[111] Geschichte des Herrn und der Frau
von Chastillon.

Frau von Chastillon, Tochter des Herrn vonBouteville, der enthauptet wurde, weil er sich im Zweikampfe geschlagen gegen das Verbot des Vaters von Ludwig XIV., Frau des Herrn von Chastillon, hatte schwarze und lebhafte Augen, eine kleine Stirne, eine wohlgeformte Nase, einen rothen, kleinen und aufgeworfenen Mund, einen Teint, wie er ihr gefiel, aber gewöhnlich wollte sie ihn weiß und roth; sie hatte ein bezauberndes Lächeln, welches die Zärtlichkeit bis auf den Grund der Herzen aufregte. Sie hatte sehr schwarze Haare, einen großen Wuchs, ein schönes Aeußere, lange, magere und schwarze Hände, Arme von der nämlichen Farbe und viereckig, was zu argen Folgerungen auf das führte, was man nicht sah; sie [112] hatte einen sanften, übereinstimmenden, einschmeichelnden und erfinderischen Geist; sie war untreu, eigennützig und ohne Freundschaft. Inzwischen, wie sehr sie auch von ihren schlimmen Eigenschaften eingenommen war, so war es doch, wenn sie gefallen wollte, nicht möglich sich zu enthalten, sie zu lieben; sie hatte Eigenthümlichkeiten, welche bezauberten, und wieder andere, welche Jedermanns Verachtung auf sich zogen. Für Geld und Ehrenbezeugungen hätte sie sich entehrt, und Vater, Mutter und Liebhaber aufgeopfert. Herr von Chastillon wurde nach dem Tode seines Vaters Irondat und seines ältesten Bruders in Frau von Chastillon verliebt, und weil der Prinz von Condé sich auch in sie verliebte, bat ihn Herr von Chastillon, von seiner Liebe abzustehen, weil er nur Galanterie zum Zwecke habe, und er auf eine Heirath denke. Der Prinz von Condé, Verwandter und Freund des Herrn von Chastillon, konnte seine Bitte schicklicherweise nicht ablehnen, und weil seine Liebe erst im Entstehen war, hatte er nicht viele Mühe, sich davon loszumachen, und versprach dem Herrn von Chastillon nicht nur, daß er nicht [113] mehr daran denken, sondern auch, daß er ihm in dieser Sache gegen den Marschall seinen Vater und gegen seine Verwandten nützlich seyn werde, die sich dagegen erklärten. Und in der That, trotz den Rathschlüssen und allen Hindernissen, die der Marschall, sein Vater dagegen aufbringen konnte, stand der Prinz von Condé dem Herrn von Chastillon so gut bei, den man damals Herr von Chastillon nannte, durch den Tod seines Bruders, daß er ihm Frau von Chastillon entführen half, und ihm zwanzigtausend Livres zu seinem Lebensunterhalte lieh. Herr von Chastillon führte seine Geliebte nach Chateau Thierry, wo er die Ehe vollzog. Von da gingen sie nach Stenai, einem Sicherheitsorte, das der Prinz von Condé, dem es gehörte, ihnen zum Aufenthalt gegeben hatte. Aber sei's, daß Herr von Chastillon seine Frau nicht so wohl gestaltet fand, als er sie sich vorgestellt hatte, sey's, daß die Liebe, von der er befriedigt war, ihm Muse gab, über den schlimmen Stand seiner Angelegenheiten Betrachtungen zu machen, sey's, daß er fürchtete, seiner Frau das Uebel mitgetheilt zu haben, woran er litt, am folgenden [114] Tage nach seiner Vermählung erfaßte ihn ein entsetzlicher Unwille, der, während er in Stenai war, dergestalt fortwährte, daß er nicht mehr aus den Wäldern herausging, wie ein Wilder. Zwei oder drei Tage darnach ging er zum Heere, und seine Gattin in ein Nonnenkloster gegen zwei Meilen von Paris. Da war es, wo Vascovin, der seine Noth kannte, ihm tausend Pistolen schickte, und Herr von Vineuil zweitausend Thaler, die man ihnen noch schuldig ist, obwohl Frau von Chastillon reich ist, und dieß Geld zu ihrem Nutzen verwendet wurde.

Da der Mangel des Alters des Herrn von Chastillon, als er die Frau von Chastillon heirathete, seine Ehe ungültig machte, und er bei seiner Rückkehr volljährig war, fertigte man einen Heiraths Vertrag im Pallaste, den der Prinz von Condé in Paris hatte, vor allen Verwandten der Frau vonChastillon, und endlich wurden sie zu Notre-Dame vom Herrn Coadjutor getraut. Wenige Tage darnach fühlte sich Frau von Chastillon unväßlich, und reisete in's Bad, wo der Herzog von Nemours sie traf, und in sie verliebt wurde. [115] Dieser Herzog hatte sehr blonde Haare, eine wohlgeformte Nase, einen kleinen Mund und von schöner Farbe, den hübschesten Wuchs von der Welt, und in seinen geringsten Geberden eine Anmuth, die man nicht genug bewundern konnte, einen sehr muntern und scherzhaften Geist. Die Freiheit sich zu jeder Stunde zu sehen, welche die Gewohnheit in Badeorten eingeführt hat, gab dem Herzoge von Nemours tausend Gelegenheiten, seine Liebe seiner Geliebten zu erkennen zu geben; da er wußte, daß man niemals einen Liebeshandel geordnet hat, ohne eine mündliche oder schriftliche Erklärung zu machen, entschloß er sich, davon zu sprechen. Eines Tages, da er allein bei ihr war, sagte er: »Es ist länger als eine Woche, gnädige Frau, daß ich unschlüssig damit umgehe, Ihnen zu sagen, was ich für Sie fühle, und wenn ich zuletzt mich entschließe, mit Ihnen davon zu sprechen, dann geschieht es, nachdem ich alle jene Schwierigkeiten eingesehen, die ich bei diesem Vorhaben finden kann. Ich gehe mir Unrecht, gnädige Frau, und aus diesem Grunde sollte ich nicht hoffen; überdieß heirathen Sie einen geliebten Anbeter; es ist ein [116] schwieriges Unternehmen, ihn aus Ihrem Herzen zu verdrängen, und sich an seine Stelle zu setzen. Indeß, ich liebe Sie, gnädige Frau, und sollten Sie, um nicht undankbar zu seyn, sich des nämlichen Grundes gegen mich bedienen, so gesteh' ich Ihnen, daß dieß mein Gestirn und nicht meine Wahl ist, was mich verpflichtet, Sie zu lieben.«

Frau von Chastillon hatte nie so viele Freude gefühlt, als diese Rede ihr machte; auch schien ihr dieser Herzog so liebenswürdig, daß wenn es Sitte gewesen wäre, daß die Frauen zuerst von ihrer Liebe sprechen, diese nicht so lange gewartet hätte, wie ihr Liebhaber; aber die Furcht, nicht geziert genug zu scheinen, machte sie so sehr verlegen, daß sie eine Zeitlang nicht zu antworten wußte. Zuletzt sich anstrengend, um zu sprechen, und die Verwirrung zu verhehlen, welche ihr Schweigen bezeugte, sagte sie: »Sie haben recht, mein Herr, mit allen erdenklichen Umständen, zu glauben, daß ich meinen Gatten sehr liebe, aber Sie verlangen wohl, daß man sich die Freiheit nehme, Ihnen zu sagen, daß Sie Unrecht haben in Bezug auf Ihren Punkt, so viele Bescheidenheit zu beobachten [117] und wäre man in der Lage, die Güte zu erkennen, die Sie für die Leute haben, so würden Sie sehen, daß sie Sie mehr schätzen, als Sie glauben.« »Gnädige Frau, versetzte der Herzog von Nemours, es liegt nur an Ihnen, daß ich der rechtschaffenste Mann von Frankreich bin.« Kaum hatte er geendet, als die Gräfin von Mora in das Zim mer trat, vor welcher er das Gespräch ändern mußte. Obgleich diese beiden Liebenden ihre Fassung nicht verloren, ließ ihre Zerstreuung, ihre Verlegenheit, diese Dame schließen, daß ihre Angelegenheit weiter vorgerückt als sie war, und dieß war Ursache, daß sie sich anschickte, ihren Besuch abzukürzen, als ihr der Herzog von Nemours zuvorkam. Dieser verliebte und bescheidene Prinz, wohl wissend, daß er vor einer so hellsehenden Frau, wie die Gräfin von Mora war, eine üble Rolle spiele, ging fort, und nach Hause, wo er ihr diesen Brief schrieb:

»Ich gehe von Ihnen, gnädige Frau, um mehr bei Ihnen zu seyn, als ich es war. Die Gräfin von Mora beobachtete mich, und ich wagte es nicht. Sie anzublicken, ich fürchtete selbst, da sie gewandt [118] ist, daß diese Ziererei mich entdecken möchte. Denn, gnädige Frau, man weiß so wohl, daß man Sie anschauen muß, wenn man bei Ihnen ist, daß man glaubt, wer Sie nicht anschaut, gehe dabei mit Arglist um. Wenn ich Sie jetzt nicht sehe, gnädige Frau, so bemerkt man wenigstens nicht, daß ich liebe, und ich habe die Freiheit, meine Liebe niemand wissen zu lassen, als Ihnen; aber wie glücklich wär' ich, könnt' ich Sie überzeugen, auf welchem Punkte sie ist! Und wie ungerecht würden Sie in diesem Falle seyn, gnädige Frau, wenn Sie nicht einige Güte für mich hätten!«

Frau von Chastillon fühlte sich sehr erschüttert, als sie diesen Brief gelesen hatte. Sie wußte nicht, welche Partie sie ergreifen sollte, die der Milde oder der Strenge; diese konnte sie das Herz ihres Geliebten verlieren machen, jene seine Achtung, und beide ihn verscheuchen. Endlich entschloß sie sich zum Schwersten, als dem Ehrbarsten, und was auch ihr Herz ihr sagte, sie wollte lieber thun, was ihre Vernunft ihr rieth. Sie gab dem Herzoge von Nemours keine Antwort, und als er am andern Tage [119] in ihr Zimmer trat, sagte sie: »Wollen Sie eine neue Beleidigung zufügen, mein Herr, weil die Laune so sanft ist, wie das Gesicht? Glauben Sie, daß es nichts braucht, als den Leuten nachzustellen? Wenn man nur hart seyn muß, um Ihre Achtung zu erhalten, so schätzt man Sie hoch genug, um sich einige Zeit Gewalt anzuthun. Ja, mein Herr, man wird grausam seyn, und ich sehe wohl, daß man es mit Ihnen seyn muß.« Diese Worte waren ein Donnerschlag, gefallen auf diesen armen Liebhaber. Die Thränen kamen ihm in die Augen, und seine Thränen sagten ihr besser als alles, das, was er sagen konnte. Nachdem er einen Augenblick verweilte, ohne zu sprechen, erwiederte er: »Ich bin in Verzweiflung, gnädige Frau, Sie in Zorn zu sehen, und ich möchte todt seyn, weil ich Ihnen mißfallen habe; Sie sehen in der Rache, gnädige Frau, die ich der Kränkung wegen, die Sie empfingen, zu nehmen beschlossen habe, daß Ihre Interessen mir theurer sind, als meine eigenen; ich gehe so weit von Ihnen, gnädige Frau, daß meine Liebe sie nicht mehr belästigen wird.« »Das ist's nicht, um was [120] ich Sie bitte, unterbrach ihn diese Schöne; Sie können wohl, ohne mich zu betrüben, noch hier bleiben; kennen Sie mich denn nicht sehen ohne mir zu sagen, daß Sie mich lieben, oder wenigstens ohne mir's zu schreiben?« »Nein, gnädige Frau,« erwiederte er, das ist mir durchaus unmöglich. »Wohlan, mein Herr, sehen Sie mich also, versetzte Frau von Chastillon, ich bin damit zufrieden, aber bemerken Sie alles, was man für Sie thut.« »Ach, gnädige Frau, unterbrach sie der Herzog von Nemours, indem er sich ihr zu Füßen warf, wenn ich Sie anbetete als eine ganz Grausame, die Sie waren, urtheilen Sie, was ich thun werde, wenn Sie sanft seyn werden; ja, gnädige Frau, urtheilen Sie darüber, wenn es Ihnen gefällt, denn ich kann Ihnen nicht ausdrücken, was ich fühle.« Diese Unterhaltung endigte nicht, wie sie angefangen hatte, Frau von Chastillon enthielt sich, die ganze Strenge zu bewahren, die sie sich gelobt hatte, und erhielt dieser Herzog keine großen Gunstbezeugungen, so hatte er doch Ursache zu hoffen, nicht gehaßt zu werden. In [121] dieser Zuversicht, so wie er zu Hause ankam, schrieb er an seine Geliebte:

»Da Sie mir gesagt haben. Sie seyen es zufrieden, daß ich Sie besuchte, weil er mir unmöglich war, Sie zu sehen, ohne Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, oder wenigstens ohne es Ihnen zu schreiben, muß ich Ihnen schreiben, mit dem Vertrauen, daß mein Brief nicht übel aufgenommen werde. In zwischen zittere ich, gnädige Frau, und die Liebe, die niemals ohne Furcht ist, zu mißfallen, erregt in mir die Einbildung, daß Sie Ihre Empfindung seit drei Stunden geändert haben könnten. Erweisen Sie mir die Huld, gnädige Frau, mich darüber durch zwei Zeilen aufzuklären. Wenn Sie wüßten, mit welcher Inbrunst ich sie wünsche, und mit welchem Entzücken ich sie empfangen werde, würden Sie dieser Huld nicht unwürdig erachten.«

Frau von Chastillon hatte kaum diesen Brief empfangen, als sie ihm diese Antwort gab:

»Warum soll man verändert seyn, mein Herr? Aber, mein Gott, wie sind Sie andringlich! Sind Sie nicht zufrieden, Ihre Kräfte zu kennen, ohne [122] auch noch über fremde Schwäche triumphiren zu wollen?«

Der Herzog von Nemours empfing dieses Briefchen mit einer Freude, die ihn fast außer sich brachte; er küßte es hundertmal und konnte nicht aufhören, es wieder zu lesen. Indeß stieg die Liebe dieser Liebenden mit jedem Tage, und Frau von Chastillon, die ihr Herz schon übergeben hatte, vertheidigte das Uebrige nur, um es durch Erschwerung erheblicher zu machen. Da endlich die Zeit der Brunneneur vorüber war, mußten sie sich trennen, und obwohl Beide nach Paris zurückkehrten, so urtheilten doch beide richtig, daß Sie sich nicht mehr mit so vieler Bequemlichkeit sehen wurden, wie sie in Bourbon hatten. Bei dem Anblicke dieser Schwierigkeiten war ihr Abschied schmerzlich; der Herzog von Nemours gab seiner Geliebten mehr durch die Thränen, dir er vergoß, Versicherungen, als durch das, was er ihr sagte, und die Gewalt, welche Frau von Chastillon sich anzuthun schien, um nicht zu weinen, machte die nämliche Wirkung auf den Geist ihres Liebhabers. Sie schieden sehr traurig, aber sehr überzeugt, daß sie [123] sich innig liebten, und immer lieben würden. Den übrigen Herbst hindurch sahen sie sich wenig, weil sie beobachtet wurden, aber sie schrieben sich sehr oft.

Zu Anfang des Winters nöthigte der Bürgerkrieg, der sich zu entzünden begann, Ludwig XIV. Paris ziemlich schnell zu verlassen, und sich in das Schloß Pec zu begeben. Zu dieser Zeit starb der Marschall, Vater des Herrn von Chastillon, und der Prinz von Condé damals der Arm des Cardinals, erhielt das Patent als Herzog und Pair für seinen Vetter, den Herrn von Chastillon. Die Truppen rückten von allen Seiten an, man schloß die Stadt ein, der Hof schien nicht so traurig, und die Höflinge und Kriegsleute waren entzückt über den schlechten Stand der Dinge; der Cardinal allein, der sie zu Grunde richten konnte, verhehlte einen Theil davon der Königin, und das Ganze dem jungen Ludwig XIV., mit dem man vom Kriege nur sprach, um ihm die Fehler der Rebellen zu sagen, und den man die übrige Zeit hindurch mit Kurzweile ergötzte, wie sie seinem Alter angemessen war. Unter den Personen, mit welchen er gerne spielte, nahm [124] Frau von Chastillon den ersten Platz ein, weswegen Prospere die Liedesstrophe unter dem Namen ihres Gatten machte.


