[31] 10. Erzählungen vom Rübezahl.

1. Rübezahl verwandelt sich in einen Esel

1. Rübezahl verwandelt sich in einen Esel.

Einst reiste ein Glaser über das Gebirge und ward über die schwere Last des Glases, die er auf dem Rücken trug, müde, schaute sich daher um, wo er sich wohl hinsetzen könnte. Der ihn beobachtende Rübezahl vermerkte dies kaum, als er sich in einen runden Klotz verwandelte, welchen der Glaser nicht lange hernach am Wege liegend antraf und mit frohem Muthe hinging, um sich auf ihn zu setzen. Doch die Freude dauerte nicht lange; denn kaum hatte er einige Zeit gesessen, so wälzte sich der Klotz so geschwinde unter ihm fort, daß der arme Glaser mit sammt seinem Glase zu Boden schlug und es in tausend Stücke zerschellte.

Der betrübte Mann erhob sich von der Erde, blickte um sich, aber sah keinen Klotz mehr, auf dem er vorhin gesessen hatte. Da fing er an bitterlich zu weinen und beseufzte mit herzlichen Klagen seinen erlittenen Verlust, doch wandelte er seine Straße fort. Da gesellte sich Rübezahl, in Gestalt eines Reisenden, zu ihm und fragte ihn: »was [32] er doch so weine und worüber er ein Leid trage?« Der Glaser erzählte ihm den ganzen Handel, wie er auf einem Blocke, um sich auszuruhen, gesessen, dieser habe sich schnell mit ihm umgedreht, sein ganzer Glasvorrath, wohl acht Thaler an Werth, sei zerbrochen und der Klotz sei verschwunden. Er wisse nun nicht, wie er sich erhohlen und seinen Schaden zu gutem Ende bringen solle. Der mitleidige Berggeist tröstete ihn, sagte ihm, wer er sei und daß er ihm den Possen gespielt habe, er solle aber nur gutes Muthes sein; denn sein Schaden solle ihm vergütet werden.

Flugs verwandelte sich Rübezahl in einen Esel und gab dem Glaser den Befehl, ihn in einer am Fuße des Berges liegenden Mühle zu verkaufen, mit dem Gelde aber sich schnell von dannen zu machen. Der Glaser bestieg den verwandelten Berggeist sogleich und ritt ihn vom Gebirge hinunter, zu der Mühle, wo er ihn dem Müller zeigte und für zehn Thaler feil both, der ihn für neun Thaler erstand, welches Geld der Glaser ohne Säumen nahm und sich davon machte. Das erkaufte Thier ward in den Stall geführt und der Knecht legte ihm Heu vor, aber Rübezahl sprach sogleich: »ich fresse kein Heu, sondern lauter Gebratenes und Gebackenes.« Dem Knecht sträubte sich das Haar, er eilte zu seinem Herrn und verkündete ihm die neue[33] Mähre, der, als er in den Stall kam, nichts fand; denn der Esel, und mit ihm die neun Thaler, waren verschwunden. Aber dem Müller geschah recht, da er viele arme Leute betrogen hatte. So rächte Rübezahl geschehene Unbill.

2. Rübezahl narrt einen Junker

2. Rübezahl narrt einen Junker.

Im Jahr 1512 hat einer von Adel, ein rechter Tyrann und Wüterich, einem seiner Unterthanen oder Bauern auferlegt, er solle ihm eine überaus große Eiche auf dem Wagen mit seinen Pferden und seinem Wagen heimführen, mit heftiger Bedräuung höchster Strafe und Ungnade, wenn er solches nicht thun und solchem Befehl nicht nachkommen würde. Der Bauer sah, daß es ihm unmöglich war, seines Junkers Befehl zu verrichten, und ist daher mit Seufzen und großer Klage in den Wald gegangen. Da kömmt zu ihm der Rübezahl in eines Menschen Gestalt und fraget, was die Ursache sei solches seines Herzeleids und seiner Kümmerniß? Demselbigen erzählt der Bauer den ganzen Handel nach einander. Der Rübezahl spricht: er solle gutes Muthes und unbekümmert sein und nur wiederum heim zu Hause gehen; denn er wolle die Eiche seinem Junker oder Lehnherrn bald und ohne Verzug in seinen Hof führen.

