[249] [251]Friedrich Rudolph Ludwig Freiherr von Canitz
Satyren und Übersetzungen

[251] [253][1] Die erste Satyre
Der Tod des ungerechten Geitzhalses

Den Harpax, welcher sich zum reichen Mann gelogen,
Und selten einen Spruch im Richter-Ammt gethan,
So er nicht, nach dem Werth der Gaben, abgewogen,
Den griff vor kurtzer Zeit ein brennend Fieber an;
Allein es fand bey ihm gar wenig anzuzünden,
Dann, weil der schnöde Geitz das meiste weggezehrt,
Kroch es, der Flamme gleich, die auch bey starcken Winden
Nur langsam durch den Sand verwachsner Aecker fährt.
Vermeinest du, mein Freund, daß dieses ihn verdrossen?
O nein! der weise Mann braucht die Gelegenheit;
Weil ihm kein Essen schmeckt, ist seinen Hauß-Genossen
Auch nur die halbe Kost, ein Krancken-Mahl, bereit.
Er läßt sie insgesamt vor seinen Stuhl bescheiden,
Und lehrt, was Mäßigkeit für edlen Nutzen schafft;
Auch wie von Uberfluß sein Magen müsse leiden,
Der gleichwohl in geheim den falschen Kläger strafft.
Die Knechte, deren Hertz sich noch nicht loßgerissen
Von dem, was Regung heißt, die sehnen sich nach Brodt:
Ihr Hunger, der nichts will von leeren Regeln wissen,
Wünscht bald dem krancken Wirth Gesundheit, bald den Tod.
[253]
Die Schwachheit mehret sich; doch Harpax will nicht sterben.
Er denckt der Sache nach, wie jämmerlich es sey,
Eh' als die Welt vergehn, und andre lassen erben;
Drum suchet er den Rath der Seinigen herbey.
Die wollen seine Glut mit Kraut und Eßig brechen;
Er schlägt es aber ab, weil er die Kosten scheut,
Und fragt nach jemand sonst, der bloß durch Seegensprechen,
Aus Freundschafft, ohne Geld, und anders nicht, befreyt.
Der Anschlag geht nicht an: man muß zum Artzte schicken.
Der kommt, der Krancke spricht: Es fehlt mir an der Ruh,
Und wird euch euer Fleiß in dieser Cur gelücken,
Sag ich zur Danckbarkeit euch meine Dienste zu.
Ich weiß schon euren Streit, und auch vielleicht von allen
Mehr Nachricht als ihr selbst; ja bildet euch nur ein,
Daß wider euch gewiß das Urthel werde fallen,
So bald ein anderer, als ich, wird Richter seyn.
Der Artzt, dem dieses Wort durch Marck und Beine dringet,
Fällt auf den Krancken zu, beklammert Pulß und Hand,
Und weil sein eignes Blut, aus Furcht und Hofnung, springet,
So setzt er aufs Papier mehr, als ihm selbst bekannt.
Eins kränckt den Harpax noch, daß er nichts von Processen
Des Apotheckers weiß; doch denckt er: Zeit bringt Rath,
Bin ich nur erst gesund. Es kommen unterdessen
Die Mittel, die ihm bloß das Glück verschrieben hat.
Er aber darf, aus Geitz, dieselben nicht geniessen,
Er schont den Stärck-Tranck offt, wenn er am besten labt;
Stiehlt sich die Pulver selbst und steckt sie unters Küssen,
Wo er mit diebscher Faust das Gold von Pillen schabt.
So, daß je mehr und mehr die Lebens-Kräffte schwinden,
Und man schon in der Stadt viel Freuden-Zeichen sieht;
Weil, der die Waysen drückt, und Wittwen pflegt zu schinden,
Nun, wie ein halbes Aaß, den letzten Athem zieht.
Der Sohn, der allbereit im Geist Ducaten zehlet;
Die Frau, die ihren Sinn auf junge Freyer kehrt;
Die trauren, daß er sich und sie so lange quälet,
Und fragen, welchen er von Geistlichen begehrt.
Er spricht: Der meinen Sohn zur Tauffe hielt, Herr Velten,
Denn, wie ihr wißt, so blieb der Pathen-Pfenning aus.
[254]
Steht ihm dergleichen frey, so muß es mir auch gelten;
Drum beicht ich frey bey ihm, ich und mein gantzes Hauß.
Der Schrifftgelehrte kommt, mit fast betrübten Blicken,
Und denckt: Im Testament steh ich wohl oben an.
Er will Magd, Frau und Kind mit seinem Trost erquicken,
Von denen keines mehr das Lachen bergen kan.
Man führt ihn stille fort; er pflantzt sich bey dem Krancken,
Betrachtet die Gefahr, die mehr als allzugroß,
Und schüttet ihm den Sack voll heiliger Gedancken,
Mit Thränen untermengt, in seinen matten Schooß.
Er klagt, daß so ein Mann sein theures Haupt soll neigen,
Der so viel Tugenden auf Erden ausgeübt,
Und welcher noch vielleicht will in dem Tode zeigen,
Wie er so inniglich das Predigt-Amt geliebt.
Nein, Herr Gevatter, nein, schreyt Harpax ihm entgegen,
Sterb ich, so werdet ihr nicht einen Groschen sehn;
Doch, wenn ihr durchs Gebet den Himmel könnt bewegen,
Daß ich nicht scheiden darff, so möcht es anders gehn.
Herr Velten stutzt, und fängt den Stachel an zu wetzen,
Nachdem der Fuchsschwantz nichts beym Sünder ausgericht,
Und rufft, er solle doch sein Unrecht hier ersetzen,
Wo nicht, so sey kein Platz für ihn im Himmel nicht.
Er zehlt an Fingern her die falschen Eydes-Schwüre,
Womit er Gott und Recht, und andere, verletzt;
Wie manchen, der itzund sich nehrt vor fremder Thüre,
Er aus dem Eigenthum des Seinigen gesetzt;
Wie lang er küpffern Geld so häuffig lassen regnen,
Als seines Fürsten Gunst zum Deckel ihm gedient.
Was wird, Gevatter, euch in jener Welt begegnen,
Wenn ihr euch nicht bekehrt, und in der Zeit versühnt?
So warnt sein treuer Mund, so bald er nur gespühret,
Daß er für dieses mahl kein Erbe werden soll.
Der Krancke, dem er nie das Hertz so scharf gerühret,
Spricht mit gebrochner Stimm: Ach, ich erkenn' es wohl!
Giebt aber diesesmahl des Höchsten Wunder-Güte,
Auf wenig Jahre nur dem schwachen Leibe Frist,
So will ich, glaubt es mir, aus Christlichem Gemüthe,
Ein Werck der Liebe thun, das recht erbaulich ist.
[255]
Und denen ich vorhin das Ihrige genommen,
Die sollen wiederum davon den zehnten Theil
Von mir, wie sichs gebührt, um Zinß gelehnt bekommen.
Ach freuet euch mit mir, daß mein Gewissen heil.
Man siehet bald darauf ihn mit dem Tode ringen,
Der gute Velten wird vom Beten abgeschreckt;
Doch andre fahren fort mit Sprüchen und mit singen,
Das Buß und Andacht sonst bey Sterbenden erweckt.
Als er nun ungefehr von seinem Heyland höret,
Der seine Schuld bezahlt, die Handschrifft ausgelöst;
Da wird er so von Geitz und Phantasie bethöret,
Daß er noch diese Wort' aus seinem Rachen stößt:
Was? Meine Schuld bezahlt? Die Sache schwebt im Rechte.
Ich werde nichts gestehn; wer weiß, wer noch verliert?
Damit entfährt der Geist dem losen Mammons-Knechte,
Dem ieder nun das Grab mit einem Schelmen ziert.