»Chastillon, büte deine Reize« etc.


Bei diesen kleinen Spielen verlor der Herzog vonNemours seine Zeit nicht, und selten war es dabei der Fall, daß nicht Frau von Chastillon und er Beweise ihrer Liebe gaben, aber in dem Maße, als diese Leidenschaft wuchs, machte es ihre Klugheit nicht eben so; man bemerkte, daß sie sich immer einander gegenüber setzten, und so, daß sie heimlich miteinander reden konnten, im Blindekuhspiele, wenn eine Person die Augen verbunden hatte, eine andere sich überlieferte, damit man diejenige zu erkennen suche, die man ergriffen, hatte er einen Vorwand, sie überall zu befühlen; kurz es gab keine Art von Spiel, wo die Liebe sich nicht Mittel finden ließ, sich Zärtlichkeiten zu erweisen.

Herr von Chastillon, den die Gemüthsart seiner Frau nöthigte, sie zu beobachten, merkte etwas von dem Einverständnisse des Herzogs von Nemours [125] mit ihr; die Ehre mehr als die Liebe ließ ihn diese Beleidigung mit äußerster Ungeduld aufnehmen, er sprach davon mit einem seiner Freunde, der seinen Unwillen vollkommen theilend, wie er ihn theilen mußte, mit Frau von Chastillon darüber sprach; der Dienst, sagte er zu ihr, den ich dem Hause ihres Herrn Gemahls gewidmet habe, verpflichtet mich, Ihnen eine Nachricht zu geben, die für Sie von Folge ist. Schön wie Sie sind, gnädige Frau, ist es nicht möglich, daß Sie nicht sollten geliebt werden, und da Ihre Absichten sicher gut sind, geben Sie nicht genug Achtung auf Ihre Handlungen; die meisten Frauen, die Sie beneiden, und die Männer, welche auf den Ruhm Ihres Herrn Gemahls eifersüchtig sind, finden sich veranlaßt, alles was Sie thun, zu mißdeuten. Ihr Herr Gemahl selbst hat bemerkt, daß Ihr Betragen, obwohl mehr unklug als verbrecherisch, so beschaffen ist, daß es Ihnen vor der Welt schadet, und ihm Kummer verursacht. Sie wissen, wie eifersüchtig er auf seine Ehre ist, und wie sehr er in dieser Hinsicht das Gespötte fürchten würde, ich gebe Ihnen davon Nachricht, und bitte Sie unterthänigst, [126] darauf Rücksicht zu nehmen; denn wenn Sie sich auf die Reinheit Ihres Bewußtseyns verlassen, und zu sehr Ihren Ruf vernachläßigen, könnte Ihr Herr Gemahl zu Gewaltthätigkeiten gegen Sie sich anschicken, welche Sie nicht mehr in der Lage ließen, ihm Ihre Unschuld darzuthun.

»Was Sie sagen, mein Herr,« erwiederte Frau vonChastillon, »darf mich nicht überraschen; der Herr Herzog hat mich frühzeitig an seine Launen gewöhnt; von dem Tage nach meiner Verehelichung an, ergriff ihn eine so wüthende Eifersucht wegen Vascovin, der zu meiner Entführung behülflich war, daß er sie nicht verhehlen konnte, und doch kann man ihm keinen geringern Anlaß dazu geben; beute, sehen Sie, fängt er an, Verdacht zu schöpfen, ich wüßte nicht zu errathen wegen wessen; ich kann nur sagen, daß ich zweifle, ob sein Geist hierüber Ruhe hätte, wenn ich auf dem Lande wäre, und niemand sähe, als meine Diener.«

»Ich lasse mich, gnädige Frau, versetzte dieser Freund, auf kein weiteres Detail mit Ihnen ein; ich weiß selbst nicht, ob Ihr Herr Gemahl darauf [127] Rücksicht nimmt, wenn er mir bezeugt, daß er mit Ihnen nicht zufrieden ist; Sie können aber nach dem, was ich Ihnen sage, Maßregeln für Ihr Betragen ergreifen;« – und als er hierauf sich empfohlen hatte, ließ er sie in einer entsetzlichen Unruhe. Sogleich setzte sie den Herzog von Nemours davon in Kenntniß, mit dem sie beschloß, daß sie sich mehr als früherhin Gewalt anthun wollten.

Inzwischen glaubte der Prinz von Condé, der an nichts dachte, als das Volk von Paris durch eine Hungersnoth zu bändigen, und den Senat Preis zu geben, der auf den Kopf des Cardinals einen Preis gesetzt hatte, daß eines von den Mitteln, welche den Erfolg soweit fördern könnten, die Wegnahme von Bouchemat wäre, das Clanleu mit sechs oder sieben hundert Menschen bewachte, an deren Spitze Monsieur, Oheim des Königes, Generallieutenant seiner Regentschaft, sich stellen wollte, und griff Bouchemat von drei Seiten an. Da bei den Zugängen nur ziemlich schlechte Verschanzungen waren, hielt es für die Truppen Ludwig XIV. nicht sehr schwer, sie zu erstürmen. Aber Herr von Chastillon, derben Angriff [128] unter dem Prinzen von Condé befehligte, die Feinde tapfer zurücktreibend, wurde im Unterleibe von einem Musketenschuße verwundet, woran er in der folgenden Nacht starb. Der Prinz bedauerte ihn sehr, und der Schmerz war so heftig, daß er nicht lange dauern konnte. Nach dem Vorausgegangenen kann man wohl schließen, daß der Herzog von Nemours sehr mittelmäßig gerührt wurde, und man wird es noch besser aus dem schließen, was daraus folgte. Inzwischen weinte Frau von Chastillon, riß sich die Haare aus, und gab den Schein der größten Verzweiflung von der Welt. Das Publikum wurde so getäuscht, daß es ein Sonett darüber machte.

Der Herzog von Nemours, der besser unterrichtet war, als die übrige Welt, erstaunte nicht über die Betrübniß der Frau von Chastillon, und wählte so gut die Zeit, da das Uebermaß des Schmerzes diese arme Verzweifelte bestürzt gemacht hatte, und drang so nachdrücklich in sie, ihm Gunstbezeugungen zu gewähren, welche die Furcht vor ihrem Gatten ihm während seines Lebens zu bewilligen sie verhindert hatte, daß sie ihm am Abende seines [129] Begräbnisses ein Rendezvous gab. Die Bourdeaux eines von ihren Kammermädchen, die glaubte, daß der Tod des Herrn von Chastillon das Glück des Riconnet zerstöre, der sie heirathen wollte, war in einer wahren Betrübniß, so daß sie, als sie den Herzog von Nemours auf dem Punkte sah, die höchsten Gunstbezeugungen seiner Geliebten zu empfangen, das Entsetzen vor dieser Handlung ihren Schmerz verdoppelte, und ohne aus dem Zimmer zu gehen, das Vergnügen dieser Liebenden durch ihre Seufzer und durch ihre Thränen trübte. Der Herzog von Nemours, der wohl sah, daß wenn er dieses Mädchen nicht besänftigte, er künftighin in seiner Liebe nicht die ganze Süßigkeit finden würde, die er sich versprach, trug Sorge sie zu trösten, und sagte zu ihr im Fortgehen, daß er ihren Verlust an dem seligen Herrn von Chastillon wohl kenne, und ihr Freund seyn, und eben so wie der Verstorbene für ihr Glück sorgen wolle, daß er eben so viel guten Willen habe, wie jener, und vielleicht noch mehr Macht, und daß, bis er für sie etwas Ansehnliches thun könne, er sie bitte vier tausend Thaler anzunehmen, die er ihr am folgenden Tage [130] schicken würde. Diese Worte hatten so viel Kraft, daß die Bourdeaux ihre Thränen trocknete, und dem Herzoge von Nemours versprach, lebenslang auf seiner Seite zu seyn, und ihm sagte, daß seine Geliebte alle Gründe von der Welt habe, nichts zu unterlassen, um ihm Beweise ihrer Liebe zu gehen. Am andern Tage bekam die Bourdeaux die viertausend Thaler, die dieser Herzog ihr versprochen hatte; auch diente sie ihm von da an vorzugsweise vor allen jenen, die ihr nicht so viel gaben.

Zu Anfang des Frühlings, da der Frieden zu Paris geschlossen war, kam der Hof dahin zurück. Der Prinz von Condé, welcher den Herrn Cardinal aus einem schlimmen Handel zog, verkaufte ihm theuer die Dienste, die er ihm in diesem Kriege geleistet hatte; der Cardinal konnte die Gnaden nicht bestreiten, um die er ihn bat; Pont de l'Arche, das ihm der Prinz für seinen Schwager den Herzog vonLongueville entriß; die Heirath des Erlachie, die er kühn mit Irite gemacht, wieder die Absicht des Hofes, und die Kühnheit, womit er von der Königin verlangt hatte, daß sie Sienge sah, nach der Verwegenheit [131] desselben an Ihre Majestät einen Liebesbrief zu schreiben, brachten zuletzt den HerrnCardinal zu dem Entschlusse, sich von der Tyrannei zu befreien, worin er war, unter dem Vorwande die Verachtung zu ahnden, die man dem königlichen Ansehen bezeigte und eröffnete dieses Vorhaben dem Gornan, der sich an den gebrochenen Stock seines Gefreiten erinnerte, durch den Prinzen von Condé, und der deßwegen und aus Eifersucht auf sein Verdienst, Gründe hatte ihn zu hassen, und weil der Cardinal ihm zu erkennen gab, daß der Herr von Petitbourg, der ihn beherrschte, Pensionär des Prinzen sey, nahm er ihm das Wort ab, daß er diese Angelegenheit seinem Günstlinge verhehlen wolle. Man verhaftete im Palais-Royal, wo damals Ludwig XIV. wohnte, von Condé den Prinzen von Conti, und den Herzog von Longueville. Inzwischen begab sich Herr von Türenne, der wegen der Verbindungen, die er mit dem Prinzen von Condé hatte, fürchten konnte, ergriffen zu werden, und die übrigens wegen des Fürstenthumes von Stenai, das man seinem Hause entzogen hatte, wider den Hof erzürnt war, [132] nach Stenai, wo Frau von Longueville bald darnach ankam. Die Offiziere des Prinzen warfen sich in die Stadt Bellegarde, Frau von Chastillon begab sich zur Mutter des Prinzen von Condé, und zog den Herzog von Nemours, ihren Liebhaber, in ihr Interesse. Wenige Tage hernach wurde die Prinzessin in das Gefängniß gesetzt, und die Mutter des Prinzen vonCondé erhielt die Erlaubniß, ihre Base zu sehen, Frau von Chastillon. Ein Priester NamensCambiac, der sich durch die Vermittlung des Herrn von Luxembourg bei dem Fräulein von Velitobulin eingeführt hatte, wurde zu Frau vonChastillon von ihrer Mutter gesendet; er befand sich nicht lange dort, als er sich zum Meister ihres Gemüthes machte, dergestalt, daß er sich zwischen sie und den Herzog von Nemours stellte. Dieser Umgang gab ihm Anlaß zu großen Vertraulichkeiten mit Frau von Chastillon; er wurde in sie bis auf den Punkt verliebt, während des Messelesens ohnmächtig zu werden. Da die Mutter des Prinzen von Condé an jenem Uebel ertrankt war, woran sie starb, benützte der Pater Cambiac, der großen Einfluß [133] auf ihr Gemüth hatte, denselben zu Gunsten der Frau vonChastillon, und bestimmte sie, ihr für hundert tausend Thaler Edelgesteine, und den lebenslänglichen Genuß der Herrschaft von Marlou zu geben, die eine Rente von 20,000 Livres eintrug. Der Herzog von Nemours war indeß ein wenig beunruhiget, als er aber das Testament der Prinzessin gesehen hatte, wurde er völlig eifersüchtig, er glaubte nicht, daß es leicht sey, so ansehnlichen Diensten zu widerstehen, und ob wohl er seine Geliebte nicht tadeln konnte, sie angenommen zu haben, war er doch erzürnt, daß sie sie aus der Hand eines Mannes erhielt, den er schon als seinen Nebenbuhler betrachtete, denn er hatte Ursache zu fürchten, daß sie mit ihren Gunstbezeugungen erkauft hatte, was der Priester Cambiac für sie gethan. Obwohl sie den Herzog vonNemours liebte, liebte sie doch die Reichthümer noch mehr. Da sie indeß nach dem Tode der Mutter des Prinzen von Condé mit dem Pater Cambiac nichts mehr zu thun hatte, fiel es ihr nicht schwer, das Gemüth ihres Liebhabers zu heilen, indem sie den armen Priester entfernte.

[134] Da der Coadjutor von Paris und Frau von Chevreuse, Theilnehmer an dem Geheimverständnisse zur Verhaftung des Prinzen, fanden, daß der Cardinal zu anmaßend wurde, zogen sie den Herrn Herzog vonOrleans in diese Erwägung, und stellten ihm vor, daß, wenn er zur Freiheit des Prinzen beitrüge, er nicht nur mit ihnen sich aussöhnen, sondern sie auch noch völlig in sein Interesse ziehen würde. Außer dem Plane die Parthie des Cardinals zu schwächen, die sich bei jener verdächtig machte, welche man dieSchleuder 1 nannte, hatte noch jedes sein besonderes Interesse. Frau von Chevreuse wollte, daß der Prinz von Conti, für welchen der Hof den Cardinalshut in Rom nachgesucht hatte, ihre Tochter heirathe, und der Coadjutor in seine Ernennung eintrete, und dieses Versprechen gaben die Prinzen vonCondé und Conti eigenhändig unterzeichnet der Frau von Chevreuse, unter der Bedingung, daß sie und der Coadjutor an der Befreiung von ihrer Haft arbeiteten. Da die Sache gelungen war, wie [135] sie dieselbe entworfen hatten, und der Cardinal selbst genöthiget, Frankreich zu verlassen, zeigte der Prinz vonCondé keine Mäßigung in seinem neuen Wohlergehen, und dieß nöthigte den Hof, neue Anschläge auf seine Person zu machen. Er begab sich anfangs auf sein Landgut zu St. Maur und wenige Tage darauf nach Monton, und von da in sein Gouvernement von Aquitanien, der Herzog von Nemours folgte ihm, und Frau von Longueville, die bei ihrem Bruder war, eingenommen von den Vorzügen des Herrn von Nemours, erwies ihm so viele Gefälligkeiten, daß dieser Prinz, obgleich anderwärts sehr verliebt, ihr nicht widerstehen konnte, aber er ergab sich mehr aus Schwachheit des Fleisches, als aus Zuneigung des Herzens. Der Herzog von la Rochefaucault, seit drei Jahren der geliebte Anbeter der Frau vonLongueville, sah die Untreue seiner Geliebten mit der ganzen Wuth, die man in einem solchen Falle haben kann. Sie, die von einer großen Liebe für den Herzog von Nemours erfüllt war, gab sich wenig Mühe, ihren ersten Liebhaber zu schonen. Das erstemal, als sie den Herzog von Nemours [136] allein sah, im zärtlichsten Augenblicke des Rendezvous, fragte sie ihn, wie er mit der Frau von Chastillon gestanden. Da der Herzog von Nemours ihr antwortete, daß er niemals von ihr eine Gunstbezeigung erhalten habe, sagte sie: »Ach ich bin verloren und Sie lieben mich nicht, weil Sie in der Lage, worin wir uns jetzt befinden, im Stande sind, mir die Wahrheit zu verhehlen«. Dieses Verhältniß dauerte nicht lange, denn der Herzog konnte sich nicht zwingen, eine Neigung zu bezeigen, die er nicht fühlte, und man kann wohl glauben, daß die Prinzessin, die unreinlich war und übel roch, ihre widrigen Eigenschaften einem Manne nicht verbergen konnte, der anderwärts innig liebte. Diese Widrigkeiten verzögerten auch die Reise nicht, welche der Herzog von Nemours nach Flandern machen mußte, um der Parthei des Prinzen vonCondé ein Hülfscorps von Fremden zu bringen; aber die wahre Ursache seiner Ungeduld war die Sehnsucht, Frau von Chastillon wieder zu sehen, die er noch immer mehr als sein Leben liebte. Er ging also nach Paris, wo er sie wieder sah, und brachte sie in die unglückliche [137] Lage, die man die Klippe der Wittwen nennen kann. Als sie ihr Uebel bemerkte, suchte sie Hülfe, um sich davon zu befreien. DesDes Fougerais, ein berühmter Arzt, unternahm diese Cur, und es war zu jener Zeit, daß er sie in dieser Krankheit behandelte, als der Prinz von Condé von Guinne nach Paris zurückkam, und den Herzog von la Rochefaucault mit sich brachte.