[34] Als nun der Bauer kaum recht heim gekommen war, nimmt der Rübezahl die große, ungeheure, schwere Eiche, sammt ihren dicken und starken Aesten und wirft sie dem Edelmann vor seinen Hof und vermacht und versperrt ihm mit dem Stamme und den großen ungeheuren Aesten dermaßen das Thor, daß er weder ein noch aus hat kommen können. Und dieweil die Eiche härter als der Stahl worden war, also, daß sie auf keinerlei Weise und Wege, auch mit ganzer Gewalt, nicht konnte zerhauen oder zerschlagen werden, hat der Edelmann, aus unvermeidlicher Noth, an einem andern Orte im Hofe müssen durch die Mauer brechen und ein neues Thor, nicht ohne große Beschwerniß und Unkosten, machen lassen.

3. Rübezahl verkauft Schweine

3. Rübezahl verkauft Schweine.

Rübezahl machte einst, aus welchem Stoffe ist unbekannt, etliche Schweine, trieb sie in der Nähe zu Markte und verkaufte sie einem Bauer, doch mit dem Bedinge, daß der Käufer die Schweine ja nicht ins Wasser treibe. Doch was geschieht? Wie solche Schweine sich einstmals sehr im Koth besudelt hatten, da hat dennoch der Bauer, ungeachtet des Verbots, sie zu der Schwemme getrieben, da dann [35] gedachte Schweine alle zu Strohwischen geworden sind und also auf dem Wasser empor geschwommen. Der Käufer mußte also mit dem Schaden dahin gehen; denn er wußte nicht, wie das zugegangen wäre, oder wer ihm die Schweine zu kaufen gegeben hatte.

4. Rübezahl zaubert etlichen Kuh- und Ochsenköpfe an

4. Rübezahl zaubert etlichen Kuh- und Ochsenköpfe an.

Es soll sich auch auf eine Zeit begeben haben, daß Rübezahl sich in eine verlassene Herberge gemacht und sich wie ein stattlicher Wirth erzeiget, indem es sich begeben, daß unterschiedliche vornehme Leute vorbeigereiset und sich über Nacht allda haben bewirthen lassen. Zwar anfänglich, wie die Gäste angekommen, ist wenig Köstliches zu sehen gewesen, aber in kurzer Zeit waren die Tische gedeckt und lagen auf den Bänken herum etliche leere Fässer und große Klötzer, darinnen steckten Hähne, wie sonst in den Fässern zu sein pflegen.

Noch ferner hatte der Rübezahl das eine Fenster in dem Saale hübsch wie einen Schrank vermacht, den that er auf und nahm immer eine Schüssel voll Essen nach der andern heraus und setzte sie auf den Tisch. Ein Theil war kalt, ein Theil noch ein wenig warm. Und als er dies vorgetragen [36] hatte, meinten die Gäste, es wäre nun alles geschehen, da gehet er abermals hin und bringet noch mehr Gerichte. Da fingen sie erst an sich zu verwundern, wo das herrliche Essen herkommen möchte und wie er so viel drinnen beherbergen könne. Aber sie schwiegen doch stille und hätten gern getrunken, fragten: ob nicht was zu trinken vorhanden wäre? Der unbekannte Rübezahl nahm einen Stab, schlug an die Wand, da kam ein schöner Jüngling heraus, ganz wohl wie ein Deutscher gekleidet und gezieret, der hatte zween güldene Becher in seiner Hand, darauf stunden des Türkischen Kaisers Namen und Wappen; ging hin zu dem einen leeren Fasse und zapfte einen guten Spanischen Wein heraus, setzte den auf den Tisch und ließ sie den versuchen.

