Herzens Tor:
Es tut sich auf, die freudge grüßt das Licht,
Und jauchzet in die Täler selig nieder.
Sie wächst, und bildet Ströme, Seen und Meere.
Den Kern, der sie umschloß, umarmt sie wieder
Im selgen Spiegel aller Himmelsheere.
Fern ist das Ziel, ich dringe nicht empor,
Selbst nicht zum Herzen, das des Lichtes Tor!
PACHTA.
Zagst du, o Trinitas, sinkt schon dein Mut?
TRINITAS.
Gern kaufte ich ihr Heil mit meinem Blut,
Doch seh ich, wie mit ängstlichem Verdacht
Du mich verbirgst in dieser Wälder Nacht,
Wo mir zuerst der Hexe Fluch begegnet,
Wo Jesus' Name nie die Zeit gesegnet,
Und höre von Jungfrauen dich erzählen,
Die, ganz verwildet in unsinngen Rechten,
Mit Männerwaffen gegen Männer fechten,
Dann bebe ich; wie kann in diesen Seelen,
Die eigener Natur sich selbst verschließen,
Des Glaubens heilger Lichtquell sich ergießen?
PACHTA.
Wenngleich das Land in dumpfer Dürre lebt,
Hier keine Rebe rankend sich erhebt,
[732] Sind doch die Gipfel von dem Geist umschwebt,
Und stehn die Höhn des Lands im Glanz der Sonnen,
Versiegelte und weinerfüllte Bronnen,
Entsiegle, segne du den Wein; und Wahrheit
Durchdringet meiner Heimat Nacht mit Klarheit!
TRINITAS.
Woran soll Tetka ich heut unterscheiden?
PACHTA.
Die goldne Spinne trägt sie auf dem Stab,
Die Schlange und den Frosch die andren beiden.
TRINITAS.
Die Satansbilder breche ich herab,
Die Talismane finstrer Zauberei,
Das Lamm, den Kelch, die Taube geb ich ihnen,
Die Erstlinge aus meiner Bildnerei,
Sie mögen als ein heilig Spielwerk dienen.
Ein Freund des Vaters hat vor langer Zeit
Am Grab des Herrn anrührend sie geweiht.
Nun rufe sie, es sehnet sich mein Herz
Nach ihnen, wie zur Form das glühnde Erz.
PACHTA.
Verberge dich, des Feuers helles Brennen
Läßt durch der Türe Spalt dich sie erkennen.

Ab.
TRINITAS.
Der fromme Mann, er ist der Hoffnung voll,
Und führt mich schwaches Mägdlein in die Wildnis,
Daß ich des Herren Weinberg bauen soll.
Vergieb, o Herr, hier ist kein heilig Bildnis,
Kein Kirchlein, kein Altar als dieses Herz,
Kein Priester, dir zu dienen, als mein Schmerz
Um deine Leiden, um dein bittres Sterben.
O laß mich einst ein christlich Grab erwerben!
Niemals seh ich dich wieder, o Byzanz,
Und deiner Türme Gold im Sonnenglanz!
Sie nahn, sie nahn, und ich, die für sie leide,
Soll mich verbergen, nein, ich muß sie sehn,
Geschmückt in meinem besten Feierkleide,
Tret ich hervor, um ihren Schutz zu flehn.

Ab in die Hütte.
Libussa, Tetka, Kascha, Pachta treten auf.
TETKA.
Die Werkstatt bautest du in Krokus' Hain?
PACHTA.
Das gute Werk hat statt an guter Stätte.
[733]
KASCHA.
Wer führte dich in Krokus' Hütte ein?
PACHTA.
Zuerst mir hier der Heimat Odem wehte;
Als ich zur Mitternacht hier angelangt,
Hab knieend ich dem Herrn hier im Gebete
Zuerst für meiner Reise Ziel gedankt.
Da grüßte Zwratka mich mit bösem Fluche,
Und Slawosch, der in mitternächtger Wache
Gehöret, daß ich fremd ein Obdach suche,
Hat gastfrei mich geführt zu seinem Dache
Und hieher später zu des Krokus' Hütte,
Die Wandrern offensteht durch milde Sitte.
LIBUSSA.
Warum hast du drei Formen in der Erde?
PACHTA.
Daß Wille, Werk und Sinn geformet werde.
TETKA.
Sprich deutlicher, denn wir verstehn dich nicht.
PACHTA.
Aufgang, und Sieg, und Bild bring ich ans Licht.
KASCHA.
Gieb unsrer Neugier bessere Gewährung.
PACHTA.
Die Liebe, das Erbarmen, die Erklärung.
LIBUSSA.
So dunkles Wort bringt nimmer uns zur Kenntnis.
PACHTA.
Das Leben, und den Tod, und ihr Verständnis.
Das Werden, Sein, das Handeln und das Leiden,
Das Gleichnis, und das ewige Bedeuten,
Der Mutter heilge Lust, des Sohnes Tod,
Das freudge Morgen-, blutge Abendrot,
Des Mittags Kampf, den Friedenssieg der Nacht,
Was Gott im Menschen, Mensch im Gott vollbracht.
LIBUSSA.
Und alles dieses soll ein Zelu werden?
PACHTA.
Der ewge Gott des Himmels und der Erden.
O fraget nicht, er sprach ja auch zu euch:
Selig, die glauben, ihrer ist das Reich.
Nun wähle jede sich hier eine Quelle.
TETKA.
Zur Form der Deutung leite ich die Welle.
KASCHA.
Zur Mutterfreude führe ich den Fluß.
LIBUSSA.
So bleibet mir des Sohnes Tod zum Guß.
Schür deine Glut, ich muß mich niedersetzen,
Ermüdet bin ich ganz, und voller Angst,
Noch fühle ich das nächtliche Entsetzen.

Sie setzen sich an die Erde.
KASCHA.
So nach dem Licht des Traumes du verlangst,
[734] Sei's nicht des Schlummerapfels böser Geist,
Der dich mit Zauberei zum Abgrund reißt;
Nimm diesen Trank, der dich mit Ruhe deckt
Und heilige Gesichte dir erweckt.

Sie reicht ihr ein Trinkhorn.
LIBUSSA.
O möchte einen Liebestrank ich trinken!
TETKA.
Des Mannes Bild soll dir zur Seele sinken,
Ich trinke auch.
KASCHA.
Ich wache nicht allein,
Wir wollen selbst im Traum vereinet sein.
LIBUSSA.
Ihr Götter, zeigt Libussen den Gemahl,
Gebt mich nicht preis der wilden Männer Wahl,
O lasset lieber mich jungfräulich sterben
Als in verhaßter Liebe Arm verderben.
Ich sah wohl einen, einmal, es war hier,
Ein stiller Mann, ein Hirt, er sprach zu mir:
Libussa, Herzogin –

Sie entschläft.
TETKA.
Sie schläft. Ein Schleier
Sinkt auch vor mir, o Mond, o Sternenfeier!

Entschläft.
KASCHA.
Wie tief – o Erde – tief ist deine Nacht!

Entschläft.
PACHTA.
Sie schlummern, Trinitas, nimm dich in acht,
Daß keine du erweckst, komm still heran,
Tritt knirschend nicht auf die zerstreuten Kohlen,
Behutsam schreite her auf leisen Sohlen,
Schau dir des Krokus ernste Töchter an.
TRINTTAS
tritt im himmelblauen Mantel und roten Gewand aus der Hütte, sie trägt drei kleine goldene Figuren in der Hand.
In bösen Zauberschlaf sind sie versenkt,
Und ihre Seelen spielen mit Gesichten.
Tetka! die hohe Stirne strahlt und denkt,
Als müßte sie mit Engeln Psalmen dichten;
Das fromme Herz seh ich in Liebe pochen,
Die nie der ernste Mund noch ausgesprochen.
Kascha! tiefsinnig senket sie die Brauen,
Als wollte sie der Blumen Hauch belauschen,
[735] Der Steine Wachstum in dem Abgrund schauen,
Als höre sie lichtfremde Quellen rauschen.
Libussa! leuchtend Antlitz, voller Klarheit!
Im Lebensspiegel lachet so die Wahrheit,
Aus Augen, die der Schlummer zugetan,
Schaut offen mich die helle Seele an!
PACHTA.
Warum so festlich, Trinitas, geziert?
TRINITAS.
Weil Zierde sich vor Fürstinnen gebührt.
O selig bin ich, daß ich Menschen finde!
So lange ists, daß Menschen ich erblickte,
Daß einem Bettler, einem blinden Kinde
Zu Ehren selbst ich mich so festlich schmückte,
Als zu Byzanz am freudgen Pfingsttagfeste.
Im hochzeitlichen Kleid gehn Hochzeitsgäste,
Und stellen die Geschenke schimmernd aus.
Gereinigt sei des Festes Ehrenhaus,
Die Spinne fängt, ausstrahlend vor dem Lichten
Das sonnenförmge Netz, dem Tod, der Nacht,
Die lichtberauscht den Flug zum Lichte richten:
Ich breche ihre antichrist'sche Macht.
Tetka! glorreich geh einst von deiner Hand
Der Kelch des Heiles aus in dieses Land.

Sie vertauscht ihr die Spinne mit dem Kelch.

Die Schuld, die von der Schlange ist gekommen,
Hat, Kascha, auch das Lamm von dir genommen!

Vertauscht ihr die Schlange mit dem Lamm.

Nicht wars der Frosch, der, als die Flut zerronnen,
Verkündete die Ruh der zorngen Wogen,
Die Taube brach im Glanz versöhnter Sonnen
Des Friedens Ölzweig; unterm Farbenbogen
Der Sühnung ist sie schimmernd hingezogen.

Sie vertauscht ihr den Frosch mit der Taube.

Zu Gott bet ich für euch, indes ihr ruht,
Die Götzenbilder werf ich in die Glut!

Sie wirft die Bilder in den Ofen.
PACHTA.
Es schmilzt, es schmilzt, der Blick des Silbers lacht;
Auf, auf, zum Guß! Ihr Töchter Kroks, erwacht!

[736] Er schlägt mit dem Hammer gen den Ofen. Die Jungfrauen erwachen, und springen auf, sie erblicken Trinitas mit schlaftrunkenem Erstaunen, welche durch die hohle Eiche des Krokus entweicht.
TETKA.
Ihr Götter! sie verschwindet in dem Baum!
KASCHA.
Sahst du? Ich traue meinen Sinnen kaum!
LIBUSSA.
Wars Lado, wars die Mutter, war es Traum!
TETKA.
Erschüttert bin ich ganz!
KASCHA.
Wie war sie schön!
LIBUSSA.
Ich habe solche Jungfrau nie gesehn!
PACHTA.
O schlagt die Pfropfen aus! Am Augenblick
Hängt meines Werkes Glück und Mißgeschick.
TETKA.
Verzeih, o Meister, sahst du nicht die Frau?
Blau war ihr Mantel wie des Himmels Blau!
KASCHA.
Wie Morgenröte rosig ihr Gewand.
LIBUSSA.
Ihr Antlitz war ein Mond, so hell, so mild,
Gleich einer Lilie glänzte ihre Hand.
PACHTA.
Gießt, gießt, verderbet zögernd nicht das Bild.
TETKA.
O möchten alle Bilder ihr nur gleichen!

Sie öffnet einen Ausfluß des Metalls.
KASCHA.
Ja, alle schön wie sie der Form entsteigen!

Schlägt einen Pfropf aus.
LIBUSSA.
Wir sahen sie, es ist ein gutes Zeichen.

Erschließt eine der Quellen; das glühende Metall stürzt in die drei Formen.

Es rinnt der Guß, o welche glühe Pracht!
TETKA.
Wie strahlt der Strom des Lichtes durch die Nacht!
KASCHA.
Wie freudig uns der Blick des Silbers lacht!
O Pachta, sahst du sie!
PACHTA.
Ich kenne sie.
TETKA.
Und staunest nicht? wer ist sie? Nenne sie!
LIBUSSA.
Wo kam sie her? Denn sie ist nicht von hier,
Sie ist nicht dieses Volks, nicht so wie wir!
PACHTA.
Ihr saht sie kaum, und staunt, sie anzusehn,
Ich seh sie täglich, und kann sie verstehn;
Nicht so wie ihr, nicht dieses Volkes hier
Ist sie; doch wessen ist dies Volk, und ihr?
TETKA.
Wir sind der guten Götter!
PACHTA.
Gottes sie!
[737] Ich sah sie allen euch Geschenke geben,
Und daß Unheiligem das Heilge nutze,
Brach sie die Götzen euch von euren Stäben.

Sie sehen ihre Stäbe mit Verwunderung an.
LIBUSSA.
Sieh, eine Taube!
TETKA.
Einen Kelch!
KASCHA.
Ein Lamm!
Doch wo, wo ist sie nun?
PACHTA.
In Gottes Schutze.
Geduldet euch, bald bricht das Licht den Damm,
Bald ruhet lauschend ihr zu ihren Füßen,
Wie hier die Formen harrten auf den Guß.
Zu euch wird ihre fromme Rede fließen
Wie in die Nacht des glühen Silbers Fluß,
Dann wird nach Weisheit euer Durst gestillt,
Und Gottes Bild erfüllt sein Ebenbild.
LIBUSSA.
Mir, Kascha, Tetka, wird der Traum nun klar,
Und das Gesicht der Wahlnacht auch. Mir war,
Als ob im Mondlicht wir am Brunnen säßen,
Gleich Mägdlein, die das zauberische Bild
Des Bräutigams im Wasserspiegel lesen,
Und bald ward meine Sehnsucht mir gestillt.
Der goldne Frosch sprang zu dem Brunnen nieder,
Und über mir schwang schimmernd ihr Gefieder
Die Taube jenes Traums, ihr folgt ich wieder,
Aus früherem Gesicht kannt ich den Weg.
Ja, jeden Berg, jed Tal, den Fluß, den Steg;
Ich sah sie so, wie damals, vor mir schweben
Und niedersenken ihren sichren Flug
An jener Hütte auf denselben Pflug,
Den ich zur Wahl dem Jüngling einst gegeben,
In dem ich jetzt den Freund zu sehen glaube;
Und so ist heilig mir und lieb die Taube!
TETKA.
Mir spielte auch bedeutsam jener Traum
In diesem wieder. Ich saß auch am Saum
Des Brunnens, nach der Liebe Glück zu spähn;
Die Jungfrau, die ich damals auch gesehn,
Sah ich zur Quelle mit dem Kelch sich neigen,
[738] Dieselbe, die hier unsrem Blick entwich,
Und als sie mir den vollen Kelch will reichen,
Trifft wieder sie der giftgen Spinne Stich,
Die sich herabläßt von der Eiche Zweigen;
Zum Brunnen sank die Magd, der Kelch schwebt oben,
Und als ich rettend ihn emporgehoben,
Seh ich den Helden mir zur Seite stehn,
Den schon als ihren Rächer ich gesehn,
Den, dem zur Wahl die Scheiben ich gegeben.
Die blutge Hand seh ich ihn flehend heben
Und meine Tränen zu den seinen fließen.
Den Kelch laß ich nun Sühnung ihm ergießen,
Des Wassers Neige mit ihm trinkend teil ich,
Drum sei der Kelch mir fortan lieb und heilig!
KASCHA.
Auch ich sah frühern Traum in diesem wieder.
Am Brunnen saß ich, und die Zauberschlange
Schoß aus dem Schoß mir in das Wasser nieder,
Als ob sie vor dem weißen Lamm erbange,
Das aus dem Busche trat, mit stummen Grüßen
Das Kräutlein Keuschlamm legend mir zu Füßen.
Den Bildern ist der gleiche Traum gedeihlich,
Wie Kelch und Taube dir, das Lamm mir heilig!
TETKA.
Der Jungfrau Gabe sei uns hoch verehrt.
KASCHA.
Der zwiefach gleiche Traum hat sie bewährt.
LIBUSSA.
Ich seh, was mir der junge Tag beschert,
Er wandelt, blumenpflückend, durch die Au
Zum Brautkranz, den er bald der Jungfrau reichet,
Die, weinend, mit der Tränen kühlem Tau
Den keuschen Schleier noch im Mondlicht bleichet.
Folgt mir nach Haus, die graue Schwalbe singt
Ein Morgenlied, das mir hochzeitlich klingt.
Der Taube folg ich, weil sie für mich freite.
TETKA.
Den Kelch hier trink ich, weil das Blut er weihte.
KASCHA.
Das Lämmlein lehrt mich, wie ich Heil verbreite.
Leb wohl!
TETKA.
Leb wohl!
LEBUSSA.
Leb wohl!

Alle ab.
PACHTA.
Gott helfe euch!
[739] Zu gründen hier im wilden Land sein Reich,
Kehrt wieder her; ist erst der Kern erkaltet,
Brech ich die Form, und stelle, rein gestaltet,
Die Bilder alles Trostes an den Tag,
Daß jeder glauben, hoffen, lieben mag.
Herr, segne meine frommen Wünsche,
TRINITAS
hervortretend.
Amen!
Spes, Fides, Caritas sei'n ihre Namen
In heilger Taufe. Möchten auf die Frommen
Die Kronen von Sophias Töchtern kommen!
Sie gleichen Linden, süßer Blüte voll,
Ich bin die Biene, die den Honig baut,
Der dieses wilde Volk erquicken soll.
Sieh, Pachta, wie der Tag dort leis ergraut,
Es krümmt sich einer Schlange gleich die Nacht.
O Morgenröte, süße Himmelsbraut!
Herauf, herauf, in deiner Heldenpracht.
O hör begeistert meine frühen Grüße,
Auf, tritt die Schlange unter deine Füße!
PACHTA.
Still, still, mein Kind! o mäßge deine Glut!
TRINITAS.
O selge Marter! Himmel voller Blut!
PACHTA.
Du weckest die Gefahr, sprich nicht so laut!
TRINITAS.
Voll Freuden bin ich, ich bin eine Braut!
PACHTA.
Ihr Tagwerk soll des Himmels Braut vollbringen.
TRINITAS.
Und Gloria! Gloria! dann die Nacht durchsingen!
PACHTA.
Ich rufe Slawosch, mir am Werk zu helfen;
Hut dich, mein Lamm, vor Menschen, und vor Wölfen.
TRINITAS.
Wie lang noch halte ich mein Licht verborgen?
PACHTA.
Noch diesen Tag, vor Tetka leuchte morgen.

Ab.
TRINITAS.
Ein Tag, ein Tag umfasset alle Zeit,
Ein Tag, ein Tag ist eine Ewigkeit!
Denn zwischen Morgenrot und Morgenrot
Liegt tausendfältig ja Geburt und Tod.
Ich sterbe gern, doch möcht ich erst vollenden,
Mit vollen Händen mich zum Urquell wenden.
Zum Flusse geh ich, daß mein Aug ich wasche,
Ich war einst Asche, werde wieder Asche!

Sie zeichnet sich die Stirn mit einem Aschenkreuz, und geht ab.

[740] Szene Vor Libussens Schloss

WLASTA
tritt aus dem Tor.
Du bang durchwachte Nacht, soll ich dir fluchen?
Soll ich mit Bitten dich zu halten suchen?
Bielbog, dem glanzumwogten Lichtgenoß,
Weicht Triglawa auf ihrem dunklen Roß.
Ermüde, bleicher Buhler, Mond, nicht ganz,
Faß kräftiger dem Nachtroß in die Mähne,
Vergeh in Scham nicht vor der Sonne Glanz,
Weil seliger ich in der Nacht mich wähne.
Weh! unbekümmert um der Wlasta Qual,
Sinkt Triglawa mit ihm ins Nebeltal,
Und Bielbog, unbekümmert um mein Leid,
Krönt alle Gipfel rings mit Heiterkeit!

Sie reibt an ihrem Armring.

Noch immer der verfluchte Ring nicht funkelt,
Wie ich auch reibe, will kein Glanz heraus,
Seit gestern ihn mein schwarzes Blut verdunkelt!
Ein Mann soll herrschen hier! – O Primislaus! –
Und Wlasta lebte, könnte es ertragen?
Wohl mir! wohl mir! der Ring gewinnet Schein!
O Primislaus, nur du sollst oben ragen,
Durch mich, durch mich, die kühne Magd, allein;
Es steige auf, wer mag, er sei die Schwelle,
Auf der ich steige. Heil! der Ring ist helle!
ZWRATKA
im Zorne auftretend.
Du hättest, Stolze, meinen Zorn gefühlt,
Hätt Rozhons Schwert nicht deinen Stolz gekühlt;
Für deinen Frevel floß dein dunkles Blut,
Das allzusehr sich hebt in Übermut.
WLASTA.
Nicht kenn ich deiner harten Worte Ziele.
ZWRATKA.
Klimbogna, Budeslawka, Dobromile!
Verstehst du nun? Du hast sie mir verführt.
WLASTA.
Es hat sie mein Ermahnen nicht gerührt;
Könnt ich sie zwingen? die heran sich drängten,
Sich jubelnd mit der Dirnen Schar vermengten;
Die Werbung darf nicht lange wählend schweben,
[741] Gefährlich wird ein Mann das Haupt erheben.
ZWRATKA.
Gefahr! Gefahr! was weißt du von Gefahr?
Du mehrst, der Freiheit Wollust zu erhalten,
Der Götter Rüsthaus plündernd, deine Schar;
Doch mich umschleichen feindliche Gewalten.
O Wlasta, näher, stärker ist die Not,
Die mich, als jene, die dich selbst bedroht.
Sag an, gedenkst du jener dunklen Nacht,
Die ich im Haine Kroks im Traum durchwacht?
Da störte frech ein Feind mir meine Ruh.
Sahst keinen Mann, sahst keinen Jüngling du,
Ein Mägdlein oder Kind? sei's wer es sei,
Die schrecklich mir mit fremdem Zauberschrei
Den tiefsten, seligsten der Träume brachen,
Mich quälten, peinigten, mit Nadeln stachen,
Sprich, sahst du sie?
WLASTA.
Nein, niemand sah ich dort,
Du warst allein, und Fluch dein jedes Wort!
ZWRATKA.
O du warst blind, es ist ein Mann im Land,
Von bösen falschen Künsten ist er voll,
Des Krokus Töchter bieten ihm die Hand,
Daß er der Götter Haus erschüttern soll;
Er hat ihr töricht Herz so fein umsponnen,
Doch Zwratka bringt es blutig an die Sonnen.
WLASTA.
Fremd ist nur Pachta hier, der stille Maurer.
ZWRATKA.
Still ist der graue Wolf, der listge Laurer;
Doch würgt die Hirtin er, die in dem Duft
Der Blumen sorglos an dem Quell entschlafen,
Und treibt ein blutig Spiel mit ihren Schafen.
Still schwebt der Adler bläulich in der Luft,
Wie eine Locke aus des Donnrers Bart,
Nicht schreit er, so die Tauben er gewahrt,
Die auf dem dunklen Saatfeld schimmernd spielen,
Nicht stummer kann der Pfeil vom Bogen zielen.
Still sind die tiefen Wasser, hohe Not
Holt leisen Odem, und es schweigt der Tod.
Bleib, Wlasta, nur den Unterirdschen treu,
Die Sorge naht. Wenn die Gefahr vorbei,
[742] Will ich den Ring Libussens dir schon finden,
Wir werden streiten, werden überwinden!

Ab.
WLASTA.
Bielbog, der blinden Mutter dich erbarme,
Sie sucht, und sieht ihn nicht an meinem Arme,
Eh sie ihn findet, wird so hoch er steigen,
Daß ihre Künste nie mehr ihn erreichen.
Den Göttern ist sie eine alte Magd,
Die täglich ihre finstre Kammer fegt
Und nur den Unterirdschen, deß sie pflegt,
Mit allen Falten ihrer Laune plagt.
Wie bange ihr um ihre Götter ist,
Die nichts ihr geben als ein wüst Genist
Verwirrter Künste und unselger List,
Unsichre Formeln, tausendfach bedingt,
Daß selten ihr der Zauber ganz gelingt.

Sie stößt in die Trompete, als sie der Männer Hornruf in der Gegend schallen hört. Stratka, Scharka mit den Mägdlein steigen während ihrer letzten Rede von der Burg nieder.

Der Unterirdischen, Unwilligen,
Der Zänker Dienst will sie nur billigen.
Fremd ist ihr Lado, die nur freundlich blickt,
Und Lel, der süße, der die Pfeile spickt,
Doch ich folg ewig treu der Göttin Winken;
Und wenn auch rings die Tempel alle sinken,
Im heilgen Hain ein Sturm aus andrer Welt
Die Säulen tausendjährger Eichen fällt,
Bleibt, Krasnipani, dir des Menschen Brust
Zu offnem Dienste und geheimer Lust
Ein ewiges geschmücktes Opferzelt.

Scharka, und die Dirnen.
STRATKA.
Die Nacht war stürmisch und voll bösen Wettern;
Kaum, schüchtern, schlummernd auf des Morgens Flügel,
Löst Kikimora seiner Träume Zügel,
So raufet weckend der Trompete Schmettern
Dem Gott die taubeträuften Locken aus.
Was treibet, Wlasta, uns so früh heraus?

Man hört in der Ferne Hornrufe.
[743]
SCHARKA.
Still! hört der Wächter Hornruf rings im Tal,
Die in dem Nebel um die Hütten schleichen,
Den Traum vom Haupt der Männer zu verscheuchen;
Sie wecken sich zu der verfluchten Wahl.
WLASTA.
Euch, meine Herde, sammle ich als Hirt,
Ich hörte, wie der Wolf im Walde heult,
Der, kalt vom Tau der Nacht, zur Flur nun eilt
Und bald sich frech vor uns hier sonnen wird.
Was fragt ihr? Soll ich Katzen euch vergleichen,
Die siebenmal auf Mord am Tage sinnen
Und drauf vergessen siebenmal beim Spinnen?
Schnell wußte Wrsch Dobrowka zu erreichen.
O tretet her, seht dieses blutge Zeichen,

Sie zeigt ihnen die Stelle, wo Dobrowka erschlagen wurde.