Der Prinz von Condé hatte lebhafte Augen, eine zusammengedrückte Habichtsnase, hohle und magere Wangen, ein langes Gesicht, die Gesichtsbildung eines Adlers, geordnete Haare, übel gereihte und unreine Zähne, einen schönen Wuchs, er hatte Feuer in seinem Geiste, aber keinen richtigen Geist, er lachte viel und sehr unangenehm, er besaß ein wunderbares Genie für den Krieg, und besonders für die Schlachten. Am Tage der Schlacht war er gegen Freunde sanft, gegen die Feinde kühn; er hatte eine Zierlichkeit des Geistes, eine Stärke der Beurtheilung und eine Leichtigkeit ohne Gleichen; er war ein geborner Betrüger, aber besaß Treue und Redlichkeit in großen Gelegenheiten, er war anmaßend und rücksichtslos[138] geboren, aber Widerwärtigkeit hatte ihn leben gelehrt. Als dieser Prinz einige Neigung fühlte, Frau vonChastillon zu lieben, feuerte ihn der Herzog vonla Rochefaucault noch mehr an, aus großem Verlangen, das er hatte, sich an dem Herzoge von Nemour zu rächen, und da der Widerstand dieser Schönen die Liebe dieses Prinzen vermehrte, beredete ihn der Herzog von la Rochefaucault, ihr das Eigenthum der Herrschaft von Marlou zu geben, wovon sie nur die Nutzung hatte, indem er ihm sagte, daß die Frau von Chastillon jünger sey als er, dieses Geschenk nur seiner Nachkommenschaft schade, und daß ein Strich Landes von 20,000 Livres Renten mehr oder weniger, ihn weder ärmer noch reicher machen würde.

Als der Prinz in Frau von Chastillon verliebt wurde, befand sie sich unter den Händen des Des Fougerais, der Brechmittel anwendete, um sie zu heilen. Der Prinz von Condé, der immer zu Füßen ihres Bettes war, fragte sie unaufhörlich, was sie für eine Krankheit habe. Dieser Liebhaber, in Verzweiflung, seine Geliebte in Lebensgefahr zu [139] sehen, sagte zu ihrem Apotheker, daß er ihn würde hängen lassen. Dieser, der sich nicht rechtfertigen durste, sagte zurBourdeaux, welche Ricoux 2 geheirathet hatte, daß, wenn man noch weiter in ihn dränge, er alles entdecken würde. Endlich machten die Mittel die Wirkung, die man sich versprochen hatte. Es war kurz nach dieser Genesung, daß der Prinz von Condé die Schenkung von Marlou machte; die Frau vonChastillon war dafür nicht undankbar, aber sie gab ihm nur die Nutzung von dem, wovon der Herzog von Nemours das Eigenthumsrecht besaß. Indeß rächte sich der Herzog von la Rochefaucault vollständig an dem Herzoge von Nemours, und verursachte ihm ein um so schmerzlicheres Mißvergnügen, als er nicht die Kraft hatte, sich von seiner Leidenschaft zu heilen, wie es der Herzog von la Rochefaucault mit jener gemacht hatte, die er für Frau von Longueville gefühlet. Außerdem hatte der Prinz von Condé [140] noch Herrn von Vi neuil, seinen Vertrauten, der, indem er ihm bei seiner Geliebten diente, gleichfalls von ihr geliebt zu werden sich bemühte.


Herr von Vineuil war ein Bruder des Präsidenten Hardier, von ziemlich guter Familie von Paris, von angenehmem Gesichte, ziemlich wohlgestaltet von Person; er war geschickt und ein rechtschaffener Mann, hatte einen muntern und satyrischen Geist, obwohl er alles fürchtete, und dieß hatte ihm oft schlimme Händel zugezogen; er war bei Frauen unternehmend, und dieß machte, daß es ihm stets gelang; er stand gut mit Frau von Montbazon, gut mit Frau von Movy, und gut mit der Prinzessin von Würtemberg; und dieser letztere Liebeshandel hatte ihn mit dem seligen Chastillon dergestalt entzweit, daß er ohne die Beschützung des Herrn Prinzen einige Gewaltthätigkeiten erlitten hätte; auch hatte der Haß des Chastillon gegen ihn seine Frau ziemlich geneigt gemacht, ihn zu lieben. Aber lassen wir Herrn von Vineuil hier einige Zeit, und kommen wir auf den Herzog von Nemours zurück.

[141] Die Eifersucht brachte ihn so sehr außer sich, daß er, da er eines Tages bei Frau von Chastillon den Herrn Prinzen ganz leise mit ihr sprechend fand, sich vor Wuth und Aerger die Hände wund riß, ohne es gewahr zu werden, bis einer von seinen Dienern ihn auf den Zustand aufmerksam machte, in den er sich versetzt hatte. Zuletzt, da er die Besuche des Prinzen nicht mehr dulden konnte, bat er sie, auf einige Zeit nach Hause zu gehen. Sie, die ihn sehr liebte, und nicht glaubte, daß diese kleine Abwesenheit die Leidenschaft des Prinzen schwächen würde, ließ sich nicht drängen, und versprach ihm sogar, die Bourdeaux zu entfernen, welche sein Interesse für das seines Nebenbuhlers aufgegeben hatte. Frau vonChastillon blieb nicht lange auf dem Lande, und bei ihrer Rückkehr ergriff die Eifersucht den Herzog von Nemours so heftig, daß er mehr als zwanzigmal auf dem Punkte stand, den Prinzen von Condé auf den Degen zu fordern, und er wäre zuletzt der Versuchung unterlegen, ohne das Duell mit seinem Schwager, worin er das Leben verlor. Frau vonChastillon, die unter zwanzig Liebhabern, die[142] sie in ihrem Leben begünstigte, niemals einen davon geliebt hatte, als den Herzog von Nemours, war seines Todes wegen in einer wahrhaftigen Verzweiflung. Einer ihrer Freunde, der ihr die Nachricht davon brachte, sagte ihr zugleich, daß sie aus den Händen eines Kammerdieners des seligen Herzogs von Nemours ein Kästchen voll Briefe von ihr wieder zu sich nehmen solle. Sie ließ es holen, und erhielt dies Kästchen gegen das Versprechen, das sie ihm machte, ihm fünfhundert Thaler zu geben, aber der arme Mensch konnte nie etwas davon erhalten.

Was den Prinzen von Condé betrifft, welche Verbindlichkeit er auch gegen den Herzog von Nemours hatte, so waren sie durch Eifersucht dermaßen entzweiet, daß er über seinen Tod sehr erfreut war; der Ruhm sowohl als die Liebe hatten einen so großen Wetteifer zwischen beide gestellt, daß sie sich nicht mehr einander ausstehen konnten, und dieß war so gewiß, daß wenn der Prinz von Condé die nöthige Vorsicht hätte nehmen wollen, um den Herzog von Nemours zu hindern, sich zu schlagen, dieses Unglück nicht geschehen wäre. Ein Beweis mehr, der sehen ließ, daß [143] in dem Herzen des Prinzen vonCondé eben so viel Ruhmsucht als Liebe war, zeigte sich, da er einen Augenblick nach dem Tode seines Nebenbuhlers, die Frau von Chastillon fast nicht mehr liebte, und sich begnügte, das Benehmen des Wohlstandes gegen sie zu bewahren, um sich ihrer in Fällen zu bedienen, die er passend erachten würde. In der That sendete ihr zu dieser Zeit der Cardinal, welcher den Prinzen von Condé zu beherrschen glaubte, den Großprofoß von Frankreich, bot ihm von seiner Seite hunderttausend Thaler baar, und die Oberverwaltung des Hauses der Königin, im Falle sie den Prinzen bewöge, die Punkte einzugehen, die er wünschte; und den Grafen von Oignon, den Herzog von la Rochefaucault, und den Präsidenten Viole aufzugeben.

Während der Unterhandlung des Großprofoßen, unterhandelte auch einer von dee königlichen Hauskompagnie 3 Namens Bouchette, im Namen der[144] Königin bei der Frau von Chastillon; da aber diese sah, daß sie den Prinzen nicht dahin bringen könne zu thun, was der Hof wünschte, meldete sie der Königin, daß sie ihr rathe, dem Prinzen alles zu bewilligen, um was er sie bitten würde, und daß Ihre Majestät übrigens wüßte, wie man hierin gegen einen Unterthan verfahren müsse, welcher, die Verwirrung der Angelegenheiten seines Herrn benützend, ihm schimpfliche und seinem Ansehen nachtheilige Bedingungen abgepreßt habe. Zu dieser Zeit wurde der Abbé Fouquet, den die Freude ergriffen, in das Hotel von Condé gebracht, wo er anfangs eine etwas verdrießliche Unterredung mit dem Prinzen hatte; doch am folgenden Tage nahm die Sache eine mildere Wendung, und wenige Tage darnach, fing man an, den Frieden mit ihm zu unterhandeln. Da er Gefangener auf sein Ehrenwort war, und er überall hinging, wie es ihm gefiel, machte er der Frau von Chastillon einige Besuche, indem er glaubte, daß man bei dem Prinzen von Condé nichts durchsetze, außer durch ihre Vermittlung; und wurde bei Gelegenheit dieser Besuche in sie verliebt. Vineuvil ging [145] damals ziemlich im Frieden mit der Gräfin von Chastillon um. Campiac hatte sich zurückgezogen, seitdem der Herr Prinz verliebt und der Herzog von Nemours gestorben war, und dieß hatte die Leidenschaft des Prinzen sehr vermindert, so daß er kurz darauf, als er in Flandern gewesen war, vermittelst der Aussöhnung, von Paris mit dem Hofe, auf dem Punkte stand von Paris abzureisen, ohne von Frau von Chastillon Abschied zu nehmen, und als er sie besuchte, nur einen Augenblick bei ihr blieb.

Da der König nach Paris zurückgekommen war, glaubte der Abbé Fouquet, daß, wenn Frau von Chastillon dort bliebe, er Nebenbuhler auf den Hals bekäme, die ihm könnten vorgezogen werden, so daß er den Cardinal beredete, sie zu entfernen, indem er sagte, daß sie in Paris täglich tausend Intriguen gegen den Hof machen würde, die sie anderswo nicht machen könnte, und dieß bewog den Cardinal, sie nach Marlou zu schicken. Der Abbé Fouquet besuchte sie dort, so oft er konnte; aber es gab in ihrer Nachbarschaft noch zwei Männer, die ihr weit häufigste [146] Besuche machten; der eine war Mylord Graf, der ein Landgut bei Marlou gemiethet hatte, wo er gewöhnlich, Wagen und Pferde einstellte, und auch bisweilen wohnte, und der andere war der Graf Digby, Gouverneur voll Mantes. Diese beiden Chevaliers wurden in Frau von Chastillon verliebt. Mylord Graf war ein stiller, gefälliger Mann, der Graf Digby brav, kühn und voll Ehrgeiz.

Als der Pater Cambiac den Prinzen vonCondé den französischen Hof verlassen sah, hing er noch dergestalt an Frau von Chastillon, daß er bei ihr in Marlou wohnte, und da er weder den AbbéFouquet noch Digby so sehr fürchtete, wie den Prinzen von Condé, sagte er der Frau von Chastillon seine Meinung über ihr Benehmen mit allen ihren Liebhabern frei heraus. Sie, welche in ihren neuen Anschlägen nicht gehindert seyn wollte, und besonders durch einen Betheiligten, nahm seine Vorstellungen sehr übel auf, so daß, als die Sache täglich je mehr und mehr schlimmer wurden, der Pater Cambiac sich wegbegab, schmähend, und wie ein Mensch, den man fürchten muß. Wenige Tage darnach schrieb er ihr [147] einen Brief ohne Namen, und von einer andern Handschrift als der seinigen, wodurch er ihr Nachrichten von dem gab, was man in der Welt von ihr sagte. Sie vermuthete wohl deßwegen, daß dieser Brief von ihm kam, weil er ihr Dinge meldete, die ein anderer als er nicht wissen konnte. Da endlich Frau von Chastillon von allen Zeiten vernahm, daß der Pr. Cambiac gegen sie losziehe, bat sie Frau von Pisieux, die ihn gut kannte, und Gewalt über sein Gemüth hatte, einige Briefe von Wichtigkeit wieder zu sich zu nehmen, die er von ihr hatte. Frau von Pisieux versprach es ihr, und lud zu gleicher Zeit den Priester Cambiac ein, nach Marine zu ihr zu kommen, nahe bei Pontoise. Man muß bemerken, daß seitdem der Pr. Cambiac ihr Haus verlassen, sie bei Digby sich gar sehr über ihn beklagt hatte. Dieser Liebhaber, der an nichts dachte, als seiner Geliebten zu gefallen, und sich im Aufwande für sie erschöpfte, zögerte nicht, ihr eine Rache zu verheißen, die ihr nichts kosten, und worin sie ihr besonderes Interesse finden würde. Er wählte die Zeit, da Cambiac, der zu Marine war, eines [148] Tages zu Pferde stieg um spazieren zu reiten, entführte ihn mit fünf oder sechs Cavalieren und schickte ihn nach Marlou. Frau von Chastillon, die wußte, daß man Liebhaber zur Hälft niemals beleidigen solle, war über die Art sehr bestürzt, womit man den Pr. Cambiac behandelte, der, wie sie wohl sah. Niemand Andern deßwegen in Verdacht haben konnte, als sie, und sie hätte wohl eher dem Digby den Tod des Pr. Cambiac, als seine Entführung verziehen; aber da sie nun doch nichts anders machen konnte, als was geschehen war, sagte sie zu ihm: »Ich bin in Verzweiflung über das, was Ihnen begegnet ist; ich sehe wohl, daß der unverschämte Mensch, der Ihnen diesen Schimpf zugefügt, mich bei Ihnen verdächtig machen will, aber Sie werden wohl an meinem Unwillen darüber erkennen, daß ich keinen Theil an diesen Gewaltthätigkeiten habe. Inzwischen, mein Herr, wenn Sie hier bleiben wollen, so werden Sie zu befehlen haben; wollen Sie nach Marine zurückkehren, so werde ich Ihnen meinen Wagen geben.« »Ich weiß,« antwortete der Pr. Cambiac kalt, »was ich von allem diesem soll; ich danke [149] Ihnen für die Anerbietungen, die Sie mir machen; ich werde auf meinem Pferde zurückkehren, wenn Sie es für gut befinden. Gott, der mich vor den Unternehmungen der Boshaften schützen will, wird für mich sorgen« – und nach diesen Worten verließ er hastig das Zimmer der Frau von Chastillon, und kehrte allein nach Marin zurück. Kaum war er angekommen, als er und Frau von Piseux diese zwei Briefe an einen ihrer Freunde in Paris schrieben:


Cambiac an Herrn von Brienne.