Bald schlug Rübezahl an eine andere Seite der Wand, da kam herfür eine hübsche Jungfrau, hatte einen ganzen Korb voll schöner, kunstreicher, güldener und silberner Trinkgeschirre, darunter vieler Fürsten und Herren Namen und Wappen waren, und sonderlich des Königs in Frankreich und Spanien; auch anderer vornehmer Prälaten, daß sie genug daran zu sehen hatten. Diese Dame ging hin zu dem dürren Klotz, zapfte einen guten und köstlichen Rheinischen Wein heraus und gab ihn den Gästen. – Oben über dem Tische hing ein hölzernes [37] Rohr. Wenn einer ein wenig Wasser haben wollte, so hielt er sein Geschirr an das Rohr, da lief das Wasser hinein, so lange er an das Rohr klopfte, doch wußte niemand, wie das Wasser hinein käme; denn es hing oben an einem Zwirnsfaden. Ueberdies lagen auch noch andere Fässer dabei, aus welchen allen Spanische, Ungarische und andere Weine gelassen wurden, dergleichen von den Gästen vor diesem niemals gekostet worden. Nach diesem brachte der Rübezahl noch mehr Speisen von seltsamen Vögeln und wunderlichen Fischen, deren in Schlesien nicht gefunden werden. Und als die Gäste nun fröhlich waren, kamen unterschiedliche andere Geister, in Spielleute Gestalt, mit einer lustigen Zunft, hatten alte Fiedeln und schrabten darauf etliche Graseliedlein. Bald nahmen sie andere Instrumente und zeigten sich fröhlich, ja, sie waren so lustig, daß die merklichen und kurzweiligen Stücklein nicht alle können erzählt werden.

Wie sie nun das Mahl gehalten hatten, da griff Rübezahl wieder in seinen Schrank und brachte herfür allerlei seltsame Früchte, so in Spanien, Frankreich, Niederland, Arabia, India und Griechenland wachsen, von herrlicher, frischer Würze, und andre schöne Gewächse, so man mit Lust und Lieblichkeit essen und genießen kann, welche zum [38] Theil den Gästen bekannt, zum Theil aber unbekannt gewesen. Auch waren dabei allerlei Blumen und wohlriechende schöne Kräuter, deß sich hoch zu verwundern. Und als sie eine gute Weile fröhlich gewesen waren, fähet einer an unter ihnen und sagt zu Rübezahl: »Herr Wirth, ich bitte freundlich, ihr wollte uns doch auch einen hübschen kurzweiligen Possen sehen lassen.« Der Rübezahl antwortet und sagt: »es wäre genug auf diesmal; er (der Gast) hätte, nebst andern Herren, genug gesehen.« Welches sie sämmtlich bekannten und sagten: »daß der Kurzweil ein großer Ueberfluß gewesen.« Aber er hielt weiter an und wollte nicht nachlassen, bat nur noch um eins zum Schlaftrunk. Da sprach Rübezahl: »es sollte geschehen.«

Bald hernach, in einem Hui, bekommt derselbe einen Ochsenkopf mit großen Hörnern, recht wie ein solches Thier. Die andern Herren fangen an seiner zu lachen und zu spotten. Dies verdrießt ihn und er will sich verantworten mit Schelten, fängt aber also gräulich an zu brüllen und zu brummen, als ein rechter natürlicher Ochse. Bald wollte er einen Becher ins Maul nehmen und trinken; da konnte er sich auch nicht dazu schicken, die Lappen am Maule waren ihm zu groß. Da brachte Rübezahls Knecht Wein in einem Fasse, da thät er einen guten Trunk. Also hatten die Herren ihre [39] Phantasei mit dem Ochsen und gönneten ihm diesen Schalkspossen gar wohl. Unterdessen kommt dies Geschrei an dieses Gastes Ehefrau, indem sie auch, nebst andern Gefährten, bei Rübezahl einkehrte und ihrem Manne nachreisete. Die erfähret, daß ihr Ehemann einen Ochsenkopf habe. Sie gehet geschwinde hinein und findet es also. Da machte sie sich mit losen Worten an den Rübezahl, fluchte ihm sehr, warum er ihren Mann also beschimpft hätte. Rübezahl gab der Frau gute Worte und hieß sie stille schweigen. Also thäten auch die andern, aber es war umsonst. Da zauberte Rübezahl der Frau einen Kuhkopf auf mit seinen Hörnern. Da ward das Gelächter noch größer; und wollte die Frau viel Winds machen, hub an zu plarren, desgleichen auch der Ochse.