Es ist Dobrowkas, unsrer Schwester, Blut,
Die jetzt gebändiget bei Rozhon ruht.
Erschreckt euch nicht, was diese Nacht empfangen,
Was diesen Morgen wird zum Licht gelangen?
STRATKA.
Sprich es nicht aus, was hilft hülfloses Nennen?
Wir alle hier sind dieses Blutes Zeugen.
SCHARKA.
Mag sich Libussa einem Manne beugen,
Wir bleiben frei, wir wollen nie uns trennen.
WLASTA.
Wir bleiben frei, wir wollen nie uns trennen!
Leicht ists gesagt, und schwer ist es geblieben,
Leicht ists zu wollen, schwer ist es zu können.
Der Wille, der zusammen uns getrieben,
Beugt schmählich sich heut eines Mannes Willen,
Der wird, mit uns den seinen zu erfüllen,
Das freie Schwert, das Silber, Gold und Eisen
Der Dirnen Hand, der Dirnen Leib entreißen.
Ihr mögt, entblößt, euch vor den Männern schämen
Und zu der züchtgen Spindel euch bequemen.
HODKA.
Da wird nichts draus, ich käm vor Scham von Sinnen,
Denn niemals schäme ich mich als beim Spinnen.
WLASTA.
Er schickt zur Moldau uns, die mit den Helmen
Wir trinkend jetzt in stolzer Freiheit schöpfen,
Der Männer Hemd zu waschen!
NABKA.
Fluch den Schelmen!
[744] Ich wasche es zugleich mit ihren Köpfen,
Den Fleck, der nicht von mir, will ich nicht löschen,
Nicht ihnen, nein, sie selbst schwur ich zu dreschen.
WLASTA.
O klagt, ihr Dirnen, bald bricht eure Kraft.
Ihr, die das Feld auf flüchtgen Rossen meßt,
Singt bald, wie Finken in des Käfigs Haft,
Bis ihr der freien Dirnen Lied vergeßt,
Nur Spinnerlieder hinter hölzner Wand.
Ihr, deren Roßschweif stolz im Winde weht,
Nun bald dem Manne mit gezähmter Hand
Des Elends Zwirn aus ewgen Rocken dreht.
ZASTAWA.
Deß Brot ich esse, dessen Lied ich singe;
Daß Huihussa Libussa hoch stets klinge,
Daß aus Libussas Brot kein Mann mich bringe,
Hier diese gute Klinge mir erschwinge.
WLASTA.
Es nahet euch die Zeit des niedern Dienstes,
Befleißet euch des schmutzigen Gewinstes,
Eilt, eh euch noch der Männer Oberhand
Vom Sattel setzet in den blanken Sand,
Vertauschet schnell das Roß um eine Kuh,
Und führt dem Mann sie, der euch wählet, zu.
MILENKA.
Da haben wirs, hab ichs doch gleich gedacht,
Da ist auch die verwünschte Kuh schon wieder,
Nun hab ich einen dummen Streich gemacht,
Reißt ihr den Harnisch mir vom Leibe nieder,
So bin ich, wie man mich zur Welt gebracht.
Im Zorn brannt ich ein Loch mir in das Mieder,
Das wird mir eine Pracht sein bei der Nacht!
Der Guckuck gebe was auf eure Lieder,
So ihr nicht halten wollt, was ihr versprecht.
Ach, hätt ich nicht gehöhnt Milick, den Knecht,
So wüßt Milenka nun, wo unterkommen,
Er hätte mich auch ohne Kuh genommen.

Die Dirnen lachen sie aus.

Jetzt werd ich obendrein noch ausgelacht.
STRATKA
unwillig.
Weil dir ein Loch im Mieder bange macht,
Durch das ich jetzt zu deiner Schande sehe,
[745] Wie es mit deinem Männerhasse stehe.
Doch wahrlich, Wlasta, du sprichst hier nicht gut,
Statt ihn zu stärken, schwächst du ihren Mut.
Die Rede, die ich von dir angehört,
Hat mir das Herz so in der Brust empört,
Daß mir das Blut in allen Adern siedet.
Eh meinem Leib ein Schelm von Mann gebietet,
Treib mit dem eignen Schwert ich Buhlerei;
Frei sind die Mägdlein, und sie bleiben frei!
ALLE MÄGDLEIN.
Frei sind die Mägdlein, und sie bleiben frei!
SCHARKA.
Unmöglich, Wlasta, sind mir deine Reden.
Weil Rozhon gestern meuchlings dich bezwungen,
Wähnst allen Dirnen du aufs Haupt getreten.
WLASTA.
Ich habe waffenlos mit ihm gerungen,
Libussens Helm hat mich, wird euch verraten,
Legt erst ein Mann den Hochzeitskranz ihm auf.
Weh! gaben wir, in Schmach nur zu geraten,
Den ewgen Frieden des Geschlechtes auf,
Und lernten wir zu streiten und zu bluten,
Daß ruhig wir der frechen Männer Ruten
Rings wachsen sehn, die uns zu geißeln grünen?
Nein, nimmermehr, sie können uns auch dienen.
Der Jungfrau haben wir allein geschworen;
Giebt in der Ehe ekler Sklaverei
Sie nur ein Stäubchen unsres Rechts verloren,
So machen wir vom Männerjoch uns frei;
Schmiegt sich Libussa, stehen wir doch fest,
Die Eiche bebet nicht, und trotzt dem Sturm,
Schwankt gleich im Gipfel buhlerisch ein Nest.
Dreht gleich sich nach dem Wind die Fahn am Turm
Und spielen Brautspiel in des Schiffes Flaggen
Die Enkel Stribogs, daß die Masten krachen,
Nicht wankt der Turm, die Masten schadlos bleiben,
Die Winde nur das Schiff zum Ziele treiben.
Libussa sprach, als sie die Kron erlanget:
Ich nehme sie, ich hab sie nie verlanget,
Doch nur den Göttern geb ich sie zurück!
So laßt uns sprechen dann mit beßrem Glück:
[746] Die Freiheit haben wir durch sie erlanget,
Und sie verdient, und nicht von ihr verlanget,
Wir geben sie den Göttern nur zurück!
Es bricht, der uns verband, der fremde Willen,
Ein eigner halte uns, den wir erfüllen.
Vertraut ihr mir und ehrt ihr meinen Stamm,
Der reinre Wurzeln als Libussa zählt,
So schließet euch um mich zu einem Damm
Gen dessen Einfluß, dem sie sich vermählt.
Nicht schmälert dies den Eid, den ihr geschworen,
Ein eigner ists, geht jener uns verloren.
Wir wollen, ohn sie wen'ger drum zu stützen,
Uns selbst, daß nicht ihr Sturz uns treffe, schützen.
So sprechet dann: wollt ferner frei ihr sein,
So bleibt Libussen, aber seid auch mein,
So bleibe ich auch, wie das Licht beim Feuer,
Du Hitze, Stratka, Flamme, Scharka, euer.
STRATKA.
So wahr die Hitze heiß, ich laß dich nicht!
SCHARKA.
Ich laß dich nicht, so wahr die Flamme sticht!
DIE DIRNEN.
Und glühnde Brände sind wir all dabei!
WLASTA.
O kühne Treue, glorreiches Geschrei!
O Hitze, Flamme, Licht, allmächtig Feuer!
Dich löscht kein Mann, ja, du bist ungeheuer.
Nun schwört, ihr Mägdlein, hier bei diesem Ring,
Der siegreich in dem Traume vor mir ging,
Den Männern Trutz, Libussen Schutz und Freiheit
Und ewge Freiheit diesem Dirnenbunde!

Wlasta, Stratka und Scharka legen ihre rechte Hand an den Ring, und geben ihre linke den Dirnen, die sich weiter fassen.
ALLE.
Den Männern Trutz, Libussen Schutz und Freiheit
Und ewge Freiheit diesem Frauenbunde!
SCHARKA.
Ich hör Geräusch hier in dem nahen Grunde.
WLASTA.
Schnell schwingen wir am Ring uns in die Runde,
Denn was wir an dem Rand der Nacht geschworen,
Verhehlet sei's, bis es zu Tag geboren!

Die Mägdlein schwingen sich wie ein Rad um den Ring. Libussa, Kascha, Tetka treten auf.
[747]
TETKA.
Welch Spiel?
KASCHA.
Ein Wirbel!
LIBUSSA.
Haltet, Dirnen, steht!

Die Mägdlein fahren auseinander, indem sie den Ring loslassen, Wlasta behält ihn allein, taumelt aber schwindelnd in Libussens Arme, welche sie einigemal nach der entgegengesetzten Seite dreht.
WLASTA.
Ihr Unterircischen, wie die Welt sich dreht!
LIBUSSA.
Du schwindelst, Rasende, und hast kein Ziel,
Für deine Wunde tauget nicht das Spiel.
WLASTA
steckt den Ring an den Arm.
Die Nabe eines Rads ist dieser Ring,
Das durch der Jungfrau Hand den Schwung empfing
Und den verletzt, der in die Speichen greift.
LIBUSSA.
Doch Vorsicht kettet fest das Rad, und schleift
Den Wagen an dem Abhang sicher nieder.
Ich sage euch, treibt dieses Rad nie wieder,
Leicht wird der Kinder Spiel ein Bild der Zeit;
Wenn Krieg sie spielen, ist der Krieg nicht weit.
WLASTA.
Ich glaubte in dem Arm des Schlummers dich,
Und fühl von frühem Gang dein Haar betaut.
LIBUSSA.
Der Männer Toben trieb vom Lager mich,
Ich habe spähend in die Zeit geschaut.
WLASTA.
Und war die künftge Zeit der Jungfrau günstig?
LIBUSSA.
Braut ist die Jungfrau, denn die Zeit ist brünstig.
Kommt, Kascha, Tetka, sitzen wir hier nieder,
Ein solcher Morgen kömmt mir nimmer wieder!
TETKA.
Ihr Mägdlein, singet nun ein ernstes Lied,
Indes Libussa in den Morgen sieht.

Sie setzen sich vor die Badegrotte, die Mägdlein umgeben sie.
SCHARKA.
Singet nun, singet nun das neue, neue Chor,
Wie als Braut Triglawa trat ans hohe Himmelstor,
Wie die Sternlein, sie zu sehn,
Singend vor der Kammer stehn.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

[748] Komm heraus, komm heraus, du schöne, schöne Braut,
Deine guten Tage sind nun alle, alle aus.
Deine Jungfraun läßt du stehn,
Willst nun zu den Weibern gehn.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

Lege ab, lege ab auf ewge, ewge Zeit
Schild, und Schwert, und Panzer, deine Waffen, dein Geschmeid.
Aus dem Helm ins Haubelein
Schließest du die Locken ein.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

Lache nur, lache nur, die roten, roten Schuh
Werden dich einst drücken, sie sind eng genug dazu;
Wenn wir zu dem Tanze gehn,
Wirst du bei der Wiege stehn.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

Winke nur, winke nur, sind nur leichte, leichte Wink,
Bis du an dem Finger trägst den goldnen Sklavenring,
Goldne Ketten legst du an,
Und beschwerlich wird die Bahn!
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

Tanze nur, tanze nur deinen letzten, letzten Tanz,
In der Sonne welket bald dein schöner Hochzeitskranz.
Lasse nur die Blumen stehn,
Auf den Acker mußt du gehn.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.
[749]
LIBUSSA.
Wer hat dies Lied gedichtet? Scharka, du?
SCHARKA.
Zur Nacht, als ausgetobt der Männer Sturm,
Sank auf den Bann der Burg die tiefe Ruh.
Die Wache hatt ich einsam auf dem Turm,
Triglawa sah ich auf dem dunklen Roß
Den Mond, den Bräutigam, zur Kammer tragen,
Die Sterne sahen traurig auf dein Schloß,
Da dichtete ich so der Jungfraun Klagen.
LIBUSSA.
Weißt du nicht auch der Göttin ernste Worte
Zu ihren Jungfraun an der Hochzeitspforte?
SCHARKA.
Nicht weiß ich sie. O du, die alles sieht,
Die alles weiß, sing uns der Göttin Lied.
LIBUSSA
verhüllt ihr Antlitz.
Sie sang nicht, denn sie weint!
KASCHA.
O weine nicht!
LIBUSSA.
Des Taues Tränen weine ich zu spät.
TETKA.
Frei bist du noch, so frei dein Schleier weht!
SCHARKA.
Frei wie die Wolke in dem Morgenlicht!
STRATKA.
Frei wie des hohen blauen Adlers Schrei!
WLASTA.
Wie auf der Ebne Stribogs Enkel frei!
O bleibe uns, wir schließen deine Burg;
Erstürmt der Männer Woge sie, hindurch
Trägt Wlasta dich, wir wollen mit den Schilden
Dir einen Turm von Lieb und Eisen bilden.
LIBUSSA.
Nicht ist der Wind, der Enkel Stribogs, frei,
Die Bahn, die er betritt, er stürmt sie aus;
Nicht frei ist in der Luft des Adlers Schrei,
Der Sonne Glanz reißt ihm den Gruß heraus;
Frei ist die Wolke nicht im Morgenlicht,
Der Nebel steigt, die helle Sonne sticht,
In Tropfen träuft die schwache Wolke nieder,
Des Regenbogens Pfauenrad zu ründen,
Der gleich dem Phönix nun sein bunt Gefieder
Verjüngend will im Sonnenstrahl entzünden.
So freudelos als Freude ohne Schmerz,
So unerschöpflich grausam Schmerz ohn Freude,
Ist, was ihr Freiheit nennt; sie hat kein Herz,
Ihr Leben ist des innren Todes Beute.
[750] Nun hört, ihr Jungfraun, vor der Hochzeitspforte
Der bräutlich schüchternen Nachtgöttin Worte:
Mein schwarzes Roß zog, ohne Zaum und Zügel
Umirrend auf pfadlosem Himmelsplan,
Und sengte sich an Bielbogs Glut die Flügel,
Ablenkend stets in Ungewisser Bahn.
Nun aber tret ich meisternd in den Bügel,
Und treib es mit des Willens Sporn hinan
Zum Friedensquell, dem lichtumkrönten Hügel,
Wo mir der Freund, der ernste Denker, wohnt,
Ich faß und trag im Arm den milden Mond,
Er muß mir folgen, er ist mein allein,
Ich mach ihn groß, ich mach ihn wieder klein,
Den Namen trage er, und auch die Schuld,
Ich trag ihn selbst, und heiße die Geduld.
Er sei das Schild, das Bild, ich bin die Sache,
Der Ritter bin ich, er ist nur der Drache,
Den wie ein Lamm ich im Triumphe führe.
O! klagt, ihr Sterne, nicht vor meiner Türe,
Denn will er mir nicht leben nach Gefallen,
Laß ich zerschmetternd ihn zur Erde fallen,
Die nur zu ihm beschuldigend mag schauen.
Ihr bleibet mir, ihr Sterne, ihr Jungfrauen,
Auf irrer Wechselbahn treulosen Glückes
Die wandellosen Ziele des Geschickes.
Ihr bleibet frei, wie ihr es seid und wart,
Nun leuchtet treu, so läßt nicht Art von Art.
DIE DIRNEN.
Huihussa, Huihussa!
Frei sind die Jungfraun der Libussa!

In diesen Ausruf tönt schon der Marsch der heranziehenden Männer, welche die Bühne füllen. Libussa begiebt sich unter das Tor auf ihren Sitz.
LIBUSSA
richtet sich auf.
Seid mir gegrüßt, ihr Männer, die ich leite,
Noch seid ihr frei, gleich Rossen, die zur Weide
Die Sternennacht durchwandeln auf der Au;
Ihr eilet frei, die Mähne, feucht vom Tau,
Zu trocknen in der jungen Sonne Strahl,
[751] Zum Hügel aus der Wiese Nebeltal,
Und wiehert frei hinaus ins Morgenfeld:
Ein Mägdlein hütet uns, uns Herrn der Welt!
Da seht ihr andre Rosse, goldgeschirrt,
Sie springen, wenn des Reiters Sporn erklirrt,
Ihr Haupt steht hoch, vom Zügel angezogen,
Stolziert ihr Hals in einem kühnen Bogen,
Die Nase dampft, und schäumend wie der Mut
Knirscht am Gebiß ohmächtge Sklavenwut.
Die Mahn, den Schweif, die Fliegen sonst zu scheuchen,
Durchflicht ein fesslend Band, ein Ehrenzeichen,
Den starken Rücken zwingt ein goldner Sitz,
Ein Waffenheld stürzt, in der Sonn ein Blitz,
Im Sattel an dem dunklen Waldrand her,
So frei als bändigend, so leicht als schwer.
O, rufet ihr, wer solchen Reiter trüge!
Zur Seite wandelnd, uns die schwache Magd
Mit schlechtem Eichenzweig die lästge Fliege
Vom nackten zierdelosen Rücken jagt;
Gemeine Rosse sind wir, Götter jene,
Die herrlichen, sie scheinen Polkans Söhne,
Vom Nabel aufwärts Menschen, abwärts Rosse,
Verschönet Stärke sich, erstarket Schöne
Im Wunder ihres Leibs auf steter Sprosse;
Und blind schreit ihr in törichtem Entzücken:
Wir wollen nicht geringer sein als jene,
Setz einen Mann uns auf den starken Rücken,
Gurt uns den Leib, und flechte uns die Mähne,
Es spiel im Maule uns der goldne Zügel,
Am dunklen Leibe gaukle hell der Bügel!
Da mahnet euch die Jungfrau: Bleibet frei,
Der goldne Schmuck bringt euch zur Sklaverei,
Wollt ihr dem Reiter euch gezügelt stellen,
Ihr kennt noch nicht den eisernen Gesellen,
Was ihr nicht wollt, zwingt er euch hinzutragen
Wohin ihr auch nicht wollt; er wird euch schlagen,
Sein Sporn wird euch die Hüften blutig reißen,
Den leichten Fuß beschwert er euch mit Eisen;
[752] Euch Elende, die sich der Jungfrau schämen,
Zu bändgen, wird er euch die Mannheit nehmen,
Daß euch kein Weib, wie ihr kein Weib begehrt;
Habt ihr gehört? Ist noch ein Herr euch wert?
GESCHREI DER MÄNNER.
Ein Herr! ein Herzog! gieb uns einen Herzog!
LIBUSSA
heftig.
Ein Herr, ein Herzog, ihr wollt einen Herzog!
So macht euch einen Herzog! Schreit ihr doch,
Als trüg im Mantel einen ich versteckt,
Schaut her, habt einen Herzog ihr entdeckt?

Sie öffnet ihren Mantel.

Ist denn ein Herzog ein so seltsam Tier,
Daß euer keiner es getraut zu sein?
Es täte not, ihr wärt es alle gern,
Um Knecht zu werden, würdet ihr zu Herrn,
Ist einer euch berufen, ruft ihn aus!
ERSTE HÄLFTE DES HEERES.
Der kühne Wrsch!
ZWEITE HÄLFTE DES HEERES.
Der reiche Domaslaus!
LIBUSSA.
Erschöpfen diese euren Vorrat schon?
Ihr wollet doch die beiden nicht zugleich?
Wer von den beiden gab den besten Lohn?
Ich seh, die neuen Reiter stimmten euch;
Ein Mäßlein Hafer und ein Bündlein Heu
Frißt wohl ein Roß so leicht, als ihr, getreu,
Bezahlte Namen durch die Lüfte schreit.
So einer dieser Männer um mich freit,
Will einen Fürsprech ich ihm erst erwählen:
Des Freiers Gaben vor mir aufzuzählen,
Wirb für den Wrschowetz nun, Domaslaus!
DOMASLAUS.
So du befiehlst, streich ich ihn hier heraus.
WRSCHOWETZ.
Heraus, heraus? Er strich' mich eher aus.
LIBUSSA.
Warum, Zemann? Du tust ihm auch desgleichen,
Was er dir reicht, wirst du ihm wieder reichen.
Wer sein nicht mächtig, wird nie andrer mächtig,
Drum seid in gegenseitgem Lob bedächtig;
[753] Dem jeglichen bewahre ich sein Recht:
Wer um ein Haar des andern Preis erhöht,
Ein Stäubchen nur vom Wert des andern schmäht,
Den macht Libussa zu des andern Knecht.
Nun, Domaslaus, treulich beschreibend, schätz,
Den mir das Volk erwählt, den Wrschowetz.
DOMASLAUS.
Der Helden Neid, das Selbstvertraun der Krieger,
Leicht, wie dem Leib die Seel, ist ihm der Panzer,
Am Ziel der Ruhmbahn nie gebeugter Sieger,
Ist er der Schicksalsmächte Lanzenpflanzer.
Seht, wie gestirnt das bunte Fell dem Tiger!
Der Sterne Will ist nicht am Himmel ganzer
Als an dem Kriegsschmuck seines Leibs zu lesen.
Wem er gezürnt hat, der wird nie genesen,
Sein hartes Haupt ist eines Helmes Glanz,
Und sein Gedanke flicht am Siegeskranz.
Die Stirn ist Fels, das tiefe Aug ein Fluch,
Die Nase Stolz, der Mund ein Widerspruch,
Das Kinn ein Trotz, die Brust ein Lanzenbruch!
Vor allem aber reget eins das Grauen:
Seht, ungeheuer raget ihm zum Kauen
Vom Ohr zum Munde hin des Kinnes Lade;
Geschrieben steht auf diesem Todsgestade,
Selbst wenn er schweigt, Zermalmen ohne Gnade!
Und würde in die Welt er sich verbeißen,
Kein Stahl, kein Feuer könnt sie ihm entreißen;
Gieß glühnden Sand, ein Eismeer ihm zum Nacken,
Er rührt nicht das Gebiß, fest muß er packen.
Entsetzlich Freßwerkzeug, wie breit und eckig!
Wie kurz und starr der Hals, er ist hartnäckig.
Sein Antlitz, gelbbraun, spiegelt nur die Farben
Verzweifelter, die ohn sein Mitleid starben,
Und wärens Ähren, hätten nicht die Garben,
Die mähend er gefällt dem ewgen Traum,
In allen weiten Scheunen Böheims Raum;
Denn unbarmherzig wird sein Schwert, sein Arm,
Sein Eisenhandschuh wohl im Blute warm,
Doch nie sein Herz bei einem: Herr, erbarm!
[754] Hätt Jagababa einen Sohn getragen
Und ihn, in blutgen Fahnen eingeschlagen,
In ihres Eisenmörsers Bauch geschaukelt,
Als Rassel mit der Keule ihn umgaukelt
Und hätte ihn, statt an der Amme Zitzen,
Gesäugt an Pfeilen und an Lanzenspitzen,
Hätt auf dem Schlachtfeld ihn mit blutgen Zungen
Erschlagner Wehgeschrei in Schlaf gesungen
Und wüchs der Riesenpilz im Leichenfeld,
Nicht größer wär, als dieser, er ein Held,
Der auch nicht groß, doch stämmig und gedrungen,
Als hätt am Kleinen er sich groß gerungen.
So ist er selbst, so ist sein Sinn, sein Stand;
Sein Hab und Gut ist nichts als Waffenzierde,
Und weiter hat er nichts als die Begierde
Nach Böheims Thron und nach Libussens Hand.
LIBUSSA.
Ist er so hoch, als du ihn hast gebrüstet,
So ziemt sich, daß nach Hohem ihm gelüstet.
Du hast ihn ganz in blanken Stahl gerüstet,
Und wird so künstlich Werk mit Gold bezahlet,
Vergolde er dich, wie du ihn verstahlet.
Sprich, Wrschowetz, den Wert des Manns mir aus,
Den mir das Volk erwählt, des Domaslaus.
WRSCHOWETZ.
Vergönnt, ihr Götter, daß mit seinem Lobe
Ich seinen Riesenpilz ihm niedertobe!
Hörst du, Libussa, rings der Stiere Brüllen,
Der Schweine Grunzen und das Schafgeblöke,
Das Wieheren der Rosse und der Füllen,
Der Esel Schrei, das Meckeren der Böcke?
Sie wiehern, grunzen, meckern im Vereine:
Schau auf uns, Domaslaus, wir sind die deine!
Doch hörten sie sich nie im weiten Feld.
Den Pflug, den früh er zu der Furche stellt,
Hing gleich sein Sonnenroß ihm Bielbog vor,
Braucht' dieser Bauer nimmermehr zu wenden,
Und ging das Roß nicht in das Abendtor,
Ohn diese ewge Furche zu vollenden,
Nie stieg Triglawa mit dem Mond empor,
[755] Der helle Tag, er würde nie sich enden.
Und doch ist nur so groß des Mannes Feld,
Daß sein Gesind es dicht zur Jagd umstellt:
Denn wären Garben alle seine Mägde
Und seine Ähren wären alle Knechte,
So viel der Knechte Schar doch nie vermöchte,
Daß sie der Mägde Garben unterbrächte.
Und hing' sein Flachs auf seiner Knechte Köpfen
Und diese Rocken schlössen seine Dirnen
Mit Knieen fest und fingen an den Zöpfen
Und Schöpfen an zu spinnen und zu zwirnen,
Eh würde Spul und Spindel ab sich drehen,
Als wir den halben Flachs gesponnen sehen.
So vielen Honig bauen seine Bienen,
Daß selbst die Priester seinem Honigkuchen,
Der als Geschenk vor Svetowid erschienen,
Als einem Lichtdieb in dem Tempel fluchen;
Er füllte ganz den Raum mit nächtgem Grauen,
Man mußte Fenster durch das Nachtstück hauen.
Versiegte je einmal des Gottes Horn,
Mit Meth und Früchten füllt' es Domaslaus;
Denn Siwa borgt von ihm der Aussaat Korn.
Doch alles dies füllt nicht den Kessel aus,
In dem er seines Methes Woge braut:
Die hundert Schmiede, die daran geschmiedet,
Sie haben nie gehört sich, nie erschaut.
Und all der Meth, der in dem Kessel siedet,
Füllt nicht des Bauernstolzes weite Haut;
Denn wär der Kessel fester noch vernietet,
Der einzge Wunsch nach dir, du hohe Braut,
Zersprengte ihn, und dieses Landes Wunder,
Sie gingen all in seinem Methe unter.
So sehr verlangt er nach des Krokus Sessel,
O ungeheurer Wunsch, o kleiner Kessel!
Und wäre all mein Lob so eitel Gold,
Daß außer zu des Riesenpilzes Sold
Es zu bescharen alle seine Pflüge
Und zu beschlagen alle seine Karren,
[756] Ja zu vergolden seinen Wert genüge,
Ein Stäubchen wär es gen des Goldes Barren,
Die ihm zu Haus in seinem Kasten rasten.
O schweres Gold, o ungeheurer Kasten!
LIBUSSA.
Ein Kasten, kaum so groß als deine Lüge,
Ein Kasten, schier zu klein für große Narren,
Ein leichtes Gold gen alle Waffenlasten,
Die seine Lügen deinem Leib anpaßten,
Doch groß und schwer genug, uns zu erheitern.
Nun sagt, was jeder von den Freierkleidern,
Die ihm sein Freund geborgt, sich selbst zuspricht.
Was übrig bleibt, verfalle dem Gericht.
DOMASLAUS.
Ich sende, Fürstin, dir einhundert Stiere,
Die Farbe schwarz, dem Roß Triglawas gleich,
Und Hunderte milchreicher Kühe viere,
An Farbe weiß, dem Rosse Bielbogs gleich,
Sechshundert Rosse, alle gut geschirret,
Das Schafvieh aber, das mir zahllos irret,
Treib her ein Hirt, deß Alter also hoch,
Daß er aus einem Paar die Herde zog.
Und jeden Stier führ an dem Horn ein Mann,
Der Hütte, Feld und Pflug sein nennen kann,
Und jede Kuh führ an dem Horn ein Weib,
Die Kinder zwei gebar mit züchtgem Leib,
Die sollen sitzen auf der Tiere Rücken,
Mit Band und Blumen ihre Hörner schmücken,
Und auf dreihundert Rossen sollen sitzen,
Geziert mit Ringen ihre spitzen Mützen,
Dreihundert Dirnen, welche dir, Libussa,
Laut jubelnd, singen deinen Hochzeitreigen,
Und auf dreihundert Rossen sollen sitzen,
Mit Federn ausgeschmückt die hohen Mützen,
Dreihundert Knechte, schreiend dir Huihussa!
Willst du dem Wunsch des Domaslaus dich neigen.
ERSTE HÄLFTE DES HEERES.
Huihussa Domaslaus und Libussa!
LIBUSSA.
Biet', Wrschowetz, kannst du mich teurer kaufen?
WRSCHOWETZ.
Eh all sein Vieh vorüber ist gezogen,
Werf ich den Bauernstaat ihm übern Haufen,
[757] Und war er reicher, als ich ihn gelogen,
Jag ich den Brautzug ihm durch seine Saat,
Eh noch er deines Schlosses Bann genaht.
Ich werfe Knecht und Magd von seinem Roß,
Und führe sie als Sklaven in dein Schloß,
Knecht, Magd, Ochs, Esel, alles das, was sein,
Es werde dein, wirst du, Libussa, mein.
Ein reicher Filz ist er, soweit er warm,
Arm bin ich nur, doch hier durch diesen Arm
Bin ich so reich, als weit ich reichen kann,
Ein Apfel ist die Welt, zu deinen Füßen
Wird dir mein gutes Schwert ihn treiben müssen,
Ich liebe dich, Libussa, bin ein Mann!
ZWEITE HÄLFTE DES HEERES.
Huihussa Wrschowetz und Libussa!
LIBUSSA.
Nein, um die Welt nicht, um den Apfel nur,
Den gestern ich als Preis der Werbung setzte.
Wer ihn geteilt ohn einer Trennung Spur,
Wer ihn erwarb, ohn daß er ihn verletzte,
Der gebe mir den Apfel jetzt zurück,
Ich teil ihm meine Hand, mein Herz, mein Glück!
DOMASLAUS.
Weh mir! Was in dem Mund zahnloser Greisen
Die Nuß, sind Toren Rätsel eines Weisen.
WRSCHOWETZ.
Ja, was für eines Blinden Aug die Leuchte,
Der enge Krughals für des Fuchses List,
Was für den Schnabelstorch des Tellers Seichte,
Was für ein hungernd Huhn die Perle ist,
Das ist des Apfels Rätsel uns gewesen;
In zwei ihn spaltend, war es nicht zu lösen,
So gaben wir des Zwiespalts Apfel hin.
Und nochmals Apfel nenne ich die Erde,
Verheiße nochmals hier mit diesem Schwerte,
Willst du, treib ich zu deinen Füßen ihn.
DOMASLAUS.
Ich breche Äpfel dir von meinen Bäumen,
So viel als Sterne in des Himmels Räumen.
LIBUSSA.
Ihr Männer wollt hier eine Krone teilen,
Ihr Männer wollet hier Libussen teilen,
Ihr Männer könnt ja keinen Apfel teilen,
Der, wie die Kron und ich, unteilbar ist;
[758] So ward ich eurer frei durch weise List.
Die Sitten dieses Lands sind mir bekannt,
Auf andre Weise freiet jeder Stand.
Ein größrer Methkrug, eine beßre Kuh
Schlägt einem Bauer leicht die Jungfrau zu;
So, Domaslaus, warbst um Libussa du,
Und wahrlich, war ich eine solche Braut,
Du triebest mich mit deinen Herden ein.
Geh, kaufe dir um eine Ochsenhaut
Ein fruchtbar Weib, die deiner wert mag sein.
Du, Wrschowetz, wirbst nach der Krieger Sitten:
Bewaffnet kommen sie zur Braut geritten,
Sie greifen zu, und lieben nicht zu bitten,
Und wär Libussa eine Reiterbeute,
Du führtest vor dir auf dem Roß mich heute,
Und würdest das gemeine Lied anheben:
Aufs Roß, aufs Roß, wir schwingen sie,
Umschlingen sie und bringen sie,
Um keinem andern sie herauszugeben. –
So wirbt man nicht um herzogliches Blut,
Nicht um den Stuhl des Chechs, des Krokus Hut.
Nun weicht, ihr Freier, tretet ab von hier,
Und bleibt ihr ruhig, bleiben Freunde wir!
DOMASLAUS.
Verfluchte Stunde!
WRSCHOWETZ.
Wir gehorchen dir.