[256] [2] Die zweyte Satyre
Von der Freyheit

Ich sehe meinen Leib, als ein Gewand, verschleissen,
Was aber in mir wohnt, und Seele wird geheissen,
Empfindet einen Trieb, der nach der Freyheit strebt;
Doch, eh ich sie erlangt, hab ich fast ausgelebt.
Ich habe solchen Wunsch vielleicht bey mir gespühret,
So bald mein erstes Blut und Athem sich gerühret;
Wer weiß, wie offt ich schon, ich unvollkommne Frucht,
Den Fortgang zur Geburt mit Ungestüm gesucht?
Ob nicht mein freyer Geist schon mit den bittern Zähren,
Sich gegen allen Zwang der Windeln wollen wehren,
Und ob nicht dazumahl mein unvergnügter Mund,
Wenn ihm der Ammen Brust nicht bald zu Dienste stund,
Ein gleiches Klage-Lied, aus Ungedult, gesungen,
Als mir bey reiffrer Zeit der Kummer abgedrungen?
Das weiß ich, da ich erst, wie zu mir selber, kam,
Und mich des Lehrers Fleiß zur strengen Aufsicht nahm,
Daß ich mich, aus Verdruß, gekrümmet und gewunden,
So offt als der Tyrann, zu den gesetzten Stunden,
Durch ein verhaßtes Wort, mich in dem Spiel gestört,
Und, eh ich Teutsch gekonnt, was Römisches gelehrt.
Doch möcht ich nur itzund der Kindheit Lust erfahren!
Der Unmuth nimmt nicht ab, er wächset mit den Jahren;
Was nützet der Verstand, als daß er mit Bedacht
Die Freyheit schätzen lernt, die Ketten schwerer macht?
Ein Baum wars, nur ein Baum, dran solche Früchte sassen,
Die dort der erste Mensch solt unbetastet lassen;
Uns aber ist noch mehr zu halten auferlegt,
Weil nun ein gantzer Wald so viel verbothnes trägt.
Wir hören überall noch solche Schlangen pfeiffen;
Wir wollen hier und da nach fremden Aepffeln greiffen;
Wie wässert uns der Mund! Die Hand wird ausgestreckt;
Jedoch des Himmels Schluß, der uns mit Flammen schreckt,
Heißt uns so wohl die Lust, indem wir wachen, zäumen,
Als, in dem Schlaffe selbst, nach dem Gesetze, träumen.
[257]
Wohl dem, der seinen Sinn und Fleisch darnach bequemt!
Denn wer zu offenbahr und gar zu ungezähmt
In der Begierden Schlamm gewohnet ist zu wühlen,
Wird meistens in der Welt auch schon die Rache fühlen.
Folgt ihm gleich Schwerdt und Mord nicht auf dem Fusse nach,
So währts doch kurtze Frist, biß daß in dem Gemach,
Das man zur Sommers-Zeit, so wie im Winter, heitzet,
Ihm ein verschwiegner Artzt den alten Adam beitzet;
Da wird sein Götter-Brodt und Nectar-süsses Naß,
Ein Zwieback und ein Tranck von lauem Sassafraß.
So ists: was unserm Fleisch am hefftigsten behaget,
Hat, wo nicht die Gewalt, die Furcht doch untersaget,
Und läßt Gewalt und Furcht noch irgend etwas frey,
So machen wir es selbst zu einer Sclaverey.
Seitdem, daß uns der Wahn die Augen zugekleistert,
Und Hochmuth, samt dem Geitz, des Hertzens sich bemeistert,
So giebt der tolle Mensch den frey-gebohrnen Sinn,
Sein allerbestes Pfand, zum Götzen-Opffer hin.
Wie? meines Nachbars Sohn ist schon so hoch gestiegen,
Der kaum, als Eigenthum, drey Morgen können pflügen?
Fragt jener, dem das Glück mit gar zu milder Hand,
Ein halbes Fürstenthum zum Erbtheil zugewandt;
Und ich soll unberühmt in meinen Gräntzen bleiben?
Nein, spricht er, man soll mehr auf meinen Leich-Stein schreiben.
Schafft Roß und Wagen an! Bringt Pantzer und Gewehr!
Gleich wird sein Haußgesind ein kleines Krieges-Heer.
Zwar wirfft das Ehgemahl sich zu des Ritters Füssen,
Sein unerzognes Kind läst herbe Thränen fliessen,
Die Freunde rathen ab, der Held wird fast bewegt;
Doch, weil er allbereit die Rüstung angelegt,
Wird durch den tapffern Muth die Zärtlichkeit bestritten.
Er eilt, läßt für den Zug auf allen Kantzeln bitten,
Begiebt sich in das Joch, steht allen Kummer aus,
Verschmeltzt, was Geldes werth, verpfändet Hof und Hauß,
Und kommt denn abgedanckt und arm, nach wenig Jahren,
In kläglichem Triumpf, als Krüppel, heimgefahren.
[258]
Schaut dort den grossen Mann, vor dem sich alles bückt,
Der scheint nicht weniger in dem Gehirn verrückt.
Wer? jenes weise Haupt? der Ausbund des Verstandes?
Ja eben jener Greiß, der Abgott unsers Landes,
Auf dessen Ja und Nein so manche Wohlfarth ruht,
Durch dessen Länderey man Tagereisen thut,
Auf den der Reichthum schneyt, in dessen Zimmern blincket,
Womit der König prahlt, da man den Tagus trincket. 1
Der lebte wohl vergnügt, und aller Sorgen frey,
Hätt' er nicht einen Feind an seiner Phantasey.
Er könte seinen Rest der Tage glücklich schliessen,
Und, als sein eigner Herr, der güldnen Ruh geniessen,
Dergleichen nicht einmahl Monarchen wiederfährt:
Ihm aber ist der Hof, sein Kercker, gar zu werth,
Und, in des Fürsten Gunst noch höher aufzusteigen,
Wird ihm kein Tritt zu schwer, kein widriges Bezeigen.
Er wacht bey stiller Nacht, und rennt den gantzen Tag,
Damit er andern nur noch länger schaden mag.
Die Brunnen, die das Gold mit leichten Quellen geben,
Und denn zuletzt die Scham, sich selbst zu überleben,
Das ists, was dergestalt ihn in dem Schwindel hält,
Daß er, was Freyheit gilt, fast ins Vergessen stellt.
Zwar sehnt er sich, zum Schein, die eitle Welt zu fliehen;
Doch, die Gemächlichkeit den Diensten vorzuziehen,
Die er, aus treuer Pflicht, dem armen Nechsten schenckt,
Bedünckt ihn so ein Schluß, der sein Gewissen kränckt.
Wer es nun besser weiß, kan kaum das Lachen zwingen,
Wenn einer, der sich längst verstrickt in Satans Schlingen,
Mit solcher Heucheley von dem Gewissen spricht.
Genug! Wer Wespen stört, kriegt Beulen ins Gesicht.
Ein andrer legte nicht so bald den Griffel nieder,
Doch mir ist alle Schrifft, die Stacheln führt, zuwieder.

Fußnoten

1 Es ist eine bekannte und vorlängst eingeführte Gewohnheit des Spanischen Hofes, daß man des Königs Zimmer mit einem gantz güldenen Stoffe tapezieret; worauf hier gezielet wird.

