[287] Abschied vom Garten

Mein Gott! du hast auf dieser Welt
Mir so viel herrliches geschencket,
Daß, wenn mein Geist es überdencket,
Er aller Gaben sich so gar nicht würdig hält.
Es lallet mein gerührter Sinn,
Voll Danck und Andacht: »Herr! ich bin
Nicht würdig der Barmhertzigkeit,
Nicht würdig aller Treu' und Güte,
Die du an mir erzeigt die gantze Lebens-Zeit!«
So sprach ich jüngst, mit fröhlichem Gemüthe,
Als ich in meinem Garten gieng,
Und dessen Schmuck und Lag' an zu betrachten fieng.
Daß alles hier so lieblich grünet,
Daß alles uns zur Anmuth dienet,
Davor muß ich, Herr! dir allein,
In froher Demuth, danckbar seyn.
Daß du mir alles wollen gönnen,
Zumahlen des Verstandes Kraft,
Daß ich es zierlich ordnen können,
Und so viel Witz und Wissenschaft,
Es so gefällig einzurichten,
Davor erfordern meine Pflichten,
In froher Ehrfurcht, dir allein
Zu Ehren, froh und fromm zu seyn.
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HERR, von aller dieser Schönheit, von der Farben Harmonie,
Von dem schönen Licht und Schatten,
Von der Blätter-reichen Gänge Länge, Meng' und Symmetrie,
Die, in fröhlichem Verband, alle hier sich lieblich gatten,
Ja wodurch, in Pracht und Ordnung, alles sich einander schmückt,
So, daß nicht leicht sonder Anmuth es ein fremdes Aug' erblickt,
Bin ich billig gantz erstaunt: sonderlich wenn ich mich lencke,
Und, woher es eigentlich seinen Ursprung hat? bedencke.
Du selber hast dieß schöne Stück der Welt,
Das allen, die es sehn, gefällt,
Durch meine Hand, o Gott, gezieret.
Weswegen auch nur dir allein,
(Da nichts von allem diesem mein,
Natur so wohl, als Kunst und Wissenschaften dein,
Als die uns bloß von dir geschencket seyn)
Lob, Ehre, Preis und Danck gebühret.
Muß ich nun gleich den schönen Ort,
Nach deinen Führungen, hinfort,
Und zwar auf lange Zeit, verlassen;
So such' ich mich, mit diesem Trost, hiebey,
Daß es, wills Gott, doch nicht vor immer sey;
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In dem Verlust zu fassen.
Wie leicht lässt es der Schöpfer doch geschehn,
Daß ich ihn fröhlich wieder sehn,
Und sein aufs neu' geniessen kann.
Ich fleh' ihn auch, wenn es sein Gnaden-Wille,
Darum hiemit, in Demuth, an.
Will Gott es aber nicht; wohlan,
So halt' ich ihm, nach meinen Pflichten, stille,
Da Gottes Wahl auch billig meine Wahl,
Und seh' des Gartens Pracht, mit seiner Anmuth Fülle,
Gelassen denn hiemit zum letzten mahl.
Mir fällt jedoch hiebey ein Wunsch, in Schwachheit, ein,
Den, wo er dir mißfällt, du gnädig wirst verzeih'n;
Es presst die Eigen-Liebe mir
Den Seufzer aus: »Ach, Herr! gefiel' es dir,
Daß wenigstens doch dieser Garten hier
Bey meinem künftigen Geschlechte,
Vergnügt und wohl gebraucht, verbleiben möchte!«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Brockes, Barthold Heinrich. Gedichte. Irdisches Vergnügen in Gott. Abschied vom Garten. Abschied vom Garten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4482-0