Da hätte man lustige Geberden gesehen, wie sie sich stellten und wie ihnen die Kappen so lustig anstunden. Ueber solches Wesen schliefen endlich die Gäste mit einander ein und schnarchten die ganze Nacht durch. Wie sie aber endlich frühe, gegen den andern Tag, erwachten, siehe da lagen sie in einer Wüstenei und nahmen die Begebnisse des vorigen Tages nicht anders auf, als einen Traum. Doch besannen sich etliche, daß dieser Possen vielleicht ihnen vom Rübezahl widerfahren.

5. Rübezahl läßt ein Kleid machen

[40] 5. Rübezahl läßt ein Kleid machen.

Vor gar langer Zeit ist der Rübezahl nach Liebenthal zu einem Schneider, in Gestalt eines fremden Junkers, gekommen und hat sich von schönem Tuche ein Kleid zuschneiden lassen, welches er um eine gewisse Zeit hat abhohlen wollen. Aber was geschieht? Wie erstlich der Schneider das Kleid zuschneidet, da legt er das Tuch doppelt, gedenkend: es werde solches der Edelmann nicht merken. Zum andern tauschte der listige Vogel das Tuch aus und that zum Kleide eine andere Gattung hin und verfertigte davon das bedungene Kleid, welches er auch dem Edelmanne, wie darnach geschickt wird, verabfolgen läßt, wiewohl der Schneider das Macherlohn nicht zugleich mit bekommen hat, sondern nur die Versprechung auf die und die Zeit, da es der Edelmann selber ihm hat überreichen wollen.

Was geschieht? Der Schneider meinte zuerst, er habe treflich gefischt und wollte nunmehr das gestohlene Gewand sehr wohl zum eigenen Nutzen anwenden. Aber wie er's recht beschauet, da war es eine große Decke von Schilf, darein die Kaufleute ihre Waaren zu packen pflegen. Vor's andere nahete auch die bestimmte Zeit heran, da der Edelmann hatte abzahlen wollen. Siehe, da trägt es sich unverhoft zu, daß der Schneider eine nöthige [41] Reise über das Riesengebirge vornehmen muß. Wie er aber nunmehr unter Weges gewesen, da kommt in aller Herrlichkeit der Rübezahl auf einer großen Ziege hergetrabt, und hat ihm selber eine Nase gemacht, über eine halbe Elle lang, und in solcher Stellung schnurgleich auf Meister Hansen loß gezuckelt, welchen die verwandte Ziege etlichemale mit bekannter Stimme angemöckert und gleichsam den Meister willkommen, auf ihre Art, genennt hat. Der Rübezahl hat nicht minder seiner Rede nicht geschont, sondern vielmal geschrien: »Glück zu, Meister! Glück zu, Meister! wollt ihr euer Macherlohn für mein Kleid hohlen, das ihr mir vergangen zugeschnitten und ich jetzt gleich am Leibe habe?« Inmittelst möckerte die Ziege ihr: »Meister, Meister,« immer fort. Der Schneider aber erschrak, wie sehr er auch vorher über den seltsamen Reiter gelächelt hatte und gedachte nunmehr gar wohl, daß er für seine Diebes-Stückchen würde den verdienten Lohn überkommen.

Darauf höhnte ihn denn Rübezahl meisterlich aus und zog ihn mit dem vermeinten Diebstahl des Tuches wacker durch, sagend: »Wie steht's, Bruder, haben wir nicht etwas zu schachern? Hast du nicht neulich etwas gefuschert und von einer oder der andern Sache etliche Stückchen abgezwackt, oder hinter den Ofen geworfen und gesprochen: das soll der Teufel haben? Oder hast du nicht etwas nach den [42] Mäusen geworfen und etliche feine Bischen erübrigt?« Der Schneider aber verstummte und sprach nichts. Darauf fuhr der Ziegenbereiter weiter fort und sagte: »Es müssen ja alle Schneider stehlen. Dazu ihnen flugs die allerersten Schneider und Menschen auf der Welt Anlaß gegeben haben, nehmlich sie haben sich Schürzen von Feigenblättern gemacht, dadurch sie die Bäume beraubt haben. Es mußte der Anfang der Schneiderei nicht ohne Diebstahl sein, sollte auch gleich der Feigenbaum einbüßen müssen und sich, wegen des ersten Kleides, bestehlen lassen.« Endlich sprach der Rübezahl zum überzeugten Schneider: »Gehe, du Hudler, gebrauche dich fortan mehr deiner Nadel zum enge nähen, und nicht weite Stiche zu thun, als deiner Fäuste zur Abzwackung. Laß den Leuten das Ihrige und nimm ihnen weder von den übrigen Knöpfen, oder Seide und anderen übergebenen Sachen hinführo nichts mehr. Bleibe und halte dich an dein richtiges Macherlohn, das du, Lumpenhund, hoch genug steigern kannst, und suche deinen Vortheil nicht mehr an ungebührlicher Unterschlagung, oder ich will dich nach diesem Uebel zerschlagen und ärger willkommen heißen, als diesemal geschehen ist.«