[259] [3] Die dritte Satyre
Von der Poesie

Auf! säume nicht, mein Sinn, ein gutes Werck zu wagen,
Und aller Tichterey auf ewig abzusagen;
Gieb weiter kein Gehör, wenn die Syrene singt,
Und such ein ander Spiel, das bessern Nutzen bringt.
Wie? sprichst du, soll ich schon den Zeitvertreib verschwören,
Dadurch ich bin gewohnt die Grillen abzukehren,
Der mir, in Sicherheit, bisher die Stunden kürtzt?
An statt, daß mancher sich, aus Lust, in Unlust stürtzt,
Und, weil ein schwartzer Punct im Würffeln ausgeblieben,
Zuletzt aus dem Besitz der Güter wird getrieben.
Ich thu mir schon Gewalt, wenn ich viel Thorheit seh,
Die ich bescheidentlich mit schweigen übergeh;
Das aber ding ich aus, nicht zu des Nechsten Schaden,
Nein, sondern nur mein Hertz der Bürde zu entladen,
Daß ich durch einen Reim, was ich den gantzen Tag
Geduldig angemerckt, mir selbst vertrauen mag.
Da schenck ichs keinem nicht, kein Ort ist, den ich schone,
Von schlechten Hütten an, biß zu des Königs Throne.
Ein bärtiger Heyduck, der, wie ein Cherubim,
Die Streit-Axt in der Hand, die Augen voller Grimm,
Der Auserwehlten Sitz verschleußt für meines gleichen,
Muß, wie ein schüchtern Reh, von seiner Wacht entweichen,
Wenn mein gerechter Zorn erst an zubrennen fängt,
Und sich biß in die Schoos des blinden Glückes drängt,
Die Larve vom Gesicht des Lasters weg zu reissen.
Weh dem, der thöricht ist, und dennoch klug will heissen!
Denn wo sein Nahme nur sich in die Verse schickt,
So wird er alsofort dem Mayer beygerückt.
In meinem Schüler-Stand, auf den bestaubten Bäncken
Hub sich die Kurtzweil an. Solt ich auf Sprüche dencken,
Die man gezwungen lernt, und länger nicht bewahrt,
Als biß der kluge Sohn, nach Papageyen-Art,
Sie zu der Eltern Trost, dem Lehrer nachgesprochen,
So ward mir aller Fleiß durch Reimen unterbrochen,
[260]
Da mahlt ich ungeübt, in meiner Einfalt, ab,
Wenn Meister und Gesell mir was zu lachen gab;
Biß, nach und nach, die Zeit den Vorhang weggeschoben,
Und mir, was scheltens-werth, hingegen was zu loben,
Was Hof und Kirch und Land, und Stadt für Wunder hegt
Und was mir selber fehlt, getreulich ausgelegt.
Das mach ich mir zu nutz, und durch des Himmels Güte,
Werd ich ie mehr und mehr bestärckt, daß ein Gemüthe,
Wenn es der Tyranney des Wahnes obgesiegt,
Und seine Freyheit kennt, gantz Peru überwiegt:
Das ists, was offt mein Kiel schreibt in gebundnen Sätzen.
Was mich nun dergestalt in Unschuld kan ergetzen,
Wozu mich die Natur – – – Halt ein, verführter Sinn,
Drum eben straff ich dich, weil ich besorget bin,
Es möchte, was itzund noch leicht ist zu verstöhren,
Sich endlich, unvermerckt, in die Natur verkehren.
Wo hat Justinian das strenge Recht erdacht,
Durch welches ein Phantast wird Vogel-frey gemacht?
Und, da ein weiser Mann diß für was grosses schätzet,
Daß man noch keinen Zoll auf die Gedancken setzet,
Ist wohl der beste Rath, man seh und schweige still,
Und stelle jedem frey, zu schwärmen, wie er will;
Indem es fast so schwer, die rohe Welt zu zwingen,
Als mancher Priesterschafft das Beicht-Geld abzubringen.
Ein Spiegel weiset uns der Narben Heßlichkeit,
Doch wird er offtermahls deswegen angespeyt.
Du meinst zwar, was du schreibst, soll nie das Licht erblicken,
Wie bald kan aber diß auch dir eins mißgelücken?
Von deinem schönen Zeug entdeck ich, wie mich deucht,
Schon manch geheimes Blatt, das durch die Zechen fleucht;
So wirst du ein Poet, wie sehr du es verneinest;
Wer weiß, ob du nicht bald in offnem Druck erscheinest?
Vielleicht wird dein Gedicht, des Müßigganges Frucht,
Noch bey der späten Welt einmahl hervor gesucht,
Und mit dem Juvenal in einem Pack gefunden,
Wenn man ihn ohngefehr in Löschpapier gewunden.
Schreibt dir dein bester Freund, der deinen Rath begehrt,
So scheints, als hieltest du ihn keiner Antwort werth;
[261]
Bringt jemand ein Gewerb, das auf dein Wohlergehen,
Auf Ehr und Vortheil zielt; du läßt ihn draussen stehen;
Triffst du Gesellschafft an, die ein Gespräch ergötzt,
Wo der Bekümmertste sein Leid beyseite setzt,
So runtzelst du die Stirn in so viel hundert Falten,
Daß du offt für ein Bild des Cato wirst gehalten.
Ein jeder wolte gern erfahren, was dich quält?
Indessen schleichst du fort, weist selbst kaum, was dir fehlt.
Dein Hauß wird zugesperrt, die Schlösser abgespannet,
Wie es ein Zaubrer macht, wenn er die Geister bannet;
Und da die halbe Welt, von aller Arbeit ruht,
Weckst du den Nachbar auf, den des Camines Glut
Und späte Lampe schreckt, die dich im Fenster zeigen,
Als woltst du Thurm und Dach, aus Mond-Sucht, übersteigen.
Warum? Was ficht dich an? Was ists? Was macht dich toll?
Ein Wort. Was für ein Wort? Das hinten reimen soll.
Verdammte Poesie! Mein Sinn, laß dich bedeuten,
Eh ich dir Niese-Wurtz darff lassen zubereiten.
Greiff erst die Fehler an, die du selbst an dir siehst,
Eh du der andern Thun durch deine Hechel ziehst;
Dann, solt ich hier die Müh, dich zu erforschen, nehmen,
Wir müsten, ists nicht wahr? uns vor einander schämen.
Kurtz: Wer das Richter-Ammt auf seine Schultern nimmt,
Der seh, ob sein Gesetz mit seinem Wandel stimmt.
Wird doch die Cantzel roth, wenn ein erhitzter M–––
Der geilen Heerde schwatzt, von Sodom, Rach und Feuer,
In Cloris Gegenwart, die noch verwichnen Tag
In dem verliebten Arm des treuen Hirten lag.
Ists möglich, kan dir noch die Tichter-Kunst gefallen?
Gib Achtung, bitt ich dich, wie unsre Lieder schallen,
Und was für eine Brut man allenthalben heckt,
So weit sich das Gebieth des Teutschen Bodens streckt.
Durch Opitz stillen Bach gehn wir mit trocknen Füssen,
Wo sieht man Hofma s Brunn, u. Lohnsteins Ströhme fliessen?
Und, nehm ich Bessern aus, wem ists wohl mehr vergönnt,
Daß er den wahren Qvell der Hypocrene kennt?
Wer itzt aus Pfützen trinckt, tritt in Poeten-Orden,
[262]
So, daß der Helikon ein Blocksberg ist geworden,
Auf welchem das Geheul des wilden Pans erthönt,
Der seine Sänger-Zunfft mit Hasen-Pappeln krönt.
Vor alters, wo mir recht, ward nie ein Held besungen,
Wenn er nicht, durch Verdienst, sich in die Höh geschwungen;
Und eine Redens-Art, die Göttlich solte seyn,
Ward zu derselben Zeit den Sclaven nicht gemein.
Wo lebt itzt ein Poet, der diß Geheimniß schonet?
So bald er einen merckt, der ihm die Arbeit lohnet,
Wird seinem Pegasus der Sattel aufgelegt,
Der ein erkaufftes Lob bis an den Himmel trägt;
Den wir mit solcher Post so offt zum Zorne reitzen,
Und öffter noch vielleicht, als sich die Sterne schneutzen.
Daß grossen theils die Welt in träger Lust verdirbt,
Und sich, um wahren Ruhm, so selten mehr bewirbt,
Ist der Poeten Schuld. Der Weyrauch wird verschwendet,
Und manchem Leib und Seel, um die Gebühr, verpfändet,
Daß die Unsterblichkeit ihm nimmer fehlen kan,
Der, wie ein Erden-Schwamm, sich kaum hervor gethan,
Und den doch anders nichts vom Pöbel unterscheidet,
Als daß ein blöder Fürst ihn an der Seite leidet;
Da er für iedes Loth, das ihm an Tugend fehlt,
Ein Pfund des eitlen Glücks und schnöden Goldes zehlt.
Man denckt und schreibt nicht mehr, was sich zur Sache schicket,
Es wird, nach der Vernunfft, kein Einfall ausgedrücket,
Der Bogen ist gefüllt, eh man an sie gedacht,
Was groß ist, das wird klein, was klein ist, groß gemacht;
Da doch ein ieder weiß, daß in den Schildereyen
Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen,
Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliehrt,
Wenn er wird in Gestalt des Riesen aufgeführt.
Wir lesen ja mit Lust Aeneas Abentheuer.
Warum? Stößt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheuer,
So hat es sein Virgil so glücklich vorgestellt,
Daß uns, ich weiß nicht wie, ein Schrecken überfällt.
Und hör' ich, Dido, dich von Lieb und Undanck sprechen,
So möcht ich deinen Hohn an den Trojanern rächen.
[263]
So künstlich trifft itzund kein Tichter die Natur,
Sie ist ihm viel zu schlecht, er sucht sich neue Spur:
Geußt solche Thränen aus, die Lachens-würdig scheinen,
Und wenn er lachen will, so möchten andre weinen.
Ein Teutscher ist gelehrt, wenn er solch Teutsch versteht.
Kein Wort kömmt für den Tag, das nicht auf Steltzen geht.
Fällt das geringste vor in diesen Krieges-Zeiten,
So, dünckt mich, hör ich schon die Wetter-Glocke läuten:
Ein Fla ien-schwangrer Dampf beschwärtzt das Lufft-Revier,
Der Straal-beschwäntzte Blitz bricht überall herfür,
Der grause Donner brüllt, und spielt mit Schwefel-Keilen.
Der Leser wird betrübt, beginnet fort zu eilen,
Bis er ins Trockne kommt; weil doch ein Wolcken-Guß
Auf solchen starcken Knall nothwendig folgen muß,
Und läßt den armen Tropff, der Welt zur Straffe, reimen,
Wie ein Beseßner pflegt, in seiner Angst, zu schäumen.
Geht wo ein Schul-Regent in einem Flecken ab,
Mein Gott! wie rasen nicht die Tichter um sein Grab;
Der Tod wird ausgefiltzt, daß er dem theuren Leben
Nicht eine längre Frist, als achtzig Jahr, gegeben;
Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht.
Minerva, wenn sie gleich in ihrem Hertzen lacht,
Auch Phöbus und sein Chor, die müssen, wider Willen,
Sich traurig, ohne Trost, in Flor und Boy verhüllen.
Mehr Götter sieht man offt auf solchem Zettel stehn,
Als Bürger in der That mit zu der Leiche gehn.
Ein andrer, von dem Pfeil des Liebens angeschossen,
Eröffnet seinen Schmertz mit hundert Gauckel-Possen,
Daß man gesundern Witz bey jenem Täntzer spührt,
Den die Tarantula mit ihrem Stich berührt.
Was er, von Kindheit an, aus Büchern abgeschrieben,
Das wird, mit Müh und Zwang, in einen Vers getrieben.
Die Seuffzer, wie er meint, erweichen Kieselstein,
Die voll Gelehrsamkeit, und wohlbelesen, seyn.
Des Aetna Feuer-Klufft muß seiner Liebe gleichen,
Und aller Alpen Eis der Liebsten Kälte weichen.
Indessen aber wird das arme Kind bethört,
Und weiß nicht, was sie fühlt, wenn sie dergleichen hört;
[264]
Ja, wenn ihr Coridon, gebückt vor ihren Füssen,
Der Klage Bitterkeit ein wenig zu versüssen,
Nichts anders als Zibeth und Ambra von sich haucht,
Und sie kein Bibergeil zum Gegenmittel braucht;
So mag des Mörders Hand, was ihm von seinem Tichten
Noch etwan übrig bleibt, auf ihre Grab-Schrifft richten.