»Sie werden wohl überrascht seyn, wenn Sie das Abentheuer erfahren, das mir begegnet ist, aber um es Ihnen zu berichten, so wie es ist, muß ich ein wenig weit ausholen, und Ihnen sagen, daß Frau von Chastillon hieher kam, um Frau von Pisieux zu vermögen, von mir gewisse Dinge sich zu verschaffen, die sie wünschte. Frau von Pisieux schrieb mir, und Sie wissen auch, daß ich die Reise gemacht habe. Am nämlichen Tage, da ich ankam, schickte Frau von Chastillon la Fleur, zu erfahren, ob ich dort wäre, [150] und am folgenden Morgen fragte ein unbekannter Mensch unter falschen Anweisungen nach mir, und wollte wissen, ob ich bald nach Paris zurückkehren würde. Gestern früh um vier Uhr reisete ich von hier ab, und wie ich gegen hundert Schritte von Pontoise war, nachdem ich über den Fluß gesetzt hatte, wurde ich von sechs Cavalieren, das Pistol in der Hand, umrungen, an deren Spitze der Graf von Digby war, der mir anfangs sagte, daß wenn Frau von Chastillon mich gestraft hätte, sie mir hundert Dolchstich hätte geben lassen, ich aber nichts fürchten sollte. Ich muß Ihnen sagen, daß er in diesem Falle aufrichtig war, und in diesem Handel nicht die mindeste Gemeinheit mich begehen ließ; er behandelte mich sehr artig unterwegs, brachte mich nach dem Mittagsessen selbst nach Marlou, und schickte mich mit vier Cavalieren, um dieser würdigen Person Genugthuung zu verschaffen. Sie stellte sich hierüber entrüstet, und war es wirklich. Der Muth, womit ich mit ihr sprach, ließ sie wohl begreifen, daß dieß der böseste Handel sey, den sie jemals gestiftet. Ich kehrte nach Marine zurück, um der Frau von Pisieux zu sagen, was [151] Frau von Chastillon ihr ebenso wohl wie mir gethan habe. Sie fühlte darüber den Unwillen, den eine Person von ihrem Stande, von ihrer Ehre und von ihrem Muthe fühlen muß. Das ist der ziemlich außerordentliche Vorfall ich beschwöre Sie, mir zu eröffnen, welche Ansicht Sie hierüber haben, und was Sie glauben, daß ich thun solle; Sie sehen wohl, dünkt mich, daß ich es nicht dabei kann bewenden lassen. Seitdem hat diese niederträchtige Person der Frau von Pisieux geschrieben, um sie zu beschwören, es so einzuleiten, daß ich meinen Unwillen besänftige, ihr versichernd, daß sie von allem diesem nichts gewußt habe. Die Antwort, welche ihr gegeben wurde, ist des Edelmuthes der Frau von Pisieux würdig. Ich habe beschlossen, drei oder vier Tage hier zu bleiben, um mit Muße darüber nachzudenken, was ich thun soll, und um mich zu verhindern, zu irgend etwas mich hinreißen zu lassen, was ich bereuen könnte, außerdem daß durch Klagen sich Luft machen, sich allzuschwach rächen heißt, und ich gesonnen bin, auf eine andere Weise davon Gebrauch zu machen, wenn ich kann. Ich erwarte Ihre Antwort mit Ungeduld, und [152] bin ganz der Ihrige. Ein Brief erlaubt mir nicht umständlich zu berichten, was sehr lang ist; ich werde es thun, wenn ich Sie sehe. Leben Sie wohl.


Den 18. July 1655.


Frau von Pisieux an Herrn von Brienne.


Ich habe zu viel Antheil an dem Abentheuer des Herrn von Cambiac, um nicht der Schilderung, die er Ihnen davon gemacht hat, ein Wort von meiner Hand beizufügen; es gibt dabei keinen Umstand, der nicht überraschend wäre, und das Beste, was man von mir in dieser Sache denken kann, ist, daß man mich wenig berucksichtiget hat, denn der ganze Schein geht dahin, daß ich die Mitschuldige einer so unwürdigen Handlung seyn soll. Es ist wahr, daß der Beleidigte mich hinlänglich rechtfertiget, weil er sich an denselben Ort begab, wo man ihm die Falle gestellt hatte. Mein ganzes Dichten und Trachten ist jetzt, mich so zu benehmen, daß ich, ohn mich von einem gerechten Zorne hinreißen zu lassen, von meinem ganzen vergangenen Leben genügend abweiche, um zu zeigen, daß ich der Frau von Chastillon [153] eine nützliche Freundin war. Sie kennen meinen Namen und meinen Muth, ich habe mit Ihnen davon immer mit Aufrichtigkeit gesprochen, ich gestehe Ihnen ferner, daß ich mir ein Geschäft daraus mache, eine Christin zu seyn, und eine ziemlich pünktliche, und willens bin. Gott meinem Schöpfer ohne Kunst und ohne Betrug zu dienen; außer diesem gelegten Grunde werde ich es hinsichtlich alles dessen, was Entrüstung und Gerechtigkeit mir erlauben können, an nichts fehlen lassen. Thun Sie mir den Gefallen, Frau von Aubigny hievon in Kenntniß zu setzen, und gehen Sie nicht weiter; dieser Schmaus wird der Prinzessin von der Pfalz nicht unangenehm seyn; ich erlaube Ihnen, mit ihr davon zu sprechen. Ich glaube nicht, daß das Verbrechen des Cambiac so groß war, dem Rufe seiner Pflicht gefolgt zu seyn, durch Vermittlung des Herrn Erzbischofes von Amiens, noch das meinige des gegebenen Rathes wegen, um sich einen so schlimmen Handel zugezogen zu haben. Ich werde eigens nach Paris zurückkehren, um meine Freunde mit den nähern Umständen zu unterhalten, und Sie vor Allem am ersten. Dieß kleine Wort der Rache muß [154] mir entschlüpfen: Frau von Chastillon wird nicht vergessen, wenn die Gelegenheit von ihr zu sprechen sich darbietet; ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, ich bin zu sehr im Zorn, um beute einen zu erwarten.«

Kurz nach diesen zwei Briefen, kehrte Cambiac nach Paris zurück, kein Maß mehr haltend wegen Frau von Chastillon; er machte sie herunter überall wo er sich befand, und um seine Rache vollkommen zu sättigen, zeigte er der Königin die heftigsten Briefe der Frau von Chastillon. Die Bescheidenheit der Geschichte erlaubt nicht, sie anzuführen, aber aus den ehrbarsten Bruchstücken, die hier folgen, wird man auf das Uebrige schließen:

Sie meldete an vielen Stellen dem Priester Cambiac, er könne versichert seyn, daß sie ihm niemals Anlaß geben würde, sich über sie zu beklagen, daß er davon sprechen könne, wie es ihm gefalle, daß es aber für ihn edelmüthiger sey, gut davon zu sprechen, als auf eine andere Art, daß wenn man sich den Leuten in die Hände gegeben, wie sie sich in die seinige, sie es mißbrauchen können, und daß [155] die Parthie, welche eine arme Frau in diesem Falle ergreifen könne, wäre zu hören und zu schweigen. An einer andern Stelle meldete sie ihm, er habe gut reden, daß sie ihn immer lieben sollte, und auch, daß sie sich vorbereite zur österlichen Zeit eine Generalbeicht abzulegen; es sey ja Niemand da, der darauf Acht habe.

Die Königin war sehr erstaunt über die Entrüstung der Frau von Chastillon in ihren Briefen, sie war daher über die Verachtung nicht unwillig, welche ihr dieß zuzog, und nachdem sie die Beschimpfung erfahren hatte, die man dem Pr. Cambiac angethan, schlug sie hierüber sehr großen Lärm, und sagte öffentlich, daß da man die Leute mißhandle, die zu ihrer Pflicht zurückkehren, der König sie wohl zu strafen wissen würde.

Als der Graf von Digby nach der Entführung des Pr. Cambiac die Herzogin sah, war er sehr erstaunt, nur Vorwürfe zu erhalten, anstatt Danksagungen, die er erwartete. »Wenn man Ihnen zu erkennen gab, sagte sie, Aerger gegen den Pr. Cambiac zu haben, so wollte dieß nicht sagen, daß man [156] ihn entführen müße, es ist sehr leicht zu sehen, daß Sie bei dieser schönen Handlung sich mehr berücksichtiget haben, als mich selbst; aber ich werde für mein Interesse Sorge tragen, wenn es an mich kömmt, und das Ihrige vergessen.« Digby wollte sich über seine Absichten entschuldigen, die gut gewesen wären, und da er sah, daß er sie durch alles dieß nicht besänftigte, wurde er auch seinerseits böse, und da Frau vonChastillon fürchtete, indem sie ihn verliere, einen Beschutzer und einen freigebigen Liebhaber zu verlieren, beruhigte sie ihn, und hat ihn ein andersmal zu bedenken, daß man mit Leuten wie der Pr. Cambiac thun musse, als ob man die Beleidigungen nicht merke, oder daß man sie verderben müße. Damals, als Digby anfieng in Frau von Chastillon verliebt zu werden, hatte Milord Graf, der zur Zeit der Verwirrung in England Karl nach Frankreich gefolgt war, ein Haus in der Nachbarschaft vor Marlou gemiethet; der Müßiggang, die Bequemlichkeit und das einnehmende Wesen der Frau von Chastillon, hatten in dem Herzen des Milords Liebe erregt. Da er aber sanfter war als der [157] Graf von Digby, so hatte es seine Liebe nicht so weit gebracht, wie jene des Grafen.

So standen die Sachen, als der Abbe Fouquet, da er sah, daß seine Angelegenheiten bei Frau vonChastillon nicht vorwärts giengen, sich der folgenden Kriegslist bediente, um sie zu beschleunigen; da er erfahren, daß Ricoux, Schwager einer von den Fräulein der Frau von Chastillon in Paris verborgen war, wo er mit ihr Unterhandlungen für das Interesse des Herrn Prinzen hatte, ließ er durch so viele Leute den Ricoux aufsuchen, daß er gefangen in die Bastille gebracht wurde. Als der Abbe Fouquet ihn verhören ließ, klagte er Frau von Chastillon mehrere Dinge an, und unter andern ihm zehntausend Thaler versprochen zu haben, um den Cardinal zu ermorden, und sagte, daß sie ihm davon bereits zwei Tausend voraus gegeben habe. Der Abbe Fouquet unterdrückte diese gerichtlichen Untersuchungen, und ließ deren andere machen, durch welche Ricoux immer bekannte, daß er in Paris war mit dem Vorhaben, den Cardinal zu ermorden; aber er klagte die Herzogin nicht an, Theil an dieser [158] Verschwörung zu haben, und alles was er gegen sie sagte, war, daß sie Einverständniß mit dem Prinzen habe, und viertausend Thaler Pension von den Spaniern bekomme.

Er zeigte diese letztern gerichtlichen Untersuchungen dem Cardinale, und die erstern der Frau vonChastillon, und als er sie durch dieselben bis zu einem Grad in Schrecken gesetzt hatte, den man sich vorstellen kann, sagte er zu ihr, daß er sie retten würde, wenn sie, um ihm ihre Erkenntlichkeit zu bezeigen, ihm die höchsten Beweise ihrer Liebe neben wolle. Frau von Chastillon, die den Tod mehr als alles fürchtete, zauderte nur so lange Zeit, den Abbe Fouquet zu befriedigen, als sie für nöthig hielt, ihm diese höchste Gunst geltend zu machen. Der Abbe Fouquet dachte an nichts mehr, als seine Geliebte zu retten; zu diesem Zwecke ließ er sie eine Nacht von Marlou abreisen, und brachte sie in die Normandie, wo sie alle acht Tage ihren Aufenthalt verändern mußte, verkleidet bald als Cavalier, bald als Nonne, und bald als Barfüßermönch. Dieß dauerte sechs Wochen, während welcher der Abbe[159] Fouquet vom Hofe an den Ort kam und ging, wo sich Frau von Chastillon befand; zuletzt bewirkte er ihr Vergebung und Vergessung, nachdem Ricoux war gerädert worden, und ließ sie nach Marlou zurückkommen, wo sie nicht lange in Ruhe blieb; denn sie warf ihr Augen auf den Marschall vonHocquincourt, sowohl der Vortheile wegen, die sie von ihm ziehen konnte, durch die Posten, die er auf der Somme hielt, als um sich von der Tyrannei des Abbe Fouquet zu befreien, der ihr unerträglich zu werden begann.

Karl, Marschall von Hocquincourt, hatte schwarze und glänzende Augen, eine wohlgebildete Nase, eine etwas gedrückte Stirne, ein langes Gesicht, schwarze und krause Haare, und einen schönen Wuchs; er hatte sehr wenig Verstand, indeß war er fein aus Mißtrauen, brav und immer verliebt, und seine Tapferkeit bei den Damen diente ihm statt der Artigkeit. Frau von Chastillon, die ihn durch den Ruf kannte, glaubte, daß er ganz geneigt sey, Thorheiten zu begehen, deren sie nöthig hatte. Von Vigna court, ein Picarden-Edelmann, sein [160] Vetter, war derjenige, den sie bei ihm verwendete. Der Marschall kam also mit Vignacourt überein, daß er auf seiner Reise zur Uebernahme des Oberbefehles der Armee von Catalonien, sie zu Marlou sehen würde, als hätte der Zufall diese Zusammenkunft herbeigeführt. Die Sache ging so, wie sie sie angelegt hatte, und Frau von Chastillon stieg zu Pferde, um den Marschall bis auf zwei Meilen von Marlou zu begleiten. Unterwegs schilderte sie ihm die traurige Lage ihrer Glücksumstände, bat ihn, ihr Beschützer werden zu wollen, schmeichelte ihm mit dem Namen der Zuflucht der Betrübten und der Hülfsquelle der Unglücklichen; kurz, sie rühmte dermaßen seinen Edelmuth, daß er ihr versprach, ihr wider und gegen Alle zu dienen, und ihr selbst seine Schreibtafel gab, worin er den Befehlshabern seiner Festungen den Auftrag ertheilte, sie und die ihrigen jedesmal aufzunehmen, wenn sie es nöthig hätte. Diese Zusammenkunft wurde vom Abbe Fouquet entdeckt, der, als er den Marschall von Hocquincourt auf dem Punkte sah, an den Hof zurückzukehren, und die Nachbarschaft von der Frau [161] von Chastillon und ihm den Interessen des Hofes und seinen eigenen für gefährlich erachtete, den Cardinal beredete, sie vor der Gränze der Picardie zu entfernen, und ihr aufzutragen, in ihr Herzogthum zu gehen. Frau von Chastillon, die sich auf den Weg gemacht hatte, traf den Marschall von Hocquincourt zu Montargis, mit dem sie die Maßregeln erneuerte, die sie sechs Monate früher verabredet hatte, und nachdem sie wechselseitig, er bestimmte Zusage sie gegen den Hof zu schützen, und sie Hoffnungen ihm einst Beweise ihrer Liebe zu gewähren, gegeben, trennten sie sich; der Marschall ging zum Könige, und sie in ihr Herzogthum, wo sie den Winter zubrachte, im Verlaufe dessen der Marschall von Hocquincourt ihr schrieb, und der Abbe Fouquet, der als Gönner am schwersten zu befriedigen war, mit Verdruß die Zusammenkünfte ertrug, die zwischen dem Marschall von Hocquincourt und der Frau von Chastillon Statt fanden, und den Umgang, den sie mit ihm fortsetzte. Um sich zu entschuldigen, sagte sie ihm, daß der Marschall sich bei dem Cardinal für die [162] Rückkehr derBourdeaux verwende, die man ihr weggenommen und um ihr selbst die Erlaubniß zu bewirken, an den Hof zurückzukommen, sie fügte hinzu, daß sie sehr gewünscht hätte, diese Gnaden nur ihm zu verdanken, jedoch sein Ansehen für wichtigere Angelegenheiten versparen wollte. Was den Abbé Fouquet überzeugte, daß die Intrigue zwischen dem Marschalle und ihr nur den Hof betreffen könne, war, daß sie im Frühlinge durch seine Vermittlung zuerst nach Paris zurückkam, und Bourdeaux mit ihr. Während des Feldzuges des Marschalls in Catalonien, sah der König von England, welchen das Mißgeschick seines Hauses nöthigte, in Frankreich zu bleiben, und der die Herzogin sehr nach seinem Geschmacke gefunden, sie zu Marlou auf kleinen Reisen wieder, die er zu Graf machte, und dieser Verkehr hatte ihr so viele Liebe für diesen Prinzen eingeflößt, daß sie entschlossen war, ihn zu beirathen; Graf beredete seinen Herrn, sie um was immer für einen Preis zu befriedigen, auf die Versprechungen, welche Frau von Chastillon diesem Mylord gemacht hatte, ihm die höchsten Gunstbezeugungen zu bewilligen, [163] wenn er beitrüge, sie zur Königin zu machen; und sie wäre es wirklich geworden, hätte nicht Gott, der für den guten Ruf des Königes sorgte, Frau von Chastillon mit einer thörichten Hoffnung hingehalten, wodurch sie eine so schöne Gelegenheit verfehlte.