Darauf zuckelte er mit seiner großen Ziege und langen Nase immer davon und ließ den Schneider [43] stehen. Doch that er ihm dieses noch fürder zum Schabernack an, daß so oft der Schneider eine Ziege hat möckern hören, er stets gemeint habe, es rufe ihm ein Mensch und sagte: »Meister, Meister.« Wie es denn auch soll geschehen sein, daß dieser Schneider, aus unrecht hören, einmal zum Ziegenbocke hingegangen sei, fragend: »Herr, wollt ihr ein Kleid zuschneiden lassen?« da ihm der Bock zur Antwort gegeben hat: »puff!« Nehmlich er stieß ihn mit den Hörnern in die Rippen, daß es pufte. –

6. Rübezahl wird ein Holzhacker

6. Rübezahl wird ein Holzhacker.

Einstmals kam Rübezahl in das, seinem Bergbezirk benachbarte, Hirschberg und both einem Bürger seine Dienste als Holzhacker an, indem er für seine Bemühung nicht mehr als eine Hucke Holz forderte. Dies verhieß ihm der Bürger, ging den Vorschlag ein und zeigte ihm etliche Fuder, dabei gedenkend, er wolle ihm noch etliche Mitgehülfen zugesellen. Aber hierzu spricht der Rübezahl: »nein, es ist unnöthig, ich will es alles selber wohl allein bezwingen.« Darauf redet ihn der Herr noch ferner an, fragend: wo er denn die Axt habe? da er keine bei dem gedungenen Knechte bemerkte. Darauf antwortete der Rübezahl: »ich [44] will bald eine kriegen.« Und erwischte hiermit sein linkes Bein, zog solches mit dem Fuße aus den Lenden heraus und hieb, als wenn er toll und rasend wäre, damit alles Holz in einer Viertelstunde gar kurz und in kleine Scheite, dazu sich ein ausgerissener Fuß viel tausendmal hurtiger, als die schärfste Axt, erzeigte.

Inmittelst rief der Hauswirth aber immer, was er rufen konnte (weil er flugs Unrath merkte), daß der abentheuerliche Hacker einhalten und sich aus dem Hofe packen sollte. Der Rübezahl sagte aber immer: »nein, ich will nicht aus der Stelle weichen, ehe ich mein Holz klein gemacht habe und meinen Lohn davon trage.« Und unter solchem Gezänke ward der Rübezahl gleich fertig, steckte sein Bein wieder hinein, indem er vorher nur auf dem einen, nach Storchs Manier, gestanden und sackte alles geschlagene Holz auf einem Haufen auf seinen Buckel, es waren aber bei vier Klafter, und spazierte für allen Henker zur selb beliebten Wohnung hiermit davon; ließ den Wirth schreien und wehklagen, so viel er immer wollte.

Diesmal war aber Rübezahl kein schelmischer Geist, sondern nur ein Rächer der Unbill. Der gedachte Bürger nehmlich hatte das Holz durch etliche arme Bauern zu sich fahren lassen, um einen gewissen Lohn, den der wortbrüchige Mensch den armen, darauf wartenden Bauern nicht gezahlt hatte. Rübezahl[45] soll einem jeden Bauer das von ihm angefahrne Holz vor die Thüre geworfen und dabei den Verlauf der Sache erzählt haben.