[265] [4] Die vierte Satyre
Von dem Hoff-Stadt-und Land-Leben

Sylvander.

Du zweifelst, wie ich seh, mein Freund, nicht mehr daran,
Daß nur allein der Hof dich glücklich machen kan.
Dein Schluß wird hoch gerühmt von allen Handwercksleuten,
Die mit einander schon um deine Kundschafft streiten;
Weil so ein edler Trieb in deiner Seele brennt,
Der, was dir Gott beschehrt, dem armen Nechsten gönnt,
Und länger nicht den Schatz, den deine guten Alten
Aus Einfalt beygelegt, der Welt will vorenthalten.
Es wünscht die halbe Stadt den Eltern sanffte Ruh,
Und rufft dem Erben Glück und viel Vermögen zu,
Der kein Bedencken trägt, wenn er, den Hof zu zieren,
So vieler Jahre Frucht in einem soll verliehren,
Und manches Künstlers Hand durch sein Erfinden übt,
Das dem verlegnen Gold ein neues Ansehn giebt.
Verzeih mir, daß ich offt, durch freyes Widersprechen,
Den Vorsatz, den du hegst, gesucht zu unterbrechen,
Und daß dir, werther Freund, mein allzukühner Rath
Die Ruhe des Gemüths bisher verzögert hat.
Es ist schon lange Zeit, daß ich von diesen Stuffen,
Die du betreten wilst, zurücke bin geruffen;
Drum bild ich mir vielleicht den Welt-Lauff ärger ein,
Als wie er in der That wohl mag beschaffen seyn.
Man hat indessen viel von Unbestand gehöret;
Vielleicht hat sich das Glück, wie alles, umgekehret,
Ist nun der Tugend hold, und keinem ungetreu,
Beschämt des Mahlers Hand, des Tichters Phantasey,
Die ihm, zu stetem Hohn, manch schändlich Bild erfunden,
Ja selbst mit finsterm Flor die Augen zugebunden,
Und führt uns Sterblichen dich nun zum Beyspiel an,
Daß es Verdienste sieht, und auch belohnen kan.
Ich seh schon, wie mich dünckt, mit hertzlichem Vergnügen,
Dich jungen D********* dem Glück im Schosse liegen,
Wie manch entlegnes Land sich freuet oder kränckt,
[266]
Nachdem dein kluger Spruch die Wageschale lenckt:
Weil nur der blosse Schein, mit gnädigstem Belieben,
Von seinem grossen Staat dem Fürsten übrig blieben,
Der, wie ein zartes Kind, das an die Brust gewöhnt,
Bey Tag und auch bey Nacht sich ängstlich nach dir sehnt.
Wohlan es müsse nichts, als Segen, auf dich schneyen,
Und die getroffne Wahl dich nimmermehr gereuen!
Der Hof-Mann.

