[263] Die Mah-Bluhme

Als ich, bey trüber Luft, kurtz nach gefall'nem Regen,
Der Floren buntes Kind, den hoch erhab'nen Mah
In meinem Garten blühen sah;
Ward Aug' und Hertz, da ich sie kaum erblicket,
Durch ihren tausendfach gefärbten Schein, erquicket,
Das Auge ward, durch ihren Glantz, gerührt,
Das Hertz, in seiner Lust, zu Dem geführt,
Der die Bewund'rungs-werthe Pracht,
Aus blosser Lieb' und Huld, zu unsrer Lust, gemacht:
Und so empfunden Geist und Cörper, alle beyde,
Theils eine geistige, theils cörperliche Freude.
Durch sie kam auf einmahl
Ein feuriger Vergnügungs-Strahl
Mir, durch's Gesicht, ins Hertz geschossen:
Ich war mit süsser Lust recht übergossen.
Um selbige nun länger zu empfinden;
Beschloß ich, mich mit dieser Bluhmen Zier,
Durch längere Betrachtung, zu verbinden.
Ich setzte mich demnach bey ihnen nieder,
Und fieng, so viel ich mich erinnern kann,
Zum Anfang meiner Lieder,
Also zu dencken an:
Du Bluhmen-Königinn, die du mit einer Krone,
Auf einem hoch erhab'nen Throne,
Der schöner, als Smaragd, in buntem Sammet, sitzest,
Die Edelsteine selbst beschämest, schimmernd blitzest,
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Und aller Farben Pracht und Licht in dir vereinest,
Ja gar im bunten Feuer scheinest,
Wie herrlich blühest du?
Dein funckelnd Dunckel-Roth glüht hier in hellem Schein,
Und dort ergetzt ein hell-roth lieblich Licht,
Das nebst denjenigen, die schimmernd weiß allein,
Von andern, welche purpricht blau,
Den angenehmen Schatten bricht,
Ein menschliches Gesicht!
Da haben rothe weiss- hier weisse rothe Grentzen,
Wann dorten viel', in holdem Silber-Grau,
Ja fast unzählbar'n Farben, gläntzen.
Ach Gott! wie lieblich gläntzt und glühet,
Wie herrlich funckelt, prangt und blühet
Der tausend-färbig-bunte Mah.
In seinem Schmuck sieht mein Gemüthe
Die Weisheit, Allmacht, Lieb' und Güte
Des Schöpfers, ja Ihn selber, nah.
Doch welche Feder ist geschickt,
Der Farben Glantz, so deine Blätter schmückt,
Mit tücht'gen Farben zu beschreiben?
Unmöglich ist's. Drum will ich nur,
Bey deiner zierlichen Figur,
Vorjetzt, mit meinem Singen, bleiben.
Ein kleiner grüner Knopf gebiert
Von grossen Blättern solche Menge,
Daß jener ihr gefaltetes Gedränge,
So lange sie verschränckt, nicht ohn' Verwundern spürt.
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Wer wird nicht, wann er sieht, gerührt,
Wie künstlich sie sich zu entwickeln wissen,
Da sie vorher so eng verschräncket liegen müssen?
Zu Anfang sieht man noch die Spuren ihrer Falten,
Die sie jedoch nicht lang behalten,
Indem sie, durch die Luft gesteift,
Ihr buntes Blatt, voll nett gekerbten Ecken,
In holder Ründe von sich strecken.
Die ihr mit kluger Hand, mit Scheren, kleinen Messern
Und anderm Werckzeug', aus Pappier
Manch künstlich Werck zu schneiden wisset,
Sprecht, ob ihr nicht bekennen müsset,
Daß ihr der saubern Blätter Zier
Nicht nachzuahmen taug't, viel minder zu verbessern.
Wann viele Bluhmen stoltz sich in die Höhe lencken,
Und eben dadurch Sturm und Wind
Am meisten ausgesetzet sind,
Sieht man verschiedene die Häupter sittsam sencken,
Wodurch ihr schönes Kleid
Die Feinde weniger versehren,
Einfolglich sie viel länger währen:
Ein Fürbild sich'rer Niedrigkeit.
Von allen Kräutern, die so schön,
Wird man nicht leicht ein schöners sehn,
Als wie das Majestät'sche Kraut,
Das man, am stoltzen Fuß der Mah-Bluhm', prangen schaut.