Beide ab.
LIBUSSA.
Wenn Männerherrschaft euch nur würdig scheint,
Ist euch nicht Manns genug der Würdgen Rat,
Den um den Thron die Jungfrau sich vereint?
Keusch wandelt Recht auf jungfräulichem Pfad.
Bedenkt, ihr Männer, wo ein Mann regiert,
Wird meist das Ruder doch vom Weib geführt.
Des Königs Willen trägt die freche Dirne,
Die ihm zu Willen ward, auf frecher Stirne.
Erwäget euer Heil, nicht von mir wanket,
Ich sehe vor, daß einstens ihr mir danket.
DAS VOLK
schreit ungestüm durcheinander.
Du sollst den Herrn, den Herzog uns ernennen!
[759] Wen du erwählst, den wollen wir erkennen!
Wir weichen ohne Herzog nicht von hier!
Wir lassen ohne Herren nicht von dir!
LIBUSSA.
Bedaurenswertes armes Volk der Chechen!
Du hast noch nicht erlernet, frei zu leben.
Selbst willst du nun den Stab der Freiheit brechen,
Die edle Männer sterbend hin nur geben.
Die Hand willst willig du zur Fessel strecken,
Zum Joch den ungewohnten Nacken recken.
An dir wird späte Nachreu einst bewährt,
Wie an den Fröschen, die den Storch begehrt.
Ihr mögt wohl nicht des Herzogs Rechte kennen,
Erschrecket nun, ich will sie kürzlich nennen.
Leicht ist es, einen Herzog aufzustellen,
Schwer ist es, einen Herzog abzustellen.
Vor seiner Macht, deß Macht noch bei euch steht,
Vor seinem Anblick, ist er erst erhöht,
Wird, wie im Fieber, euer Knie erbeben,
Die Zunge euch vor Schreck am Gaumen kleben.
Kaum spricht er, so seufzt Furcht auch aus dem Knecht:
Ja, Herr, versteht sich! Küß die Hand, ganz recht!
Sein Wink wird euch, ohn einmal nur zu fragen,
Verdammen, fesseln, an den Galgen schlagen.
Euch selbst und aus euch, wer ihm nur gefällt,
Zu Knechten, Bauern, Söldnern er bestellt;
Ihm müssen Vögte, Büttel, Henker werden,
Koch, Bäcker, Müller, die es nie begehrten.
Amtleute, Zöllner, Zehntner wird er suchen
Aus solchen, die den Plackereien fluchen.
Zu Pflügern, Schnittern, Schmieden wird er machen
Ohn weitre Wahl die Faulen und die Schwachen;
Und will er, müssen Fell und Leder nähen
Die Augenkranken, die den Stich nicht sehen.
Zur Fron wird er euch Sohn und Tochter zwingen,
Von Stieren, Kühen, Rossen, allem Vieh
Müßt ihr das Beste in den Stall ihm bringen,
Was euer war, wird sein, ihr wißt nie, wie.
An Hütten, Höfen, Wiesen und an Feldern,
[760] An Früchten, Hausrat, Werkzeug und an Geldern
Bleibt sicher nichts vor eines Herzogs Augen,
Als sein wird er das Eure alles brauchen.
Was zögre ich, wozu die Worte doch,
Gelüstet euch nach einem Fürsten noch?
So will ich, eurer Torheit mich zu neigen,
Den Herzog euch und seine Heimat zeigen!
VOLK.
Ein Mann soll zu dem Stuhl des Krokus steigen!
LIBUSSA
scheint eine Zeitlang nachzusinnen, dann hebt sie, ihren Stab ausstreckend, ihre Rede an, während welcher Wlastas Spannung bis zum lebhaftesten Ausbruche steigt.
Zieh hin, meine Taube,
Auf Pfaden des Traumes,
Und lasse dich nieder
Dort jenseits der Berge.
Am Ufer der Bila
Bei Staditz, dem Dorfe,
Ist einsam ein Brachfeld,
In Länge und Breite
Zwölf Schritte nur messend,
Gar seltsam gelegen,
Von Äckern umgeben,
Gehört es zu keinem;
Dort pflügt euer Herzog
Mit scheckigen Stieren,
Der eine gegürtet
Mit schneeweißem Streife,
Und weiß an dem Haupte;
Der andere, weißlich
Die Stirne geblässet,
Hat weiß auch die hintern
Zwei Füße gefärbet.
So gut es euch dünket,
Nehmt hin meinen Mantel,
Den Gürtel, die Schuhe,
Den Fürsten gebührend,
Und eilt, zu verkünden
Dem Manne den Willen
[761] Des Volks und Libussas,
Und führt euch den Fürsten,
Den Gatten mir her,
Der Primislaus heißet –
WLASTA
stürzt heftig hervor.
Uni aller Götter Willen, halte ein!
LIBUSSA.
Weh dir! du Rasende, was fällt dir ein,
Wie brichst du mir das Wort mit wilder Wut?
VOLK.
Weg mit der tollen Magd, Wlasta, zurück!
WLASTA.
Libussa, nimm mein Leben, nimm mein Blut,
Nur breche nicht der freien Wlasta Glück,
Ermorde mich, eh ich mit ihm dich sehe,
O wähl ihn nicht, beug nicht dem Joch der Ehe
Dein freies Haupt, von deinem Throne treiben
Will ich dies Volk, du mußt jungfräulich bleiben.
Fluch euch, ihr finstern Götter, ich vergehe,
Daß solche Schmach ich an Libussa sehe!
VOLK.
Weg, mit der Dirne weg, sie muß hier weichen,
Schlagt nieder sie, will nicht die Tolle schweigen.
STRATKA UND SCHARKA
treten zu ihr.
Wer richtet hier, wer ist hier schon der Mann?
Wer ist des Tods, wer rühret sie uns an?
LIBUSSA.
Laßt sie, ihr Dirnen, tretet her zu mir,
Dich, Wlasta, weis ich schmerzlich jetzt von hier;
Besinne dich, die dunkle Erde trank
Viel deines Bluts um mich, und du bist krank.
WLASTA.
Fluch dir, mein Blut, du bist für die geflossen,
Die Gift in alle Adern mir gegossen.
LIBUSSA.
O Schreckenswort des Traums! flieh, Wlasta, flieh!
Daß ich das Schwert des Chechs nicht gen dich zieh.
WLASTA.
Weh mir! des Schicksals finstre Wolken brechen;
Weh dir, Libussa, weh dem Herrn der Chechen!

Sie eilt hinweg.
Eine Pause.
LIBUSSA.
Der Primislaus heißet,
Das heißt ein Ersinner,
Denn mancherlei Rechte
Auf euere Köpfe
[762] Wird schnell er ersinnen,
Und über das Land hier
Erhebt sein Geschlecht sich,
Fünfhundert und achtzig
Und mehrere Jahre!
Auf, Druhan und Chobol,
Ihr brachtet das Silber,
Nun zieht nach dem Acker,
Und hebt mir den Schatz!
CHOBOL.
Wir wissen nicht den Weg, um hinzugehn.
DRUHAN.
Wir haben niemals diesen Mann gesehn.
LIBUSSA.
Laßt zaumlos den Zelter,
Das Leibroß Libussas,
Nur laufen, und folgt ihm;
Es wird seinen Herren
Mit freudigem Wiehern
Und Springen begrüßen
Und knieend ihn ehren,
Der gastfrei euch bietet
Am eisernen Tische
Das mäßige Mahl.
Nun ziehet in Frieden,
Und laßt euch nicht irren,
Denn wißt, dieser Tag ist
Die Wiege der Zukunft.
Um Zank dieses Tages
Verblutet die Nachwelt
In. grimmigem Streit.
Euch hüten die Götter!
Ihr aber, ihr armen,
Unseligen Chechen,
Kehrt morgen mir wieder
Zur nämlichen Stunde,
Und beuget den Nacken
Dem Joche des Herrn.
CHOR DER BERGLEUTE.
Glück auf! Glück auf!
Wir folgen dem Lauf,
Wir führen den Fürsten,
[763] Die Sonne des Landes,
Wir führen den Gatten,
Den Vollmond des Hauses,
Den Weisen, den Helden,
Den Glücksstern des Reichs,
Zum Stuhle des Chechs
Aus der Tiefe herauf,
Glück auf! Glück auf!

Sie ziehen mit dem ganzen Volk ab.
TETKA.
Libussa, nimm den Glückwunsch Tetkas an,
Didilia sieht gern, was du getan.
KASCHA.
Sie segne deinen Schoß mit reicher Frucht,
Die späte Nachwelt blüh aus deiner Zucht.
LIBUSSA.
Ich tat allein, was mir der Traum befahl,
Die Wahl der Götter war auch meine Wahl.
Selbst Wlastas Zorn lag in der Götter Rat,
Was sonst wohl trieb sie zu so rascher Tat?
STRATKA.
Das Mitleid und die Treue selbst für dich,
Die Treue für uns all, Mitleid für sich.
LIBUSSA.
So? glaubst du so? Dann fühlt sie wie mein Herz,
Dann schrie aus Wlastas Brust Libussas Schmerz!
Ich kann nicht gen die finstern Götter streiten,
Der Zorn des Tags verheißet blutge Zeiten.
O Hochzeit! hohe Zeit! du bist voll Tücken,
Im Antlitz trägst du Huld, und Kampf im Rücken,
Die Jungfrau tanzt, es geht das Weib auf Krücken;
Du armes Völklein Chechs, du mußt dich bücken,
Die Liebe schlägt dem Leide Rosenbrücken,
Des Eifers Eisgang reißet sie zu Stücken,
Im Blut ertrinkt das irdische Entzücken:
Kommt, folget mir, den schönen Tod zu schmücken!

Sie wird von den Dirnen unter dem Gesange hinangeleitet.

Traure nur, traure nur, du schöne, schöne Braut,
Deine guten Tage sind nun alle, alle aus,
Geh geschmücket in die Not,
Wie das Lamm zum Opfertod.
CHOR.
Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,
Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.

[764] Djewin, das Siegsfeld


An einer Eiche steht auf einem slavischen Altar Zwratkas Gott Tschart, ein kleines häßliches Bild; er hat einen Fächer in Händen. Zwratka tritt heftig auf, und schlägt mit einem Beile dreimal gegen den Felsen. Entawopa, Moriwescha, Meneljuba eilen heraus, und vollbringen alle Befehle Zwratkas sehr
hastig, wie auch alle Reden sehr schnell sind.
ZWRATKA.
Den Kessel, die Kohlen,
Den Dreifuß heraus!
ENTAWOPA.
Hier ist, was befohlen.
MORIWESCHA.
Was wird nun daraus?
ZWRATKA.
Macht Feuer, seid fleißig,
Sucht Dornen und Reisig,
Den Dreifuß nun setzt.
MENELJUBA.
Der Kessel steht gut.
MORIWESCHA.
Was giebt es nun jetzt?
ZWRATKA.
Ich fächle zur Glut
Die weckenden Winde,
Gebt her mir geschwinde
Den Fächer, den Tschart,
Der Gott, mir bewahrt.
Was steht ihr, wo bleibet
Vom Bocke das Blut?
Die Geißel nur treibet
Dich, langsame Brut!

Die Dirnen eilen ab.

Es drängen die Zeiten,
Ich muß mir bereiten
Den treibenden Trank,
Das Herz ist mir krank,
Mein Göttchen, mein Tschart,
Nach nächtlicher Fahrt.
Dich wiederzusehen,
Im Tanze zu drehen,
Zu küssen, zu lieben,
Und was wir all trieben,
Du wirst mir verzeihen,
Die Waffen mir weihen,
[765] Ich werde dir schlachten,
Die deiner nicht achten,
Die gegen dich sind;
Ja selbst in der Mutter
Das lichtlose Kind.
Du wirst mir es zeigen,
Denn ich bin dein eigen,
O seliger Reigen!
O Wunder der Mainacht,
Die Böheim mir frei macht!
ENTAWOPA
aus der Höhle mit Gefäßen.
Hier hast du das Blut.
MENELJUBA.
Wir setzens zur Glut.
MORIWESCHA.
Was giebt es nun weiter?
ZWRATKA.
Wo bleiben die Kräuter?
ENTAWOPA.
Was kümmern uns Kräuter?
MENELJUBA.
Den Kessel wir holen.
MORIWESCHA.
Die Reiser, die Kohlen.
ENTAWOPA.
Wir setzen zur Glut
Den Dreifuß, das Blut.
ZWRATKA.
Wie wird euch zu Mute?
Ich will euch bekehren,
Die Geißel, die Rute,
Die werden euch lehren.
Euch sticht wohl der Haber,
Das freche Huihussa,
Der Schrei der Libussa;
Doch ich weiß ein Aber,
Das soll euch bald zwingen;
Die Kräuter, die Kräuter!
Wollt ihr sie gleich bringen?

Schlägt sie mit der Geißel.

Ihr spracht mir zum Hohne.
MORIWESCHA.
Weh, weh mir, verschone!
MENELJUBA.
Weh, schlage nicht weiter!
ENTAWOPA.
Wir haben nicht Kräuter!
ZWRATKA.
Wo ist Hubaljuta,
Die klügste von allen?
[766] Wo ist Ziack, der Knabe?
Ruft sie aus den Hallen,
Nach Kräutern ja habe
Geschickt ich die beiden.
ENTAWOPA.
Sie ist zu beneiden!
MORIWESCHA.
Sie hat überwunden!
MENELJUBA.
Sie sind nicht gekehret,
Schon sind es vier Stunden!
ZWRATKA.
Ich hab sie gelehret,
Zu finden die Stelle
Der Kräuter bei Nacht.
Wie lang ists schon helle,
Mir ahndet nichts Gutes,
Ihr wißt drum, gesteht!

Sie erhebt die Geißel.
MORIWESCHA.
O schon' unsres Blutes!
ENTAWOPA
in die Szene zeigend.
Sie kommen, seht, seht!
MENELJUBA.
Ziack steht dort und fleht!

Ziack erscheint in der Ferne in einer flehenden ängstlichen Stellung.
ZWRATKA
faßt ihn drohend ins Auge.
Den Fächer nehmt, weht
Zur Flamme die Kohlen.
Ihr zweie schnell geht,
Die Huslien zu holen,
Die zaubrischen Harfen;
Auch bringt mir die scharfen
Noch grünenden Ruten,
Der Schelm soll mir bluten.
ZIACK.
Leb wohl dann, Frau Zwratka,
Ich gehe zu Stratka,
Der Jungfrau, zurück.
ZWRATKA.
Du trotzest noch, Bube?
Geh, suche dein Glück,
Geh hin nach der Stube,
Sie werden dich blenden
Und dir von den Händen
Die Daumen abhauen.
[767]
ZIACK.
Ach, könnt ich dir trauen!
Willst du mich nicht schlagen?
O weh mir, sie tragen
Die Ruten herbei!

Die Mägdlein kommen mit den Huslien und Ruten.
ZWRATKA.
Bekenn, ich verzeih!
Wo ist Hubaljuta?
Wo ließ'st du sie gehn?
ZIACK.
Wir haben die Lado,
Den Zelu gesehn,
Dort ließ ich sie stehn.
Frau Lado war heiter,
Sie gab mir die Kräuter
Und schickte mich weiter.
ZWRATKA.
Was Lado, was Zelu!
Gieb her diese Kräuter.
Wie! Keuschlamm und Myrrhen,
Und mich zu verwirren,
Ist hier statt dem Mairauch
Der indische Weihrauch!
Wer gab dies?
ZIACK.
Frau Lado!
ZWRATKA.
Verdammt, wer ist Lado?
Wer ist sie? Sprich, sprich!

Sie faßt ihn bei den Haaren.
ZIACK
in der Angst seines Herzens.
Die Mutter der Liebe,
Des Lel und des Did,
Sie geben und rauben
Die zärtlichen Triebe,
Lel führet die Tauben,
Did führet die Schwanen
Auf himmlischen Bahnen;
Mit züchtigem Schritt
Gehn bei ihr drei Jungfraun,
Die werfen im Umschaun
Drei goldene Früchte.
[768]
ZWRATKA.
Verwünschte Geschichte,
Er schwatzt aus der Lehre!

Schmeichelnd.

Mein Ziacku, nun höre,
Ich will dich nicht schlagen;
Willst alles du sagen?
ZIACK.
Nun wohl, ich wills wagen.
ZWRATKA
zu den Schülerinnen.
Was steht ihr, zu horchen,
Habt nichts ihr zu sorgen?
Fort, fort in die Halle,
Die Kräuter bringt alle,
Sie stecken im Sessel.
Zerschneidet das Kissen,
Und werft sie zum Kessel,
Daß sieden sie müssen,
Noch Reiser zutraget,
Die Glut sinkt zusammen,
Die Harfen dann schlaget,
Und tanzt um die Flammen,
Fort, fort in die Höhle!
Mein Ziack, mir erzähle!

Die Mägdlein gehen ab.
ZIACK.
Wir suchten die Kräuter,
Da hörten wir singen
Und Harfen erklingen,
Das lockte uns weiter
Zur Eiche des Kroks;
Da sah ich beim Feuer
Den Schimmer des Rocks
Von Lado, der süßen.
Sie sang in die Leier
Am Fuße der Eiche,
Weg bog ich die Zweige,
Da sah ich sie ganz,
Von Kopf bis zu Füßen
War himmlisch ihr Glanz.
[769] Es lauschten die Blätter,
Rings standen die Götter,
Sie spielte zum Tanz.
Ihr Leib war umflossen
Von rotem Gewand,
Der Gürtel geschlossen
Mit goldenem Band.
Am Mantel, dem blauen,
War schimmernd zu schauen
Von Sternen ein Rand.
Die goldenen Locken
Ihr Maiblumenglocken
Und Veilchen umflochten.
Die Herzen uns pochten,
Die Göttin zu sehen;
Da hob sich ein Wehen
Und warf aus den Kohlen
Ein Fünklein auf mich,
Da schrie ich und hab mich
Der Göttin empfohlen,
Die nun uns erblickte
Und freundlich uns nickte.
Wir sanken zur Erde;
Mit holder Gebärde
Erhob sie und drückte
Uns beide ans Herz,
Sie weinte vor Freuden,
Ich weinte vor Schmerz;
Und weil wir uns scheuten,
Gab sie Hubaljuten,
Um uns zu ermuten,
Viel freundliche Küsse,
Und mir gab sie Nüsse.
Am Feuer wir ruhten
Der Göttin zur Seite,
Sie liebte uns beide.
Zu Füßen ihr saß ich,
Die Nüsse still aß ich,
[770] Die sie mir gebrochen,
Da hat sie gesprochen
Von dreien, die einig,
Von Triglawa mein' ich,
Von zeitlichem Streben,
Von ewigem Leben,
Von ewigem Tod,
Von Wein und von Brot,
Vom Aufgang der Sünde,
Von Mutter und Kinde,
Vom Vater und Sohne,
Vom heiligen Geiste
Sprach sie noch das meiste,
Von himmlischem Lohne,
Von höllischen Strafen,
Da bin ich entschlafen.
Mir hatte vor allen
Das Kind wohl gefallen;
Und als ich erwachte,
Der Tag rings schon lachte,
Ich hörte das Tuten
Der Hörner im Tal,
Sie zogen zur Wahl.
Ich sah Hubaljuten
Die Hände so falten

Er faltet die Hände.

Und vor den Gestalten
Der Götter sich neigen,
Der blumenumkränzten,
Die rings an den Eichen
So silbern erglänzten.
Ich mahnt sie, zu kehren,
Da mußte ich hören:
Geh, Ziack, nur alleine,
Ich kehre nie wieder
Zum finsteren Haine;
Dann kniete sie nieder
Und warf deine Kräuter
[771] Zur glimmenden Glut,
Da bracht von der Wiese
Die Göttin mir diese
Und sprach: Sie sind gut,
Und schickte mich weiter.
ZWRATKA
hat ihn mit mannichfaltigen Zeichen des Unwillens angehört, und bricht nun zürnend aus.
Verflucht ist dein Wort,
Zur Höhle, fort, fort!
Fluch, Fluch Hubaljuten,
Und Fluch deiner Lado!
Sie müssen mir bluten.
Sie wars, die mich weckte,
Den Gott von mir schreckte,
Als ich bei der Eiche
Im Traume geruht.
Ich schwöre, ich reiche
Dem Tschart nun ihr Blut.
O Div, senke nieder
Dein Schreckensgefieder,
Umrausche die Brut.
Weich'! Bube, dein Blick,
Er füllt mich mit Wut!

Sie schlägt ihn.
ZIACK
entflieht.
O könnt ich zu Lado,
Der süßen, zurück!
ZWRATKA
zu den Dirnen.
Wo sind aus dem Sessel
Die Kräuter?
ENTAWOPA.
Wir warfen
Sie längst in den Kessel.
ZWRATKA.
So tanzt um den Rand,
Und schlagt in die Harfen,
Ich muß über Land,
Ich muß über Meer,
Den Quirl gebt mir her!
DIE MÄGDLEIN
gehen um den Kessel, und sprechen zum Harfenschlage.
Kikimora, ungeboren,
[772] Ohne Zunge, ohne Ohren,
Aus dem mütterlichen Schoß
Fluchentrissen,
Weil du ihr ins Herz gebissen,
Lasse deine Wunder los!
ZWRATKA
in dem Kessel rührend.
Kessel, brau
Der schönen Frau
Knabenkraut und Schierling,
Ackerwurz zum Brautring,
Teufelsaug zum Kranze,
Tollkraut zum Tanze,
Spiele die Geige
Dem Pappelzweige,
Daß er merk,
Wie Wassermerk
Mit Feuerwerk
Die Wolfswurz stärk.
Eppich, Eppich, Eppich!
Alrun, breit' den Teppich,
Nachtschatten und Fünffingerkraut,
Macht gatten die Maienbraut.
DIE SCHÜLERINNEN.
Kikimora, tiefverfluchter,
Hochversuchter und verruchter,
Mutterquäler, Traumerzähler,
Tauche alle deine Wunder
Ins Gebräu des Maitranks unter!
ENTAWOPA.
Es kochet,
MORIWESCHA.
Es wallet.
MENELJUBA.
Ein Hornruf erschallet.
ZWRATKA.
Den Kessel vom Feuer,
Er kühl' in der Halle,
Hier ists nicht geheuer,
Fort, fort nun ihr alle!

Die Mägdlein eilen mit dem Kessel und allem Geräte ab.
WLASTA
tritt wild und zerstört auf.
O Zwratka, Mutter, hilf, ich bin verloren!
[773] Libussa hat zum Manne sich erkoren
Ihn, ihn, der meines Ruhmes Himmel trug!
Sie nannte ihn, und schrecklich niederschlug
Auf mich der Zukunft hochgewölbte Gruft,
O Mutter, ich ersticke, Luft, Luft, Luft!

Sie sinkt an den Siegstein nieder.
ZWRATKA.
Weh! ist des Jammers nimmer denn genug?
Wlasta, mein Kind, wer ist es, der dich schlug?
Fluch deinen Feinden, Fluch, wer dich betrübt,
O hättest nie die Waffen du geübt!

Sie löst ihr den Panzer, und benetzt sie mit der Quelle.
WLASTA.
Wie ist mir, o ein Feind vor diese Brust!
Daß ich ersäufe in der Rache Lust.
Ach, könnt ich fluchen, könnt ich lieben, hassen!
Es haben alle Götter mich verlassen,
Nichts kann ich mehr, der Stab ist mir gebrochen,
Sie hat den teuren Namen ausgesprochen,
Genommen, was allein mir heilig war.
Verflucht bin ich und aller Hülfe bar.
Huf, Mutter, Künstlerin, o überteufle
Den Jammer mir, an dem ich bös verzweifle!
Hast du nicht Salben, hast du keinen Trank,
Der rasend macht? Ich bin an Sanftmut krank.
Wie elend hast du mich zur Welt gebracht,
O sende wieder mich zur ewgen Nacht!
Zur Höhle geh, und bringe mir ein Gift:
Glückselig, wer auf dunklem Flusse schifft!
ZWRATKA.
Nicht spreche so, du machest mich erbeben,
Nein, leben sollst du, für die Götter leben!
Sieh her, mein Kind, auf deinem Siegesfeld
Hat Tschart, der mächtige, sich eingestellt.
Vertraue, einen Trank will ich dir geben,
Er wird dich über alles Leid erheben.