Sylvander, dieser Wunsch ist zwar gantz wohl gemeint,
Und alles Danckes werth; doch wilst du, wie es scheint,
Daß ich soll einen Stich von deinem Schertz empfinden,
Und kanst den kleinen Groll so leicht nicht überwinden,
Daß ich für dieses mahl nicht deiner Meinung bin.
Hat aber ieder Kopf nicht seinen eignen Sinn?
Drum mercke mit Gedult, was mich dazu bewogen.
Vor diesem wär ich gern den Waffen nachgezogen,
Wenn nur mein Vater mir nicht den Compas verrückt.
Nun bin ich gar zu alt zum Krieg, und ungeschickt
Derjenigen Befehl in Demuth anzuhören,
Die offt des Himmels Zorn erhebt zu hohen Ehren.
Denn, leider! mancher bringt ein Fähnlein auf die Welt,
Wird auf der Ammen Arm als Hauptmann vorgestellt,
Und kriegt, eh er verdient im Schilderhaus zu stehen,
Den Feind zum ersten mahl als Oberster zu sehen:
Obgleich ein solcher Held, der nur sein theures Blut
Zum Aderlassen spahrt, nicht grosse Wunder thut,
Und wenn ihm nichts gefehlt, als Mandeln und Muscaten,
Wohl eh, aus Blödigkeit, so Land als Stadt verrathen.
Ja, sprichst du, folge dem, was jener Weise schreibt:
Wohl dem, der weit entfernt von fremden Händeln bleibt!
Der, nach der Alten Brauch, mit seinen eignen Zügen
Das väterliche Feld bemüht ist, zu bepflügen;
Den nicht der Wucher-Geist mit tausend Sorgen schreckt,
Nicht in den Harnisch jagt noch aus dem Schlaffe weckt
Das greßliche Gethön der lermenden Trompeten;
Der auf der wilden See nicht schwebt in Todes-Nöthen,
[267]
Der nichts zu rechten hat, und der nicht mit Verdruß
Vor grosser Leute Thür sich Schutz erbitten muß.
Ich schelte keinen zwar, dem ein so stilles Leben,
In solchem engen Raum, kan ein Vergnügen geben,
Und wünsche, daß vielmehr Thau, Wind und Sonnenschein
Und Regen allemahl ihm mögen dienstbar seyn;
Doch wird man hoffentlich mir wiederum vergönnen,
Daß ich solch Lust-Revier mag eine Wüste nennen,
Wo sich der Müßiggang, dem vor den Menschen graut,
Streckt zwischen träges Vieh auf einer Bären-Haut,
Und wo wir unser Pfund, das wir vom Himmel haben,
Zuweilen Klaffter-tieff in dürren Sand vergraben.
Ich glaube, wer Vernunfft und Leibes-Kräffte fühlt,
Thut wohl, wenn er so fort nach wahrem Lobe zielt,
Und lässet dermahleins auf seinem Grab-Stein lesen:
Daß er der Welt genützt, und sie ihm hold gewesen.
So war das alte Rom zu seiner Zeit gesinnt:
Das hielt denjenigen nicht für sein ächtes Kind,
Der, in gemeiner Noth, sich faul zu seyn erkühnte,
Und nicht mit Faust und Witz dem Vaterlande diente.
Da saß die Tugend recht auf ihrem Ehren-Thron,
Als die Gemächlichkeit war schwerer Arbeit Lohn,
Und erst ein Curius, nach vielen Helden-Thaten, 1
[268]
Auf seinem Meyer-Hof die Rüben durffte braten.
Hab ich, was ich gefaßt von zarter Kindheit an,
Deßwegen nur erlernt, daß ichs vergessen kan?
Hab ich zu anders nichts, auf Schulen und auf Reisen,
Mir manches Reiches Krafft und Schwäche lassen weisen,
Als daß mein Unterthan, von Tranck und Freude voll,
Die weise Herrschungs-Art des Junckers rühmen soll?
Hab ich die Welt gesehn, nur aus gedruckten Lügen
Zu schliessen, ob wir bald den Frieden werden kriegen?
Ob unser Krieges-Volck, das man zu Hülffe führt,
Vielleicht noch dieses Jahr mein armes Dorff berührt?
Dient mir das, was ich weiß von Satzung und Gerichten,
Zu nichts, als, nach der Kunst, der Bauren Streit zu schlichten?
Zu rechnen, was ein Feld mehr, als das andre, trägt?
Wie viel mir ohngefehr der Pachter unterschlägt?
Und hab ich der Natur Geheimniß forschen lernen,
Vom tieffsten Abgrund an, bis zu dem Lauff der Sternen
Allein zu diesem Zweck, daß ich den rechten Tag,
Zum Pfropffen und zur Saat im Monat treffen mag?
Wer nicht zu kleinen Gut ein grössers will erwerben,
Der muß von Gram und Schaam, wo nicht von Hunger, sterben.
Was ehmahls einen Ruff von grossem Reichthum gab,
Wirfft ietzt, nach unsrer Art, die Nothdurfft selten ab;
Und solte denn nur das in meine Renten fliessen,
Was mich, durch fremden Schweiß, der Frohndienst läst geniessen?
Wie kan ich sicher seyn, daß nicht vielleicht noch heut
[269]
Mich plötzlich überfällt die bittre Dürfftigkeit.
Wie? wenn mein mattes Vieh durch Gifft und Seuche schwindet,
Wie? wenn man leeres Stroh in meine Garben bindet,
Wie? wenn durch schnelle Glut das Meinige verfleucht,
Wie? wenn ein kühner Feind durch unsre Gräntzen streicht,
Wenn Schooß und Steuer-Geld wird hefftig eingetrieben?
Wenn endlich, was von Hitz und Frost noch übrig blieben,
Was Feuer, Gifft und Feind, an Vorrath noch verschohnt,
Der Freunde Schwarm mir raubt, der in der Nähe wohnt,
Wenn das Verhängnis will, daß sie, mein Haus zu ehren,
Aus nachbarlicher Gunst, den kleinen Rest verzehren?
Die Stunde der Geburt ist zwar nicht allen gleich:
Dem gläntzt der Stern des Glücks, und jenem scheint er bleich;
Für einen, der hinauf zum Gipffel ist geklommen,
Sind tausend, welche kaum biß an die Helffte kommen.
Wo aber ist der Ort, der einen muntern Geist,
Geschwinder, als der Hof, in seinen Vortheil weist,
Und täglich Anlaß giebt, bey so verschiednen Fällen,
Was man begriffen hat, ans volle Licht zu stellen?
Was fehlet einem wohl, der es so weit gebracht,
Daß er in seiner Höh der Misgunst Pfeil veracht?
Wenn keiner, neben ihm, dem Fürsten an der Seiten,
Den er darff wie ein Freund, nicht wie ein Knecht, begleiten.
Er heißt des Fürsten Arm, der unsre Wohlfart stützt;
Sein Ohr, das uns erhört; sein Auge, das uns schützt;
Die Seele, die ihn regt, auf unser Heil zu sinnen;
Sein Werckzeug, das er braucht, was grosses zu beginnen.
Man schreibts dem Unglück zu, wenns etwan übel steht,
Und ihm, daß noch der Staat nicht gantz zu Drümmern geht.
Ihm danckt der Fürst allein, daß er so wohl gesorget,
Wenn der Soldate ficht, und noch der Kauffmann borget.
Ist das nicht folgens werth, wenns einem so gelingt,
Daß aller Uberfluß durch Thür und Fenster dringt,
Und daß er, sein Geschlecht in hohen Flor zu setzen,
Darf eines jeden Haupt, nach eignem Willen, schätzen?
Er sieht sein prächtig Haus, wie es von Marmel prahlt,
Sein Bild, wie es geprägt, aus hellem Golde strahlt.
Die Leichen-Rede selbst sieht er bey seinem Leben,
[270]
Im Vorrath schon gedruckt, an allen Wänden kleben.
Ein solcher, der sich schaut in so erwünschtem Stand,
Hat nicht sein Vater-Gut vergeblich angewandt,
Und darf der andern Lust in Wahrheit nicht beneiden,
Die ihr Gesicht an Korn, an Schaaf und Kälbern weiden.
Sylvander.