7. Rübezahl verwandelt sich in einen Botenspieß

7. Rübezahl verwandelt sich in einen Botenspieß.

Es soll einmal ein Bote den Rübezahl geschabernackt haben, welcher sich auf folgende Art gerächt und seine Scharte ausgewetzt hat. Wie dieser Bote auf dem Gebirge in eine Herberge eingekehrt gewesen und seinen Spieß hinter die Thür gesetzt gehabt, siehe, da soll der schnakische Geist denselben Spieß weggebracht und sich in einen gleichen verwandelt haben. Wie nun der Bote, nach geschehener Ausruhung, abgereiset und seinen Spieß hervorgesucht hat, auch damit auf dem Wege gewesen ist, gleitet er etlichemale aus, so daß er oftmals vorwärts in den schlimmsten Schmutz fällt und sich gar arg besudelt. Ja, also oft war es geschehen, daß der Kerl seinem Leibe keinen Rath wußte, wie er mit seinem Spieße daran wäre, warum er so ausgleitete oder in der Erde nicht haften wollte. Er besieht ihn in die Quere und Länge, bald unten, bald oben, und findet keine gesuchte Veränderung. Er geht darüber mittlerweile ein wenig weiter fort, berdautz liegt er abermals im [46] Moraste und schreit ach und weh über seinen Spieß, daß er ihn so verließe und keine Hülfe gäbe. Doch richtet er sich aufs neue empor und kehrt den Spieß um, auf die andere Spitze. Wie dies geschehen, da fällt er alle mal rücklings in den tiefsten Schmutz und hatte er sich vorher vorne beschmutzt, so beschmutzt er sich noch ärger nunmehr hinterwärts und sieht aus wie ein leibhaftiger Misthammel, der dem Henker aus der Bleiche entlaufen.

Darauf nimmt der alberne Schöps seinen Spieß auf den Nacken, wie ein Pikenier, weil er so auf der Erden kein Gutes thun wollen und geht also wie ein rechter Finkenritter daher. Doch läßt der spießbare Rübezahl dennoch seine Hudelei nicht, sondern drücket den Boten, als wenn er etliche doppelte Haken trüge und dannenhero von einer Schulter zur andern die verspürte Last hebt, bis er endlich, aus Unleidigkeit, den ungearteten Spieß in des bösen Feindes Namen wegwirft und bloß davon geht. Aber, wie er etwa eine Viertelmeile also unbespies't gereiset und sich ungefähr einmal umschaut, siehe, da liegt sein Spieß bei ihm, darüber er sehr erschrickt und nicht weiß, wie er daran ist. Er faßt dennoch endlich getrost zu, hebet den Spieß auf und weiß nicht, wie er sich ferner damit geberden soll. Daß er ihn an die Erde setzet, dazu hat er keine Lust mehr, daß er ihn auf den Buckel fassete, trug [47] er einen Abscheu, drum nahm er ihn in die Hand, also, daß er ihn mit der Erde gleichlaufend trug.

Aber, siehe von neuem, da wird ihm derselben Seite Fuß so schwer, daß er ihn nicht aus der Stelle zu bewegen vermochte, und wiewohl er umwechselte aus einer Hand in die andere, so wollte es doch nicht anders werden, sondern blieb bei der alten Geige. Drauf nahm er es noch auf eine andere Weise mit seinem Spieße vor, nehmlich er ritt darauf, wie ein Kind auf einem Stecken und auf diesen Schlag ging es von statten, wie wenn es geschmiert wäre, nehmlich er kam eilends fort, fühlete keine Müdigkeit und däuchte ihm nicht anders, als wenn er ein schnelles Roß unter sich hätte. Er ritt aber ohne Aufhören immer also fort, bis er vom Gebirge in ein Städtlein kam und den Bürgern ein sonderliches Gelächter erregte.

Hatte dieser Bote nun also vorher wacker leiden müssen, so war er dennoch wieder zuletzt erquickt worden und getröstete sich nunmehr eben derselben Erquickung in den andern bevorstehenden Reisen, da er allemal auf seinem Spieß zu reiten gesonnen war. Aber vergeblich; denn der Rübezahl hatte seinen Beruf vollendet und seine Lust mit dem Narren gebüßet, darum er sich aus den Staube machte und den wahrhaften Spieß unvermerkt wieder zu Wege brachte, welcher keine Possen mehr [48] machte, sondern auf die alte Manier, wie ein anderer Spieß, sich mit seinem Herrn verhielt.