Ab in die Höhle.
WLASTA.
Wie kalt, wie heiß! Bin ich der Siegesstein,
Bin ich der Fluch, den Stratka auf ihn legte?
Wie finster sinnend schweiget mir der Hain,
Den meines Traumes Flamme jüngst bewegte.
Der schwarze Tschart still auf der Säule kauert,
[774] Es regt kein Blatt die königliche Eiche,
Wie tückisch er zu mir herüber lauert,
Ein Mann, ein Mann auch hier in meinem Reiche,
Der Wald mich eng, gleich einer Gruft, ummauert,
Nicht pocht mein Herz, ich bin wohl eine Leiche,
Die Quelle weinet, und der Siegstein trauert,
Den ich wie ein besiegter Geist umschleiche.
Weh, schrecklich! schrecklich! wie es mich durchschauert!
Brich, Stiason, hervor, eh ich erbleiche,
Krön diese Schädelstatt mit meinem Haupt.
Jetzt, jetzt, da Wlasta an die Träume glaubt!
Weh mir! – ists denn so schnell mir mir vorbei?
Dann hilft auch nicht der Mutter Arzenei.
Hat nicht an meinem Arm der böse Ring,
An dem nach ihr der ganze Himmel hing,
Seit ich erwartend heimlich ihn getragen,
Mit allen sieben Plagen mich geschlagen?
Ich war ein Fels, wer konnte mich ersteigen?
Und eines Mannes Blick könnt mich erweichen,
Er zündete in mir ein böses Feuer,
Sie nahm ihn mir, ich ward ein Ungeheuer!
Es rinnt aus meinen Augen mir das Herz,
Und raset nieder in den Tränenquellen
Wie glühend Erz, um meinen heilgen Schmerz
Dem Meer gemeinen Leides zu gesellen!
STRATKA
tritt auf.
O Wlasta! Jungfrau! was geschah mit dir?
So ganz zerstöret finde ich dich hier.
Dein Antlitz bleich, wild fliegt dein Rabenhaar;
Find ich dich so, die also herrlich war?
Richt deine Seele auf, vertraue mir,
Es sendet mich Libussa jetzt zu dir.
WLASTA.
Wie träumend von dem Ast ein Vogel fällt,
So warf ihr Wort mich in die öde Welt,
Ich flattre einsam nun und ungesellt.
Was mag draus werden, sieht mich so die Welt?
Was ist die Welt? wer schuf sie unbestellt?
Die Liebe schuf sie, die mich so entstellt!
[775]
STRATKA.
Libussa spracht Sie fühlet wie mein Herz,
Aus Wlastas Brust schrie nur Libussens Schmerz!
WLASTA.
Dann wehe mir! es war mein eignes Leid!
Sie war unschuldig, weh, ich ging zu weit!

Sie weint.
STRATKA.
Wie redest du?
WLASTA.
Ich liebe Primislaus. –
Sie wußt es nicht.
STRATKA.
In Tränen brichst du aus.
O Wlasta! liebest du, sprich, ist es wahr?
WLASTA
heftig, ihrer Tränen sich schämend.
Wahr, wahr wie diese Tränen, diese Wut,
Wie meines Herzens grimmer Durst nach Blut!
STRATKA.
So denke meines Schicksals hier im Hain
Und meines Fluches hier am Siegesstein.
Auf! Wlasta, auf! ein Fluch, ein kühner Sprung,
Und du bist wieder frei, bist wieder jung.
WLASTA.
Ein Sprung, ein Fluch, der mir das Herz zerreißt,
Ich kenne diesen Tod, der Freiheit heißt.

Domaslaus und Wrschowetz treten eilig auf.
DOMASLAUS.
Hier sind sie! Jungfraun, hungrig ist die Zeit,
Libussens Hochzeit macht uns hohe Zeit,
Ich biete, Wlasta, dir hier meine Hand!
WRSCHOWETZ.
Versöhn dich, Stratka, unser wird dies Land.
WLASTA
einsilbig und unteilnehmend, im Hinbrüten.
Was wollt ihr hier?
STRATKA.
Dies ist der Mägdlein Ort.
DOMASLAUS.
So hört denn, Mägdlein, hier der Freier Wort,
Mehr als Libussens bieten sie jetzt euch.
WRSCHOWETZ.
Seid ihr mit uns, so teilen wir das Reich.
STRATKA.
Und wie gelänge dieser kühne Streich?
WRSCHOWETZ.
Das Heer ist unser und die Dirnen euer,
Kaum bleibt noch Widerstand für Schwert und Feuer.
DOMASLAUS.
Seid ihr mit uns, so ist das Glück gedeckt,
Wir haben unsre Schar im Wald versteckt.
WLASTA
kalt.
Wozu?
[776]
DOMASLAUS.
Indes sie Chobol überfällt,
Erschlagt ihr Primislaus auf seinem Feld.
WLASTA
überraschend plötzlich.
Nein, nein, den Domaslaus auf meinem Feld!

Sie ersticht ihn.
DOMASLAUS
sinkt.
Weh, Lapacks Fluch!
WLASTA.
Fahr hin, er ist vollbracht!
WRSCHOWETZ.
Verfluchtes Weib, folg ihm zur ewgen Nacht!

Er dringt gegen sie, Stratka vertritt ihm fechtend den Weg. Wlasta steht stumm bei der Leiche.
STRATKA.
Hierher, Verräter, auch ein Fluch ist dein,
Der meine, den ich schwur am Siegesstein!
WRSCHOWETZ.
Halt ein, ein Wort erst! Bei des Glückes Spiel
Ist Domaslaus mir nun nicht mehr zuviel;
Schlägt ein zum Bunde, Stratka, deine Hand,
So ist uns ungeteilt der Chechen Land.
STRATKA.
Elender Mann, mich hast du hier verraten,
Und hast nun hier auch Domaslaus verraten,
Und willst nun auch Libussen hier verraten,
Dreifachen Fluchs muß dich mein Schwert entladen.

Sie drängt ihn fechtend um die Bühne.
ZWRATKA
bringt den Trank in einer Schale.
Weh, haltet, Elende!
O Peron, o sende
Den Donner zur Erde!
Entsetzen, vom Schwerte
Domaslaus erschlagen!
Wer konnte dies wagen,
Wer brach dieses Herz hier?
O trenne sie, Wlasta,
O stehe mir bei!
WLASTA.
Nicht mehre den Schmerz mir
Mit eklem Geschrei,
Her, her mit dem Tranke,
Ich taumle, ich wanke.

[777] Sie reißt ihr die Schale aus der Hand, trinkt schnell, und gießt den Rest auf Domaslaus.

Das nimm auf die Fahrt!
ZWRATKA.
Unsinniger Gedanke!
O finsterer Tschart,
Behüte die Kranke,
Sie trank in die Wut.
WLASTA.
Dein Trank schmeckt nach Blut,
Mein Schwert ich nun ziehe,
Flieh, Wrschowetz, fliehe!

Sie schlägt ihm das Schwert aus der Hand, er flieht, Stratka folgt ihm mit dem Speer.

Ich reinige das Feld,
Ha, leicht ist der Held,
Und tot ist der Bauer,
Hinab nun, du Lauer!

Sie wirft den Tschart vom Altar.
ZWRATKA.
Es zittert die Welt!
Was hast du getan?
WLASTA
gegen das Götzenbild.
Er lüstert mich an,
Wie häßlich er hockt,
Zusammengebockt.
Ha! nah mir, du Schelm,
Was willst du mir, Tropf?
Ich stürze den Helm
Dir über den Kopf.

Sie stürzt ihren Helm über Tschart, und flieht.
ZWRATKA.
Sie rast, es durchziehet
Der Trank ihr die Seele;
O komm in die Höhle!
Weh, weh ihr, sie fliehet,
Ein glühender Pfeil,
Wer mißt ihre Eil?
Wie wird ihr geschehen,
Wenn schwindelnd die Träume
Die Welt um sie drehen,
Sie rennt gen die Bäume,
[778] Sie stürzet vom Felsen
Zum Abgrunde nieder,
Zerschmettert die Glieder,
Unseliges Weib!
Die Waldströme wälzen
In Domen den Leib,
Und fängt dich im Fallen
Ein klammernder Ast,
So leichtern die Krallen
Des Geiers die Last,
Div schreiet im Wipfel,
Und ruft aus dem Gipfel
Den Adler zu Gast,
Der Nachtrabe, frostig,
Erbost sich, umtost dich.
Weh, weh dir, der Gott
Rächt bitter den Spott.
Mein Göttchen, mein Tschart!

Sie richtet den Götzen auf, und liebkost ihn.

O sei ihr nicht hart.
Ich küß dich, ich herz dich,
Den Zorn dir verscherz ich,
Ich streich dir den Bart
Mit kühlendem Blut,
Und setze dir funkelnde
Mücken ins dunkelnde
Antlitz, sei gut!

Sie schlägt mit dem Beil an die Höhle.

Nun dreimal ich schlage
Zur Klage, zur Klage,
Zur Klage heraus!

Die Jungfrauen treten heraus.
MENELJUBA.
Wer ist hier zu klagen?
MORIWESCHA.
O Schrecken, o Graus!
ENTAWOPA.
Wes ist diese Leiche?
ZWRATKA.
Von Wlasta erschlagen,
Domaslaus, der reiche,
Der freudige Mann,
[779] Deß Tschart sich erbarme!
Er ist nun der arme,
Der traurige Mann.
MENELJUBA.
Weh, weh! Div, der kalte,
Der Vogel des Todes
Das Herz dir umkrallte,
Und saugte dein rotes,
Dein freudiges Blut.
MORIWESCHA.
Im Gipfel der Eiche,
Da hing er voll Wut,
Mit heiserm Gekeuche
Hat er dir gerufen,
Von freudigen Stufen
Des Lichts dich geschreckt.
ENTAWOPA.
Und hat dir bedeckt
Die leuchtenden Augen
Mit Flügeln der Nacht.
Was kann dir nun taugen
So Reichtum als Pracht?
MENELJUBA.
Die Stiere rings brüllen,
Es wiehern die Rosse.
O willst du nicht füllen
Die Krippen im Schlosse?
Es ächzen wie Raben
Die Achsen und Naben
Am Wagen und Pflug.
Willst du sie nicht laben
Mit Öl aus dem Krug?
MORIWESCHA.
Wer führt die verirrte,
Aufblökende Herde?
Es weinet der Hirte,
Es schweiget das Horn.
Zur dunkelen Erde
Wirft, mischend mit Zähren,
Der Sämann das Korn.
Schwarz trauern die Ähren
Des Weizens, gesenket.
O willst du nicht kehren,
[780] Der alles gelenket,
Der alles bestellt,
Zum traurigen Feld?
ENTAWOPA.
Die spinnenden Dirnen
Den Faden zerrissen,
Sie wollen nicht zwirnen,
Nicht nähen die Kissen,
Es brüllen die Kühe,
Wer melkt sie zur Frühe?
Den Euter, den schweren,
Saugt Fledermaus aus.
O willst du nicht kehren
Und ordnen das Haus?
MENELJUBA.
Wer schneidet die Bienen?
Die lüsternen Bären
Den Honig verzehren,
Und sonnenbeschienen
Rinnt nieder das Wachs,
Wer wird es nun fassen?
Weh, willst du verlassen
Die Felder, voll bläulich
Entblühendem Flachs?
Wer soll ihn nun spinnen?
Wer bleichen den gräulich
Auslaufenden Linnen?
MORIWESCHA.
Wer schnitzet die Pfeile,
Wer scheuert am Herde
Mit Feilspan vom Schwerte,
Vom Speer und vom Beile
Den nagenden Rost?
Erschwarzend nun ruhen
Die silbernen Teller,
Die goldenen Becher
In eisernen Truhen,
Es füllt sie kein Zecher,
Im einsamen Keller
Versauert der Most.
ENTAWOPA.
Wer soll ihn nun trinken,
[781] Wer brauen den Meth?
Das Haupt läßt du sinken,
Dein Mund ist geschlossen,
Dein Blut ist geflossen,
Dein Herz stille steht.
ZWRATKA.
Er will uns nicht hören,
Er will uns nicht sprechen,
Er ist nun gestiegen
Ins finstere Haus,
Und nie soll er kehren,
Sein Leben zu rächen,
Still, still soll er liegen!
Weh, weh Domaslaus!
Hin fuhr seine Seele,
Den Leib tragt zur Höhle,
Und schert ihm die Haare,
Und opfert den Bart
Dem finsteren Tschart.
Dann stellt auf der Bahre
Am Siegsstein ihn aus,
Es tragen die Seinen
Mit Klagen und Weinen
Den Toten nach Haus.

Sie tragen den Leichnam in die Höhle.

Szene vor der Hütte des Primislaus

PRIMISLAUS
schaut in die Ferne.
Ich sehe einen Mann, er eilt hieher,
Ein Mägdlein folget ihm mit hohem Speer.
Wer bricht den Frieden meines Feldes mir?
O Schmach! es fliehet Wrschowetz vor ihr!
WRSCHOWETZ
flieht auf den Grabhügel.
O schütze mich!
STRATKA
hebt den Speer.
Jetzt stehest du mir gut!
PRIMISLAUS
fällt ihr in den Arm.
Der Ort ist heilig, breche deine Wut!
[782]
STRATKA.
Der Ort ist heillos, wo den Schelm ich jage,
Laß los den Arm mir, daß ich ihn erschlage!
PRIMISLAUS.
Heilig des Vaters Grab, heillos bist du!
Besinne dich, stör nicht des Toten Ruh,
Und wende dich von Primislawi Flur!
STRATKA.
O Königsname, auf wie edler Spur
Hab ich gejagt? Des Glückes launig Spiel
Trieb hier des Mörders Pfeil zu seinem Ziel.
Ich schenk die Schlange dir, zu deiner Lust
Trag gastfrei deinen Feind in treuer Brust.
Doch treffe je ich ihn in freiem Feld,
Bleibt meines Speeres Ziel er aufgestellt.

Sie eilt ab.
PRIMISLAUS.
Sie ehret mich! – Wie wardst du, waffenlos,
Vor dieser Dirne Speer ein fliehend Ziel?
WRSCHOWETZ.
Ich focht gen sie, weil Domaslaus dem Stoß
Von Wlastas meuchlerischem Schwerte fiel!
Zwei Schwerter brachen meines, ich mußt weichen.
PRIMISLAUS.
Ihr Götter! Sie schlug Domaslaus, den Reichen!
WRSCHOWETZ.
Ein rächendes Geschick treibt mich zu dir,
Und unerträglich lastet Schuld auf mir.
PRIMISLAUS.
Was drücket dich, sprich ruhig, du bist frei.
WRSCHOWETZ.
Ich war dein Feind.
PRIMISLAUS.
Es reut dich? Ich verzeih!
WRSCHOWETZ.
Bekennen laß mich, dann frag dein Gewissen.
PRIMISLAUS.
Nicht also, Wrschowetz, nichts will ich wissen.
Es könnte mich die dunkle Rache treiben,
Laß uns vergessen, laß uns Freunde bleiben.
WRSCHOWETZ.
O weh mir! auch der Großmut Schwert trifft scharf!
Dir schwör ich ewgen Dienst, und ewge Treue!
PRIMISLAUS.
Wünsch lieber, daß ich niemals dein bedarf.
Geh in mein Haus, daß sich dein Mut erneue,
Ruh auf der Matte, iß von meinem Brot,
Trink meinen Meth, dir tuet Labung not
Und Ruhe auf den angstgespornten Lauf;
Ich pflüge nur zwei Furchen noch hinauf,
[783] Dann kehrt dein Wirt, als Gast dich zu begrüßen.

Ab nach dem Felde.
WRSCHOWETZ.
Verdammte Großmut, du trittst mich mit Füßen!

Er geht in die Hütte.
WLASTA
tritt mit blutigem Schwerte, zerstört und wankend, auf, sie spricht halb träumerisch in der Wirkung des Hexentrankes.
Wer trägt mich, jagt mich, hält mich, wer beschweret
Die Füße mir, was drückt auf meine Brust,
Daß schalllos mir zurück der Odem kehret?
Ich möchte morden, bin voll blutger Lust,
Und nieder sind die Hände mir gezwungen.
Ja, wie ein Hund, im Mantel eingeschlungen,
In wirrer Ungestalt sich wälzt, entstaltet
Mein Zorn sich; weh! mein Herz, mein Blut erkaltet,
Wer quälte mich hieher? Verfluchter Ring!
Ich seh ihn wieder, der einst vor mir ging!
Wer pflüget dort? Ihr Götter! halte, Licht!
Rings sinket Nacht! weh mir, mein Auge bricht!
Nein, nein, ihn sehn! ich winde mich heraus,
O hilf mir, Primislaus, mein Primislaus!

Sie sinkt an seiner Hütte nieder.
PRIMISLAUS
tritt auf.
Wer ruft mich? du? was suchst du, Mörderin?
WLASTA.
Dich, dich –
PRIMISLAUS.
Elende! o, so ziehe hin,
Und flicht dein Haar, und reinige dein Schwert.
WLASTA.
Du hast gelöst mein Haar, befleckt mein Schwert,
Flicht mir es wieder, wasche ab dies Blut –
Es ist der Spiegel von des Himmels Glut. –
Ha, wie die Welt hinfährt, die Wälder sausen
Tief unter mir, wie sturmgepeitschte Meere
Sich wälzen und zum zorngen Himmel brausen.
Es hebet mich hinan – die Wolkenheere
Umtoben wiegend mich auf allen Stürmen,
Zerrissen durch des Lichters Sonnenspeere,
Umziehn sie mich gleich schrecklichen Gewürmen!
Hinan, hinan, schon grüßt von blauen Türmen
[784] Mich das Gestirn, am hohen Himmelshaus
Glüht rot der Mond; ich seh dich, Primislaus –
Ich sehe Böheim, dir liegt es zu Füßen,
Wie eine blutge Stierhaut vor dem Riesen.
Da sinket eine schwarze Wolke nieder –
Sie trennet uns, leb wohl, ich seh dich wieder;
Wenn einst in Wut, in Blut zerrinnt der Traum,
Sehn wir uns an des Traumes blutgem Saum!

Sie erstarrt.
PRIMISLAUS.
Bist du von Sinnen, bist du nur berauscht?
Lado gab alle Liebesäpfel dir,
Kraft, Schönheit, Zucht und lockende Begier,
Mit Zauberäpfeln hast du sie vertauscht.
Von Bilsen, Schierling, Alrun Zwratka bildet
Die bösen Früchte, die dich so entbildet.
Was starrest du mich an? – Sie schweigt, sie lauscht?
Du Zaubersünderin, von dannen weiche,
Dein gottlos Nachtwerk hier zutag nicht stelle,
Entweihend mir den Segen meiner Schwelle!
Nicht rührt sie sich – starr, kalt, wie eine Leiche –
Am blutgen Saum des Traums seh ich dich wieder,
Sprach sie. Weh! Unnatur der böhmschen Dirnen!
Du träumest unter wankenden Gestirnen,
Und weckend fällt ein Stern einst auf dich nieder.
Der Wahnsinn, der im Schlafe gräßlich lacht,
Stellt, blutig weinend, sich am Lichte dar,
Mit bleichem Antlitz und zerrauftem Haar;
Wenn über schmerzzerrißnen Herzen euer Traum
Wie überm Leichenfeld der Tag erwacht,
Dann sehn wir wieder uns am blutgen Saum.
Ihr Mägdlein, treulos, scheulos, zuchtlos, fruchtlos,
Ihr Mägdlein, heimatlos das Land durchirrend,
Im Panzer wohnend, mit dem Sporne klirrend,
Mit Buhlerei, und Tollmut ausgerüstet,
Die Ehre und die Schande wild verwirrend,
Hier weggeworfen, dort so frech gebrüstet.
O daß ein Gott Libussens Blindheit löse,
Denn ihr seid Böheims Schwäche, Böheims Blöße,
[785] Mit meinem Mantel will ich sie bedecken,
Mög eine heitre Zukunft dich erwecken.

Er wirft seinen Mantel über Wlasta, und kehrt nach seinem Acker.
Druhan und Chobol treten mit ihrem Gefolge, und dem Zelter Libussens auf.
DRUHAN
nach der Seite, wohin Primislaus zu ackern ging, zeigend.
Dies sei er, hat der Knabe uns entdeckt.
CHOBOL.
Er ist es, sieh, die Stiere sind gefleckt,
DRUHAN.
Wem hat wie ihm ein Gott den Pflug gestellt;
Ein Blinder, pflüget er dem blinden Glücke
Die Krone achtlos aus des Schicksals Feld.
Ihn länger arm zu lassen, wäre Tücke.
CHOBOL.
Er pflüget scharf am Rande des Geschicks,
O kühne Wagnis eines Augenblicks!
Auf solchen Lebensgipfeln steh ich gern,
Auf solcher Schneide ist die Aussicht frei,
Diesseits und jenseits lauert Sklaverei.
O rufet nicht, noch atm' ich ohne Herrn!
DRUHAN.
Vorahndend warf den Mantel er zur Erde.

Er hebt den Mantel auf.

Was ist dies? Wlasta hier mit blutgem Schwerte!
Sie raste, als Libussa ihn genannt;
Wär also einer Liebenden Gebärde,
Ich glaubte sie in diesen Mann entbrannt.
CHOBOL.
Ein gutes Zeichen, daß wir so sie trafen,
Ihm unterm Mantel wird der Hochmut schlafen.

Wlasta bewegt sich.
DRUHAN.
Ich decke sie, es ist ihr nicht zu traun,
Sprichst du vom Wolf, so blickt er durch den Zaun.
ERSTER SLAVE.
Jetzt hat er seine Furche schon vollendet;
Ruft ihn, eh er den Pflug zur zweiten wendet.
DRUHAN
ruft.
Liebling der Götter, Chechen-Herzog, schließe
Dein Tagewerk, und höre unsre Grüße!
CHOBOL.
Mit Lächeln schüttelt er das braune Haar,
Und pflüget weiter; rufe, ganze Schar!
[786]
DIE MÄNNER ALLE.
Heil dir, o Primislaus, preiswürdger Mann!
Verlaß den Pflug, spann deine Stiere aus,
Besteig dies Roß, leg Ehrenkleider an,
Heil dir, o Herzog, Heil dir, Primislaus!

Primislaus naht sich, das Roß fällt auf die Knie, so auch die Männer.
DRUHAN.
Er naht, er naht, seht ihm das Roß sich neigen;
Beugt eure Kniee, denn dies ist das Zeichen.
CHOBOL.
Gesandte sind wir, zu dir ausgegangen,
Libussa und das Volk heißt dich zu eilen,
Die Krone, die die Götter dir erteilen,
Dir selbst und deinen Kindern zu empfangen.
PRIMISLAUS.
Nicht spottet mein, nennt mich nicht euren Herrn,
Bedenkt, die milde Frucht hat bittren Kern.
Die Jungfrau schläft, die hier mein Mantel deckt,
Als Löwin wacht sie auf, so ihr sie neckt.
DRUHAN.
Herzog, spann aus den Pflug, folg uns zum Thron.
PRIMISLAUS.
Nicht länger treibt mit mir so schnöden Hohn,
Das Salz in meiner Hand würzt mir mein Brot,
Was sind mir alle Scheffel Böheims Not!
CHOBOL.
Kämst du, o Herr, jetzt aus der Mutter Schoß
Als eines Königs Sohn zum Tageslicht,
So wärst du Herr und wundertest dich nicht,
Die Scheffel schienen dir ein Salzfaß bloß.
Folg uns, o Herr, verstehe deinen Stern,
Nicht länger lasse Böheim ohne Herrn.
PRIMISLAUS.
So seid beschämt, wißt, dem Erfinder schon
Hab ich vergeben euern frechen Hohn.
Ihr kommt zu spät, tritt, Wrschowetz, heraus!

Er öffnet die Türe.
WRSCHOWETZ
beugt das Knie vor ihm.
Heil dir, Herzog von Böheim, Primislaus!
Der Boten Ankunft tilget meine Schuld,
Ich huldge dir, verleih mir deine Huld!
[787]
PRIMISLAUS
sich plötzlich besinnend, in ruhiger begeisterter Betrachtung.
Gebärnde Erde, Himmel, der erzeugt,
Du süßer Lüfte unsichtbares Meer,
Du lebend Wasser, um den Erdkern schwer
Die Schiffe tragend und im Luftmeer leicht
In Wolkenschiffen vor der Sonne segelnd,
O Sonnenfeuer, Mondschein, Sternenlicht,
Den ewgen Lauf der Zeiten sicher regelnd,
O Jugend, die gleich frommer Schwalbe zieht,
Und Mensch, du Spiegelaug, das alles sieht,
Gedanke, mit des Windes Schnelle schweifend,
Du willge Hand, das Deine stets ergreifend,
Du kluge Zunge, die mit allem spricht,
Verständges Ohr, das alles dieses hört,
Du unersättlich Herz, das es begehrt,
Du grimmer Tod, der alles niederbricht!
Ein größres Wunder sprecht ihr in mir aus,
In mir, dem Menschen, in dem Primislaus!
Ein kleines Kunststück faßt wohl diese Hand,
Den Stab des Kroks, zu herrschen hier im Land.
Am Herrn ist nicht mehr Kunst als an dem Knecht,
Und gegen Sein scheint alles Werden schlecht.
Als diesen Stecken mir Libussa gab,
Sprach sie: So er erblüht, erblüht dir Heil;
Ich pflanze ihn auf meines Vaters Grab.

Er stößt den Stab in den Hügel, und er treibt drei Sprossen.
DRUHAN.
O selger Mann! dir wird das Glück zuteil!
CHOBOL.
Der dürre Haselstab, er knospt empor!
WRSCHOWETZ.
Drei Zweige treiben aus dem Stamm hervor.
PRIMISLAUS
er spricht in dieser Szene ohne alle Verwunderung.
So ist es wahr! die Stiere laß ich frei!

Er geht nach dem Acker.
WRSCHOWETZ.
Ein Wunder! auf daß er ein Herzog sei!
CHOBOL.
Sieh, seine Stiere blickt er ernsthaft an!
DRUHAN.
Er streichelt sie, der treue fromme Mann.
WRSCHOWETZ.
Und nun entspannt er sie, sie eilen fort!
CHOBOL.
Seht, wie sie stürmen gen den Felsen dort.
[788]
DRUHAN.
Er bringt den Pflug.
WRSCHOWETZ.
Und spannet uns davor.
CHOBOL.
O Zauberei, die Stiere fliehn empor!
DRUHAN.
Verschwinden in der Luft!
WRSCHOWETZ.
Freiheit der Böhmen!
Die Freiheit, die den Pflug des Weibes zog,
Mag wie dies Stierpaar, das in Luft zerflog,
Mit diesem Wunder nur ihr Ende nehmen.
PRIMISLAUS
bringt den Pflug, und stürzt ihn um.
Des Fürsten Tisch wird nun des Bauers Pflug;
Kommt, eßt mit eurem Herrn, er hat genug.

Er setzt Meth, Brot und Früchte auf.
DRUHAN.
Am Eisentisch, sprach sie, o wunderbar!
Wird er euch laden zu dem mäßgen Mahl!
PRIMISLAUS
in eine fromme Stimmung übergehend.
Sprach so Libussa, nun, so sprach sie wahr!
So esset dann, es ist das letzte Mahl,
Nicht geh ich mehr durch dieses Hauses Türe,
Nicht zu dem Feld, das dieses Brot mir brachte;
Die Bienen, deren Fleiß den Meth mir machte,
Nun ihre Königin allein regiere.
Was ich getan, ihr Götter, war vergebens,
Ich stehe auf dem Gipfel meines Lebens!
Der Becher aber steht in Gottes Hand,

Er ergreift den birkenen Becher.