Glückseelig ist der Mensch, den ein begrüntes Feld,
Von Hochmuth und vom Geitz entfernt, beschlossen hält,
Und welcher in sich selbst kan ein Vergnügen finden,
Das er nicht nöthig hat an fremdes Glück zu binden;
Der Fürsten-Gunst zwar hoch, doch Freyheit höher, schätzt,
Und nicht des Pöbels Wahn zu seinem Richter setzt.
Wer ist der, der so leicht die herrlichsten Palläste,
Als Karten-Häuser baut? der täglich auf das beste,
Trotz seinem Fürsten, lebt? in solchen Zimmern wohnt,
Als kaum der König hat, dem selbst der Tagus frohnt?
Der sein Vermögen schon nach Millionen schätzet?
Hat diesen sein Verdienst in solchen Stand gesetzet?
O nein! das Einmahl eins hat ihn empor gebracht.
Wo findet man den Hoff, da Tugend wird geacht?
Sie wird, weil Heucheley der Fürsten Ohr bestritten,
Jetzt in des Vorgemachs Gedränge kaum gelidten.
Ein aufgeschnitnes Wams, die Tracht der alten Zeit,
Scheint nicht so lächerlich, als ietzt die Redlichkeit.
Wer ihr ergeben ist, der folgt verbothnen Lehren.
Wer Gold erbitten will, muß güldne Kälber ehren:
Du must, wenns nöthig ist bey einem wohlzustehn,
Den allerbesten Freund vertraulich hintergehn,
Der grossen Heimlichkeit bemühet seyn zu wissen,
Und dem, der dich verletzt, die Hand in Demuth küssen.
Mischt ein verschlagnes Weib sich mit in Händel ein,
So opffer alles auf, in ihrer Gunst zu seyn,
Damit du magst, durch sie, des Mannes Hertz besiegen,
Und von der Delila des Simsons Locken kriegen.
Wenn iemand würdiger, als du, der Ehren scheint,
[271]
So ist es schon genug, halt ihn für deinen Feind.
Bist du noch nicht ins Buch der Heyrath eingeschrieben,
Dann ist zu deinem Glück ein Pförtgen offen blieben.
Geh in Philemons Haus, da triffst du die gleich an,
Die mit was wichtigem dein Seuffzen lohnen kan.
Nur hüte dich, genau nach ihrem Thun zu fragen;
Der Vorwitz ist ein Werck, mit dem sich Narren plagen.
Verachte mit Vernunfft den Wahn der tummen Welt,
Wird doch der Uberfluß im Horne vorgestellt.
Ja, sprichst du, ihr Geschlecht! Ach laß den Irrthum fahren;
Sieh unsern Nachbar an in seinen alten Jahren,
Der, wenn ihn offt die Last der bittern Armuth drückt,
Mit ritterlicher Hand sein altes Strohdach flickt.
Was hilfft sein Adelstand, wenn dich die Schuldner mahnen?
Dann schützet dich kein Schild von allen sechzehn Ahnen.
Und wilst du, deinen Sohn im Hohenstifft zu sehn,
Indessen, weil du lebst, großmüthig betteln gehn?
Wenn gleich die Worte dir nicht bald, nach Wunsch, gelingen,
So wird doch dein Geschenck durch Thür und Schlösser dringen.
Dein vorgesetztes Ziel ist wohl der Mühe werth;
Denn, wenn erst deine Faust in fremden Beutel fährt,
Ist dir nichts nöthig mehr, zu stehn in festem Glücke,
Als nur ein Quentlein Witz, ein Centner loser Tücke.
Treibt das Verhängniß mich zu einem grossen Mann,
Der selten helffen will, und immer schaden kan,
Mein Gott, wie muß ich mich in Zeit und Stunden schicken,
Eh mir es wiederfährt, sein Antlitz zu erblicken.
Zum öfftern will er nicht im Schlaffe seyn gestöhrt,
Ob man von weiten gleich sein Bretspiel klappen hört: 2
Zuweilen, eh wirs uns am wenigsten vermuthen,
Schwimmt er, als wie ein Fisch, durch der Clienten Fluthen.
Wohl mir, wenn er alsdenn so lange sich verweilt,
[272]
Daß mir ein kurtzes Nein zur Antwort wird ertheilt;
Dieweil gemeiniglich es ihm also beliebet,
Daß er durchs Hinterhauß sich in die Flucht begiebet.
Wenn ich denn kalt und matt auf meine Ruh bedacht,
Ist schon was neues da, das mich verzweifeln macht,
Ich finde mich umringt von einem Bettler-Hauffen,
Ich, der ich möchte selbst vor fremde Thüren lauffen;
Die wollen, sonder Geld, und mit dem blossen Nein,
Das ich davon gebracht, nicht abgewiesen seyn.
Kaum kan ich mich hernach aufs Ruh-Bett niederlegen,
Um den verwirrten Lauff des Glückes zu erwegen,
So klopfft ein Fremder an, den ich sonst nie gekannt,
Und spricht: Er sey mit mir im sechsten Grad verwandt,
Will einen Dienst durch mich, als seinen Blutsfreund, kriegen,
Und im Proceß zugleich den Gegenpart besiegen,
Legt auch darauf getrost mehr Schrifften an den Tag,
Als mancher Cantzler kaum im Jahre lesen mag.
Schwür ich gleich, daß ich nicht in solchem Stern gebohren,
Der mich, zu andrer Schutz, auf Erden auserkohren,
Daß zwar der Wille gut, doch mein Vermögen schlecht,
So ist die Antwort da: Er schertzt mit seinem Knecht.
Begleit ich endlich ihn hinaus biß an den Wagen,
Und habe hinter mir das Thor kaum zugeschlagen;
So reitzet abermahl mich was zur Ungedult.
Ein Dieb, ein Kramer, pocht, und macht mir eine Schuld, 3
Die ich, wie selbst sein Buch und Quittung muß besagen,
Schon im verwichnen Herbst ihm richtig abgetragen.
Mach ich, so gut ich kan, mich dieser Gäste frey,
So ist doch lange nicht mein Ungemach vorbey.
Man sieht ein sichres Volck an Höfen und in Städten,
Das, wie ums Tagelohn, das Pflaster pflegt zu treten;
Das, weil es Arbeit haßt, und doch nicht stille sitzt,
Aus Vorwitz in dem Schooß des Müßigganges schwitzt.
Dergleichen Leute sind die Diebe meiner Stunden,
Es ist ihr Höflich seyn mit Ungestüm verbunden.
[273]
Da heißts: Wie geht es euch in eurer Einsamkeit?
Ich dencke: Ziemlich wohl, wenn ihr nicht bey mir seyd.
Das Wetter, nach dem Sturm, hat sich schon aufgekläret.
Ach! wünsch ich: Hätt es doch bis in die Nacht gewähret,
So drünget ihr vielleicht, wie nun, bey Sonnenschein
Mit eurem Mücken-Schwarm nicht in mein Zimmer ein.
Der eine wiederholt aus den gedruckten Lügen,
Wie starck man will die Macht des Solymans bekriegen,
Und weist, als ein Prophet, der nicht betrügen kan,
Versailles zum Quartier dem Printz von Baden an.
Ein andrer, dem das Glück nicht will nach Wunsche lachen,
Dräut, wie er bald den Hof will öd und wüste machen,
Und schwört, daß er, zum Schimpf der Grossen dieser Welt,
Den Abzug aus der Stadt nunmehro fest gestellt.
Der streichet pralend raus, wie viel in nächsten Tagen,
Ihm reiche Töchter sind zur Heyrath angetragen;
Und jener, wie sein Fürst, der ihn nicht missen kan,
Vor tausend andern ihm mit Gnaden zugethan.
Jagd, Karten, Kleider, Tantz, und hundert andre Possen,
Sind aller Unterhalt, biß daß die Zeit verflossen,
Die mir des Himmels Zorn zur Züchtigung bestimmt,
Und bis, zu meinem Trost, ein jeder Abschied nimmt.
Der mich verwundet hat, vom Jack-Zorn angetrieben,
An dem wird das Gesetz bald seinen Eifer üben;
Wie aber geht es dem für so genossen aus,
Der mir, mit Vorbedacht, fällt in mein eigen Haus,
Und da mit eitelm Tand, den er mit Worten spicket,
Aus Freundschafft, einen Dolch bis in das Hertze drücket?
Doch wer kan jeden Weg, wodurch der falsche Wahn
Die tummen Sterblichen zur Knechtschafft leiten kan,
Und alles Marter-Zeug, das wir uns selber wehlen,
Zum Vorwurff der Natur, so bald zusammen zehlen?
Wenn der geringste Lerm im nechstgelegnen Wald
Um eine stille Trifft der blöden Schaafe schallt,
Und eins erst schüchtern wird, beginnt ein gantzer Hauffen,
Durch Blatt, Gebüsch u. Strauch dem Flüchtling nachzulauffen.
So traut das kluge Thier, der Mensch, sich selbst auch nicht,
Sein eigner Tacht verglimmt, er folget fremdem Licht:
[274]
Dadurch verirrt er sich, pflegt furchtsam fort zuwallen,
Und lebet, ja noch mehr, stirbt andern zu gefallen.
Erfreue dich, mein Sinn, daß dir ein guter Geist
Den unbekanten Schatz der edlen Freyheit weist;
Ich weiß, du wirst die Schnur, sey nur bemühet, finden,
Dich aus dem Labyrinth des Pöbels loß zu winden.
Gebrauch den Lauff der Welt zu deinem Zeitvertreib!
Sieh doch das Possenspiel, wie dieser sich ein Weib,
Weils jener so gemacht, läßt aus der Fremde bringen:
Wie jener seinen Wanst läßt in ein Schnürleib zwingen,
Die Kost, die ihm sonst schmeckt, nach andern Zungen würtzt,
Und sein bequemes Hauß so fort zu Boden stürtzt;
Auf daß die gantze Stadt mag mit Verwundern schauen,
Daß er, dem Nachbar gleich, auch kan Palläste bauen.
Verwirff den Richterspruch, den die Gewohnheit fällt:
Es ist dir die Vernunfft umsonst nicht zugesellt.
Der Tod klopfft an die Thür, es wechseln alle Sachen,
Und keiner kan es doch der Welt zu Dancke machen.
Du freyes Blumenberg und Schutzwehr meiner Lust, 4
Bey dir ist mir ja nichts von allem dem bewust;
Hier aber, seh ich wohl, in Wällen und Basteyen
Ist keine Sicherheit vor solchen Rasereyen;
Und der, dem dieser Zwang und Weise nicht gefällt,
Wird, als ein Wunder-Thier, zum Schau-Spiel, aufgestellt.
Fort, Kutscher, folge mir! ich will am letzten Garten,
Der in der Vorstadt liegt, zu Fusse deiner warten. 5
Hernach so soll es frisch, in vollem Trabe, gehn,
Biß wir den spitzen Thurm in unserm Dorffe sehn.
Und solte mich auch dort die Räuber-Schaar entdecken,
So wird mich Wald und Busch vor ihrer Wuth verstecken.

Fußnoten

1 Manius Curius Dentatus, so genannt, weil er gleich mit Zähnen auf die Welt kam, oder nur ein Bein, statt aller Zähne, im Munde hatte, erhielt, nach rühmlicher Verwaltung andrer Ehren-Stellen, das Römische Bürger-Meister-Ammt, und wegen der besiegten Lucaner das kleine, so wie der Uberwundenen Sabiner und Samniter halben, zweymahl das grosse offentliche Siegs-Gepränge. Von dem eroberten Lande dieser Völcker gab er, wie Sextus Aurelius Victor in seinem 32. Cap. erzehlet, jedem Bürger viertzig Acker Landes, und begnügte sich mit einem gleichen Antheile, ob ihm gleich der Rath ein weit mehrers zugedacht hatte. Auf diesem seinen Land-Guthe fanden ihn nachmahls die um Frieden bittenden Gesandten der Samniter, als er eben auf seinem Heerde Rüben braten, und solche zu seiner Abend-Mahlzeit, aus einem irrdenen Gefässe verzehren wolte. Die abgeordneten bothen ihm daher viele güldene Geschirre dagegen an, nebst einem ansehnlichen Stücke Goldes; so er aber großmüthig ausschlug, mit der Erklärung: Da er sich an einer so mäßigen Kost aus einer so geringen Schüssel begnüge, könte er ihre Geschenke leicht entbehren, zumahl er lieber solchen reichen Leuthen befehlen, als selbst reich seyn wolte. Da man ihn auch, nach der Zeit, fälschlich beschuldigte, daß er viele Gelder untergeschlagen, brachte er einen höltzern Oel-Krug hervor, den er zum Opfer-Dienste in seinem Hause gebrauchte, und betheurte hoch, daß er in seinem gantzen Vermögen nichts als dieses Stücke hätte, so er von den Feinden erbeuthet; daher ihn Valerius Max. in seinem vierten Buche c. 3. §. 5. das allervollkommenste Vorbild der Römischen Mäßigkeit und Tapferkeit nennet. Von diesen und seinen andern Thaten melden, unter andern Geschicht-Schreibern, Plutarch im Leben des Cato, Florus B. 1. c. 18. §. 22. Valer. Max. Bl. 9. c. 3. und Plinius B. 19. c. 5.