Karl, König von England, hatte große schwarze Augen, sehr dichte Augenbraunen, die sich vereinten, einen braunen Teint, eine wohlgebildete Nase, ein langes Gesicht, schwarze, geordnete Haare. Er war groß und hatte einen schönen Wuchs, war kalt bei der ersten Begegnung, indeß sanft und höflich, im Glücke mehr als im Unglücke; er war brav, das heißt, er hatte den Muth eines Soldaten, und das Gemüth eines Prinzen; er besaß Verstand, er liebte seine Vergnügungen, aber er liebte mehr noch seine Pflicht; kurz, er war einer der größten Könige der Welt; aber so glücklich auch seine Geburt war, so war doch die Widerwärtigkeit, die ihm zur Führerin gedient hatte, die Hauptursache seines außerordentlichen Verdienstes.

Als der Herr Prinz Frankreich verließ, hatte [164] er, wie ich erwähnte, sehr wenig Rücksicht für Frau vonChastillon bewiesen, da er aber gewußt, wie viel die Spanier auf sie halten, vermög der Pension, die sie ihr gegeben, und das Ansehen, welches sie am französischen Hofe durch die Vermittlung des Abbé Fouquet genoß, so war er wieder für sie warm geworden. Und dieß geschah so heftig, daß er ihr die zärtlichsten Briefe von der Welt schrieb, und unter andern fing man diesen auf, mit verborgenen Zeichen geschrieben:

»Wenn auch alle Ihre Reize mich nicht verbänden Sie zu lieben, meine liebe Base, die Mühe, die Sie sich für mich geben, die Verfolgungen, welche Sie erdulden, weil Sie es mit mir halten, und die Gefahren, denen Sie dieß aussetzt, würden mich verpflichten, Sie immer zu lieben. Das Beispiel von Ricour macht mich zittern, und wenn ich bedenke, daß mein Theuerstes, was ich auf der Welt habe, in den Händen meiner Feinde ist, bin ich in Aengsten, die mir keine Ruhe gönnen. Um Gottes willen, meine arme Liebe, setzen Sie sich nicht mehr Verlegenheiten aus, wie sie es thun; lieber will ich [165] niemals mehr nach Frankreich zurückkehren, als die Ursache seyn, daß Sie die mindeste Besorgniß haben; an mir ist's, mich Gefahren auszusetzen, und durch den Krieg meine Angelegenheiten in den Stand zu setzen, daß man mit mir unterhandle, und dann, meine liebe Base, werden Sie durch Ihre Vermittlung mir helfen können; da indeß die Ereignisse im Kriege zweifelhaft sind, so hab' ich etwas unfehlbares um mein Leben mit Ihnen zuzubringen, und unsere Interessen noch näher zu verbinden, als wir es bisher gethan haben. Glauben Sie nicht, daß die Prinzessin ein unüberwindliches Hinderniß hierein sey; man besiegt wichtigere, wenn man so sehr liebt, wie ich. Ich setze in dieser Hinsicht, meine liebe Base, meiner Einbildungskraft keine Schranken, noch Ihren Hoffnungen; Sie können sie so hoch steigern, als es Ihnen gefällt. Leben Sie wohl!«

Die Hoffnung, welche Frau von Chastillon auf diesen Brief hatte, den Herrn Prinzen heirathen zu können, machte sie zögern, die Anerbietungen des Königs von England abzulehnen; sie fragte einen seiner Freunde in Gegenwart der Bourdeaux um[166] Rath. Diese, deren Gatte bei dem Herrn Prinzen war, sagte zu ihrer Gebieterin, daß sie eine Träumerin sey, seinen Augenblick daran zu denken, einen Schattenkönig zu heirathen, einen Armseligen, der nichts zu leben habe, und der, indem er ihrer spotte, sie in kurzer Zeit zu Grunde richten würde; daß wenn es gegen allen Anschein von der Welt möglich wäre, daß er einst wieder den Thron bestiege, sie wohl glauben könne, er würde sie, ihrer überdrüßig, unter dem Vorwande der Ungleichheit des Standes verstoßen. »Sein Freund sagte ihr dagegen, daß es eine Träumerei von ihr wäre, den Herrn Prinzen zu heirathen, der vermählet sey, und dessen Frau sich wohl befinde; daß die Leute vom Dienste des Königes von England bisweilen in übeln Umständen, aber niemals in jener äußersten Noth sich befinden könnten, die bei Privatpersonen so gewöhnlich eintrete; daß es für eine Dame schön sey, als Königin zu leben, selbst wenn sie unglücklich leben würde, und niemals einen ehrenvollen Titel ablehnen sollte, dürfte sie ihn auch nur auf ihrem Grabmale tragen. Was Sie betrifft, Mademoiselle, – sich gegen Bourdeaux [167] wendend, – so haben Sie recht, zur gnädigen Frau so zu sprechen, da Sie nur Ihre Interessen berücksichtigen; allein ich, der ich nur die Seinigen im Auge habe, ich sage ihr, was ich ihr sagen muß. Frau von Chastillon dankte ihnen für die Freundschaft, die sie ihr bewiesen, und sagte ihnen, daß sie über ihre Gründe noch nachdenken wolle, bevor sie einen Entschluß fasse. Sie wollte vor seinem Freunde nicht bestimmter über eine Angelegenheit antworten, wobei sie sich schämte, die Partie gegen seinen Rath zu nehmen; inzwischen kam das Leben der Frau von Chastillon, und ihr gegenwärtiges Verhältniß mit dem Abbé Fouquet von mehreren Seiten zur Kenntniß des Königes von England. Es gibt keinen, auch nur ein wenig ehrliebenden Mann, der im Anfange seiner Liebe den Verstand so sehr verlieren könnte, um eine Frau ohne Ehre zu heirathen.

Der König von England verließ die Nachbarschaft von Marlou, sobald er alle diese Nachrichten erfahren hatte, und wollte, indem er Frau von Chastillon sehe, keinen Kampf wagen, der zwischen [168] seinen Sinnen und seinem Verstande zweifelhaft seyn konnte. Frau von Chastillon fühlte damals den Verlust nicht, den sie erlitt, der Wunsch und die Hoffnung, die sie hatte, den Herrn Prinzen zu heirathen, machten ihr alle andere Dinge gleichgültig. Da Frau vonChastillon zu Anfang des Frühlinges durch Vermittlung des Marschalls von Hocquincourt von ihrem Herzogthume nach Marlou, und wenig Tage darauf nach Paris zurückgekommen war, war sie dafür nicht undankbar. Dieser kleine Dienst, und die Versprechungen, die er ihr gab, den Cardinal zu tödten, und seine festen Plätze in die Hände des Herrn Prinzen zu legen, rührten das Herz der Frau vonChastillon auf den Punkt, dem Marschall die höchsten Gunstbezeigungen zu gewähren. So war der Sommer vorüber gegangen, während dessen der Abbé Fouquet, der diesen Verkehr merkte, oft böse Stunden verlebte, und er hätte damals gethan, was er späterhin that, wenn die Liebhaber sich nicht lieber selbst betrögen, wenn es sich darum handelt, ihre Liebchen zu verlassen oder zu verdammen.

[169] Den Winter darauf machte der Herzog von Candale nach seiner Rückkehr aus Catalonien Miene, in Frau von Chastillon verliebt zu seyn; der Abbé Fouquet, beunruhiget von einem so gefährlichen Nebenbuhler, ließ ihn durch Boligneux bitten, es nicht zu seyn. Herr von Candale, der damals in der That in Frau von Olonne verliebt war, und an Frau vonChastillon sich nur gemacht hatte, um sie als Vorwand zu benützen, gewährte dem Abbé Fouquet leicht, um was er ihn bitten ließ. Aber da bei dieser Geliebten die Liebhaber wie eine Hyder waren, der man den Kopf nicht abschlug, ohne einen andern nachwachsen zu machen, nahm la Feuillade den Platz des Herzogs von Candale ein. Der AbbéFouquet, der ihn sogleich verstand, sprach selbst ziemlich trotzig mit la Feuillade, der, sei's, daß er glaubte, sein Nebenbuhler würde geliebt, und er deßhalb in seinem Unternehmen scheitern, sei's, daß seine werdende Liebe ihm seine ganze Klugheit ließ, es für passend hielt, sich keinen so gewaltthätigen Mann auf den Hals zu laden, er bestand also nicht auf dieser Liebe. Der [170] Marquis von Coeuvres hatte nicht so viele Gefälligkeit in der seinigen, wie la Feuillade; er fuhr fort, die Frau von Chastillon zu sehen, trotz dem Abbé Fouquet; da er aber weder genug Vermögen noch genug Verdienst hatte, um ihr Herz zu rühren, so eroberte sie ihn nur, und behielt ihn nur bei, um dem Abbé Fouquet warm zu machen, und ihn zu bewegen, seine Geschenke zu erneuern, und ihm zu erkennen zu geben, daß sie vornehme Leute in ihrem Interesse habe, die nicht dulden mürden, daß man sie mißhandle. Der Abbé Fouquet mußte also diesen Nebenbuhler ertragen, aber er entlud seinen Zorn auf den armen Vineuil; dieser war einer von den ersten Liebhabern der Frau vonChastillon, gut behandelt, ein Mann von gesundem Verstande, und dessen Geist zu fürchten war. Der Abbé Fouquet gab dem Cardinal zu verstehen, daß es gefährlich wäre, ihn in Paris zu lassen, so daß der Cardinal, der damals nur durch die Augen des Abbé sah, dem Vineuil einen geheimen Kanzleibefehl 4 zustellen [171] ließ, bis auf weitern Befehl nach Tours zu gehen. Da er von Frau von Chastillon nicht Abschied nehmen konnte, schrieb er ihr diesen Brief vom letzten Oktober 1651:

»Welches Verlangen Sie mir auch bezeigt haben, daß ich Sie besuche, so glaubte ich wegen des geringen Vergnügens, das Sie bei meinem letzten hatten, daß ich besser thun würde, mich dessen zu enthalten, weil ohnedem Ihre Kälte mir alle Freude entzieht, die ich sonst fühlte, wenn ich Sie sah; denn ich bin in Wahrheit überzeugt, daß ich um keinen Antheil, weder an Ihrer Gunst, noch an Ihrem Vertrauen mich bewerben darf; das Verhältnis worin Sie stehen, ist so, daß es nicht duldet, daß Sie etwas außer ihm berücksichtigen, und Sie nöthiget, es an dem mangeln zu lassen, was Sie durch wesentliche Verpflichtungen schuldig sind. Ich glaube selbst, Sie würden mir bessern Dank wissen, Sie völlig zu vergessen, als mich in diesem Falle daran zu erinnern, und [172] meine Absonderung von Ihrer Person und von Ihren Interessen von Herzen gerne billigen. Bei allem dem gnädige Frau, will ich nicht, daß Sie mich verlieren, weil ich wohl versichert bin, daß Sie froh seyn werden, einst jenen wiederzufinden, den Sie jetzt geringschätzen. Ich werde mich ganz so sehr erhalten, als es das Bewußtseyn Ihrer gegenwärtigen Lage zulassen kann, und die Freundschaft, die ich Ihnen versprochen habe, die es nicht zu verhehlen vermag, daß das ganze menschliche Geschlecht wüthende Eingriffe in Ihr Betragen macht, und Sie der beständige Gegenstand aller Tagesgespräche geworden sind. Man schildert Ihr Verhältniß als das niederträchtigste und verworfendste, in welches sich jemals eine Person von Ihrem Ansehen eingelassen habe, und man sagt, daß Ihr Freund über Sie eine tyrannische Herrschaft ausübe, und über alles, was sich Ihnen nähert; daß er alles davonjagt, was Ihnen gefällt, und daß er selbst jene bedrohet, von denen er fürchtet, sie seyen seine Nebenbuhler, wie er es dem la Feuillade machte, und ich übergehe mit Stillschweigen die nähern Umstände seiner geheimen Besuche, die hinlänglich [173] bekannt sind. Denken Sie, gnädige Frau, an den Nachtheil, der Ihrem Rufe durch diesen Umgang zugeht, und überlegen Sie, wer Sie sind, und wer der ist, der Ihnen die Ehre raubt; denn das Ansehen und die Achtung, die er Ihnen bewirkt, sind für Sie sehr ehrenvoll, und falsche Lichter, die auf Sie zurückstrahlen, vielmehr um Sie zu beschädigen, als um Sie zu beleuchten. Ach gnädige Frau, wenn die armen Verstorbenen nur ein wenig Empfindung hätten, sie würden ihre Gräber durchkratzen, um herauszusteigen, und Ihnen Vorwürfe machen über eine so schimpfliche Abhängigkeit, aber ich glaube nicht, daß Sie von der Erinnerung an sie gerührt werden; fürchten Sie die Lebenden, die früh oder spät über Ihr Betragen aufgeklärt seyn, und darin ohne Zweifel den nöthigen Unterschied machen werden. Ich stelle Ihnen alle diese Dinge nicht aus einem Beweggrunde der Eifersucht vor; denn ich versichere Ihnen, daß ich über eine so betrübende und unnütze Leidenschaft, wie diese, nicht betroffen bin. Liebte ich Sie mit Innigkeit, so bräche ich in Schmähungen aus, die Ihnen unersetzlichen Schaden machen [174] würden, und rächte mich wegen jenem, den Sie mir ma chen, mit eben so großer Undankbarkeit. Liebte ich Sie gar nicht, so würde ich Scherz treiben, wie die andern; aber ich erhalte mich in Hinsicht ihrer in einem Mittelstande, der mir einen stummen Schmerz über die Verblendung Ihres Betragens verursacht, das Sie zuletzt in die tiefsten Abgründe führen wird, wenn Sie nicht an sich denken, und sich durch Ihre Klugheit zurückhalten, ohne die Ereignisse zu erwarten. Ich nehme morgen den Weg von Tourraine, und sage Ihnen ein Lebewohl, gnädige Frau. Wenn Sie die Warnungen gut aufnehmen, die ich Ihnen gebe, werde ich fortfahren, Sie zu lieben; wenn übel, – so werde ich suchen, mich von dem Grundsatze loszumachen, der die Ursache davon ist; inzwischen bitte ich um keinen guten Dienst für meine Verhältnisse, sondern nur, daß Sie verhindern, daß man mir nicht schlechte erweise, wofür ich Ihnen verbunden seyn werde.«

Die Verbannung des Vineuil verschaffte dem Abbé Fouquet wenig mehr Ruhe, als er zuvor hatte; Frau von Chastillon machte ihn alle Augenblicke [175] rasend, aber was ihn am meisten beunruhigte, war der Umgang des Marschalls von Hocquincourt mit ihr. Dieß hatte sie so stolz gemacht, daß sie den Abbé Fouquet oft behandelte, als hätte sie ihn nicht gekannt; dieser sah wohl, woher ihr Hochmuth kam.