Er leeret ihn, er füllet ihn zum Rand;
O lasset mir ein Abschiedslied ertönen,
Die heimatlichen Götter zu versöhnen!
DRUHAN.
Stille Flur, ihr grünen Matten,
Hütte, die er selbst gebaut,
Wo durch heilger Eichen Schatten
Ihm die Sonne zugeschaut!
CHOBOL.
Büsche, wo auf weichem Moose,
An der Quelle Blumensaum,
Ihn der Duft der wilden Rose
Eingewiegt in süßen Traum!
CHOR.
Lebet wohl, er muß euch lassen,
Wer kann Glückes Flug erfassen?
[789] Lebet wohl! lebet wohl!
DRUHAN.
Wenn er früh zum Hügel schaute
Von der blumenvollen Au,
Schien das Schloß, das stolz erbaute,
Ihm ein Wolkenbild im Tau.
CHOBOL.
Jetzt, o heilge Morgenstunde,
Giebst du ihm wohl höhern Lohn,
Denn das Gold aus deinem Munde
Bauet ihm den goldnen Thron,
CHOR.
Morgengold, dich muß er lassen,
Sorgengold, dich muß er fassen.
Morgenglanz! Sorgenkranz!
PRIMISLAUS.
Töricht Glück, verschon, verschone,
Du giebst für den Stab das Schwert,
Tauschst den Pflug mir mit dem Throne,
Und sie waren mehr mir wert.

Meinen Becher, den ich fasse,
Leer' ich, wo mein Stab ergrünt,
Eh die Heimat ich verlasse,
Sei der Hausgott mir versühnt!

Er trinkt, und gießt die Neige des Tranks auf seines Vaters Grab.
CHOR.
Birkenkelch, dich muß er lassen,
Goldpokal, dich muß er fassen,
Hausgott, Hausgott, sei versühnt!
PRIMISLAUS.
Ich löse nun den Goldring von dem Pflug.

Er nimmt Libussens Ring vom Pflug.

Er schließe mich an die, die einst ihn trug.
DRUHAN.
Ich deck dich mit des Sorgenmantels Last.

Legt ihm den Mantel um.
WRSCHOWETZ.
Ich lös die Riemen deines Schuhs von Bast.

Zieht ihm die Bastschuhe aus.
CHOBOL.
Ich lege deinen Fuß in goldne Haft.

Legt ihm die Goldschuhe an.
DRUHAN.
Ich gürte deinen Leib mit Sieg und Kraft.

Gürtet ihn.
CHOBOL.
Ich schmück dein weises Haupt mit stolzer Mütze.

Setzt ihm die Mütze auf.
[790]
ALLE.
Zu Roß, zu Roß! rag auf dem goldnen Sitze!

Führen das Roß heran.
PRIMISLAUS
nimmt das Roß beim Zügel.
Ihr treibet mich hinan des Thrones Stufen,
Denkt, dieser Tag ist Wiege künftger Zeiten.
Zu früh habt ihr mich von dem Pflug gerufen,
Der Mitwelt Eile büßt der Nachwelt Leiden.
Hätt ganz umpflüget ich des Ackers Hufen,
Bis wo die Steine meine Grenze scheiden,
Mit fremder Zunge und mit fremden Sitten
Hätt nie ein Herrscher euren Thron beschritten.
Drei Zweige seh ich meinem Stab entschossen,
Der letzte grünt, die früheren verderben,
Es werden viele meinem Stamm entsprossen,
Doch einer stets des Krokus Stuhl erwerben,
Und sind einst sechs Jahrhunderte verflossen,
Wird fremde Glorie euren Zepter erben;
Dann werdet auf des Nachbaradlers Schwingen
Ihr zu des Völkerruhmes Sonne dringen.
Viel sind berufen, Einer auserlesen,
Der dich emporträgt, edles Volk der Chechen!
Des Herrendienstes Knechtschaft wird er lösen,
Sein Licht wird alte Finsternis durchbrechen,
Verjährter Rechte Schmach wird er entblößen
Und wird ein menschlich rechtes Recht euch sprechen;
Dann wird dem falschen Mond er Grenzen stecken,
Der Sonne Untergang mit Nachruhm decken.
Aus diesem strömt in Abendlichtes Milde
Ein Quell des Rechts, ein Spiegel aller Güte,
Dies Land deckt Vorsicht mit getreuem Schilde,
Wie auch des Weltzorns Meersturm es umwüte,
Die Nächsten rings verbilde und verwilde,
Reift doch zur Frucht, o Böheim, deine Blüte!
Ich warf die Saat, wer wird die Frucht genießen?
Leb wohl, mein Pflug, ich muß den Thron begrüßen!

Er besteigt das Roß, allgemeines Geschrei: Heil, Heil dir, Primislaus! Sie ziehen ab.
[791]
WLASTA
erwacht, und noch traumtrunken sieht sie dem Zuge des Primislaus nach.
Hindurch, hindurch, ich muß ihn wiedersehn,
O Mut, Mut, Mut! hinweg, du blutge Woge,
Ich zwinge dich, du mußt mir untergehn,
Um ihn, um ihn bin ich so weit geflogen,
Um ihn, um ihn kann ich noch auferstehn,
Vom ganzen Abgrund selbst hinabgezogen.
O Luft, o Licht, ihr sollt mich nicht ertränken,
Er ragt, er glänzet, o ich kann ihn denken!

Sie richtet sich auf, und sieht dem Zuge nach.

Er zieht zu ihr, o Erde, tu dich auf!
Verschlinge ihn, so steig ich auch hinab.
Weh mir, er sinket nicht, er steigt hinauf!
Den Bastschuh warf dein Stolz zu mir herab,
Ich werf ihn dir in deines Ruhmes Lauf;
Blüht gleich der Stab, den dir Libussa gab,
Will ich die Hand nach deinem Goldrock strecken,
Ich, die dein Bauermantel konnte decken.

Sie nimmt seine Schuhe und den Mantel.

Konnt ich dich nicht zu Böheims jungem Throne
Mit kühnem Schwung des Adlerfittigs heben,
Will ich doch über deiner neuen Krone,
Ein Geier aus der Zukunft Wolke, schweben;
Libussa gab sie dir, dem Bauersohne,
Der böhmsche Herzog soll sie Wlasten geben.
Fluch! Fluch den Männern, weil ich einen suche,
Bis ich, wird er mir nicht, ihn auch verfluche!
5. Akt
Fünfter Akt
Vor Anbruch des Tages bei Kroks Eiche. Man sieht bei der Eiche ein verunstaltetes Kreuz und mißlungenes Muttergottesbild von Silber. Pachta und Trinitas sind beschäftigt, das Bild eines Pelikans zu reinigen.

PACHTA.
Das Kreuz, der Jungfrau Bild sind uns mißlungen;
Vom Pelikan, der künstlicher gestaltet,
[792] Ist rein die mannigfaltge Form gesprungen.
Der Finger Gottes sichtbar vor uns waltet,
Zur Reife ist dies Volk noch nicht gedrungen,
Daß sich des Glaubens Bild ihm rein entfaltet.
Das Schöne soll das Göttliche bedeuten,
Der Pelikan das Höhre vorbereiten.
Slawosch wird nach Libin dies Bild mir bringen,
Doch früher geh ich hin, es zu erklären;
Leicht dürften, die so lang an Götzen hingen,
Das Gleichnis als des Bildes Gott verehren.
Dem Feind, der jene Bilder ließ mißlingen,
Muß ich in dieses hier den Eingang wehren;
Vor jenen muß der Widersacher weichen,
In dieses kann die Schlange ein sich schleichen.
TRINITAS.
Mein Vater Theophil ersann dies Bild,
Mit hoher Liebe Werk das Volk zu rühren.
Der Pelikan, deß Blut die Jungen stillt,
Soll zu des Opfertods Geheimnis führen.
O lasse, Pachta, mit dem Bild mich wallen,
Dem neuen Herrn, eh er die Zügel nimmt,
In seiner alten Blindheit Zügel fallen!
Es ist dem Menschen eine Zeit bestimmt;
So ich nicht bald ein christlich Werk vollende.
Bring ich zu meinem Gotte leere Hände!
PACHTA.
Noch zögre, Trinitas, noch wage nicht;
Aus dem mißratnen Guß mir Sorg erwacht;
Trag noch der Wahrheit Licht zutage nicht.
Fest wölbt sich über uns die alte Nacht,
Ziehn aus der Kuppel wir des Schlusses Stein,
So stürzt auf uns der ganze Bogen ein.
TRINITAS.
Wer tötet mich, mich, die Unsterbliche?
PACHTA.
Unreifer Eifer, der verderbliche.
TRINITAS.
Wann endlich reift die Südfrucht hier im Land?
PACHTA.
So Frucht als Sonne reift in Gottes Hand.
TRINITAS.
Vergönne, Gott, nur einen Frühlingstag,
Daß dieses Herz zur Reife kommen mag!
PACHTA.
Dein Maitag naht auf dieses Morgens Pfad,
Heut will ich schon zu Tetka dich gesellen.
[793] Doch dich dem Volk, den Priestern auszustellen,
Es wär an dir, an deinem Werk Verrat.

Ab.
TRINITAS.
Verrat? Stand vor dem Volk, den Priestern nicht
Der Herrlichste, war er nicht auch verraten,
Der ewige, der gütge Gott der Gnaden?
O eile, eile, süßes Maienlicht!
Beschlossen ist es, Herr, in deinem Rat,
Zum Tod ging Trinitas den weiten Pfad;
Dem Glauben soll im rauhen Land der Chechen
Dies Herz ohn eines Christen Anblick brechen.
O heilige mich, Herr, mit guten Werken
Den einsamen, verwaisten Tod zu stärken.
Barmherzger Gott! erbarm dich deiner Magd,
Laß deines Todes sie teilhaftig werden,
Lab sie aus deinem Kelch, wenn sie verzagt.
Dein Will gescheh im Himmel wie auf Erden!
O eile, eile, süßes Maienlicht,
Der Tag, der anbricht, meine Tage bricht!
HUBALJUTA
aus der Hütte hervortretend.
Zum Jutrobog erhebst du dein Gebet,
Da noch Triglawa an dem Himmel steht?
O nimm der Göttin nicht, was ihr gebührt,
Daß sie nicht zürnt und dich zum Tode führt.
TRINITAS.
Wer sind die falschen Götter, die du nennst?
HUBALJUTA.
Die weisen Götter, die du nicht bekennst.
Triglawa ziehet hin auf schwarzem Rosse,
Und trägt den Mond im Arm, der ihr Genosse.
Hat sie zurückgelegt des Laufes Bahn,
Führt Jutrobog das rote Roß heran,
Der Morgenröte Gott, der Maienheld,
Er gießt des Segens Tau auf Flur und Feld.
Sprich, kann dein Pelikanus in Gewittern,
Wie Peron blitzend, auch die Eichen splittern?
TRINITAS.
Nichts können Bilder, die des Menschen Werke,
Der selbst ein Bild; und was sein Aug bemerke
Im blauen Himmel und auf grüner Erde,
Sind Bilder, daß der Herr bewundert werde.
HUBALJUTA.
Wer ist der Herr?
[794]
TRINITAS.
Er, der, in Licht gekleidet,
Gleich einem Teppich blau den Himmel breitet,
Auf Wolken fährt, auf Windesflügeln geht,
Zu Engeln Sturm und Flamme sich erhöht,
Die Erde in der ewgen Feste gründet
Und mit dem Kleid der Tiefe sie bedeckt,
Mit Mond und Sonne, die er angezündet,
Dem Auf- und Niedergang das Zeitmaß steckt;
Er, der die Wasser über Berge stellt,
Und alles muß vor seinem Schelten fliehn,
Und fährt vor seines Zornes Donner hin,
Verbirgt sein Antlitz er, so bebt die Welt;
Doch trägt er sie, daß sie nicht niederfalle,
Und öffnet ihr die Hand, und nähret alle.
Zieht er den Odem an, welkt sie wie Laub,
Läßt er den Odem wehn, steht sie in Blüte,
Nimmt er den Odem ihr, fällt sie in Staub.
Weis ist sein Werk, geordnet, voll der Güte.
Die Berge, die er angerühret, rauchen,
Die Erde bebet unter seinen Augen;
Doch seine Höhe, Tiefe, Länge, Breite
Mißt nicht die Zeit mit des Gedankens Schnelle,
Und nimmer füllet seines Daseins Weite
Der unermeßne Raum mit Lichtes Welle.
Sein Hier, sein Dort ist grenzlos, ungestadet,
Sein Je, sein Immer bahnlos, ungepfadet!
Lobsingen will ich ihm mein Lebelang,
Und meine Stimme soll ihm laut erschallen,
Bis alle Götzen der Gottlosen fallen,
Halleluja vom Auf- bis Untergang!
HUBALJUTA.
Und wer ist gottlos?
TRINITAS.
Der, der an den Tod
Die Hoffnung hängt, und flehet in der Not
Zum Götzen, der sich selbst nicht helfen kann.
Es rüstet sich sein Holz der Zimmermann
Zu nützlichem Gerät auf manche Weise,
Und kochet bei den Spänen sich die Speise;
Das Krumme, Ästge aber sucht er aus,
[795] Und schnitzt in müßger Zeit ein Bild daraus,
Die Risse und die Lücken er verstreicht,
Malt bunt es an, daß sich kein Tadel zeigt,
Macht ihm ein Häuslein, heftets an die Wand,
Daß es nicht falle, mit dem Eisenband;
Denn hülflos bleibet wie die andern Klötze,
Zu dem er betet, der unmächtge Götze.
Das böse Bild ist so des Fluches wert,
Wie der, der es geschnitzt und es verehrt.
Es sind vom Anfang her die Götzen nicht,
Das Endliche vor meinem Herrn zerbricht;
Es ist vollkommene Gerechtigkeit,
Zu wissen seine Macht und Herrlichkeit.
Erkennen dich, o Herr, ist in der Zeit
Die Wurzel der lebendgen Ewigkeit!
HUBALJUTA.
O lasse länger so mich leben nicht,
Und nimm mich auf in deines Glaubens Licht!
TRINITAS.
Mein Gott und Herr, dein Werk ich nun beginne,
Erleuchte, ewges Licht, der Jungfrau Sinne,
Auf daß ich dir dies reine Herz gewinne;
Dann schaue gütig nieder auf mein Leben,
Ich will den Geist in deine Hände geben,
Von Angesicht zu Angesicht dich sehn,
Gekrönet auch bei meinem Vater stehn.
Wie ihm geschehn, laß, Herr, mir auch geschehn!
Komm, Jungfrau, sieh, die junge Maiensonne
Spielt in dem Fluß bei deines Sieges Wonne!
HUBALJUTA.
Heut ist des Jutrobogs, des Maies, Fest,
Den Winter treibt heut Zwratka aus dem Nest,
Der Frühling Leben auf die Fluren senkt,
Der Tod, Marzana, wird im Strom ertränkt.
TRINITAS.
Mit diesem Strom wasch ich von deinem Haupt
Den finstren Tod, der dir das Licht geraubt;
Doch wer, Geliebte, soll dein Zeuge sein?
HUBALJUTA.
Niemand ist hier, der meine Sehnsucht kennt;
Doch nein, ich irre, dieses Blümelein,
Die Primel, die man Himmelsschlüssel nennt,
Schloß jetzt sich auf im frühen Sonnenschein,
[796] Sie wird mir willig ihren Namen leihn.

Sie bricht eine Primel.
TRINITAS.
Erschließ den Himmel, erste Frühlingsblume,
In dieses Landes ödem Heiligtume!

Sie führt sie nach der Moldau.
Zwratka, Meneljuba, Entawopa, Moriwescha. Ziack trägt auf einem Stabe das Bild Marzanas, eines alten Weibes, vor ihnen her; sie singen.

Marzana, Marzana!
Wir treiben dich aus,
Aus Feldern und Wäldern,
Aus Garten und Haus.
Der Winter muß sterben,
Der Frühling zieht ein,
Geschmückt steht der Acker,
Es grünet der Hain!
ZIACK.
Hier ist es geschehen!
ZWRATKA.
Beim Tscharte, da stehen,
Die lange wir suchten,
Die neuen, verfluchten,
Unsinnigen Götzen.
Es soll uns ergötzen,
Die Freude uns würzen,
Zum Fluß sie zu stürzen;
Das sei unser Fest.
MENELJUBA.
Hinunter, hinunter
Den schimmernden Plunder.

Sie stürzen die Bilder, welche Pachta gegossen, vom Ufer hinab.
ENTAWOPA.
Wir reingen das Nest,
Sie stehen nicht fest.
ZIACK.
O Jammer und Schade,
Die glänzenden Wunder!
MORIWESCHA.
Hinab zu dem Bade,
Das ist eine Lust.
ZIACK.
Marzana, du mußt
Nun nach ohne Gnade,
[797] Das bringt dir Verdruß.
Ach, Meistrin, sieh dort!

Er wirft das Bild Marzanas, das er auf dem Stabe trägt, hinunter, und da durch das Gewicht der Figuren, welche die Zauberschülerinnen hinabgeworfen haben, das Gebüsch am Ufer niedergerissen ist, sieht man entfernt Hubaljuten am Ufer knien, und Trinitas im Begriff, sie zu taufen.
ZWRATKA.
Was siehst du, sprich fort!
ZIACK.
Frau Lado im Fluß
Begießet mit Fluten
Das Haupt Hubaljuten,
Und reicht ihr den Kuß.
ZWRATKA.
Hoch, hoch eure Beile!
Daß, wenn mit dem Pfeile
Ich fehle die Magd,
Ihr nieder sie schlagt!

Sie legt an.
TRINITAS
gießt Hubaljuten das Wasser aufs Haupt.
Im Namen des Vaters und Sohnes –

Der Pfeil trifft sie ins Herz, man sieht sie in die Arme Hubaljutens sinken.
HUBALJUTA.
O weh, und aber weh, sie ist dahin!

Sie trägt sie hervor; Slawosch tritt heran.

Im Aufblühn, Licht der Welt, mußt du verderben!
ZWRATKA.
Auf sie! sie muß dem finstern Gotte sterben,
Von dem ich heute ausgegangen bin.

Sie hebt ihr Beil; Slawosch erschlägt sie.
SLAWOSCH.
So kehre dann, du Scheusal, hin zur Nacht;
Es kehren alle hin, woher sie kamen!
TRINTTAS
sterbend.
Und in des Heilgen Geistes Namen, Amen!
Weib, ich verzeihe dir, es ist vollbracht!
DIE MÄGDLEIN
fassen die sinkende Zwratka.
O Jammer! Weh!
ZWRATKA
sterbend.
Dreimal verfluchte Eiche! –
Ich habe nicht umsonst gen dich gerungen;
[798] Die mich aus heilgem Traume hier erwecket,
Schickt ich zum Traum, der mich mit ihr bedecket.
Fluch, Niva, dir, du hast mich nicht bezwungen,
Auf ewig stehn die unterirdschen Reiche!
HUBALJUTA
senkt ihr Haupt auf Trinitas nieder.
Verfinstre dich, o Tag, dein Auge bricht!
SLAWOSCH.
Dahin ist nun so Finsternis als Licht!
Der Morgen hat uns sterbend angelacht,
Und gleich dem grimmen Wolf die Dämmrung lauert!
Tragt weg, ihr Dirnen, eure alte Nacht,
Sie sei von euch, so wie ihr mögt, betrauert;
Doch fort mit ihr, ihr Bild erregt mir Wut,
Auf mich, auf mich, auf Slawosch komm ihr Blut!
DIE MÄGDLEIN
heben Zwratka auf.
Auf dich, auf dich, o weh, und aber wehe!
SLAWOSCH.
Wo sind die Bilder, die ich nicht mehr sehe?
ENTAWOPA.
Hinab zum Flusse stürzten wir die Götzen –
SLAWOSCH.
Die Herrlichen, o Frevel, o Entsetzen!
Nach, Hexe, auch, ich treibe aus den Tod,
Des Frühlings Blut floß in das Morgenrot!

Er wirft Zwratka hinab, die er den Händen der Mägdlein entreißt.
ENTAWOPA.
O weh!
MORIWESCHA.
Weh!
MENELJUBA.
Weh!
HUBALJUTA.
Ja, weh euch, wehe mir!
Ihr ließt sie morden, und ich weine ihr,
Die herrlicher als alle Menschen war,
Erloschen sind die Augensterne klar,
Nicht spricht sie mehr; mit lehrbegiergem Munde
Trink ich das heilge Blut aus ihrer Wunde.

Sie legt ihr Antlitz auf sie.
ZIACK
springt hervor.
Weh, Hubaljuta, giftig war der Pfeil!
ENTAWOPA.
Reißt sie zurück.
HUBALJUTA.
O heilig ist der Bronnen!
MORIWESCHA.
Du trinkst den Tod!
HUBALJUTA.
Das Bild, das ihr zur Flut
Geworfen, hat ihr Vater einst ersonnen:
[799] Der Pelikan, der mild mit seinem Blut
Aus Herzenswunden tränket seine Jungen;
Für mich, für mich ist dieser Quell gesprungen!
MENELJUBA.
Allmächtge Liebe!
ENTAWOPA.
Deine Schmerzen teil ich!
MORIWESCHA.
Weh mir, die sie nicht kannte.
ZIACK.
Sie war heilig!
SLAWOSCH.
Wohlan, der Götter Will ist unergründet.
Die Meisterin, die Schülerin, entzündet
In Liebe, sind der Liebe Bild geworden!
Ihr Mägdlein, legt sie sanft auf grüne Zweige,
Und tragt die Himmelsbraut, die Maienleiche,
Hin zu Libussens hochzeitlichen Pforten.
MENELJUBA
kränzt Trinitas.
Um ihre Stirn wind ich noch Immergrün.
ENTAWOPA.
Und Maienblumen, die hier frisch erblühn.
MORIWESCHA.
An ihre Brust steck ich den Rosmarin.
HUBALJUTA.
Um dieses Kreuz, das sie mir vorgehalten,
Muß ich ihr jetzt die lieben Hände falten,
Und mit dem Schleier muß ich sie bedecken.

Sie faltet ihr die Hände um das Kreuz, und verschleiert sie.
ZIACK.
O läutet nur in ihren goldnen Locken,
Ihr blassen, duftgen, kleinen Maienglocken,
O läutet nur, ihr könnt sie nicht erwecken,
Nicht träumt so süß, nicht schlummert also tief
Die Imme, die im Lilienkelch entschlief.
Horch, horch, was singt die Schwalbe an der Hütte?
HUBALJUTA.
Dein Will gescheh im Himmel und auf Erden!
Von sieben heilgen Bitten ists die dritte.
SLAWOSCH.
Erhebt die teure Last, ihr Leidgefährten,
Und folgt mit stummer Klage meinem Schritte!

Die vier Jungfrauen erheben Trinitas auf eine Bahre von Zweigen, und tragen sie in seinem und Ziacks Gefolge ab.

Szene vor Schloss Libin

PACHTA.
Der Frühling weckt in jeder Brust ein Sehnen,
Der Mensch weint mit der Rebe stille Tränen,
[800] Die Knospe bricht, es regen sich die Narben,
Die Hoffnungen, die Freunde, die uns starben,
Bewegen unterm Hügel sich; das Leben
Schwebt durch den Traum, sie möchten sich erheben.
Doch nie hat Schwermut so mich noch erschreckt,
Seit mir des Alters Schnee die Locke deckt.
Nun ists ein Jahr, daß Theophil den Tod
Des Herren starb, daß ich mit mancher Not
Sein Kind vor der Verfolger Schwert versteckt!
O Trinitas, wie hab ich mich erkeckt,
Dich in mein wildes Vaterland zu führen!
Sollst du die Felsen zum Gebete rühren?
Schwarz deckt die Nacht des Heidentums dies Land,
Ein Schimmer liegt kaum auf der Höhen Rand.
Gleich einem reifen Stern, dringst du hervor,
Wer trägt dich hier, wer hält dich hier empor?
Wer hebet dich zum Himmel aus dem Tal?
Daß du mit deines Lichtes selgem Strahl
Die Bahn erleuchtest vor des Herren Füßen,
Der alle will mit seinem Heile grüßen.
Ich höre rings der Heiden wilde Weisen,
Marzana werfen sie zum Fluß hinab,
Und toben singend um der Eltern Grab;
Die rohen Stimmen mir das Herz zerreißen.
Es ist, als hörte ich die Hämmer schwingen,
Als schmiedeten sie gegen mich die Klingen.
Mein Gott, mein Gott, ich will ja gerne sterben,
O laß nur sie ein christlich Grab erwerben.
O Frühling, o du holdgeschmückter Mai,
Durchdringe mich, mach mir die Seele frei.
Sprich zu mir, Weltgeist: Pachta, fasse Mut,
Wer kann dir nehmen des Erlösers Blut!
LIBUSSENS MÄGDLEIN
ohne Wlasta ziehen über die Bühne, sie haben grüne Kränze in den Händen.
Marzana, Marzana,
Wir treiben dich aus,
Der Tod ist versunken
Im Wogengebraus.
[801] Wir trieben den Winter,
Den Tod aus dem Haus;
Nun reicht uns der Frühling
Den blühenden Strauß.

Sie bilden einen Kreis.

Tu auf, Papaluga,
Den Himmel, und gieße
Den Tau auf die Wiese.
Bewege die Lüfte,
Und sende die Düfte,
Und sende den Segen,
Den Segen herab.
Flieg auf, und fall nieder!
Flieg hin, und kehr wieder!

Sie werfen alle ihre Kränze in die Höhe, und jede hascht deren, soviele sie kann, andere bemühen sich nicht darum.
STRATKA.
Ich hüte meinen Kranz, verschleudr' ihn nicht.
SCHARKA.
Ich geb ihn preis, weh der, die um ihn ficht!
HODKA.
Ich habe drei, drei Männer hier erhascht.
NABKA.
Halt, Hodka, halt, das ist zu grob genascht!
MILENKA.
Vier habe ich; wer will sich Männer kaufen?
ZASTAWA.
Nicht kaufen, aber lieber darum raufen!
RADKA.
Nimm diese hier, ich schenke dir den Haufen!

Libussa, Tetka, Kascha, Biwog. Die Mägdlein ordnen sich.
LIBUSSA.
Ich treffe euch in eurem Frühlingsspiel,
Und stecke eurem Kranzwurf schön ein Ziel.
Geht in die Gärten, brechet, was da blüht,
Und flechtet Laub und Blumen in Gewinde,
Womit die Pforte schmückend ihr umzieht,
Daß euer Herr den Eingang festlich finde;
Pflanzt Maien auf, und opfert eure Kränze
Libussen heut, daß ihre Trauer glänze!

Die Mägdlein werfen ihre Kränze auf einen Haufen, und eilen die Schloßtreppe hinan.