Es sieht vortrefflich schön gewunden,
Vortrefflich schön gezieret, eckigt, kraus,
Sehr zierlich eingekerbt, voll netter Spitzen,
Voll schönem Rancken-Werck von Adern, lieblich aus.
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Ein weißlich-grüner Duft, von Farbe Seladon,
Bedeckt den Stengel und das Blatt,
Die sonsten dunckel-grün und glatt.
Auf diesem siehet man, mit innigem Vergnügen,
Zuweilen runde Kugeln liegen,
Die reiner, als die reinesten Krystallen,
An Ründe Perlen gleich, an Glantz dem Demant-Stein,
Aus Thau und Regen auf sie fallen:
Sie rollen, ohne was zu netzen,
In ihrer vollenkomm'nen Ründe,
(Worin ich Klarheit, Glantz und Schein,
Und, in dem Wiederschein, die schönsten Farben finde)
Von dem zu diesem Ort,
Mit schnell- und lieblicher Bewegung, schimmernd fort.
Von diesem Wunder-schönen Grünen
Muß die so holde Pracht, die auf so mancher Stelle
Ein wenig dunckel-grün, doch meistens lieblich helle,
Den bunten Bluhmen selbst zur schönsten Fulge dienen,
Dadurch ihr weißlich Grün, was sonst schon lieblich glüht,
Man noch verschönerter und herrlich funckeln sieht
In sanfter Harmonie.
Ich sah hierauf, daß von den hohen Stielen,
Vielleicht vom Regen allzuschwer,
Bald hier bald dort die bunten Blätter fielen.
Mich dauret' es; doch gab mir's diese Lehr:
Die Schönheit ist der Bluhmen Eigenschaft;
Doch sind sie von Natur vergänglich, flüchtig:
Ihr Kleid ist wandelbar, sie selber nichtig.
Die schnelle Zeit
Entkleidet sie gar bald, und rafft
Die Bildungs-Pracht, der Farben Herrlichkeit,
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Mit scharfen Fingern weg, da jeder Augenblick
Sie, durch ein stilles Reiben, plaget,
Und gleichsam, wie ein Wurm, an ihrem Wesen naget.
Ihr, die ihr noch im Frühling eurer Jahre,
Den Bluhmen gleich, an holder Schönheit blühet,
Die ihr, wie Lilien, gläntzt, und, wie die Rosen, glühet,
Ach dencket doch hierauf zurück!
Ihr seyd dem Bluhmen-Heer, auch an Vergänglichkeit
Nicht minder, als an Schönheit, gleich:
Ihr prangt, stoltziret, brüstet euch;
Womit? mit Farben. Die verschwinden
Im Huy. Im Huy wird Gras zu Heu;
So wird der schönsten Bluhmen Pracht,
Durch Hitze, Kält' und Dampf, vom Regen und von Winden,
Verheeret und zu nicht gemacht.
Zertreten sind sie theils, und theils vom Vieh verzehrt.
Wie bald vergeht das Kraut, wie bald verwelckt das Laub!
Ach, leider! ach wie bald ist auch der Mensch in Staub,
Durch manchen Unglücks-Fall, verkehrt!
Was um und an uns ist, bestreitet uns: es droht
Uns mancherley Gefahr, ja manchen jähen Tod,
Selbst das, draus wir bestehn, der Elementen Wuth.
Durch Gift, durch Sturm, durch Wasser, Dampf und Gluht,
Wird mancher unverhofft verschlungen und verzehret,
Gestürtzet und erstickt,
Durch schwere Last erdrückt,
Durch Schwerdt und Waffen aufgerieben,
Oft durch des Pulvers wilde Macht
Zerquetscht, verschüttet, umgebracht.
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Drum denckt, so oft ihr Bluhmen sehet,
Daß ihr, wie Bluhmen, schnell vergehet.
Doch bey dem Mah, der eine Krone trägt,
(Die man nicht eher sieht, als da sie welckt) erwegt:
Dein Sterben, liebster Mah, zeigt allererst die Krone.
Du bist ein Bild von einem schönen Leben:
Ach möcht' ich, Gott zum Dienst zu leben, mich bestreben!
So weis ich, würd' auch Gott, aus Gnaden, mir zum Lohne,
Des Nachruhms hier, und dort des Himmels Krone geben.

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TextGrid Repository (2012). Brockes, Barthold Heinrich. Gedichte. Irdisches Vergnügen in Gott. Die Mah-Bluhme. Die Mah-Bluhme. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4486-8