2 Diese und noch einige vorherstehende Stellen sind Vorwürffe, welche einem damahligen grossen Staats-Minister von denjenigen gemacht worden, die geglaubt, daß sie Ursache hätten, sich über ihn zu beschweren; worunter sich der Herr von Canitz auch gezehlet.

3 Sowohl dieses, als das vorhergehende, sind wahrhaffte Begebenheiten, die dem Verfasser damahls zugestossen.

4 Blumberg, ehmahls des Verfassers Land-Gut, zwey Meilen von Berlin.

5 Der Weg nach demselben von Berlin geht durch die Vorstadt zum St. Jürgen- ietzt aber so genannten Kö nigs-Thore hinaus.

[275] [5] Die fünffte Satyre
Die Großmuth im Glück und Unglück

An einen guten Freund, der den Hof verließ und sich auf sein Land-Guth zur Ruhe begab.


Ein hoher Sinn, der nur nach seinem Ursprung schmeckt,
Und sich nicht in den Schlamm der Eitelkeit versteckt,
Kan, was der Pöbel sucht, mit leichter Müh vergessen.
Dem Weisen ist sein Vaterland die Welt.
Er bleibet unbewegt, wenn alles bricht und fällt,
Und will sein Glück nach nichts, als seiner Freyheit, messen.
Es kan ein solcher Mann sich an sich selbst vergnügen.
Hat ein gekröntes Haupt ihm etwan wohl gewollt,
Ist ihm das Vatikan, der Tugend wegen, hold,
Ja, will ein Friedrich selbst, nach seinem Urtheil, kriegen;
So wird er doch von Kron und Purpur nie bethört,
Kein Wechsel kommt, der sein Gemüthe stöhrt.
Drum, kehrt das Glück ihm endlich gleich den Rücken,
Kan er dennoch mit eben dieser Hand,
Die gantzer Länder Zinß zur Pracht hat aufgewandt,
In Demuth und Gedult, sich selbst die Hosen flicken.
Sein Hof wird ihm ein Hof; sein Acker, seine Freude;
Ein finstrer Tannen-Wald sein Pomerantzen Haus;
Der Heerde theilet er alsdenn die fette Weide,
Wie sonst dem Krieges-Heer, mit treuer Sorgfalt aus.
Der Fürwitz treibt ihn nicht, viel neues mehr zu wissen,
Als was sein Meyer bringt. Er kehrt sich wenig dran,
Wer dort in einer Schlacht zu Boden wird geschmissen,
Wenn er in Sicherheit die Garben binden kan.
Ist ihm nicht mehr vergönnt, zu küssen eine Docke,
Die ihre freche Stirn mit Thürmen überhäufft,
So thuts ihm ja so wohl, wenn er nach einer greifft,
Mit schlecht-geflochtnem Haar und aufgeschürtztem Rocke.
[276]
Wenn ihn zuweilen auch ein kleiner Kummer drückt,
Wird er nicht weniger entzückt,
So bald der Dudel-Sack in seiner Schencke klinget,
Als wenn Bellerophon von seiner Liebe singet; 1
Und kan er nicht ein blanc mangé 2
Noch auch Linguattole 3
Auf seiner Taffel haben,
So wird er sich an Glomms und an Pomocheln laben. 4
Nun, edles Preussen du, du kriegst so einen Gast, 5
Den du gewiß zu lieben Ursach hast.
Du bist beglückt, dieweil du ihn gebohren,
Beglückter, daß er dich zum Ruh-Platz auserkohren,
Worinn er, was sein Geist an Schätzen bey sich trägt,
Als in der Mutter Schooß, verwahrlich niederlegt.
[277]
Das Land von Mancha mag sich immerhin erheben, 6
Daß, nach vollbrachtem Ritter-Spiel,
Dort Don Kischot beschloß den Rest von seinem Leben;
Sein Ruhm gilt lange nicht so viel,
Als daß ein Curius zuletzt, nach grössern Siegen, 7
Auf deinem Heerde sich mit Rüben will vergnügen.
Sprichst du: Was hilfft es mich, ein Landes-Kind zu ehren,
Das von dem Hofe weicht, wenn es mich schützen soll.
Und keinen Schoß kan von den Hufen kehren? 8
Ach, Preussen, denck! Perkun, Potrimpos und Pikoll, 9
[278]
Die thaten auch, bey jener heilgen Eichen, 10
Vor dem nicht immer Wunder-Zeichen,
Da sie dein Opffer-Holtz doch offt berühret hat.
[279]
Dein Held vermag so viel, als sie, mit Rath und That.
Drum schicke dich, wie er, ins Glück und in die Zeiten,
Und öffne Thor und Hertz, den Einzug zu bereiten.

Fußnoten

1 Zielet auf ein ehmahls wegen des Nimägischen Friedens im Jahr 1679. in Pariß aufgeführtes prächtiges Sing-Spiel dieses Nahmens, welches Thomas Corneille, unter der Aufsicht seines ältern Bruders des Petri Corneille und des Racine verfertigt, die ihm solches, von Auftritt zu Auftritt, ausbessern helffen, daher es eines von seinen besten Stücken ist. Der berühmte Lully hat es in Noten gesetzt.

2 Blanc manger, ist eine weisse Mandel-Sultze mit Gallerten von Hüner- und Kalbs-Brüh zugerichtet; welche auf verschiedene Art gemacht, kalt aufgesetzt, und manchmahl mit buntgefärbter Gallert um die Schüssel herum, Zieraths halber, belegt wird, auch, auf einer vornehmen Taffel, so wohl dem Auge zur Lust, als dem Munde zur Erfrischung, dienet.

3 Linguattole, sind See-Zungen, oder Zungen-Fische, die aus dem Meere kommen, und vortrefflich schmackhafft sind.

4 Glomms, eine gewisse dicke kalte Milch, welche in Preussen besonders zugerichtet wird, daselbst so gewöhnlich als beliebt, und ungefehr das ist, was in Nieder-Sachsen Sülte-Milch, und in Ober-Sachsen Comps oder Kompiß. Pomocheln, eine Art der allerschmackhafftesten Fische, die aus der Ost-See gebracht, und in Preussen sehr häuffig gespeiset werden; auch eben dieselben sind, die man in Lübeck und anderswo Dorsche nennet.

5 Man muthmaßet nicht ohne Grund, es sey dieses ein gewisser Oberster von Canitz gewesen, der so übel im Kriege verwundet worden, daß er fast nicht mehr im Stande war, Kriegs-Dienste zu thun; und als er darüber noch gar um sein Regiment gekommen, sich, aus Verdruß, gantz vom Hofe weg, und auf seine Güter in Preussen zur Ruhe begeben. Er war kein weitläufftiger Verwandter des Herrn von Canitz, und bey ihm sehr öffters zur Taffel.

6 Mancha, ist das Vaterland des beruffenen Spanischen Roman-Ritters Don Quixote, woselbst er sich, nach vielen Abentheuren, endlich zur Ruhe begeben.

7 Curius, ist schon in vorhergehendem Gedichte erklärt worden, Bl. 103.

8 Man rechnet in Preussen die Steuern und Gaben nach Schoßen, wie in der Marck und in Sachsen nach Schecken. Die vom Acker heissen, Hufen-Schoß; die von den Häusern, Giebel-Schoß.

9 Perkun, war der Abgott der Heydnischen Preussen, und von denselben, in Gestalt eines Mannes von mittelmäßigem Alter, also gebildet, daß er den Potrimpos ansahe, mit einem brennenden Feuer-rothen und zornigen Gesichte, krausen Kopfe, schwartzen Barte und Flammen um das Haupt. Man unterhielt ihm ein ewiges Feuer von Eichen-Holtze, und opfferte ihm Speck-Seiten. Einige halten ihn für der Preussen Jupiter, andre für ihren Mars, einige für beydes zugleich, und wieder andre für ihre Sonne. Hartknoch Alt- und Neu-Preussen Bl. 30. 131. 160.