Unterdessen, da sich der Marschall von Hoc quincourt durch Frau von Chastillon gedrängt fand, ihr die Versprechen zu halten, die er ihr gegeben hatte, und es nicht thun wollte, ließ er den Cardinal von allem, was er der Frau von Chastillon versprochen, durch einen Edelmann von ihm, der ihn zu verrathen schien, in Kenntniß setzen, und zu gleicher Zeit die nämliche Nachricht dem Abbé Fouquet durch Frau von Calvoisin, Gattin des Hofmeisters des Königes geben; diese List hatte ganz die Wirkung, welche der Marschall davon erwartet hatte; der Cardinal wurde davon erschreckt, und ließ, um eine so gefährliche Intrigue zu vereitlen, mit dem Marschall von Hocquincourt unterhandeln. Der Abbé Fouquet seinerseits, den dieCalvoisin benachrichtigt hatte, hat den Cardinal, zu billigen, daß er Frau von [176] Chastillon verhaften ließe, und sie an einen Ort brächte, wo sie mit Niemand Verkehr haben könnte, bis er es für zeitgemäß hielt, sie wieder in Freiheit zu setzen. Da der Cardinal dazu eingewilligt hatte, ließ Abbé Fouquet die Herzogin von Chastillon zu Marlou ergreifen, und mit einem Fräulein nach Paris führen, wo sie Nachts ankamen und bei einem Namens von Vaux wohnten, in der Straße von Vortou. Am folgenden Tage nach ihrer Ankunft drang ihr der AbbeFouquet aus Auftrag des Cardinals eine Schrift an den Marschall von Hocquincourt ab, worin sie ihn hat, sein Abkommen mit dem Könige zu treffen und nicht mehr weder an den Herrn Prinzen zu denken, noch an sie, weil dieß sie in Lebensgefahr bringe, und weil sie wenige Tage zuvor, ehe sie verhaftet wurde, mit dem Marschalle übereingekommen war, daß wenn sie verhaftet würde und man von ihnen Briefe verlangte, gegen die gemeinschaftlich genommenen Maßregeln, sie denselben keinen Glauben beimessen wollten, wenn sie nicht mit einem doppelten C. unterzeichnet wären, setzte sie es nicht in diesen Brief, aber wohl in einen andern, [177] den sie zu gleicher Zeit dem Marschalle schrieb, worin sie ihn aufforderte, standhaft auf seinem ersten Entschlusse zu beharren, den er genommen hatte, dem Herrn Prinzen zu dienen, und ihm seine Festungen zu übergeben. Der Marschall, der die Absicht dazu gar nicht gehabt, und es nur der Frau von Chastillon versprochen hatte, um dafür Gunstbezeigungen zu erhalten, und um dem Cardinale Gnaden zu entreißen, die er nicht davon erhalten konnte, ohne gefürchtet zu werden, unterdrückte den Brief des Einverständnisses, und schickte dem Herrn Prinzen jenen, welchen AbbeFouquet von Frau von Chastillon hatte schreiben lassen, aus welchem erkennend, daß sie in Lebensgefahr sey, er ihr rieth, mit dem Hofe ihren Vergleich zu treffen, damit er Frau von Chastillon aus der Haft befreie. Der Cardinal, welcher den Marschall dermaßen in Frau von Chastillon verliebt glaubte, daß er alles geben würde, was man von ihm verlangte, um sie in Freiheit zu setzen, wollte sie ihm für hundert tausend Livres rechnen, auf die hundert tausend Thaler, worüber er mit ihm eins geworden war, aber der Marschall wollte nichts damit [178] machen, und um dennoch bei ihr nicht für einen Betruger zu gelten, und immer mit ihr in Beziehungen zu stehen, wollte er seine Festungen nicht in die Hände des Cardinals legen, ohne zu wissen, daß die Herzogin in Freiheit wäre, so daß man ihn, um ihn hierüber zufrieden zu stellen, betrog, und die Herzogin zu den hochwürdigen Vätern ins Kloster schickte, sich einem Edelmanne sehen zu lassen, den er eigends hiezu gesendet hatte, mit dem sie frei war, hernach aber in ihre Haft zurückkehrte, wo sie noch acht Tage blieb. Während der drei Wochen ihrer Gefangenschaft in der Straße von Poitou, war der Abbe nicht so frei, wie sie; er warb sich wieder täglich je mehr und mehr an, denn weil er mit der Freiheit zu gehen und zu kommen ihr jene nahm, zu betrügen, sie verhindernd Jemand zu sehen, fand er sie tausendmal liebenswürdiger als früher Uebrigens lebte die Herzogin, die sich wieder seine Achtung verschaffen wollte, um sich in Freiheit zu setzen, auf eine Weise mit ihm, fähig, einen Barbaren zu erweichen, nebst tausend Gefälligkeiten und tausend Süßigkeiten, die sie für ihn hatte, bezeigte sie ihm ein so völliges Vertrauen, daß [179] er sich nicht enthalten konnte zu glauben, daß sie immer nur von ihm abhängen wolle.

So standen die Sachen, als der Abbe einen sehr zärtlichen Brief auffieng, den die Herzogin dem Prinzen von Condé geschrieben hatte. Dieß verursachte ihm einen so großen Schmerz, daß er, indem er ihr Vorwürfe machte, sich mit Quecksilber von der Rückseite eines Spiegelglases vergiften wollte, als er aber anfieng, sich übel zu befinden, verlor er die Lust, für eine Ungetreue zu sterben, und nahm Theriac, das er gewöhnlich bei sich trug, um sich gegen seine Feinde zu schützen, die ihm der Dienst den er bei dem Cardinale übernommen hatte, ihm täglich machte. Außer der Freiheit dahin zu geben, wohin es ihr gefiel, der Freiheit dahin zu geben, wohin es ihr gefiel, brachte die Herzogin die Zeit in ihrer Haft sehr angenehm zu; der Abbe verschaffte ihr das beste Leben von der Welt, und gab ihr täglich sehr ansehnliche Geschenke an Bijouterien und Edelsteinen, um zwei Uhr nach Mitternacht ging er von ihr weg, und kehrte um acht Uhr Morgens zu ihr zurück; er war also achtzehn Stunden unter vier und zwanzig bei ihr.

Es war unmöglich, daß der Cardinal nicht wußte.[180] wo die Herzogin sich befand, und es ist possierlich, daß dieser große Mann, welcher das Schicksal von Europa bestimmte, ein Liebesgeheimniß mit dem Abbe Fouquet theilte, woran er kein Interesse hatte. Ich glaube, daß der Grund, den er hatte, diesen Verkehr zu billigen, war, weil er, die Herzogin als ränkevoll kennend, sie lieber in den Händen des Abbe wußte, dessen er versichert war, als in eines Andern, und übrigens, da der Abbe sie im Zimmer bütete und dadurch ziemlich verunehrte, sehr froh war, daß der Prinz von Condé, ihr Vetter und Liebhaber, dadurch eine außerordentliche Züchtigung erhielt. Da endlich der Vergleich des Marschalls von Hocquincourt auf die Bedingung abgeschlossen war, daß die Herzogin ihrer Haft sollte entlassen werden, mußte man sie in Freiheit setzen. Man schickte sie nach Marlou, wo ihr wenige Tage darnach der verdrießlichste Vorfall von der Welt begegnete.

Der Abbe Fouquet war mit ihr übereingekommen, daß sie sich alle Samstage wechselseitig die Briefe zurücksenden wollten, die sie sich im Laufe der [181] Woche geschrieben, und daß er sie durch einen Menschen würde holen lassen, der vorgeben sollte an Fräulein von Vertus. Eines Tages, da dieser Mensch in Marlou war, kam ein Lackey des Marschalls von Hocquincourt mit einem Briefe für die Herzogin an, welche die Antwort schrieb, und sie einer Kammerfrau gab, um sie dem Ueberbringer einzuhändigen; diese irrte sich und gab dem Boten des Abbe die Antwort, welche ihre Gebieterin dem Marschalle schrieb, und dem Lackey des Marschalles, das für den Abbe bestimmte Packet. Man kann sich denken, in welcher Unruhe die Herzogin war, sobald sie die Verwechslung erfuhr, und besonders, wenn man wissen wird, daß in dem Briefe, den sie dem Abbe schrieb, außer tausend Süßigkeiten, auch noch ein großes Kapitel gegen Frau von Bregy war, die sie haßte, weil sie von der Natur die körperlichen und geistigen Züge hatte, welche die Herzogin nur durch Erkünste lung besaß. Es ist gewiß, daß sie diese immer beneidet hatte, und ihr niemals ihre Vorzüge verzeihen konnte. An einer andern Stelle ließ sie kein gutes Haar an dem Mylord Montaign, und brachte [182] fast überall die beißendste Spottereien von der Welt gegen den Marschall an. Wenn sie ferner wieder an die Briefe des Abbe dachte, die sie ihm schickte, worin Zärtlichkeit und Aufwallung der Liebe waren, die für eine Geliebte gut seyn konnten, aber gleichgültigen Personen gewöhnlich sehr lächerlich schienen, und daß sie in den Händen eines ruhmsüchtigen und verhöhnten Nebenbuhlers sich befanden, war sie in Verzweiflung; der Abbe seinerseits brachte seine Zeit auch nicht besser zu. Was den Marschall betrifft, so urtheilte er, sobald er alle Briefe des Abbe und jenen gesehen hatte, den ihm die Herzogin schrieb, daß er einst bewogen werden könnte, sie ihr zurückzugeben, durch seine Schwachheit ihr gegenüber, oder durch die Bitte ihrer Freunde, so daß er, um sich in den Stand zu setzen, sich an ihr zu rächen, wann es ihm gefiele, sie alle abschreiben ließ, und dann die Orginalien dem Herzoge von la Rochefaucault, und der Frau von Pisieux zeigte, die er als Feindin der Herzogin kannte. Nachdem er Abbe eine Nacht in Marlou gewesen war, kam er nach Paris zum Marschall zurück, von dem er seine Briefe verlangte. [183] Der Marschall begnügte sich nicht, sie ihm zu verweigern, sondern fügte auch noch allen Spott nach seiner Art bei, der ihm nur einfallen konnte. Während der Marschall sich lustig machte, hielt er den Brief der Herzogin an den Abbe offen in der Hand; dieser, der sich fast lieber hätte können tödten, als seine Geliebte in der Willkür seines Nebenbuhlers lassen, in welcher sie durch diesen Brief stand fiel darüber her, und riß die Hälfte davon ab, die er die Herzogin sehen ließ, indem er ihr sagte, daß der Marschall die andere verbrannt habe. Indeß bedeutete der Marschall dem Abbe, im Zorn über sein Unterfangen, daß er sogleich sich entfernen, und daß er, wenn nicht einige Rücksicht ihn abhielte, ihn zum Fenster würde hinaus werfen lassen.

Wenige Tage darnach glaubte die Herzogin, nach Paris zurückgekommen, um das Publikum über tausend nähere Umstände, die der Marschall von ihr gesagt hatte, eines bessern zu belehren, sie müsse Leuten von Verdienst und Tugend zeigen, auf welche Art sie ihn behandeln würde. Sie wählte hiezu das Haus des Marquis von Sourches, Großprofoßen [184] von Frankreich, bei dem und seiner Gattin sie sich vorzüglich rechtfertigen wollte. Als das Rendezvous mit dem Marschalle genommen war, merkte dieser ihr Vorhaben. »Gott behüte Dich, mein armes Kind, sagte er zu ihr, indem er sich ihr näherte, wie befinden sich meine kleine Hinterbacken, sind sie immer recht mager?« Man kann sich die Lage nicht denken, in welche die Herzogin durch diese Anrede kam; es war ein Kolbenschlag auf das Haupt; dennoch dachte sie daran, den Marschall als unsinnig und unverschämt zu behandeln, allein sie glaubte, daß er, weil er nun einmal so angefangen, in das für sie schimpflichste Detail von der Welt eingehen würde, wenn sie ihr auch nur ein klein wenig erzürnte. Der Großprofoß und seine Gattin sahen sich einander an, und, gegen die Herzogin sich wendend, diese mit gesenkten Blicken; in der That sie änderte die Farbe nicht, aber die sie kannten, hielten sie nicht für minder bestürzt; endlich nahm der Großprofoß das Wort, und sagte. »Sie haben Unrecht, Herr Marschall, die braven Männer sollen den Tamen nie ins Gesicht widerstehen; man muß ihnen Dank [185] wissen für das Geschenk, das sie mit ihrem Herzen machen, und sie nicht beleidigen, wenn sie es verschmähen.« Ich stimme Ihnen bei, sagte der Marschall, aber wenn ihr Herz einmal verschenkt ist, und sie hernach wechseln, müssen sie große Schonung für jene bezeigen, die sie geliebt haben, und wenn sie über sie spotten, setzen sie sich großen Unannehmlichkeiten aus. Sie verstehen mich wohl, gnädige Frau, fügte er hinzu, sich gegen die Herzogin wendend, ich bin versichert, daß sie wohl glauben, daß ich recht habe, aber sie überraschen mich durch Ihre Verlegenheit; Sie sollten der Beschwerlichkeiten gewohnt seyn, seitdem sie schlimme Streiche den Leuten spielen, die sich dafür rächen; ich gestehe Ihnen, ich hätte nicht geglaubt, daß sie noch so viel Schamgefühl besäßen, als sie zeigen,« – und indem er diese Rede endete, ging er, und ließ die Herzogin mehr todt als lebendig zurück. Der Großprofoß und seine Gattin suchten sie wieder zurecht zu bringen, indem sie sagten, daß das, was der Marschall gesprochen, keinen Eindruck auf ihre Gesinnungen gemacht[186] hätte; inzwischen pflegte sie von diesem Tage an keinen großen Umgang mit ihr.

Vierzehn Tage darnach mußte der Abbe nach Hof gehen, der in Compiegne war; die Herzogin, welche die Rückkehr des Prinzen von Condé nach Frankreich vorhersah, durch den allgemeinen Frieden, von dem stark gesprochen wurde, und die nicht wollte, daß er sie in einem für sie so schimpflichen Verhältnisse träfe, das ihr übrigens sehr zur Last war, beschloß es aus eine Art zu brechen, daß keine Spur mehr davon blieb. Mit diesem Vorsatze ging sie in die Wohnung des Abbe, wo sie von demjenigen seiner Diener, auf den er das größte Vertrauen setzte, die Schlüssel zum Kabinette seines Gebieters verlangte, indem sie sagte, daß sie ihm schreiben wolle, dieser Mensch, ohne weiter nachzuforschen, und nur die Liebe des Abbe für die Herzogin im Auge, gab ihr sogleich alles, was sie verlangte. Als sie sich allein sah, brach sie das Schloß des Kästchens auf, wo sie wußte, daß der Abbe ihre Briefe aufbewahrte, und nahm nicht nur alle diese, sondern auch andere vom Prinzen von Condé, die sie ihm geopfert hatte, [187] und verbrannte sie bei Frau von Sourches. Als der Abbe nach seiner Rückkehr die Zerschmetterung in seiner Wohnung fand, ging er zur Herzogin, und fing mit der Drohung an, ihr die Nase abzuschneiden, dann zerschlug er einen Crystallleuchter, und einen großen Spiegel, den er ihr gegeben, und ging fort, nachdem er ihr tausend Schmähungen gesagt hatte. Während dieses Lärmes bemächtigte sich eine Kammerfrau der Herzogin, welche glaubte, daß der Abbe alles das wieder nehmen würde, was er ihr geschenkt, des Kästchens mit den Edelsteinen ihrer Gebieterin, und trug es zur Frau von Sourches, wo es am nämlichen Abende die Herzogin holen ließ, um es einer Andächtigen, Verwandtin ihrer Mutter, in Verwahr zu gehen. Der Abbe, am andern Tage davon benachrichtiget, ging zu dieser Andächtigen, und nahm das Kästchen mit Gewalt mit sich fort. Als die Herzogin ihren Verlust erfuhr, war sie in Verzweiflung, aber sie verlor die Besinnung nicht, und schickte Leute über den Abbe, die so viel Einfluß auf ihn hatten, daß er das Kästchen zurück gab, und bei dieser Rückgabe söhnten sie sich [188] so gut aus, als sie jemals waren, und diese Aussöhnung ging so schnell, daß als Frau von Bouteville am folgenden Tage gekommen war, die Herzogin, ihre Tochter über den Unfall zu trösten, der sie getroffen, der Abbe schon bei ihr war, der sich während dieses Besuches in einem Kabinette versteckte, wo er die ganze Komödie anhörte.