8. Rübezahl verwandelt Blätter in Dukaten

8. Rübezahl verwandelt Blätter in Dukaten.

Eine arme Kräuterfrau ging einstmals mit ihren zween kleinen Kindern auf das Gebirge, mit sich führend einen Korb, darin sie gedachte Wurzeln zu graben und solche hernach zu verhandeln, oder an die Apotheker zu bringen. Darauf soll sie auch eine große Tracht feiner Wurzeln zu Wege gebracht haben, aber sie war darüber aus dem rechten Wege gerathen, da sie dann nicht gewußt, wo aus oder ein, als ihr gleichsam ein Bauersmann erschienen und ungefähr (es war aber der Rübezahl) zu ihr spricht: »Frau, was suchet ihr so ängstlich und wo wollet ihr hinaus?« Sie antwortete: »ach, ich bin ein armes Weib und habe weder zu beißen noch zu brechen, deretwegen ich bin genöthiget worden heraus zu wandern, um etwas Wurzeln zu graben und mich und meine hungrigen Kinder zu erhalten, und nun bin ich aus dem Wege gerathen und kann mich nicht zurechte finden. Ach, herzer Mann, erbarmet euch doch und führet mich aus dem Gebüsche auf die richtige Straße, daß ich fortkommen kann.«

[49] Der Rübezahl antwortete: »Frau, seid zufrieden, ich will euch schon den Weg zeigen. Aber was macht ihr mit den Wurzeln? damit werdet ihr wenig verdienen. Schüttet das Zeug aus und pflückt euch von diesem Baume so viel Blätter ab, als ihr wollet, daß der Korb ganz voll werde, das wird euch besser bekommen.« – »Ach, wer wollte mir dafür einen Pfennig geben, es ist ja nur gemeines Laub, das zu nichts tüchtig ist.« – »Ei, Frau, laßt euch sagen und schüttet eure Lumpenwurzeln aus und folget mir.« Allein es hatte der Rübezahl diese Vermahnung so vielmals vergeblich wiederhohlt, daß er selbst fast müde ward darüber, da sich die Frau es nicht hat wollen einreden lassen, bis er selber zugreifen mußte und mit Gewalt die vorigen Wurzeln heraus stürzte, dafür aber einen Haufen Laub von einem nahe dabei stehenden Busche hineinstreifte, der Frau damit davon zu gehen befahl und sie auf den rechten Weg brachte. Darauf die Frau mit ihren Kindern und belaubtem Korbe, zwar wider Willen, eine Weile fortgegangen, bis sie abermals schöne Wurzeln im Gehen ansichtig geworden, da sie dann neue Lust solche zu graben und mit sich zu nehmen bekam, weil ihr nun einmal die Hofnung war, sie würde hiermit etwas mehres erhalten, als mit nichtigem Laube, darauf sie den Korb umstürzte und den vermeinten [50] Schmutz herauswarf und ihn wiederum mit Wurzeln besackte, damit sie nach ihrer Behausung Kirschdorf gewandert ist.

Allda hat sie die ausgegrabenen Wurzeln von noch anklebender Erde gesäubert, zusammen gebunden und vor allen Dingen aus dem Korbe herausgeschüttet; darüber sie etwas flinkern sah, woher sie Anlaß genommen, fleißiger darnach zu sehen, was es gewesen. Wie solches geschiehet, siehe, da findet sie etliche Dukaten unten im Korbe stecken, welche übrig geblieben waren von dem Laube, so sie auf dem Gebirge so unbedachtsam und nicht rein heraus geschüttet hatte, drüber sie theils über die Maßen erfreut ward, theils auch sich betrübte, daß sie das Laub nicht alles behalten, daher sie auch wieder zurücklief und Nachsuchung that, aber vergebens; denn es war alles verschwunden.

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TextGrid Repository (2012). Büsching, Johann Gustav. Märchen und Sagen. Volkssagen, Märchen und Legenden. 1. Schlesische Sagen und Mährchen. 10. Erzählungen vom Rübezahl. 10. Erzählungen vom Rübezahl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-497C-5