Wann wirst du, Meister, mir die Bilder bringen?
PACHTA.
Verzeihe ihr unschuldiges Mißlingen.
[802]
LIBUSSA.
Mißlangen sie?
KASCHA.
Das meine?
TETKA.
Alle drei?
PACHTA.
Dem deinen, Tetka, stand der Himmel bei.
Das Bild des Pelikans und seiner Jungen,
Obgleich das künstlichste, ist wohl gelungen.
TETKA.
Ist Polkan dies, der Held, halb Mensch, halb Roß?
PACHTA.
Der Liebe Bild, die Blut für uns vergoß,
Ein edler Phönix, tränkend seine Brut
Mit seiner selbstgeschlagnen Wunden Blut,
Ein Gleichnis heilgen Opfers frommen Blicken.
TETKA.
Des Himmels Bild, der alle will erquicken.
KASCHA.
Der Erde Bild, die keinen läßt verdürsten.
LIBUSSA.
Das Bild des hohen Lebens edler Fürsten.
PACHTA.
Das Gleichnis von des wahren Menschen Tod.
Entschädigend des andern Werks Mißlingen,
Will ich mit dieses Tages Abendrot
Die Künstlerin zu eurem Troste bringen,
Des Ewgen Bild in euer Herz zu gießen.
So rein ihr seid, wird rein das Silber fließen.
LIBUSSA.
Wer ists?
KASCHA.
Wen meinst du?
TETKA.
Jene, die wir sahn?
PACHTA.
Ja, jene Jungfrau will euch heute nahn.
TETKA.
Verhießen ward sie früher mir im Traum.
LIBUSSA.
Niva, die Mutter, schien sie mir am Baum.
KASCHA.
Warum verbargst du sie? Ich sah sie kaum.
PACHTA.
Wer trägt ein Kleinod nicht versteckt durchs Land,
Verbirgt das Kunstwerk nicht vor Kinderhand?
Die Blume bring ich den Geliebten zwar,
Doch sei vorher ihr hoher Wert auch klar,
Auf daß vor Stürmen sie die Zarte hüten
Und spielend nicht den Kranz der süßen Blüten
Zerrupfen, als Orakel ihrer Liebe,
Bis, wertlos, nur der nackte Stengel bliebe.
LIBUSSA.
Du hegest schlechte Meinung von der Hand,
Die Sicherheit gewähret diesem Land.
PACHTA.
War diese Hand doch sicher nicht gestellt,
[803] Ist sicher doch der Pflug nicht auf dem Feld,
Sind allzu leicht die Götter doch versöhnt,
Die jeder sich aus seinem Holze spänt,
Er schnitzt des Götzen Leib und Arm und Kopf;
Was übrig bleibet, wärmet seinen Topf.
Wo Gott noch nicht das Menschliche durchdrang,
Hat kaum das Menschliche des Tieres Rang.
Und würgtest du auch alle Geier hier,
Kehrt' nie doch die erwürgte Taube mir.
KASCHA.
Du gabst dem wilden Wald die Blume hin,
Die unsrer treuen Hut du nicht vertraut.
PACHTA.
Nicht kannt ich euch, und eure Herde schien
Genährt von bösem zauberischen Kraut;
Um zu veredlen ihre wilde Art,
War wohl mein stilles frommes Lamm zu zart.
Einsam, versteckt, verschlossen im Gestein,
Sollt vor dem Wolf es mir gesichert sein.
TETKA.
Dein Kunstwerk unsrer treuen Hut vertraue,
Daß Weisheit in der Schönheit uns erbaue.
PACHTA.
Beruh'ge dich, ich bring sie heut zu dir,
Doch zürne nicht um meine Sorge mir.
Zerstörungssucht ist aller Menschen Teil,
Greu'l ist dem einen, was des andern Heil.
Und hätte nicht die Erde sich erbarmt,
In ihrem Schoß oft herrlich Werk umarmt,
Hätt nicht der Schutt manch Kunstwerk uns bewahrt,
Wir kennten kaum der guten Künste Art.
Was an den Tag tritt, bricht die blinde Wut;
O wohl dem Schatz, der in der Erde ruht.
Der kunstgetriebne Kelch, der Käufer fand,
Er geht verkauft, vererbt, von Hand zu Hand,
Dann bricht der Dieb den Riegel, Not das Siegel,
Und schmilzt ihn in goldgierger Nachwelt Tiegel.
LIBUSSA.
Du nennest Taube, Lamm und Kelch die Magd,
Die Taube, Lamm und Kelch uns hat gegeben.
Warum hast du sie Tetka zugesagt?
Wir haben alle teil an ihrem Leben.
PACHTA.
Ich zog mit ihr, den Bauort zu beschauen,
[804] Der Grund ist fest, ich kann dem Bau vertrauen.
Nun möget ihr mein Schicksal auch erfahren:
Hier früh entführt von streifenden Avaren,
Ging ich, als Knecht verkauft, von Hand zu Hand;
Bis zu Byzanz ich, durch der Hände Fleiß,
Als freier Maurer auf dem Tempel stand;
Zu meiner Arbeit sang ein frommer Greis,
In dessen Garten ich herniederschaute,
Und sein Gesang hat also mich belehrt,
Daß ich mein Leben seinem Gott vertraute,
Als ich, mit einem Götzenbild beschwert,
Ins Hausgärtlein des frommen Theophil
Vom schwindelhohen Tempelrande fiel.
Das Götzenbild lag neben mir zerschlagen,
Mich hatten Gottes Engel sanft getragen.
Von seines Gottes Wunder tief gerührt,
Hat mich der Greis zu meinem Heil geführt,
Der Bildner, reich an Kunst und arm an Golde,
Weil er nicht falsche Götzen bilden wollte;
Ich blieb bei ihm, der Meister ließ die Kelle,
Ergriff den Meißel und ward sein Geselle.
Doch als der falsche Dienst sich immer mehrte
Und Götzen man von Theophil begehrte,
Ließ der Tyrann ihm auf sein kühnes Sprechen:
Nicht mag ich bilden, was ich nicht mag sehn!
Die frommen Augen aus dem Haupte brechen.
Nie wird sein Jammerbild mir untergehn!
Lobsingend sah den Märtyrer ich sterben,
Sein Haus, sein Töchterlein blieb mir, dem Erben.
Die Jungfrau wuchs in Trauer mir heran,
Und fühlte bald des frommen Lebens Bahn
In festem Will zum heilgen Ziel gewendet,
Die Blinden, die den Vater ihr geblendet,
Zum Lichte ihres Glaubens treu zu führen;
Und schon begann der Feind nach ihr zu spüren,
Da folgte sie mir auf mein heißes Bitten
Zur fernen Heimat; viel hat sie erlitten
Auf weiter Reise, manchen Sieg erstritten,
[805] Zu zeigen euch des ewgen Gottes Licht,
Und, wenn ihr Aug, eh als die Nacht, hier bricht,
Auf dieses Land zu strahlen vor dem Herrn,
Der Böhmen namenloser Glaubensstern!
LIBUSSA.
In edler Kühnheit deine Lippe spricht,
Doch scheint mir, unsre Götter ehrst du nicht.
KASCHA.
Wer ist der Gott, um den ihr Vater starb,
Um den sie selbst so hohes Ziel erwarb?
TETKA.
Ist ihm in Himmelstag, in Erdennacht,
Ist zwischen beiden ihm geteilt die Macht?
PACHTA.
Er ist nicht himmlisch, irdisch ist er nicht,
Ihn sieht kein Aug, ihn keine Zunge spricht,
Nicht dies, nicht jenes ist er, was da ist,
Was war, was wird. Durch ihn geworden ist,
Was niemals war. Er ist das Werk, der Meister
Des Werks und seiner selbst. Anfang und Ende,
Lebendige Inwohnung selger Geister!
Es bräch dies Herz, so es ihn nennen könnte.
Staunt selbst euch an in seines Frühlings Milde,
Ihr Ebenbilder von des Gottes Bilde.
Ja, wenn das Werk den Meister je durchdränge,
Zum Meister selbst das Werk sich auch erschwänge;
Den Engel, den ich zu dir will geleiten,
Nimm, Tetka, unter deine Dienerinnen;
Sie wird, gleich einer Rose unter Linnen,
Der Weisheit Duft dir im Gemach verbreiten.
TETKA.
In einem Tage reifet nicht die Frucht,
Am Haus des Himmels baut die Ewigkeit,
Wer im Gerüste schon den Himmel sucht,
Wird leicht, so allzu schnelle es die Zeit
Herniederreißt, von seiner Last erschlagen.
So fährt, dem Lichte fluchend, mancher hin,
Wird nicht die Nacht behutsam abgetragen.
Gewöhnung will zur Wahrheit selbst der Sinn,
Das Plötzliche zerstört sich selbst in Schmerzen,
Des Heiles Prüfung ziemet edlen Herzen;
Denn nimmer ist der Götter Werk vollendet.
Hat sich zu mir die weise Magd gewendet,
[806] Mag sie vor mir auch ihrem Gotte dienen,
Ich dien ihm auch, ist wahr er mir erschienen.
KASCHA.
Und findest heilsam, Tetka, du die Quelle,
Leit ich sie auch zu meines Hauses Schwelle.
LIBUSSA.
Die weite Wege von des Meers Gestaden
Mit ihrer Weisheit Kleinod zu uns ging,
Genieße meines Schutzes, meiner Gnaden,
Wie nie ein werter Gast sie noch empfing;
Doch, gleich des Heilquells unterirdschem Rinnen,
Soll in Geheimnis sie ihr Werk beginnen;
Die Werkstätte des Heiles sei verborgen,
Denn göttlich Werk gedeihet nicht in Sorgen.
In unsrem Geist mag sie zu Tage gehen,
In uns, des dunklen Landes lichten Höhen,
Versammle sich ein Schatz von allem Segen,
Und sinke nieder wie ein Frühlingsregen
Von hohen Wolken, gleich verteilet, fällt;
Denn wilder Wassersturz ertränkt das Feld.
Die Weisheit wirke gleich des Himmels Sonne,
Die, keinen schreckend, alles füllt mit Wonne.
So sei es. Laßt mich meiner nun gedenken;
Hört ihr des kriegerischen Chores Klang,
Die Männer ihre Fahnen auf mich senken,
Und meinem Tode schallet der Gesang.
TETKA.
Libussa, klage nicht, wär dies der Tod,
Unsterblich wär das Mägdlein, dem er droht,
Ein grüner Totenhügel wär die Erde,
Ein Leichenfeuer wär des Himmels Sonne,
Der bleiche Mond ein ewger Leidgefährte,
Ein böser Mörder wär des Frühlings Wonne.
Was ist es, teure Schwester, das dich quält?
Liebst du nicht Primislaus, den du erwählt?
LIBUSSA.
Ich haß ihn nicht, doch wie soll ich ihn lieben?
Den Willen unterwirft er mir den Trieben,
Die Fülle macht er mit der Not vertraut,
Stört küssend meinen freien Ernst, und baut
Die Werkstatt seines Lebens in mein Leben,
Den Leib nimmt er, die Seele muß ich geben,
[807] Und wer mit diesen beiden sich verpflichtet,
Der ist vernichtet, der ist hingerichtet;
Der Herr, der Sklave wird, klagt nicht vergebens:
Mein war das Leben, nun bin ich des Lebens!
PACHTA.
Nicht breche aus des Lebens heilgem Bann.
Das Ewige allein ist Eins in dreien,
Doch Zeitliches erblühet nur aus zweien,
Die sich zu einem dritten keusch vereinen.
LIBUSSA.
Entzweit ist das Geschlecht.
PACHTA.
Nicht zum Verneinen;
Nein, sich zu stärkrer Einheit zu erheben,
Aus der Erfüllung steiget nur das Leben.
Nur eine Jungfrau aber hat geboren,
Und um die Frucht die Blüte nicht verloren!
LIBUSSA.
Kann ich nicht also sein?
PACHTA.
Ja, in dem Geist!
LIBUSSA.
So sage, Meister, mir, was dieses heißt.
PACHTA.
Empfange durch den Geist in reiner Seele
Das Bild des ewgen Gottes, und erwähle
Dein ganzes Dasein, um es auszusprechen;
Dann wird die Frucht dir nie die Blüte brechen.
Aus Menschlichem, das jungfräulich empfäht
Und so gebärt, hervor die Gottheit geht.
Doch füge dich, es sprach der Herr: Ein Leib
Und eine Seele nur sei Mann und Weib.
Mit einem schließ den Bund; von frommer Zucht
Umblühet und verhüllt, reift edle Frucht!
LIBUSSA.
O was ich gebe, ist so hoher Preis,
Ihr Götter wißt, ich gebe es nicht preis.
Beruhigt bin ich, glücklich bin ich nicht,
Die Sonne war, das Feuer wird mein Licht.
Laß mich nur trauern, schön war ja mein Leben,
Wer nicht die Gabe liebt, hat nichts gegeben.
Zur Kammer nun geleitet mich, um mir
Den Brautkranz auf das freie Haupt zu drücken.
Du, Meister, helfe zu des Festes Zier
Den Dirnen, diese Pforte auszuschmücken.

Mit Kascha und Tetka zum Schloß.
[808]
PACHTA.
Nicht Menschenwerk, o Herr! sind die Gesetze
Des heilgen Glaubens; daß in der Natur
Den Spiegel Gottes Sünde nicht verletze,
Zeigt reiner Seele innre Angst die Spur.
Mit Trauren geht sie in der Ehe Band,
Das ungeheiligt ist in diesem Land,
Wo tierscher Trieb ein frecher Kuppler ist.
Heil ihr! die ihrer Ehre Wert ermißt;
Ihr weihet Gott zum Priester ihre Zucht,
Und heiligt ihren Bund und seine Frucht.

Die Dirnen kommen herab, und tragen Maien- und lange Laub- und Blumengewinde, mit denen sie unter folgendem Gespräche den Turm ausschmücken.
STRATKA.
Nun, Meister, hilf, das Tor uns auszuschmücken.
SCHARKA.
Der ganze Frühling ruht auf unsern Rücken.
ZASTAWA.
Die Blumenketten werden uns noch drücken.
MILENKA.
Sind sie nicht fester, reiß ich sie zu Stücken.
HODKA.
Ach lieber Bäume doch als Blumen pflücken!
NABKA.
Das Elend hebt sich immer an mit Bücken.
PACHTA.
Das Tor sei rings mit Kränzen schön umzogen,
So wie ein Aug von dunkler Braunen Bogen.
DOBROMILA.
Ganz recht, sieh da, nun sieht es prächtig aus.
BUDESLAWKA.
Das Schlichte macht die Hochzeit alles kraus.
KLIMBOGNA.
Und auf den Turm steck ich den Riesenstrauß.
SWATAWA.
Nun schaut es tüchtig in die Welt hinaus.
PACHTA.
Hier aus dem Grunde laßt die Maien dringen,
Gleich freudgen Palmen, die dem Herrn sich schwingen.
STRATKA.
Dem Herrn, dem Herrn? Verhaßt ist dieses Wort.
SCHARKA.
Das Zeug ist wurzellos, felsigt der Ort!
MLADKA.
Reißt nicht den keuschen Eppich von der Mauer!
NABKA.
Denn dieser Brautschmuck ist von kurzer Dauer!

Man hört den Gesang der Männer.
STRATKA.
Hört ihr der tollen Hochzeitbitter Sang!
KLIMBOGNA
vom Turme.
Die Fürstenmacher ziehen schon heran.
SCHARKA.
Du sprichst so leis, als machten sie dir bang.
STRATKA.
Hinauf, bewaffnet euch, eh sie uns nahn.

[809] Sie eilen hinauf. Pachta folgt ihnen. Das Tor wird geschlossen.
DIE MÄNNER
ziehen auf, sie tragen grüne Äste.
Marzana, Marzana!
Wir trieben dich aus,
Schon schmücken die Mägdlein
Zur Hochzeit das Haus.
Der eiserne Winter,
Unfruchtbar und tot,
Ertrank in der Moldau,
Und Freien tut not.
Tu auf, Papaluga,
Den Himmel, und gieße
Den Tau auf die Wiese,
Bewege die Lüfte,
Und sende die Düfte,
Und sende den Segen,
Den Segen herab.
Flieh auf, und fall nieder!
Zieh hin, und kehr wieder!

Sie werfen bei den letzten Worten ihre Zweige in die Höhe, und haschen sie mit Getümmel, und tauschen sich gegenseitig die Zweige unter folgenden Scherzreden aus.
ERSTER SLAVE.
Her, her, ein halbes Dutzend Weiber will ich.
ZWEITER SLAVE.
Nimm diese hin, so hast du böse sieben.
DRITTER SLAVE.
Die eine hier ist mir schon mehr als billig,
Zu dürr zu Hieben und zu zäh zum Lieben.
VIERTER.
Genug an keiner und zuviel an einer.
FÜNFTER.
Wer will dies Weib, den widerspenstgen Dorn?
SECHSTER.
Gieb du die Grobe mir, du brauchst sie feiner.
FÜNFTER.
Verflucht! das schwanke Ding zeigt mir ein Horn!
SIEBENTER.
Ich habe zwei zuviel, ich habe drei!
ACHTER.
Ich hab noch keine, gebe mir die zwei,
Die für den Werktag, die an Feiertagen,
Die Mücken und die Grillen zu verjagen.
CHIRCH.
Bewahrt die Zweige, legt sie unters Kissen,
Sie machen, so ihr freit, ein gut Gewissen.
Ein böses Weib, dem ihr euch einverleibt,
[810] Ein solcher dritter leicht zu Paaren treibt;
An guten Zweigen wächset Rat und Tat,
Ihr Männer ordnet euch, Libussa naht.

Die Fahne Chechs wird auf Libin aufgepflanzt, der Brautzug zieht herab. Die Mägdlein mit ihrer Standarte ziehen voraus, hinter ihnen folgen andere mit Teppichen und Kissen, dann Libussa im Brautschmuck, von Kascha und Tetka geführt. Biwog und Pachta folgen; auf dem Turme erschallen die Trompeten der Mägdlein, das Tor öffnet sich, die Kissen werden gelegt, die Teppiche aufgehängt, das Innere des Tors ist mit Blumen geschmückt. Die Diener stehen zu beiden Seiten die Torstufen herab. Libussa tritt vor den Thron, ihre Schwestern, Pachta und Biwog links und rechts. Während diesen Anordnungen ertönen die Hörner der Männer und die Trompeten der Mägdlein abwechselnd.
LIBUSSA.
Willkomm, ihr Männer! so ihr von dem Rausch
Erwacht, gedenkt noch vor dem bösen Tausch,
Wie gestern ich die Freiheit euch gepriesen,
Damit den Kindern ihr erzählen könnt,
Wie ihre Eltern von der Türe wiesen
Den Gott, die Freiheit, die sie nicht gekennt,
Wie sie des Himmels Schatz vom Herde stießen,
Wo nun gemeines Küchenfeuer brennt.
Der Kinder Schwerter werden nie ergraben,
Was preis der Väter schnöde Zungen gaben;
Aus ihrem Blut wird nie der Tag erstehen,
Den ihr im Meer des Zorns ließt untergehen.

Man hört den Marsch der Priester.
EINE JUNGFRAU VOM TURM.
Eröffnet euch, ihr Männer, machet Bahn,
Die Priester ziehen mit dem Gott heran.

Feierlicher Marsch von Posaunen. Drzewoslaus führt den Zug der Priester, die das Bild des Jutrobogs unter einem Baldachin von Maien tragen. Das Bild eines Jünglings von Gold, auf einem silbernen Rosse stehend, das mit Rosen gezäumt ist, hält einen Blütenzweig in der Hand, und hat die Sonne auf der Brust. Ihm folgt die zweite Abteilung, von Lapack geführt, der an einer roten Krücke geht; sie tragen Chechs Stuhl, Mütze, Mantel, und Schwert. Die erste Abteilung ordnet sich rechts, die zweite links, und vor Libussen machen sie halt, und sprechen.
[811]
DRZEWOSLAUS
im Vorübergehen des Zugs Libussen anredend.
Der Morgengott, der Maiengott dich grüßet,
An seinem Fest, an deinem Ehrentag.
Der Blütenzweig, der seiner Hand entsprießet,
In deiner Hand zu Früchten reifen mag.
Triglawa hat auf deinen Kranz geweint,
Nun sei dem heitren Jutrobog vereint;
Er wird dir Rosen auf die Betten streun,
Mit Fürstensöhnen dieses Land erfreun.
LAPACK
im Vorübergehen.
Es heißt, der trägt die Ruhe aus dem Haus,
Der sich nicht setzt, leer ist der Stuhl des Krok;
Gieb Ruh dem Haus, und füll den Stuhl uns aus.
Es heißet auch, es zier den Mann der Rock,
Und daß das eigne Hemd das nächste sei,
Und wie dich selbst sollst du den Nächsten lieben,
So zier mit Krokus' Rock ohn Ziererei
Den nächsten besten, der dir wollt belieben.
Und weil leicht schartig wird, was allzu scharf,
Das Schwert auch treulos in unmündger Hand,
So gieb des Krokus' Schwert dem, ders bedarf,
Unmündige zu schützen in dem Land.
Und weil dem Toren lieb ist seine Mütze,
Und an der Mütze man erkennt den Toren –
LIBUSSA
zürnend einfallend.
Schweig, Lapack, Schwätzer, Tor, nach deinem Witze
Gehört des Krokus Hut auf deine Ohren;
Ich weiß, du hast um diesen Hut geworben,
An tollem Mut ist Narrenrecht gestorben!

Trompetenstoß auf dem Turm.
DAS MÄGDLEIN.
Es naht der Herr, empfanget euren Herrn!
Er spornt sein Roß, schon ist er nicht mehr fern,
Er stürzet aus der Waldnacht wie ein Stern,
Weh', Fahne Chechs!

Die Fahne wird auf Libin geschwenkt.
SCHARKA.
Die Waffen hoch, ihr Dirnen!
[812]
STRATKA
fasset ihre Fahne mit beiden Händen.
Der Jungfrau Fahne trotzet den Gestirnen.

Biwog und Pachta schreiten gegen die Szene, aus der Primislau zu Pferd hervortritt, sie halten sein Roß, er springt unter dem Klange der Trompeten herab, das Volk drängt sich um ihn, und küßt ihm unter Geschrei den Ärmel.
VOLK.
Heil dir, o Primislaus! Heil dir, o Herr!
PRIMISLAUS.
Laßt mich, laßt mich, welch widerlich Gezerr!
Will durch den Ehrenpfad mir Demut schreiten?

Er läßt ihnen den Mantel in den Händen.

So küßt den Ärmel dann auf ewge Zeiten!

Er geht rasch gegen Libussen; da sie sich ernsthaft erhebt, bleibt er plötzlich stehen, kniet vor ihr nieder, und reicht ihr den Apfel.

Libussa, Seherin, es knieet hier
Der Pflüger Primislaus, und bietet dir
Den Apfel nochmals rein und unverletzt,
Den du als Preis des Glückes ausgesetzt,
Und nochmals bittet er nur um die Kerne.
Willst du, daß er mit diesen sich entferne,
So legt er hier die Ehrenkleider nieder,
Und kehrt bescheiden zu dem Pfluge wieder,
Auf daß von ihm dein Volk Gehorsam lerne.
LIBUSSA
nimmt ihm den Apfel ab.
Die Götter gaben dich mir zum Gemahl,
Der Apfel hier bestätiget die Wahl.

Sie erhebt ihn.

Ich hebe dich aus deinem niedern Stand
Zum Herren über mich, und dieses Land.

Sie bricht den Apfel mit ihm.

Den Apfel teilet Bräutigam und Braut,
Verkündet es, Trompeten, macht es laut!

Trompetenklang.
WRSCHOWETZ
vor sich.
O Domaslaus, wär ich so tot als du,
Ich sehe meinem Tod lebendig zu!
LIBUSSA.
Ihr Männer, führt zu Krokus' Stuhl den Herrn.

Druhan und Chobol nahen ihm.
[813]
PRIMISLAUS.
Verschonet mein, ihr Männer, bleibet fern.
Gewohnt ist nicht der Bauer, daß sein Knecht
Zum Sitz ihn führt, dies ist des Weibes Recht.
Die, so mit Gruß und Kuß ihn an der Türe
Empfing, ihn auch zum Sorgenstuhle führe!
LIBUSSA
feierlich freundlich.
Führt ihn zu dem Stuhl, legt ihm Kroks Mantel um, und setzt ihm Chechs Mütze auf.
Willkomm, mein Primislaus, Willkomm zu Haus!
Ich führe dich zu deinem Ehrensitze,
Nimm den bequemen Mantel, ruhe aus,
Bedeck dein edles Haupt mit stolzer Mütze!
PRIMISLAUS
ergreift das Schwert, das ihm Libussa reichen will selbst früher als sie.
Geliebte, hüte dich, es könnte schneiden,
Dem Mann gebührt, das Schwert allein zu führen.
DAS VOLK
unterbricht ihn mit Freude.
Dem Mann das Schwert, den Frauen nur die Scheiden!
PRIMISLAUS
erhebt sich mit drohendem Blick, fährt ruhig fort.
Dem Mann gebührt, das Schwert allein zu führen,
Zu richten, streiten, scheiden und entscheiden.

Er entblößt das Schwert.
VOLK
unterbricht ihn wieder.
Dem Mann gebührt, die Weiber zu regieren.
PRIMISLAUS
im Zorn.
Nichts Ungebührliches vom Knecht zu leiden!
So lärmt man nicht, ist erst der Herr zuhaus.
Glaubt ihr, ich sei der Bauer Primislaus,
So glaubet, daß er Hausrecht auch versteht:
Wißt, ungefraget rede nicht der Knecht,
Und, so er vor dem Herren klagend steht,
Wird ihm Gehör und des Gesetzes Recht.
Vor allen sag ich euch: Mauldienerei
Ist mir verhaßt, wer auch der Schmeichler sei.
Und wer ein Wort, das ich in Unschuld sprach,
Mit frechem Beifall mir zu Münze prägt,
Die durch die schmutzge Hand des Volkes lauft,
Der macht mit falschem Schein Gewährung nach,
Der hat um Schmach die Ehre mir verkauft,
[814] Hat ausgewogen, was noch unerwägt;
Beim Peron, dieses Schwert den Fälscher schlägt,
Dein Ohrwurm bleib ich ewig unversöhnt.
LIBUSSA.
Verzeihe ihnen, Herr! Sie sind verwöhnt.
LAPACK.
Es giebt die Braut bei uns nach alter Sitte
Dem Bräutigam und zweien, die erlesen
Als kluge Männer aus der Gäste Mitte,
Mit listgem Witze Rätsel aufzulösen.
Wo ihm des Knotens Lösung nicht entschlüpft,
Dann ist ihm auch der Nestel nicht geknüpft.
Wird er besiegt, dann schwingt die Braut im Tanz
Der Sieger, bis er fällt, der Hochzeitskranz:
An dich, Libussa, nun ergeht die Bitte,
Sprich aus dein Rätsel, ehr die alte Sitte.
PRIMISLAUS.
Ehrbare Sitte ist ein halb Gesetz!
LIBUSSA.
Die Gegner nennet!
EIN TEIL DES VOLKS.
Lapack!
ZWEITE HÄLFTE DES VOLKS.
Wrschowetz!
LIBUSSA
hebt ein Körblein empor.
Ich trag im Körblein höhnische Perlen feil,
Und jedem eurer geb ich einen Teil,
Dem ersten ihre Hälft, und eine mehr,
Dem zweiten dann die Hälft, und eine mehr,
Dem dritten dann die Hälft, und dreie mehr,
Wie viele hatt ich, ist der Korb nun leer?
WRSCHOWETZ.
Mit sechzig Perlen treffe ich das Ziel.
LIBUSSA.
Mit sechzigen verlorest du das Spiel.
War einmal, halbmal, drittelmal so viel
Der Perlen in dem Korb und fünfe mehr,
Dann wären ihrer über sechzig mehr
So viele, als an sechzigen jetzt fehlen.
LAPACK.
Mit fünfundvierzig glaub ich sie zu zählen.
LIBUSSA.
So viel an fünfundvierzigen jetzt fehlen,
Als über fünfundvierzig drinnen wären,
Könnt um ein halb-, ein drittel-, sechstelmal
Die Perlen in dem Korbe ich vermehren.
Nun nenne du, mein Primislaus, die Zahl!
PRIMISLAUS.
Du Seherin, den Göttern tief vertraut,
[815] Wer deinen Flügen folgt, du hohe Braut,
Der folgt dem Adler in das Wolkenhaus.
Dem Sonnenlicht ein mutiger Genoß,
Seit deine Schönheit strahlend mich umfloß,
Breit' kecklich ich zum Ziel den Flügel aus,
Und wag den hohen Flug mit kühner Wahl:
Es sind der Perlen dreißig an der Zahl.
LIBUSSA.
Nun lasset der Trompeten Schahl erklingen.