Wenige Tage darnach, da sich die Herzogin sich nicht immer die Mühe geben wollte, es zu verhehlen, daß sie den Abbe wieder sah, und glaubte, weil ihr Streit Aussehen gemacht, mußte ihre Versöhnung offenkundig werden, ließ sie sich von ihren Freunden auf Anstiften des Abbe drängen, ihm verzeihen zu wollen, und nachdem sie zuletzt eine Gewissenssache daraus gemacht hatte, ließ sie die Frau Oberin des Klosters von der Barmherzigkeit, eine seligen Anschauungen unterworfene Frau, mit einander sprechen, und sich umarmen. Diese Vermittlung brachte die ehrwürdige Mutter bei der Königin und dem Cardinale ein wenig in Mißkredit. Sie glaubte nicht, daß sie einen so besondern Verkehr mit Gott habe; da sie sich so leicht von Menschen betrügen lasse.

[189] Inzwischen dauerte diese Versöhnung nur sechs Monate; die Rückkehr des Prinzen von Condé nach Frankreich, die sich von Tag zu Tag näherte, ließ die Herzogin fürchten, daß er sie noch unter der Herrschaft des Abbe fände, und die Frauen von St.Chaumond und von Feuquieres, ihre Basen und guten Freundinnen, beschämten sie so daß sie mit ihm unter dem Verwande der Frömmigkeit brach. Es fiel dem Abbe sehr schwer, in das Vorhaben der Herzogin einzuwilligen; zu einer andern Zeit hätte er es nicht gethan; aber da er seinen Einfluß bei dem Cardinale sehr vermindert sah, und fürchtete, daß der Prinz von Condé, der ihn außerdem haßte, und Bouteville, welche den Schimpf rächen wollte, den er ihrem Hause angethan, ihn möchten tödten lassen, wenn er der Herzogin den mindesten neuen Anlaß zu Beschwerden gäbe, hörte er auf, sie zu sehen, aber nicht sie zu lieben.

Um diese Zeit hatte Frau von Olonne, wie ich erwähnte, die Gräfin von Fiesque gebeten, in ihrem Namen dem Abbe Fouquet über eine angebliche Verbindlichkeit, zu danken, die eigentlich [190] nichts war, aber ›sie wollte bei dem Abbe Fouquet‹ Betrachtungen über diese Artigkeit erregen, und ihm begreiflich machen, daß wenn man den Leuten für etwas so Geringes danke, man ihnen größere Verbindlichkeiten schuldig seyn wolle. Am nämlichen Tage, da Frau von Olonne die Gräfin sah, fand sie den Abbe bei Frau von Bonnelle, und machte ihm hier selbst ihr Compliment; der Abbe, der sehr erfreut war, sich der Frau von Olonne nähern zu können, um seine Heilung von der Leidenschaft zu versuchen, die ihm noch für Frau von Chastillon blieb, erwiederte ihre Artigkeiten, so verbindlich er nur konnte, und da am folgenden Tage die Gräfin ihn hatte holen lassen, und ihm sagte, was Frau von Olonne sie gebeten, ihm zu sagen, versetzte er: »Ich weiß mehr davon als Sie, gnädige Frau, und erhielt gestern Abends von ihr selbst Beweise ihrer Erkenntlichkeit; aber sie möchte von Ihnen gerne etwas erfahren, fügte er bei, ob der Graf von Guiche nicht in Frau vonOlonne verliebt ist; ist dieß der Fall, so will ich die Gelegenheit vermeiden, es zu werden; er hat in Allem so viel [191] Rücksicht für mich gehabt, daß es lächerlich von mir wäre, ihn übel zu behandeln.« »Nein, erwiederte die Gräfin, wenigstens haben Frau von Olonne und er, jedes besonders, mir gesagt, daß sie nicht an einander denken.« »Wenn's so ist, versetzte der Abbe, so bitte ich Sie, gnädige Frau, der Frau von Olonne zu melden, daß Sie mich gesehen und ich über das, was Sie mir in ihrem Namen gesagt haben, so von Freude entzückt geschienen, zu sehen, wie sie aufgenommen, was ich für sie that, daß sie nicht zweifeln, daß ich rasend in sie mich verlieben würde. Und hierüber, gnädige Frau, fragen Sie sie, ich bitte Sie, was ich thun würde, wenn es so wäre.« Da die Gräfin ihm dieß versprach, ging der Abbe fort, und am folgenden Tage, als Frau von Olonne dieses Briefchen von der Gräfin erhalten hatte, gab sie diese Antwort: »Sie fragen mich, was ich thun würde, wenn der Abbe Fouquet sehr in mich verliebt wäre? Ich werde mich wohl hüten, es Ihnen sagen, aber er gefällt mir so sehr, als er mir vorgestern gefiel. Leben Sie wohl. Die Castilianerin.«

[192] Der Chevalier von Gramont war bei der Gräfin einen Augenblick darnach angekommen, als sie dieß Briefchen erhalten hatte, und fand sie im Bette; und da er ein Papier sah, das nur zur Hälfte unter ihrem Kopfkissen war, nahm er es. Als die Gräfin dieß Papier von ihm wieder forderte, gab ihr der Chevalier ein anderes zurück, ungefähr von derselben Größe. Die Personen, welche gerade bei der Gräfin waren, beschäftigten sie so sehr, daß sie den Betrug des Chevalier nicht bemerkte, der beinahe gleich darauf, da er ihn verübt hatte, fort ging. Als er sah was es war, darf man nicht fragen, ob er Freude fühlte etwas in Händen zu haben, was der Frau von Olonne schaden, und den Grafen von Guiche rasend machen konnte. Er erinnerte sich, dem Marsillac geopfert worden zu seyn, und der Unruhe, die sein Neffe ihm in Bezug auf die Gräfin veranlaßt hatte, und er war sehr froh, daß der Abbe ihn auch wieder quälte. Der Lärmen, den er von diesem Briefe machte, hatte ganz die Wirkung, die er wünschen konnte; der Graf von Guiche erschrack, und fragte Vineuil um Rath; [193] sie beschlossen mit einander, daß er selbst hierüber mit dem Abbe sprechen sollte, und schrieb indessen diesen Brief an Frau von Olonne:

»Sie bringen mich zur Verzweiflung, gnädige Frau, aber ich liebe Sie zu sehr, um mich gegen Sie heftig zu erzürnen; vielleicht daß dieses Verfahren mehr Ihr Herz rühren wird, als die Vorwürfe. Inzwischen muß meine Entrüstung auf Jemand fallen, und ich weiß Niemand, der sie sich mehr zugezogen hätte, als die Gräfin. Sie ist es gewiß, die den Abbe Fouquet veranlaßt hat, an Sie zu denken; sie ist in Verzweiflung; daß ich sie verlassen habe. Um zu machen, daß ich zu ihr zurückkehre, oder um sich meiner Veränderung wegen zu rächen, will sie mir einen Nebenbuhler geben, der mich verdränge, oder es mir verleide, Sie zu lieben. Ich glaube nicht, daß sie in dem einen oder andern Falle ihren Zweck erreichen werde, gnädige Frau, aber ich kann nicht umhin, ihr den nämlichen Dank zu wissen; als ob das eine oder das andere geschehen wäre, auch darf sie erwarten, daß ich keine Rücksicht mehr für sie haben werde, und daß es nichts [194] auf der Welt gebe, was ich nicht thäte, um mich dafür zu rächen.«

Frau von Olonne, die des Grafen von Guiche nicht so versichert war, daß sie nicht fürchten sollte, die Gräfin könnte ihn wieder nehmen, wollte sie auf den Punkt entzweien, daß wahrscheinlicher Weise keine Versöhnung mehr zwischen ihnen Statt haben konnte, und hatte daher kaum diesen Brief erhalten, als sie ihn zu diesem Zwecke der Gräfin schickte. Diese, ganz rasend gegen den Grafen vonGuiche, ließ dem Vineuil sagen, er möchte zu ihr kommen. »Ich habe Sie holen lassen, um Ihnen zu sagen, daß Ihr Freund ein Narr und ein Unverschämter ist, mit dem ich keinen Umgang mehr haben will. Sehen Sie den Brief, den er der Frau von Olonne geschrieben hat, er beklagt sich, daß ich den AbbeFouquet dränge, sich mit seiner Geliebten einzulassen, und erinnert sich nicht, daß er mir gesagt hat, daß er nicht mehr an sie denke.« »Ich bitte Sie um Verzeihung für ihn, antwortete Vineuil; entschuldigen Sie einen armen Liebhaber, der, weil man ihm seine Geliebte nehmen will, nicht mehr [195] weiß, was er that, noch an wen er sich halten soll; sobald ich ihn werde zu sich gebracht haben, wird er sich zu Ihren Füßen werfen.« Nach einigen andern Gesprächen ging Vineuil fort, und kam eine Stunde darnach mit dem Grafen von Guiche wieder zurück, welcher der Gräfin so viele Sachen sagte, daß sie ihm versprach, nicht mehr an seine Ungeschliffenheit zu denken. Am folgenden Tage besuchte der Graf, der beschlossen hatte, mit dem Abbe zu sprechen, denselben, und ihn auf die Seite ziehend, sagte er: wenn wir alle Zwei zu gleicher Zeit angefangen hätten, in Frau von Olonne verliebt zu seyn, wäre es lächerlich, befremdend zu finden, daß Sie sie mir bestritten, auch ich würde es nicht thun, und ließe sie selbst durch ihre Gunstbezeugungen über das Glück des Einen oder Andern entscheiden; aber da Sie mich in einem Verhältnisse beunruhigen, worin ich lange Zeit vor Ihnen stehe, wünschen Sie wohl, daß ich Ihnen sage, daß dieß nicht redlich ist, und ich bitte Sie, mich bei meiner Geliebten in Ruhe zu lassen, ohne mir einen andern Aerger zu machen, als jenen, den mir Ihre Härte verursacht.« »Ich bin [196] ein Freund der Frau vonOlonne, antwortete der Abbe, und weiter nichts; Sie haben also nicht Ursache, sich über mich zu beklagen, wenn ich jedoch glaubte, daß die Rede, die Sie mir da halten, von Leuten wäre gerathen worden, die mich in Verhältnisse bringen wollten, so erkläre ich Ihnen, daß ich Ihr Nebenbuhler seit heute werden sollte. Ich weiß wohl, warum ich so mit Ihnen spreche, und Sie können mich wohl verstehen.« Der Abbe wollte von Vardes, seinem Todfeinde, und Freunde des Grafen sprechen. »Nein«, antwortete der Graf, »ich verstehe Sie nicht, aber was ich Ihnen zu sagen habe, ist, daß die Eifersucht mir rieth, Sie zu bitten, mir keine mehr zu erregen.« Der Abbe versprach es ihm, und sie trennten sich als die besten Freunde von der Welt. Wenige Tage darnach traf dieser Frau vonOlonne bei einem Besuche, sie nahm ihn zur Seite, um ihm geringfügige Dinge anzuvertrauen; da auch der Abbe nicht wußte, was er ihr sagen sollte, erzählte er ihr die Aufklärung zwischen dem Grafen und ihm. »Ich bin sehr erfreut, sagte sie zu ihm, daß ihr Herren über [197] mich wie über euer Gut verfüget; ich gehöre also nun dem Grafen von Guiche, weil Sie ihm Ihre Erklärung gemacht haben, daß Sie keinen Anspruch auf mich machen.« »Ach, gnädige Frau, antwortete der Abbe, ich gebe Sie Niemand; wär' ich im Stande es zu thun, so würde ich, da ich mich mehr liebe als wen immer, Sie für mich behalten; aber auf den Verdacht, den der Gras von Guiche hat, daß ich für Sie Liebe fühle, erklär ich ihm, daß ich nicht daran denke, und dieß zwischen Ihnen und mir, gnädige Frau, weil ich meinem Glücke nicht traue.« Denn – – – – »Nein, nein, unterbrach ihn Frau von Olonne, fahren Sie nicht fort, Herr Abbe, mit mir gegen Ihre Gesinnung zu sprechen; Sie wissen wohl, daß Sie nicht so unglücklich sind, als Sie sagen.« Da der Abbe sich so gedrängt sah, konnte er sich nicht enthalten, ihr zu antworten, daß sie es besser wisse, als er, daß, vermögend das Glück von Königen selbst zu machen, er das seinige für gemacht hielte, wenn sie ihn dessen versicherte, und daß übrigens die Zusage, die er dem Grafen gegeben, ihn nicht verhindern würde, sie zu lieben, [198] wenn er einigen Anschein sähe, geliebt zu werden. Diese Unterredung endete mit so vieler Süßigkeit von Seite der Frau von Olonne, daß der Abbe vergaß, daß er noch Frau von Chastillon liebe, so daß er sich entschloß, sich ohne Neigung an Frau vonOlonne zu machen; er glaubte, indem er den Körper durch die Vergnügungen anziehe, den Geist losmachen zu können, dessen Interessen so vermischt sind. In der That, Frau von Olonne, welcher die Zeit sehr kostbar war, ließ den Abbe nicht schmachten; aber da ihr Einverständniß nicht lange dauern konnte, ohne daß der Graf es bemerkte, ging dieser zu ihr, um ihr Beschwerden darüber zu machen. Als er an der Thüre ihres Zimmers war, hörte er, daß man einiges Geräusch machte; dieß bewog ihn, zu horchen, was es sey; er hörte Frau von Olonne, die Jemand tausend Süßigkeiten sagte; seine Neugierde verdoppelnd, blickte er durch's Schlüsselloch, und sah seine Geliebte ihrem Gatten eben so zärtliche Liebkosungen machen, wie ihrem Liebhaber; dieß flößte ihm nicht weniger Unwillen als Verachtung gegen sie ein; er ging haftig fort nach Hause, wo [199] er Tinte und Papier nahm, und dieß an Vineuil schrieb:

»Sie wissen nicht, einen neuen Liebhaber der Frau von Olonne hab ich entdeckt, aber welchen neuen Liebhaber, guter Gott! einen gut behandelten Liebhaber, einen zum Hause gehörigen Nebenbuhler. Es ist nicht auszuhalten, von Olonne ist's, den ich so eben auf dem Schooße seiner Gattin überrascht habe, der tausend Liebkosungen von dieser Ungetreuen erhielt. Denn kurz, mein Lieber, er ist nicht Ehegemahl, er empfängt alle Süßigkeiten der Liebhaber, andere Liebkosungen, als jene, welche die Pflicht giebt, und empfängt sie bei Tage, die stets nur die Zeit der Liebhaber gewesen ist.«