Trompetenklang.

Nur Primislaus wird mich im Tanze schwingen.

Sie zählt ihm die Perlen in die Hand.

Von dreißigen die Hälft, und eine drüber,
Sind sechzehn Perlen; vierzehn bleiben über.
Von vierzehnen die Hälft, und eine drüber,
Sind ihrer acht, und sechs noch bleiben über.
Von sechsen dann die Hälft, und dreie mehr,
Sind sechse selbst, und seht, mein Korb ist leer!

Sie giebt dem Wrschowetz den Korb.

Wer fruchtlos warb, der trägt den Korb davon!
WRSCHOWETZ.
Weh mir, Libussa, bitter ist dein Hohn!
PRIMISLAUS.
Sei ruhig, Freund, die Bräute scherzen gern.
Gab dir die Frau den Korb, vertrau dem Herrn,
Er will, daß du nicht durch den Korb mögst fallen,
Zu seinem nächsten Rate dich bestallen.
WRSCHOWETZ.
Des Herzens Treue heilige mein Glück!
STRATKA
tritt vor Primislaus.
Dein Wort, o Primislaus, nimm es zurück!
Nimm nicht die Schlange in dem Busen auf,
Ihn hat zu deinem Feld mein schneller Lauf
Allein verfolgt, weil er um deinen Tod
Mir seine Hand und deine Krone bot.
Verräter soll man nicht zu Rate ziehn!
WRSCHOWETZ.
Herr, halte mir dein Wort, du hast verziehn.
Nicht hör die Dirne, die mir nie verzeiht,
Daß ich aus Laune einst um sie gefreit.
PRIMISLAUS.
Schweig, Wrschowetz, nicht ziemt dem Untertanen,
Den Fürsten seines Ehrenworts zu mahnen;
[816] Als ich es gab, war ich als Fürst ernannt,
Wenngleich mein Schicksal mir noch unbekannt.
Verdiene, Wrsch, dein unverdientes Glück,
Denn nimmer geht des Fürsten Wort zurück.
Tritt ab nun, Stratka, Rache schreit aus dir,
Nie mehr fall in der Rede Zügel mir.
Ein wildes Roß wohl lenket deine Hand,
Doch wirft mein Wort dich nieder in den Sand.
Leicht wär des Fürsten Stand, wär nicht sein Mund
Ein Quell, der schnell versieget auf dem Grund,
So er die Welle einschlingt, die er gießt,
Weil alles Wasser nach der Tiefe fließt.
Die Berge sinken, Täler steigen auf,
Kehrt ja zum Quell zurück der Ströme Lauf.
Der Fürsten Wort ist dem der Götter gleich,
Das ausgesprochen noch lebendig steht,
Wenn selbst das Leben vor ihm untergeht.
Des Herren Wort gestaltet in dem Reich,
Und bricht sein Wort, bricht auch das Reich zugleich.
GETÜMMEL UNTER DEM VOLK.
Zurück! Zurück!
PRIMISLAUS.
Wer dringt so laut heran,
Wer bricht um meinen Ehrenstuhl den Bann?
WLASTA
verwildet und zerstört.

Dringt mit dem Schwerte hindurch; sie trägt den Bauermantel und die Bastschuhe des Primislaus in ihrer Linken.

Wer ists, der mich zurückzuhalten wagt?

LIBUSSA.
Heran! heran! o Wlasta, meine Magd!
WLASTA.
Wer ist es, der so eng dich eingehegt,
Daß Wlasta er den Weg zu dir verlegt?
Darf ich nur dann an deiner Seite prangen,
Wann giftge Pfeile dir sind aufzufangen?
Hat Wlasta dir mit ihres Herzens Schrei
Die Sorg erweckt in deiner Sklaverei,
Dann zeig den Herren mir, ihn zu verachten!
LIBUSSA.
Kennst du ihn doch, und bist ihm selbst bekannt.
PRIMISLAUS.
Den will ich hoch vor allen Männern achten,
Der, Wlasta, Leib und Seel dir überwand!
[817]
WLASTA.
Zu stolz, Libussa, machst den Bauern du,
Er spricht nur sich allein die Achtung zu.
Drum nimm von mir, um zu demütigen
Den goldbeschuhten Fürsten Primislaus,
Bastschuh und Mantel hier des gütigen,
Des stillen, frommen Bauers Primislaus.
Und nun gieb deiner Magd Gerechtigkeit!

Sie reicht ihr den Mantel und die Schuhe.
LIBUSSA.
Gen wen?
WLASTA.
Gen mich, dies Blut an meinem Kleid,
An meinem Schwert, ist Blut des Domaslaus.
Ich schlug in wildem Mute ihn zu Tod,
Als er zur Ehe mir die Rechte bot.
LIBUSSA.
O grimme Tat, den hochverehrten Mann!
VOLK.
Herr, gieb sie preis, Herr, lege sie in Bann!
PRIMISLAUS
gebieterisch.
Bin ich der Knecht, seid ihr der Herr, so sprecht!
Doch schweigt, wenn ich der Herr und ihr der Knecht.
LIBUSSA.
Willst du ins Recht des Herrn als Weib nicht gehn,
Wähl einen Fürsprech, der statt dir mag stehn.
WLASTA
auf Wrschowetz zeigend.
So gehe dieser für mich vors Gesetz!
PRIMISLAUS.
Was kannst du für sie sprechen, Wrschowetz?
WRSCHOWETZ.
O Primislaus, der Fürsten erste Pfade
Begleiten stets den milden Weg der Gnade.
Verziehst du, was ich unterm heißen Sporne
Der Eifersucht gen dich mich unterfangen,
Verzeih, daß sie, gepeiniget vom Dorne
Des Weiberstolzes, toll zu Werk gegangen.
WLASTA.
Ha, winde dich, das ist die Kunst der Schlangen.
PRIMISLAUS
wirft einen Zipfel seines Mantels über ihre Schulter.
Sei frei von diesem Blut und diesem Zorne,
Mein Fürstenmantel deckte deine Schuld,
Mein Bauermantel deine Ungeduld.
WLASTA
wirft den Mantel heftig weg.
Unmännlich Recht, vermaledeite Huld!
Verjage, Fürstin, ihn, er ist kein Mann,
Der mit des Mantels Zipfel nur allein
[818] Ihr Recht der hohen Wlasta geben kann.
Ihr Männer glaubtet, daß der Jungfrau Schürze
Euch euer männlich Recht zu sehr verkürze.
Seht! euer Männerrecht, sein höchster Gipfel
Ist eines Fürstenmantels Gnadenzipfel.
PRIMISLAUS.
Sie raset.
LIBUSSA.
Rozhon! Rozhon!
BIWOG.
Schweige, Dirne!
Sonst bricht dir Biwog deine freche Stirne.
LAPACK.
O Wlasta, hohe Tochter, fasse dich!
WLASTA.
Hab ich zuviel gesagt, so richtet mich,
Denn Wrsch hat nur so wenig hier gesagt,
Weil er mit Domaslaus die Haut gewagt,
Und Primislaus nur Gnade an mir übte,
Weil ich um ihn den Domaslaus erschlagen.
PRIMISLAUS.
Um mich, Unsinnige?
WLASTA.
Ja, nur um dich!
Die Krone ward mir von ihm angetragen
Um deinen Tod; weh mir! wie fürchterlich!
Daß ich dich liebte, weh! ich muß es sagen.
LIBUSSA.
Entsetzlich, Wlasta!
PRIMISLAUS.
Jetzt versteh ich dich!
WLASTA.
Unseliger, zu spät verstehst du mich.
Ich hatte keine Krone dir zu spenden,
Ein liebend Herz bracht ich in eignen Händen.
Getilgt ist meine Schuld für Rozhons Tod!
PRIMISLAUS.
Wer hat von dir für diesen Lohn begehrt?
Libussens Helm sah ich in Kampfes Not,
Und stritt für sie.
WLASTA.
Und mir nur half dein Schwert,
Ich trug den Helm!
PRIMISLAUS.
Ihr Himmlischen! wer bot
Ganz Böheim mir als eines Schwertes Wert?
LIBUSSA
öffnet ihren Mantel.
Ich, Primislaus, ich hab dir Wort gehalten,
Sieh hier dein Schwert. Kein Schwert ward je gestahlet,
Das also ungeheuer ward bezahlet,
Um einer Jungfrau Gürtel zu zerspalten.
[819] Nun höre, Böheim, wie Libussa sank:
Jungfräulich wäre ich und nie ein Weib,
Hätt ich dies Land und euch, um meinen Leib
Zu schützen, nicht um eines Schwertes Dank
An ihn verkauft.
DRZEWOSLAUS.
Nie zog solch herrlich Los
Ein Blinder aus des Schicksals dunklem Schoß!
PRIMISLAUS.
Ihr ward mein Schwert, mir ihre Milde ward;
Daß Kraft die Huld, und Huld die Kraft durchdringe,
Hat sich das Eisen mit der Huld gepaart;
Und fest und biegsam fordert nun die Klinge,
Die über eurem Haupt nach Fürstenart
Ich herrschend, lohnend, strafend fortan schwinge.
WLASTA.
Fluch meiner Zucht, Fluch deinem Unverstand!
Betrogen bist du, du hast hingenommen,
Für ein unbändig Herz, ein knechtisch Land.
Doch was kann mir die Klage weiter frommen;
Mein Recht, Libussa, gebe mir mein Recht!
LIBUSSA.
O unvertrautes, tief verschloßnes Herz!
Nur einmal fühlt ich dich elend und schlecht.
Gedenke jenes Abends, da voll Schmerz
Ich dreimal zu dir sprach, hier in dem Bade:
Ganz anders, als du redest, spricht dein Herz.
Die Weissagung geht auch auf dunklem Pfade;
Nicht kränket mich, daß du den Pflüger liebtest,
Es schmerzet mich, daß du Verstellung übtest.
Doch welches Recht ist, das dich nicht begnade,
Wer ists, der dich zu richten sich entblödet?
Du hast für ihn, für mich, für dich getötet.
WLASTA
mit steigender Leidenschaft.
Was hilft dir Liebe, und was hilft mir Gnade,
Was hilft dir Offenheit, Vertraun, Geständnis?
Das Schicksal nur beherrschet die Erkenntnis,
Auf dunklem wie auf feuerhellem Pfade.
Mehr weiß ich, als du jemals hast erfahren,
Kein Gott, kein Lieben kann mir Heil bewahren;
Auf Wetterwolken bin ich hingefahren,
Und vor mir furchten Perons glühnde Scharen,
[820] Und in der Furche rann der Männer Blut;
Getrunken hab ich schnell in meine Wut,
Ward auf des Ungewitters wildem Wagen
Zum Schmaus der Unterirdischen getragen.
Da saß der grimmen Zukunft scheußlich Bild,
Es riß mich an sich, und auf diesem Schild
Mußt ich den blutgen Becher ihm kredenzen,
Mit Dornen dann das Schlangenhaar ihm kränzen;
Da ging der Kelch des Todes in die Runde,
Und Fluch und Kuß entstürzt' von Mund zu Munde,
Und jeder Fluch war Fessel zu dem Bunde,
Und jeder Kuß war eine schreinde Wunde,
Und jede Brust war eines Schwertes Ziel;
Es spielten die Geschlechter blutig Spiel,
Um Lust, Not, Mord, des Todes Schleier fiel,
Sie schäumten blutig wie verbißne Hunde,
Und nimmer ward der Becher leer zum Grunde,
Da leert ich ihn zur grau'nden Morgenstunde;
Rund um die Tafel war der Himmel blutig,
Sie stäubten auseinander, ich blieb mutig,
Schon trat der Morgenstern gleich wie ein Held,
Mir ernsthaft winkend, vor das Nachtgezelt,
Doch immer fest ist Wlasta noch geblieben,
Die auf der Tafel wildem Knochenfeld
Ein Würfelspiel mit Schädeln lang getrieben;
Da hat sich einer gegen mich gestellt,
List gegen List, und Trug nun gegen Trug,
Bis jener dort den Sieg von dannen trug.
Es schrie der bunte Hahn mit hellem Schrei,
Wie mit der Sichel, mir den Traum entzwei.

Sie zeigt auf Stiason, der unter der Menge ist, und Hahnenfedern auf der Mütze hat.
LIBUSSA.
Sie rast!
LAPACK.
Mein Kind!
STIASON.
Was schauest du mich an?
PRIMISLAUS.
Was hast du, Tolle, gegen diesen Mann.
WLASTA.
Ich fluche ihm, er ist der rote Hahn,
Ich fluche ihm, ich fürcht ihn, dann und wann.
[821]
STIASON.
Herr, tue mich aus ihrer Augen Bann,
Ich hasse sie, sie hat mirs angetan.
KASCHA.
Sie hat den Trank der Hegesa getrunken.
PRIMISLAUS.
Halt, Lapack, deine Tochter in dem Zaum!
WLASTA.
Dich seh ich an des Traumes blutgem Saum!
LAPACK.
Weh mir, sie ist in Wahnsinn ganz versunken!
LIBUSSA.
Wlasta, ich mahne dich, bei deinem Eid,
Vermehre nicht um dich mein bittres Leid,
Zerreiße nicht dich selbst mit wildem Wahne,
Tritt zu mir her, und ehre deine Fahne!
Gedenk der frühen Liebe unsrer Jugend,
Gedenk vereinten Kampfs, vereinter Lust,
Und tilge nicht das Abbild deiner Tugend
Mit ekler Raserei aus meiner Brust.
WLASTA
ernst gerührt.
Libussa, Seherin, du kennst die Stunden,
Wo Zukunft in dem Hinterhalte lauert,
Und wo des Menschen Geist vorahndend trauert;
Du kennst die Zeit, wo gleich dem Blut aus Wunden
Die Zukunft aus dem Hinterhalte dringt,
Die Gegenwart gespenstisch mit ihr ringt.
Wer diesen Kampf bestand, hat überwunden,
Der lacht nicht mehr, der weinet auch nicht mehr,
Und träfe ihn das Leid auch noch so schwer.
Dem locket nimmer freudig sich das Haar,
Der einmal lebend schon begraben war.
Ich, die nun das Entsetzliche gesehn,
Kann unentsetzt bei deiner Fahne stehn.

Sie tritt zur Fahne.
LIBUSSA.
Gab Zwratka dir nicht einen Zaubertrank?
WLASTA.
Sie gab mir einen Trank, denn ich war krank;
Sie wollte in die Höhle mich verschließen,
Doch meine Flügel sich nicht halten ließen;
Mich trieb ein innrer Drang mit Sturmesschnelle,
Der Wald umsauste mich gleich Meereswogen,
So bin ich wie ein hülflos Schiff geflogen
Durch wilde Wüste auf empörter Welle;
Die Nacht, die meine Seele mir umzogen,
[822] Zerriß in Schreckgesichte Blitzeshelle.
Wie der Kometenschweife glühnde Ruten
Sah drohend ich mein Haar die Nacht durchfluten,
Und in dem Hirne fühlt ich kaltes Feuer;
Da brachen nieder aller Sinne Steuer,
Bewußtlos mich des Sturmes wilder Flug
Zur Hütte deines frommen Herrn verschlug,
Mein letztes Segel riß an seinem Pflug.
Er könnt nicht helfen, und von seiner Schwelle
Trieb weiter mich die unbarmherzge Welle.
So stieg, so sank ich in des Abgrunds Haus,
Was ich gesehn, spricht keine Zunge aus.
PRIMISLAUS.
Gleich fremdem Vogel, den des Stribogs Söhne,
Die Stürme, aus der Heimat weit verschlagen,
Kam sie zu meiner Flur mit fliehnder Mähne,
Das blutge Schwert sah ich sie schwankend tragen,
Verwirrt sprach sie auf meine bange Fragen,
Und sank bei meiner Tür, als tot, zur Erde,
Erstarrend in entsetzlicher Gebärde,
Den Mund verbissen und die Augen offen,
Als hätte sie Marzanas Pfeil getroffen.
Mit meinem Mantel ihre Schmach ich deckte;
So ließ ich sie, nicht weiß ich, wer sie weckte.
Nun aber klag ich ihre Mutter an,
Die also schändlich ihrem Kind getan,
Mit böser Kunst die Seele ihr entzügelt
Und mit verfluchtem Rausche sie geflügelt.
DRZEWOSLAUS.
Lapack, von dir sei heut um Mitternacht
Zwratka, dein Weib, zum schwarzen Stuhl gebracht.
LAPACK.
Ich sag es ihr, doch kann ich sie nicht zwingen,
Sie ist ganz voll von wunderbaren Dingen,
Wenngleich durch ihre Maifahrt noch von Kräften,
Zog sie schon früh in heiligen Geschäften.
Vielleicht ist sie heut nacht auch nicht zuhaus,
Sie geht in dieser Zeit sehr oft zum Schmaus.
Wlasta wird auch nicht von der Reise sterben,
Geht sie der Mutter nur nicht ins Gehege.
Ein schlechter Krug selbst bricht nicht gleich in Scherben,
[823] Fährt er zum Brunnen auf gebahntem Wege;
Sie wird die Künste von der Mutter erben.
Zu scharf macht schartig, schartig macht zur Säge;
Was ist die Zinke, folgt sie nicht dem Kamme?
Ich weiß, der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.
PRIMISLAUS.
Doch böses Holz zum Feuer ich verdamme,
Dein Weib wird nicht von ihrer Strafe frei,
Und stände selbst der finstre Tschart ihr bei.
LIBUSSA
giebt dem Primislaus Mantel und Schuhe, die ihr Wlasta gab.
Die Schuhe und den Mantel nimm zurück,
Die Götter wählten dich und nicht das Glück.
PRIMISLAUS.
Sie mögen in dem Schatz von Böheim liegen,
Der Nachwelt blinde Hoffart zu besiegen,
Dir aber, Teure, gebe ich den Ring,
Der wie ein Glücksstern vor dem Pflug mir hing.

Er giebt ihr den Armring.
LIBUSSA.
Ihr Götter, Primislaus, wer gab ihn dir?
PRIMISLAUS.
Verschwiegenheit versichernd, ward er mir.
LIBUSSA.
Du weisest mich mit keinem Eide ab,
Denn du darfst sagen, wer ihn nicht dir gab;
Hat Wlasta diesen Ring dir nicht gegeben?
PRIMISLAUS.
Nein, Wlasta gab ihn nicht, bei meinem Leben!
LIBUSSA.
Den Göttern Heil! du hast ihn nicht von ihr!
So fluchet dann Libussa hier dem Dieb,
Vor dessen Hand der Ring nicht sicher blieb:
Wer war bei dir, seit dieser Ring bei dir?
PRIMISLAUS.
Wlasta, Stratka, Wrsch, Slawosch, Domaslaus
Und deine Boten sahen mich zu Haus.
LIBUSSA.
So ist der böse Dieb dann unter diesen.
TETKA.
Laß, Pachta, uns nun deiner Kunst genießen,
Den Dieb mit Buch und Schüssel schnell zu finden.
PACHTA.
Gieb deinen Gürtel mir, das Buch zu binden.

Er steckt einen Schlüssel in ein Buch, das er aus der Brust zieht und bindet ihn fest.
PRIMISLAUS.
Welch Buch ist dies?
[824]
PACHTA.
Der ewgen Zeit Geschichte,
Des liebsten Jüngers göttliche Gesichte.
PRIMISLAUS.
Zeig mir das Buch!
PACHTA.
Du kannst es nicht verstehn,
Denn in der heilgen Sprache ists verfaßt.
PRIMISLAUS.
Erklär es mir.
PACHTA.
Dies sollte gern geschehn,
Verständ ich es.
PRIMISLAUS.
So ist es dir zur Last,
Wirf es hinweg, kannst du es nicht verstehn.
PACHTA.
Dann müßten wir entblößt von allem gehn,
Verwerflich wär das Leben, die Natur,
Der ewge Gott, bewahrten das wir nur,
Was wir verstehn. Herr, alles, was wir haben,
Sind des geheimnisvollen Gottes Gaben,
Sind göttlichen Verkehres Angedenken,
Die Seele zu dem Geber hinzulenken.
Mich ließ dies Buch ein Freund, ein Lichtgenoß,
Mit diesem Schlüssel seiner Hütte erben,
Als ich die blinden Augen ihm im Sterben
Und weinend dann die kleine Hütte schloß.
Nun hab ich mir zu dieser Wälder Nacht
Den lichten Trost des blinden Freunds gebracht.
PRIMISLAUS.
Dein Wort ist ehrbar, fang dein Werk nun an.
PACHTA.
So tretet, Wrsch und Wlasta, nun heran.
Der Knauf des Schlüssels, den dies Buch beschwert,
Legt auf die Mittelfinger eurer Rechten;
Der aber, dem das Buch den Rücken kehrt,
Der ist der Dieb, es kehrt sich zum Gerechten.
Wohlan! Unschuldig Blut! Unschuldig Blut!
Du wendest dich von des Verbrechers Blut.
TETKA.
Es wendet sich das Buch nach keiner Seite.
PACHTA.
Unschuldig oder schuldig sind sie beide.
PRIMISLAUS.
Dein Glaube ist weit stärker als dein Buch.
PACHTA.
Wie das, o Herr?
[825]
PRIMISLAUS.
Traf nicht Libussens Fluch
Den Dieb des Rings, ich wollte dich beschämen.
LIBUSSA.
So will ich meinen Fluch zurück hier nehmen.
PRIMISLAUS.
Sag kühnlich, Wrschowetz, wie dieser Ring
Aus deiner Hand in meine überging?
WRSCHOWETZ.
Mit Domaslaus, Libussa, nahm ich ihn
Von dem zerstörten Siegstein zu Djewin.
Dein Herr erhielt, da wir im Streite waren,
Den Ring, um ihn dem Sieger zu bewahren,
Gleich jenem Apfel, den wir auch ihm gaben,
Weil wir dein Rätsel nicht verstanden haben.
LIBUSSA.
Pachta, das Auge deines Buchs sah rein,
Denn nie lag dieser Ring im Siegesstein!
PRIMISLAUS.
Er ist durch ihn an meinen Pflug gekommen.
LIBUSSA.
Durch ihn! So hat er Wlasta ihn genommen.
WRSCHOWETZ.
Nein, zu Djewin.
WLASTA.
Weh mir, ich bin geschlagen
Ich habe ihn zu Primislaus getragen;
Von Liebesnot und Ruhmbegier berauscht,
Hab meinen Ring mit deinem ich vertauscht,
Denn Zwratka log, daß an Libussens Ring
Des ganzen Glückes voller Segen hing.
Nimm deinen Ring von meinem Arm zurück,
Denn nimmer wird Libussens Glück mein Glück!
LIBUSSA.
Behalte deinen Ring, er ist der deine,
An deinem Arm, treulose, war der meine;
Als ich den Arm dir zu Djewin verband,
Verwechselte die Ringe meine Hand.
Ich hatte dir, du rettetest mein Leben,
Zum Lohn den heilgen Ring des Glücks gegeben.
WLASTA
im höchsten Schmerz.
Weh mir! weh mir!
TETKA.
Groß ist der Götter Macht.
KASCHA.
Und auf dem Baum der Sünde wächst die Rute.
WLASTA
sie zerrauft ihre Haare.
Weh mir! weh mir! Fluch Kaschas Hochzeitsnacht!
Fluch diesem Ring! Fluch meinem tollen Blute!
Den Schicksalsgöttern gab ich mich zu eigen.
[826]
LIBUSSA.
O, haltet sie!
WLASTA
die Jungfraun halten sie.
Die Berge muß ich steigen
Und meine Schmach durch alle Wälder schrein,
Laßt mich! laßt mich! o mehrt nicht meine Pein!
Ich schreie, bis der böse Div mich hört,
Der kalte Würger auf mich niederfährt,
Fluch aller Liebe, Zucht, den Männern allen!
Durch Lieb, Zucht, durch den Mann bin ich gefallen.
Platz! Platz! wer hindert meinen Lauf!

Sie reißt sich los.
LIBUSSA.
Schließt euch, ihr Männer, haltet sie mir auf!
STIASON
tritt ihr entgegen.
Steh, Wlasta, Rede, du hast mir geflucht?
WLASTA
sich fassend, ihm entgegenstellend.
Ja, du, du bists, so sei mein Glück versucht,
Verfluchte Hahnenfeder auf dem Hut!
Du färbst dich nimmermehr mit Wlastas Blut!

Sie erhebt ihr Schwert mit beiden Händen, er unterläuft sie, und umarmt sie. Stratka, Scharka
entreißen ihr rücklings das Schwert.

Weh mir!
STRATKA.
Wir wollen einst zusammen sterben!
SCHARKA.
Den schönsten Tod, der Nachruhm soll uns erben!
WLASTA
gelassen tiefsinnig.
Es kömmt ein Gipfel und ein Abgrund mir!
LIBUSSA.
Hinauf zu meiner Kammer geht mit ihr!
Geh, Wlasta, geh, ich weiß wohl, was du sprichst,
Ich kenn ihn wohl, den Feind, gen den du fichst,
Doch Zeit ist nicht, die Zukunft zu verkünden,
Da wir die Gegenwart nur fromm begründen.

Sie führen Wlasta hinan.
PRIMISLAUS
zu Stiason.
Wie heißt du und dein Geschlecht, mein Sohn?
STIASON.
Ich bin aus Heskys Stamm, der Stiason.
PRIMISLAUS.
Was tatst du ihr, wie kömmt die Hahnenfeder
Blutig auf deinen Hut? Das trägt nicht jeder.
[827]
STIASON.
Seit ich ein Schwert trag, ist sie mir bekannt,
Ich geh ihr nach, hab meine Lust an ihr;
Stets muß ich wissen, was für ein Gewand
Sie täglich trägt und welche Helmeszier.
Ja ihrer Füße Spuren in dem Sand
Schau ich selbst an mit törichter Begier;
Sie hat mirs angetan auf alle Weise,
Ich weiß nicht, ob im Blick, im Trank, in Speise?
Und neulich hier bei Biwogs Hochzeitstanz
Ward mir das Herz nach ihr nur allzu groß,
Ihr Harnisch schimmerte im Fackelglanz,
Ich zog sie in den Kreis, sie riß sich los
Und stand vor mir, ihr Blick durchbohrt' mich ganz,
Ich fühlte ihn gleich einem Lanzenstoß,
Und als ich sie vom Saal sah heimlich schleichen,
Mußt ich ihr folgen, konnt nicht von ihr weichen.
Sie ging an meines Vaters Hof vorbei,
Und weil ich wußte, wo der Haushahn ruht,
Und daß des Hahnen Sichel und Geschrei
Gen alle zauberische Künste gut,
Entriß ich ihm der bunten Federn drei,
Und steckte, glaubend, sie auf meinen Hut,
Daß mir die bunte Feder Mut verleih;
Sie stürzte durch den Wald mit blinder Wut,
Und sprach von einem Ring, der vor ihr sei,
Und als am Siegesstein sie lang geruht,
Ward nun der Mond am Sternenhimmel frei,
Und ihrer Worte wild verwirrte Flut
Verriet mir da, daß ihre Fantasei
Den Eichwald sah in lichter Flammen Glut.
Jetzt ward mir bang um sie, ich trat herbei,
Und sah, aus ihrer Wunde rann das Blut.
Da tauchte ich gen ihre Zauberei
Die Federn ein, und mir ward leicht zu Mut.
Doch sie erwacht' mit wütendem Geschrei,
Und fluchte mir als eines Drachen Brut,
Und faßte mich, ich mußte mit ihr ringen,
Sie schmerzte mich, ich konnte sie bezwingen.
[828] Am Siegesstein warf ich die Schwache nieder,
Da ward mir wohl, nach Haus eilt ich nun wieder,
Wie hoch erfreut, daß ich sie überwunden!
PRIMISLAUS.
ihr Mägdlein, die ihr euch am Schwert vergrifft,
Sie hat an ihm wohl ihren Mann gefunden.
LAPACK.
Ein matter, stumpfer Pfeil leicht tödlich trifft
Ins blutge Ziel schon aufgerißner Wunden.
LIBUSSA.
Er bleibt die Woge, gegen die sie schifft,
Die Segel voll, die Segel eingebunden.
KASCHA.
Ein jedes Gift hat auch sein Gegengift,
An Stiason wird Wlasta einst gesunden.
PRIMISLAUS.
Ich nehme dich zu meinem Diener an,
Um wache mich gleich ritterlichem Hahn.
STIASON.
Heil meinem Herrn! Der Hahn nun tapfer kräht,
Und Kampf und Tod der Henne, die ihn schmäht.
PRIMISLAUS.
Druhan, Chobol, Motol, Ctirad, zu Räten
Erwähl ich euch, doch Wrsch soll vor euch treten.