Als der Graf von Guiche am folgenden Tage zu Frau von Olonne zurückkehrte, versparte er die Vorwürfe, welche er ihres Gatten wegen ihr zu machen hatte, auf ein anderesmal, und wollte über diesen Streich nur mit dem Abbe Fouquet sprechen. Frau von Olonne, die voll Rücksicht war, wenn sie einen Liebhaber verlieren mußte, nicht so sehr aus Furcht seines Verdrusses, als weil sich die Zahl[200] derselben verminderte, sagte zum Grafen von Guiche, daß er Herr ihres Betragens sey, daß er ihr eine solche Lebensweise vorschreiben könne, wie sie ihm gefiele; daß wenn der Abbe ihm verdächtig scheine, so würde sie ihn nicht nur nicht mehr sehen, sondern er sollte selbst Zeuge seyn, in welchem Tone sie mit ihm spräche. Der Graf, der es nie gewagt hatte, ein so großes Opfer von ihr zu verlangen, nahm die Anerbietungen an, die sie ihm hiewegen machte; die Zusammenkunft hatte am folgenden Tage bei dem Graf Statt, wo Frau von Olonne allein mit dem Grafen und dem Abbe, so mit diesem sprach, nachdem sie am Abende vorher alles verabredet hatten. »Ich habe Sie gebeten, Herr Abbe, hieher zu kommen, um Ihnen in Gegenwart des Herrn Grafen von Guiche zu sagen, daß ich Niemand als ihn liebe, und jemals lieben kann; wie waren beide sehr froh, daß Sie es wußten, damit Sie nicht den Grund der Unwissenheit vorschützen möchten. Nicht als ob Sie, ich bekenne es, bisher auf einem andern Fuße mit mir gestanden, als auf dem eines Freundes, aber da Sie dabei ohne Arglist verfahren, so haben [201] Sie vielleicht nicht wahrgenommen, daß Ihre Besuche ein wenig zu häufig waren, und Sie wissen, daß dieß gewöhnlich einem so verliebten Mann, wie der Graf ist, nicht gefällt, welches Vertrauen er auch aus seine Geliebte haben möge. Was mich betrifft, so will ich, so lang' ich lebe, nur darauf denken, ihm zu gefallen; ich wollte Ihnen diese Erklärung machen, damit Sie nicht, ohne daran zu denken, böse Händel anfingen. Bleiben Sie mein Freund, es wird mich sehr freuen, aber je weniger wir miteinander Umgang halten können, desto besser wird es seyn.« »Ja, gnädige Frau, ich verspreche Ihnen, sagte der Abbe, ich trete ganz der Meinung des Herrn Grafen von Guiche bei und habe alle Grade der Eifersucht durchgangen, und es ist nicht erst seit heute, daß wir dieses Kapitel mit einander besprochen haben. Ich weiß wohl, was ich ihm versprochen habe, und ich versichere ihm, daß ich nicht dagegen gehandelt habe.« »Es ist wahr,« unterbrach ihn der Graf, »daß ich mich nicht über Sie beklagen kann; aber die gnädige Frau hat sehr wohl bemerkt, daß, da Sie keine Absicht haben, Sie vielleicht glaubten, [202] nichts gegen das zu thun, was Sie mir versprachen und nur der Schein war gegen Sie.« »Nun wohl,« versetzte der Abbe, »daran soll es nicht liegen, daß Sie glücklich sind; ich gebe Ihnen mein Wort, die gnädige Frau nur einmal des Monates absichtlich zu sehen; für zufälliges Zusammentreffen kann ich nicht gut stehen, es ist jedoch Ihre Sache, hiewegen Ihre Sicherheitsmaßregeln zu nehmen.« Nach tausend Höflichkeiten von beiden Seiten trennten sie sich.

Man wird vielleicht erstaunen, daß der Abbe seine Nebenbuhler bei der Herzogin von Chastillon so ungern litt und mit Frau von Olonne so fügsam war; aber die Ursache ist, weil an jene ihn Liebe, an diese Schwelgerei feßelte, und weil zwar der Leib Mitgenossen dulden kann, aber niemals das Herz.

Einige Zeit darnach beschloß von Olonne, von der schlechten Aufführung seiner Frau unterrichtet, sie auf das Land zu schicken, sowohl um sie zu verhindern, neue dumme Streiche zu machen, als um das Aufsehen zu beschwichtigen, das ihre Gegenwart täglich erneuerte; in der That, kaum war sie abgereiset, so dachte man ihrer nicht mehr, und tausend [203] andere Nachbilder der Frau von Olonne, wovon Paris voll ist, machten in kurzer Zeit das große Urbild vergessen.

Es ereignete sich ein Vorfall, der ohne von der Beschaffenheit jener der Frau von Olonne zu seyn, nicht unterließ, diese eine Zeitlang zu dämpfen. Der Graf von Vivonne, erster königlicher Kammerjunker, und für welchen Seine Majestät von Natur Neigung fühlten, hatte sich auf ein Landgut zurückgezogen, das er nahe bei Paris besaß, um das Osterfest mit zweien von seinen Freunden zu feiern, dem Abbe le Camus und Manchini, dieser ein Neffe des Cardinals, und der andere einer von den Almosenieren des Königes; als sie dort drei oder vier Tage zugebracht hatten, wenn nicht in einer großen Andacht wenigstens in sehr unschuldigen Vergnügungen, besuchten sie der Graf von Guiche und Manicamp, die sich in Paris langweilten. Sobald der Abbe Calmus sie sah, der sie als sehr aufbrausend kannte, beredete er Manchini, nach Paris zurückzukehren, da man vom folgendem Tage an in der Welt sage würde, daß unter ihnen befremdende Dinge vorgegangen seyen, und als Manchini [204] an demselben Abende diese Absicht zeigte, schlugen Manicamp und der Graf von Guiche dem Vivonne vor, Büssy zu bitten, zwei oder drei Tage mit ihnen zu verleben, mit der Versicherung, daß dieser die beiden Andern wohl ersetzen könnte.Vivonne, damit einverstanden, schrieb an Büssy im Namen von Allen, daß er gebeten würde, das Weltgetümmel auf einige Zeit zu verlassen, um bei ihnen mit weniger Zerstreuung den Gedanken an die Ewigkeit nachzuhängen. Bevor ich fortfahre, ist es passend, zu zeigen, wer Vivonne und Büßy waren.

Der erstere hatte dicke blaue hervorstehende Augen, wovon die Augäpfel, die oft zur Hälfte unter den Augenwimpern versteckt waren, ihm wider seine Absicht schmachtende Blicke machten; er hatte eine wohl geformte Nase, einen kleinen und aufgeworfenen Mund, einen schönen Teint, goldgelbe Haare in Menge; in der That besaß er ein wenig zu viel Wohlbeleibtheit, einen lebhaften Geist und eine gute Einbildungskraft, aber er dachte zusehr darauf, kurzweilig zu seyn; er sagte gerne Zweideutigkeiten und doppelsinnige Worte, und um mehr bewundert zu [205] werden, machte er sie oft zu Hause, und brachte sie in Gesellschaften, die er besuchte, als Stegreifseinfälle vor; er schloß mit Personen ohne Unterschied sehr schnell Freundschaft, und ob er nun an ihnen einen Vorzug fand oder nicht, er wurde ihrer noch schneller überdrüssig. Was seiner Neigung ein wenig mehr Dauer verlieh, war die Schmeichelei, doch wer ihn nicht bewunderte, hätte gut bewundernswerth seyn können, er würde nicht viel auf ihn gehalten haben. Da er glaubte, daß ein Beweis des guten Verstandes das Zartgefühl für alle Werte sey, fand er nichts nach seinem Geschmack von allem, was er sah, und urtheilte gewöhnlich darüber ohne Kenntniß und ohne Gründlichkeit; kurz er war von seinem eigenen Verdienste so verblendet, daß er an Andern keines sah; und um, wie er, als Witzling zu sprechen, er hatte viel Selbstgenügsamkeit 5 und viel Unfähigkeit zugleich; er war kühn im Kriege, und furchtsam in der Liebe, indeß wenn man ihm glauben wollte, hätte er allen Frauen übel mitgespielt, mit denen er sich eingelassen, und die Wahrheit ist, daß er bei gewissen [206] Damen scheiterte, die bisher Niemand abgelehnt hatten.

Roger von Rabütin, Graf von Büssy, Oberst der leichten Cavallerie, hatte große sanfte Augen, einen wohlgeformten Mund, eine große Adlernase, eine vorragende Stirne, ein offenes Gesicht, eine glückliche Gesichtsbildung, blonde, feine und glänzende Haare; sein Geist paarte Zartheit mit Kraft, Frohsinn mit Munterkeit; er sprach gut, schrieb richtig und angenehm; er war von Natur sanft, aber die Neider, welche ihm seine Verdienste zuzogen, hatten ihn bitter gemacht, so daß er sich mit seinen Freunden auf Kosten der Leute, die er nicht liebte, gerne lustig machte; er war brav ohne Prahlerei, liebte die Vergnügungen mehr als das Glück, aber die Ehre mehr als das Vergnügen; er war galant mit allen Damen, und sehr höflich und bei der Vertraulichkeit, welche er mit seinen besten Freundinnen hatte, ließ er es niemals an der Ehrerbietung fehlen, die er ihnen schuldig war. Diese Art zu handeln läßt schließen, daß er Liebe für sie fühlte; gewiß ist es, daß sich immer ein wenig davon in [207] seine großen Freundschaftsbezeigungen mischte; er hatte gut und lange im Kriege gedient, aber da es zu seiner Zeit nicht genug war, Geburt, Geist, Dienste und Muth aufzuweisen, um zu großen Würden zu gelangen, war er mit allen diesen Eigenschaften auf der halben Bahn seines Glückes geblieben, weil ihm die Niederträchtigkeit fehlte, Leuten zu schmeicheln, in welche Mazarin, der höchste Gnadenspender, sein Vertrauen setzte, oder weil er nicht im Stande war, sie ihm durch Furchterregung zu entreißen, wie es die meisten Marschälle seiner Zeit gemacht hatten.

Als nun Büssy dieses Briefchen von Vivonne empfing, stieg er sogleich zu Pferde, und begab sich zu ihm, er traf seine Freunde sehr gestimmt sich zu ergötzen, und gewohnt keine Freude zu stören, machte er die Lust noch völlig vollständig. Eintretend sagte er: »ich bin sehr erfreut, meine Freunde, Sie von der Welt so abgesondert zu finden; man bedarf besonderer Gnade von Gott, um sein Heil zu gründen; in den Verwirrungen des Hofes treiben Ehrgeiz, Neid, Schmähsucht, Liebe und tausend andere Leidenschaften, gewöhnlich die bestgeartesten Leute zu Lastern,[208] deren sie in ihren Einfiedeleien wie diese hier, unfähig sind; laßt uns denn mit einander selig werden, meine Freunde und weil, um Gott angenehm zu seyn, nicht nöthig ist zu weinen oder vor Hunger zu sterben, so laßt uns lachen, meine Lieben, und wohlleben.« Diese Meinung wurde allgemein gebilliget; man schickte sich nach Tisch zur Jagd an, und ließ auf den folgenden Tag Harmoniemusik bestellen. Nachdem diese Herren vier oder fünf Stunden gelaufen waren, kamen sie ausgehungert zurück, um das größte Mahl von der Welt einzunehmen. Nach dem Abendessen, das drei Stunden gedauert hatte, während dessen die Gesellschaft jener Munterkeit genoß, die immer das gute Gewissen begleitet, ließ man Pferde zum Spazierritte im Parke vorführen. Hier war es, wo diese vier Freunde, sich in Freiheit fühlend, um sich zu ermuthigen, die Welt mehr zu verachten, den Vorschlag machten, das ganze menschliche Geschlecht zu lästern; aber einen Augenblick darauf ließ die Erwägung denBüssy äußern, daß man ihre gute Freunde von dieser allgemeinen Achtserklärung ausnehmen müsse. Dieser Rath wurde gebilliget, jedoch baten die übrigen von [209] der Gesellschaft um Schonung für das, was er liebe; dieß war geschehen, das Zeichen der Verachtung der irdischen Dinge gegeben, und diese guten Freunde begannen ihr Schmählied.

Man kann denken, daß nach einem solchen Anfange alles in das Lied eingeschlossen wurde, mit Ausnahme der Freunde dieser vier Herren, aber da die Zahl derselben klein war, wurde das Lied groß, so daß man für dasselbe allein um nichts davon zu vergessen, einen Band schreiben müßte. Ein Theil der Nacht war unter diesen ländlichen Vergnügungen vergangen, man beschloß sich zur Ruhe zu begeben; jeder trennte sich also sehr zufrieden, die Fortschritte zu sehen, die man in der Andacht zu machen begann. Da Vivonne und Büssy früher als die andern aufgestanden waren, gingen sie in das Zimmer desManicamp, da sie ihn aber nicht fanden, und glaubten, er sey in den Park spatzieren gegangen, gingen sie in das Zimmer des Grafen von Guiche, bei welchem er im Bette lag. »Sie sehen, meine Freunde, sagte er zu ihnen, »daß ich Ihre gestrigen Aeußerungen in Bezug auf die Verachtung der Welt zu [210] benützen trachte; ich hab' es schon über mich gewonnen, die Hälfte davon zu verachten, und ich hoffe, daß ich in kurzer Zeit, mit Ausnahme meiner vertrauten Freunde, auch von der andern nicht viel Aufhebens machen werde.« Oft kommt man am nämlichen Ziele auf verschiedenen Wegen an, versetzte Büssy; was mich betrifft, so verdamme ich Ihre Weise nicht; jeder wird auf seine Weise selig, aber ich will nicht auf jenen Wegen zur Seligkeit eingehen, die sie einschlagen.« »Ich bin erstaunt, sagte Manicamp, daß sie sprechen, wie sie handeln, und daß Frau von Sevigny ihnen nicht verleidet hat, die Frauen zu lieben,« »Doch eben recht von der Frau von Sevigny, sagte Vivonne, ich bitte Sie, uns zu sagen, warum Sie mit ihr brechen; denn man spricht verschieden davon; Einige sagen, Sie wären auf den Grafen dü Lüde eifersüchtig gewesen, und Andere, daß Sie sie der Frau von Montglas opferten, und Niemand hat geglaubt, wie sie beide es gesagt haben, daß es ein Grund des Vortheiles war.« »Wenn ich Ihnen zeigen werde, erwiederte Büssy, daß es sechs Jahre [211] sind, daß ich Frau von Moniglas liebe, werden Sie wohl glauben, daß keine Liebe sich in den Bruch mischte, der im vorigen Jahre zwischen Frau vonSevigny und mir sich ereignete.« »Ach, mein Lieber,« unterbrach ihn Vivonne, »wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich die Mühe geben wollten, uns eine Liebesgeschichte zu erzählen. Aber zuvor sagen Sie uns gefälligst, wer diese Frau vonSevigny ist; denn ich habe nie zwei Personen über sie eins werden sehen.« Das heißt, in wenigen Worten sie genau zu beschreiben, wünschen Sie, antwortete Büssy; man wird nicht eins in Bezug auf sie, weil sie ungleich ist, und weil eine einige Person nicht lange genug bei ihr ist, um den Wechsel ihrer Gemüthsart zu bemerken; aber ich, der ich sie seit ihrer Kindheit immer gesehen habe, ich will Ihnen einen getreuen Bericht über sie erstatten.

Fußnoten

1 La fronde, eine Parthei, die damals dem französischen Hofe zuwider war, und eine Schleuder zum Wahrzeichen hatte.

2 Früher nennt der Verfasser den Bräutigam derBourdeaux nicht Ricoux sondern Riconnet.

3 Chevaux-legers, leichte Reiter, die damals die k. französische Hauskompagnie von gewöhnlich 200 Mann bildeten, deren Capitän der König selbst war.

4 Lettre de cachet, – geheimer Gewaltsbrief oder Verhaitsbefehl, ehemals willkürlicher, mit der französischen Königes kleinerem Siegel ausgefertigter Befehl, wodurch mancher unverhört seiner Freiheit beraubt wurde.

5 Suffisance und Insuffisance

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TextGrid Repository (2012). Bussy-Rabutin, Roger de. Erzählungen. Geheime Liebschaften der Pariser Hofdamen. Geschichte des Herrn und der Frau von Chastillon. Geschichte des Herrn und der Frau von Chastillon. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-49FF-1