Die Männer neigen sich.
WRSCHOWETZ.
Vom Stamm des Chechs, bin ich aus Lechs Geschlecht,
Des Landes Freund, des Herren Rat und Knecht.
Erlaub, daß ich dir nah mein Haus erbaue,
Damit ich leicht auf deine Winke schaue.
PRIMISLAUS.
Nah bei Libin sei deines Hauses Stand,
Das Wrschowicze sei nach dir genannt.
LIBUSSA
hebt ihren Stab empor.
Weh, Primislaus! du säst des Giftes Samen,
Und bettest dir ans Herz der Schlangen Brut.
Weh uns! weh uns! daß in das Land sie kamen,
Ihr Blut vergießet unsrer Kinder Blut.
Sie fluchen deinem, fluchen meinem Namen,
Und in der Rache lang vererbter Wut
Wird dieser Drachen Neid mit bösen Listen
Noch auf den Hügeln unsrer Enkel nisten!
WRSCHOWETZ
mit Heuchelei.
O Herr, so tilgt denn Reue keine Schuld,
Und keine Tat des Zornes büßt Geduld,
So erbt ein Fehler denn wie giftige Fäule
[829] Von Kind zu Kind in einer bösen Beule;
So ist die Sünde denn ein ewger Tod,
Und weil mein Vater Krokus' Baum bedroht,
Ruht nimmer nun die Säge mir im Schild;
Zerbrich! zerbrich! du tief verfluchtes Bild!

Er zerbricht seinen Schild, und reicht Primislaus sein Schwert.

Nimm hin mein Schwert, stoß es durch meine Brust,
Schütz deinen Thron, du mußt, ich sterb mit Lust.
PRIMISLAUS
besänftigend.
Der Seh'rin Wort, es ist ein heilig Wort,
Des Herren Wort, es ist ein ewig Wort.
Mag Ewigkeit mit Heiligkeit dann streiten,
Die Zeit und du, ihr sollt den Kampf entscheiden.
Für die du fichtst, ihr wird der Sieg sich neigen,
Du kannst dich treu, du kannst dich treulos zeigen;
Doch bis du fällst, bleibst du in meiner Huld.
Zum Zeichen nehme ich das Bild der Schuld
Aus deinem Schild; es sei ins blaue Feld
Die goldne Fischerreuse dir gestellt,
Weil Wrsch, dein Name, eine Reuse heißt;
Nun fische treu, daß nicht dein Netz zerreißt.
WRSCHOWETZ.
Heil dir, o Herr, die Drachen und die Schlangen
Hast du mit dieser Reuse weggefangen!
Lieb, Gnade, Weisheit machst du mir zu Banden,
Wer mir sie löst, der wird an mir zuschanden.
PRIMISLAUS.
Nun aber gönnet mir, ihr tapfern Chechen,
Ein ernsthaft Ritterwort mit euch zu sprechen.
Dem Leib des Menschen gleicht des Staates Leben;
Daß nicht ein Glied das andere verletze,
Muß nur ein Geist in allen Gliedern weben,
Der Geist des Rechts, die Einheit der Gesetze.
Um den Besitz zum Eigentum zu heben,
Ist nötig, daß ich jedem Grenzen setze,
Die Feldmark teile, Maß, Gewicht begründe
Und einer festen Münze Wert verkünde.
Dies alles soll in erster Zeit geschehn,
Doch Folgendes von jetzt als fest bestehn.
[830] Des Staates Kraft ist der Familien Einheit,
Die Einheit aber gründet sich auf Reinheit,
Und Reinheit ist entgegen der Gemeinheit.
Es soll das Weib nur eines Mannes sein
Und nicht, wie jetzt, stets mehreren gemein.
Des Mannes Ehr geh aus des Weibes Leibe,
Daß Kindern ihres Vaters Name bleibe,
Daß gute Art durch Buhlerei nicht sterbe,
Der Bastard nicht des Sohnes Gut erwerbe.
VOLK.
Ein weises Wort, Heil dir, o Primislaus!
MÄGDLEIN UND WEIBER.
Auch uns ein Recht! Libussa, sprich es aus!
LIBUSSA.
Dem Manne, der ein zweites Weib erkoren,
Dem sei die erste und ihr Gut verloren,
Das Seine doch muß er den Kindern teilen,
Und dieses gelte so von beiden Teilen,
Denn was dem Ziele gilt, gilt auch dem Pfeil.
DIE WEIBER.
Ein weises Wort, Heil dir, Libussa, Heil!
PRIMISLAUS.
Wer selbst sich Rache nimmt, verliert sein Recht,
Den trifft das Recht, der Rechtes Rache schwächt.
Blut tilget Blut, und Mord ist niemals gut,
Man wird euch tun, wie ihr dem andern tut.
Nicht Mord ist Notwehr, denn die Not bricht Eisen,
Der Schmerz darf aus dem Fuß den Dorn sich reißen.
Ein Wort, ein Wort, solang ein Mann ein Mann,
Die Mannheit nehm ich dem, der Worte bricht,
Dein aber, der den Eid mir brechen kann,
Dem bricht den Stab des Lebens das Gericht;
Die Zunge, die ihn um sein Leben schwor,
Die werfe er auch selbst den Hunden vor.
Vor allem heilig sei die Sicherheit,
Wer nur den Wert des Weidenstranges stiehlt,
Der ihn erwürge, hänge jederzeit,
Und wer mit List der Einfalt Gut erzielt,
Durch Rechtsumgehung und durch Rechtsverdrehung,
Durch Rechtszertretung und durch Rechtszerknetung,
Durch Rechtsverrenkung, Kränkung, Lenkung, Schenkung,
[831] Durch Wucher, Lüge und Fürsprecherei,
Durch welche niedre Schuftenkunst es sei,
Den will ich drehen, treten, kneten, kränken
Und den geschmeidgen Rücken ihm verrenken,
Er soll die Schriften all hinunterfressen,
Mit denen er sich Fremdes zugemessen.
Ich rate euch, ihr Richter, werdet blind,
Verlieret eurer Hände bös Gefühl,
Geruch, Geschmack euch auch verboten sind,
Und schlafet nicht, setzt euch im Sommer kühl,
Trinkt Wasser, bändigt frecher Triebe Brunst,
Sprecht Recht ohn Kunst, braucht nie das Wort mit Gunst,
Vor euch sei jeder namenlos, geschlechtlos
Und gabenlos, sonst werdet ihr mir rechtlos.
Und so ihr faul, feil, geil und schmutzig seid,
Tret in den Kot ich die Nichtsnutzigkeit.
Der Richter, der Geschenken je sich neigt,
Der lüstern nach der schönen Klägrin schielt
Und der, die Hülfe sucht, sich selbst empfiehlt,
Der, wenn er sprechen soll, die Hand hinreicht
Und mit den Augen nach dem Beutel zeigt,
Der ist ein Dieb, der mir das Haus umschleicht,
Der ist ein Dieb, der mir ins Fenster steigt,
Der ist ein Dieb, der meine Ehre stiehlt.
Der Kläger, der Geschenk dem Richter bringt,
Metall, Frucht, Fleisch vom Menschen oder Tiere,
Was es auch sei, womit er ihn verführe,
Verliert sein Recht, wie es ihm auch gelingt.
Erst soll der Richter den Bestecher hängen,
Und dann sich selbst an selbstgeflochtnen Strängen.
Hiermit sei das Gesetz heut abgetagt,
Es spreche jetzt, wer bittet oder klagt.
DRUHAN.
O gründe uns, Libussa, eine Stadt,
Wo jeder Raum sich anzusiedlen hat,
Daß alle sich in deinem Rechte sonnen,
Ist allzu sehr des Volkes Flut zerronnen,
Zu Pflicht und Schutz sind wir so weit getrennt,
Daß einer hier den anderen kaum kennt,
[832] Nun wolle uns nach guter Stelle schauen.
PRIMISLAUS.
Libussa! Seherin! wo ist gut bauen?
LIBUSSA.
Hört ihr der Äxte Schlag jenseits im Wald,
Wo sich der steinge Berg zum Tale teilt,
Das Bächlein Bruska zu der Moldau eilt,
Und wo der Berg sich mit Delphins Gestalt
Zum Bächlein schwingt, dort fragt die Zimmerleute,
Was heute ihrer Äxte Werk bedeute;
Habt ihr erfraget, was sie dort bereiten,
So kehrt zu mir, dann will ich euch bescheiden.

Druhan und Chobol ab.
PRIMISLAUS.
Es haben Ernst und Freude ihre Zeit,
Nun stellen wir den strengen Ernst beiseit.
Auf! lasset alle Freudentöne klingen,
Der Rätsellöser will im raschen Tanz,
Bis ihr entsinkt der Hochzeit Blumenkranz,
Nun seine Braut in allen Züchten schwingen.

Es erhebt sich eine freudige Musik, Tetka und Kascha setzen Libussen unter folgendem Gesang den Blumenkranz auf.
TETKA UND KASCHA.
Nimm den Kranz, du Frühlingsbraut,
Von dem Maiengott betaut,
Maienblumen, süße Glocken,
Läuten dir das Glück ins Haus.
Zöpfe werden deine Locken,
Dir am Busen diesen Strauß
Soll er pflücken, mög es glücken!
Aber will er ihn zerdrücken,
Strafe ihn mit süßen Küssen,
Bis er es wird lassen müssen.
CHOR DER DIRNEN.
Nimm den Kranz, du Frühlingsbraut,
Von dem Maiengott betaut,
Maienblumen, süße Glocken,
Läuten dir um deine Locken,
Läuten dir das Glück ins Haus,
Nimm den Kranz, und nimm den Strauß!
[833]
PACHTA UND BIWOG
kränzen den Primislaus.
Wir kränzen den Herren,
Wir kränzen das Glück;
Es lacht dir im Kranze
Ein selig Geschick.
Sei mild wie die Blumen,
Sei ernst wie das Laub,
Und geh mit den Bienen
Auf nützlichen Raub!
Und baue den Honig,
Das Wachs in die Zellen,
Und lasse die Wiege
Den Kindern bestellen.
CHOR DER MÄNNER.
Sie kränzen den Herren,
Sie kränzen das Glück.
Uns lacht aus dem Kranze
Ein selig Geschick.

Die Priester haben indessen vor dem Bilde des Jutrobogs einen kleinen Scheiterhaufen von wohlriechendem Holze errichtet. Drzewoslaus giebt Libussen, Lapack dem Primislaus eine brennende Fackel, mit welchen diese mit verschlungenen Armen das Holz anzünden, sie legen die Fackel darauf, und umarmen sich; währenddem singen die Priester, in einer feierlich freudigen Weise.
HALBCHOR DER PRIESTER.
Jutro, führ am Rosenzügel
Segenvoll dein Silberroß
Ewig von dem Sonnenhügel
Über dieses Hochzeitsschloß.
GANZER CHOR.
Jutro, Maiengott, den Winter
Halt von diesem Bunde fern,
Und für Kind und Kindeskinder
Bleib ein segenvoller Stern!

Aus diesem Chor geht die Musik in einen immer rascheren Tanz über, die Mägdlein bilden einen Kreis. Libussa und Primislaus tanzen den Wrtack zuerst, dann Kascha und Biwog. Tetka und Pachta
tanzen nicht; während das Brautpaar tanzt, singen die Dirnen folgendes [834] Lied, und schlagen bei dem Huihussa unter Trompetenschall mit den Schilden zusammen; als Biwog und Kascha schon mittanzen, fängt sich der Kreis an zu drehen, und auch das Volk ordnet sich, und beginnt einen charakteristischen Tanz, der aber, kaum begonnen, von dem Zuge des Slawosch unterbrochen wird.
DIRNEN.
Ernst und Freude tanzen selig,
Freud wird ernsthaft,
Ernst wird scherzhaft,
Sie verwandlen sich allmählich!
Ruft Huihussa, ruft Huihussa!
Primislaus tanzt mit Libussa!

Wie der Ernst nun freudig schwinget,
Ernst wird scherzhaft,
Freud wird ernsthaft,
Seht mir, wie sie gen ihn ringet.
Ruft Huihussa, ruft Huihussa!
Primislaus tanzt mit Libussa.

Seht ihn umschlingen
Und schwingen die Braut,
Freudig erklingen
Die Ringe so laut!

Erst ganz allmählich,
Kaum fröhlich die Braut,
Und nun so selig,
So ehlich vertraut!
Huihussa! Huihussa!
Er schwingt die Libussa!

Ein Trompetenstoß von dem Turme, plötzliche Stille.
PRIMISLAUS.
Ungern hab ich der Wächtrin Ruf gehört;
Wer ists, der meine Ehrenlust mir stört?
DIE WÄCHTERIN.
Slawosch, vier Jungfraun und ein Knabe!
PACHTA.
O Herr! sie bringen meine Hochzeitsgabe,
Den Pelikan, der sich das Herz zerreißt,
Mit treuem Blut die zarten Jungen speist,
Ein Bild des Bluts, das höhrer Lieb entquoll,
Ein Bild des Bluts, das allen helfen soll.
[835]
PRIMISLAUS.
Du läßt ein edles Werk zu uns gelangen;
Ertöne, Chor, sie würdig zu empfangen!

Sie ordnen sich, es hebt eine ernsthafte Musik an. Slawosch, Meneljuba, Entawopa, Moriwescha tragen die verschleierte Leiche der Trinitas herein. Hubaljuta und Ziack folgen nach. Hubaljuta ist
verschleiert, und setzt sich bei der Bahre schwach nieder.
SLAWOSCH.
Schweigt, Töne, denn ich trag den stummen Schmerz,
Klagt, Jungfraun, und zerrauft die schwarzen Haare,
Ich trag nicht goldne Last auf dieser Bahre!
PACHTA.
O Jesus! Jesus! Wie erbebt mein Herz!
DIE DREI TRÄGERINNEN.
Weh, Pachta dir! o weh euch, weh uns allen!
Es ist die Schönste, Heiligste gefallen!
PACHTA.
Mein Jesus, stärke mich, ich muß sie sehn;
Geh unter, Leben, du wirst auferstehn!

Er reißt die Decke nieder.

O, Trinitas, wie ist dein Blut so rot!

Libussa, Tetka, Kascha treten an die Bahre.
TETKA.
Ihr Blut, ihr Blut, o Jammer, sie ist tot!
Mein war sie, mein, sie hat sich mir geschenkt,
Ihr Anblick floh mir hin gleich einem Blitz,
Die Spinne hat sich auf ihr Haupt gesenkt,
So lag im Traum sie vor des Donnrers Sitz!
LIBUSSA.
Weh! wer hat seine Wut an meinem Bild
Und wen hat meines Bildes Blut gestillt?
Verfluchter Pfeil, von deinem Gifte schwillt
Dies fromme Herz; war denn für dich kein Schild?
KASCHA.
Weh! hin ist hin, wir sahen sie noch kaum,
Ein Gottesbild, zog sie durch unsren Traum,
Am Rand der Nacht ein sonnenroter Raum,
Ein Sternenkuß im dunklen Himmelsraum!
PACHTA.
Hier war das heilge Leben nicht willkommen,
Der Herr hat Licht gegeben, Licht genommen!
TETKA.
Verhüllet sie, der Tag wollt untergehn,
Wir sollen einsam in der Nacht noch stehn!
[836]
LIBUSSA.
Nimm hin, du Braut des Todes, meinen Kranz.

Sie legt ihren Kranz auf die Bahre.
PRIMISLAUS.
Ich decke dich mit meiner Blumen Glanz!

Legt seinen Kranz auf sie.
TETKA.
Du Herz voll Güte, das in Lieb verglühte,
Ich schmück dich mit der Wolkenbeere Blüte,
Die, mir umkränzend meines Berges Rand,
Ich auch nach mir Tetinbeere genannt.

Sie legt den Blütenstrauß auf sie, und spricht mit steigender Begeisterung.

O schlummre ewig nicht, du süße Magd,
O sei ein Mond, ein Stern, bis es einst tagt!
Dein Grab reißt zwischen Finsternis und Licht
Zum Abgrund eine brückenlose Kluft,
Die meiner Seele irdsche Laufbahn bricht.
Ich baue zu Tetin dir eine Gruft,
Dort will ich um dich weinen, um dich klagen,
Bis Schmerzen mich wie Flügel zu dir tragen.
Tetin, ich sehe dich im Lichte ragen,
Du wundervolles, trauervolles Haus!
Von deinen Zinnen fliehen Tauben aus,
Und schimmern in der Sonne mit den Flügeln,
Es weidet fromm ein Lamm an deinen Hügeln,
Und stirbt unschuldgen Tod auf deiner Schwelle,
Es glänzt der Kelch, und über ihm die Zelle
Wölbt sich empor zur heiligen Kapelle!
Tetin, Tetin, wie strahlest du mir helle!
LIBUSSA.
Zu Krokus' Gruft tragt die geliebte Leiche.
PACHTA.
Dort will ich betend ihr zur Seite knien.
HUBALJUTA
mit schwacher Stimme.
Erhebet mich, daß ich nicht von ihr weiche!

Pachta und Slawosch erheben sie, sie wankt.
LIBUSSA.
Wer ist sie, haltet sie, sie sinket hin!
SLAWOSCH.
Daß ganz dem Pelikan die Jungfrau gleiche,
War solche Lieb der Schülerin verliehn,
Daß sie das Gift aus ihrer Wunde trank:
Nun ist sie von dem Gift des Pfeiles krank.
LIBUSSA.
Ihr Götter, welche Treue!
[837]
TETKA.
Heilger Mut!
PRIMISLAUS.
Ein Heldentrunk!
KASCHA.
Sie trank das giftge Blut!
So zieh ich aus der Wunde schnell den Pfeil,
Vielleicht wird noch für Hubaljuta Heil!
HUBALJUTA.
Ich heiße Primula durch Gottes Weihe,
Der Himmelsschlüssel zu dem Christusmaie,
Zu früh erblich ich, und öffne noch nicht,
Mich hat das Feuer gelocket und das Gift begossen,
Und geahndet nur hab ich das himmlische Licht,
Da traf mich der Reif, und ich bin gestorben,
Doch vor der Himmelstüre, die noch unerschlossen,
Hab um guten Willen ich eine Stelle erworben;
O Heil, o Heil, o könnt ich heilig werden!
Dein Will gescheh im Himmel wie auf Erden!

Sie stirbt.
DIE ZAUBERSCHÜLERINNEN.
Weh!
LIBUSSA.
Weh!
KASCHA.
Sie stirbt!
TETKA.
Daß sich mein Traum vollende!
ZIACK.
O Liebe! so, so hat auch sie die Hände.

Faltet ihr die Hände.
LIBUSSA.
O bringt sie weg! der Schmerz will mich vernichten!
PRIMISLAUS
mit Strenge.
Fort mit dem Tod, Lebendge will ich richten!

Tragen beide zu Krokus' Gruft.
DIE MÄGDLEIN.
Marzana! Marzana!
Du kehrtest zurück,
Frost hat uns erschlagen
Das blühende Glück.

Der Mai schickt die Kinder,
Die Blumen heraus,
Die hasset der Winter
Und bricht sich den Strauß.

[838] Kaum lockte die Sonne
Die Primel zur Au,
So traf unsre Wonne
Ein giftiger Tau.

Pachta und Ziack folgen.
SLAWOSCH
zu Primislaus.
Zu Pachta ging ich, dir das Bild zu bringen,
Da hört ich wild die Frühlingsweise singen.
Da trieb mich plötzlich angstgespornte Eile,
Doch noch zu langsam Zwratkas giftgem Pfeile.
LAPACK.
So klagt nicht mehr um die verfluchte Magd,
Denn beide sind ob falschem Dienst verklagt,
Es wollen auch die Götter Pachtas Blut!
PRIMISLAUS.
Schweig! Blut tilgt Blut, und Mord ist niemals gut,
Man wird euch tun, wie ihr den andern tut.
SLAWOSCH.
So ist getan, sie schoß den giftgen Pfeil,
Und nieder auf ihr Haupt fiel Slawoschs Beil!
LAPACK.
Fluch! Mörder, dir! Sie fiel nicht ungerächt!

Er sticht mit einem Opfermesser nach ihm.
PRIMISLAUS
schlägt es ihm mit dem Schwert aus der Hand.
Wer selbst sich Rache nimmt, verliert sein Recht;
Ihr Männer bringt ihn weg, sein Weib zu klagen.

Sie führen ihn ab.

Du, Slawosch, hast noch Schuld hier abzutragen,
Du hast das Recht der Rache mir geschwächt.
SLAWOSCH.
Herr, tue, wie du willst, mit deinem Knecht!
Auf angespannter Sehne lag ihr Pfeil;
Der Himmel und der Abgrund standen offen,
Ihr Ziel war Trinitas, da fiel mein Beil!
Zorn ist ein Gipfel, Rache stürzet steil,
Wer darf am Rand des Abgrunds lange hoffen,
An einem Augenblicke hing noch Heil.
Weh mir! mein Beil hat sie zu spät getroffen!
PRIMISLAUS.
Nicht Mord ist Notwehr, denn die Not bricht Eisen,
Der Schmerz darf aus dem Fuß den Dorn sich reißen.
Doch du erschlugest eine Priesterin,
[839] Mein Mantel reicht nicht, dich zu schützen, hin.
Doch wird das Blut von deinem Haupt gelöscht,
So eine Priesterin die Hand dir wäscht.
TETKA
füllt den Kelch am Quell, gießet ihm auf die Hand, und trinkt mit ihm.
Ich fülle meinen Kelch mir frischem Born,
Sei rein von Blut, denn heilig war dein Zorn.
Jetzt trinke du, und mir gebührt die Neige,
Daß sich mein Traum heut ganz erfüllet zeige.
Reich mir die Hand, o Slawosch, mein Gemahl.
SLAWOSCH.
Ihr Götter, welch ein Himmel in die Qual!
STIMMEN.
Heil, Tetka! Götter, segnet ihre Wahl!
PRIMISLAUS.
Gedenke, Biwog, Slawosch, Primislaus.
In frommer Treue waren wir verbündet,
Und riefen liebend ihre Namen aus;
Wir haben friedlich unsre Wahl verkündet,
Das Glück führt allen uns die Braut nach Haus,
In Eintracht ist der Segen uns begründet!
BIWOG.
In Eintracht soll der Segen Früchte tragen.
SLAWOSCH.
Ja tausendfältig, bis zu ewgen Tagen!

Sie umarmen sich.
DRUHAN UND CHOBOL.
Wir kehren, Fürstin, wieder aus dem Wald,
Wo sich der steinge Berg zum Tale teilt,
Das Bächlein Bruska zu der Moldau eilt,
Und wo der Berg sich in Delphins Gestalt
Zum Bächlein schwingt, dort fanden wir den Klen,
Des Smili Sohn, mit Sudivoy, dem Sohn;
Sie zimmerten, und als sie uns ersehn,
Ruht' ihre Axt, sie waren fertig schon;
Wir grüßten, fragten: Meister und Geselle,
Was zimmert ihr? Sie sprachen: Prag, die Schwelle!

Eine Stille.
LIBUSSA
wird ernst, schaut in die Ferne hinaus, und steigt auf Krokus' Stuhl, und spricht, als sähe sie die Stadt vor ihren Augen entstehen.
Die Berge treten ehrfurchtsvoll zurück,
Es öffnet sich des Tales sichrer Schoß,
[840] Denn oben schwebt das wandelbare Glück,
Und wirft der Nachwelt rätselhaftes Los.
O Herrlichkeit! sie wächst vor meinem Blick,
Sie steigt, sie windet sich, wie wird sie groß!
Schon ruft sie, spiegelnd in der Moldau Welle:
Prag, Prag, heiß ich, bin deines Ruhmes Schwelle!

Ich hör das Beil, es lichtet durch den Wald,
Und feste Häuser steigen rings empor,
Sie reihen sich in wechselnder Gestalt,
Die Mauer schirmt, es wehret Turm und Tor,
Es engt der Raum, zur Höhe treibt Gewalt,
Schon ragt am Berg der Schlösser hohes Chor,
Sie jauchzen lichtstolz in der Sonnenhelle:
Prag, Prag, du unsres Glanzes Ehrenschwelle!

Schon fasset sie nicht mehr des Tales Bucht,
Schon wehret ihr nicht mehr des Flusses Macht,
Und wie der Bergstrom wachsend Ebne sucht,
Dringt jenseits sie; der Wälder tiefe Nacht,
Sie neigt sich ihr; der Fläche stolze Frucht,
Die weite Stadt, zum blauen Himmel lacht,
Und grüßt hinüber zu den Schlössern helle:
Prag, Prag liegt hier vor seines Thrones Schwelle!

Ja wie des Bergstroms Sohn, der blanke See,
Liegt sie gebreitet in der Sonne Glanz,
Und wie versteinte Wogen ringsum seh
Ich stolzer Schlösser, hoher Tempel Kranz.
Es braust das Volk, und rauscht in Wohl und Weh;
Es tost die Stadt in Lust und Waffentanz,
Und mancher singt auf des Geschickes Welle:
Prag, Prag, du meines Glückes reiche Schwelle!

Sieh! auf dem Schloß erglänzet eine Krone,
Und, wie ein Königsmantel weit, ergießt
Die goldne Stadt sich von des Berges Throne;
Um ihn, als ein gestirnter Gürtel, fließt
Die Moldau ernst, und Heil der Nachwelt Sohne!
Der mit der Brücke Demantschloß ihn schließt.
[841] Durch Siegesbogen lobsingt laut die Welle:
Prag, Prag, du meines Heils umpalmte Schwelle!

O Trinitas, ich seh aus deiner Gruft
Zwei goldene Oliven sich erschwingen,
Im heilgen Garten würzen sie die Luft,
Durch alle Himmel muß ihr Duften dringen,
Gleich frommen Bienen um der Blüten Duft
Wird alles Volk in ihrem Schatten singen.
Es bricht die Nacht, o Duft, o Lichtes Helle!
Prag, Prag, du unsers Heils und Glaubens Schwelle!

Sie sinkt Tetka und Kascha in die Arme.
PRIMISLAUS.
Schmückt mir den Pflug, den mir Libussa gab,
Ich pflüg den Raum der neuen Stadt euch ab.
Erhebet euer Herz, und jauchzet helle:
Prag, Prag! du unsers Heils und Glaubens Schwelle!
ALLES VOLK.
Prag, Prag! du unsers Heils und Glaubens Schwelle!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Brentano, Clemens. Dramen. Die Gründung Prags. Die Gründung Prags. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-423E-D