Potrimpos, ihr dritter Götze, ward fürgestellt als ein noch unbärtiger Jüngling, mit frölichem lachenden Gesichte den Perkun ansehend, den er, wegen seines unmächtigen Zorns, gleichsam verspottete. Sein Haupt war mit Korn-Aehren gekrönet. Man brannte ihm Wachs und Weyrauch, schlachtete, ihm zu Ehren, bißweilen Kinder, und ernährte ihm beständig eine Schlange mit Milch in einem Topffe, der mit einer Korn-Garbe bedeckt war. Daher ihn einige für der Preussen Saturn, andre für ihren Liebes-Gott, wieder andre für den Gott der Erde und fliessenden Wasser, und einige für den Gott des Gestirns ansehen. Hartknoch Bl. 161.

Pikoll, stand allzeit in der Mitten, zwischen beyden itztgenannten, hatte einen langen grauen Bart, den Kopff mit einem Tuche umbunden, das Gesicht von bleicher Todten-Farbe, von unten auf in die Höhe sehend. Die alten Preussen schrieben diesem Pikollos alles böse zu, und beteten ihn, weniger aus Liebe, als aus Furcht, an. Ihre Waidelotten oder Priester brannten, ihm zu Ehren, an grossen Fest-Tagen Talck in Töpffen, heiligten ihm todte Menschen- oder Vieh-Köpffe, und opfferten ihm gemeiniglich einige von ihren Feinden, die sie im Kriege gefangen bekommen. Man hält dafür, daß er der Preußische Höllen-Gott Pluto, oder ihr Gott des Reichthums Plutus, auch wohl gar ihr Mond gewesen. Das wahrscheinlichste von diesen dreyen Götzen ist dieses, daß, wie die Gothen ihren Heydnischen Gottesdienst in Preussen eingeführt, man hernach der Gothen Thor, Odhen und Frigga in alt-Preußischer Sprache Perkun, Pikollos und Potrimpos geheissen; wovon die Ubereinstimmung der Gothischen und Preußischen Götzen in allen Dingen sattsam zeuget. Hartknoch. Bl. 35. 129. 161.

10 Die alten Preussen baueten keine Tempel, sondern opfferten ihren Göttern in freyem Felde, und hatten zu diesem Ende, unter vielen geheiligten Eichen-Bäumen, sonderlich viere von fast unglaublicher Grösse.

Die erste war zu Romove, Sommer und Winter über grün, sechs Ellen dick am Stamme, und oben so dichte von Zweigen und Aesten, daß kein Regen durchdringen konte.

Die zweyte bey Heiligen-Beil, von gleicher Eigenschafft und Dicke.

Die dritte bey Marienburg an dem Nogath, einem Arme aus der Weichsel, im grossen Werder; oder, welches wahrscheinlicher, eine Meile von dem itzigen Thorn, wo noch die Uberbleibsel der alten Stadt Thorn gefunden werden. Sie war von so ungemeiner Grösse, daß die ersten Kreutz-Herren, bey ihrer Ankunfft in Preussen, solche eroberten, in Form einer Burg befestigten, und sich daraus wider die Anfälle der alten Preussen beschützten.

Die vierte bey Welau, über dem Pregel-Flusse im Dorffe Oppen, wo man nach Raguit von Königsberg durchreiset, in einem Garten an der Landstrasse. Diese war inwendig hohl, und gantz unglaublich groß, nemlich unten am Stamme sieben und zwantzig Ellen dicke, daß ein bewaffneter Ritter einen grossen Gaul gemächlich darinn herumtummeln konte. Wie da , unter andern, selbst Marggraff Albrecht der Aeltere, Hertzog in Preussen, und auch, nach ihm, Marggraff Albrecht Friedrich solches gethan haben. Welches Henneberger in Erklärung der Preußischen Land-Taffel, Bl. 427. bezeugt; auch daselbst die Ursache, warum diese ungeheure Eiche endlich umgefallen, diesem zuschreibet, daß alle, die solche zu besehen, gekommen, ihres Nahmens Anfangs-Buchstaben nebst der Jahr-Zahl hineingeschnitten, worüber endlich dieser Baum verdorren müssen, welcher, nach seiner Meynung, weder vor noch nach der Sündfluth, einen an Grösse über sich gehabt; massen viel an sehnliche Wetten seinethalben verlohren worden, weil niemand, als der ihn mit Augen gesehen, die Erzehlung davon glauben wollen.

Diese Eichen wurden mit Opffer-Blut besprengt, und bey denselben beständig Feuer gehalten; doch war die zu Romove die berühmteste, weil unter derselben die Wohnung dieser obgemeldeten dreyen vornehmsten Preußischen Götter gewesen, wovon Hartknoch in angeführtem Buche Bl. 117. 118. 119. 126. und auch in seiner Preussischen Kirchen-Geschichte weitläuftiger handelt. Nachmahls wurden diese vier Eichen von den Christen theils verbrannt, theils umgehauen, theils durch die Zeit selbst zerstöret.

[280] [6] Die sechste Satyre
Vorzug des Land-Lebens

In einem Einladungs-Schreiben an den Herrn von Brand.


1692.


Die Zeilen, welche mir ietzt aus der Feder fliessen,
Sind von mir abgeschickt, Herr Bruder, dich zu grüssen:
Ob ich gleich einsam bin, so will ich doch dabey,
Daß ich nicht unbekannt bey meinen Freunden sey.
Zu Blumberg ist mein Sitz, da, nach der alten Weise,
Mit dem, was Gott beschehrt, ich mich recht glücklich preise;
Da ich aus meinem Sinn die Sorgen weggeräumt,
So, daß mir nicht von Geitz, noch eitler Ehre, träumt.
Ich kan das Spiel der Welt, und ihr verwirrtes Wesen
Aus dem gedruckten Blat des Zeitung-Schreibers lesen:
Und wenn gleich alles nun in Krieg und Blut gestürzt,
Wird im geringsten nicht dadurch mein Schlaff gekürtzt.
Bleibt Friedrich nur gesund, und hat sein Scepter Seegen, 1
Was ist mir an Namur und Pignerol gelegen? 2
Und wenn ich, ohne Streit, die Garben binden kan,
Ficht Franckreich mich so viel, als wie der Mogol, an.
Hier merck ich, daß die Ruh in schlechten Hütten wohnet,
Wenn Unglück und Verdruß nicht der Palläste schonet;
Daß es viel besser ist, bey Kohl und Rüben stehn,
Als in dem Labyrinth des Hofes irre gehn.
Hier ist mein eigner Grund, der mir selbst angestorben; 3
Hier ist kein Fußbreit Land durch schlimmes Recht erworben;
Kein Stein, der Witwen drückt, und Wäysen Thränen preßt,
[281]
Kein Ort, der einen Fluch zum Echo schallen läßt.
Hier kan ich Schaaf und Rind in den begrünten Auen,
Die Scheunen voller Frucht, das Feld voll Hoffnung, schauen;
Und wenn kein grosser Hecht hier in die Darge beißt, 4
So gilt mein Giebel-Fang, der offt das Netze reißt. 5
[282]
Ja, will ein stoltzer Hirsch nicht als ein Räuber sterben,
So muß er meine Saat sich scheuen zu verderben.
Von allem bin ich Herr, was in dem Paradieß
Der Vater Adam erst mit eignen Nahmen hieß.
Mein Reden darff ich hier auf keiner Schale wägen,
Auch nicht gewärtig seyn, wenn es mir ungelegen,
Daß, aus Gewohnheit, mich ein falscher Freund besucht,
Der, doch aus Höfflichkeit nur heimlich, mich verflucht.
Hier leb ich, wie ich soll. Mein Wille giebt Gesetze,
Und keinem Rechenschafft. Ich fürchte kein Geschwätze,
Wenn, ob der Hunds-Stern gleich am heitern Himmel glüht,
Man mich bey dem Camin im Fuchs-Peltz sitzen sieht.
So mach ichs, wenn die Lufft mit Regen überzogen:
Wenn Iris aber nun mit dem gefärbten Bogen
Den Horizont bekrönt, führt mich auf neue Spur
Das Wunder-grosse Buch der gütigen Natur.
Mein Gott! was zeiget uns doch die an allen Seiten!
Da halt ich ein Gespräch mit frommen Arbeits-Leuten,
Die stellen manchen Schluß, in ihrer Einfalt, dar,
Der selbst dem Seneca noch schwer zu lösen war.
Da seh ich, was für Wahn uns Menschen offt bedecket,
Daß viel gesunder Witz auch in den Sclaven stecket,
Und, was ein grosser Mund, als ein Orakel, spricht,
Zuweilen mehr betreugt, als offt ein Irrwisch-Licht.
O mehr als güldne Zeit! belobtes Acker-Leben!
Dem Himmel sey gedanckt, der mir die Krafft gegeben,
Daß ich, eh ich noch gar an viertzig Jahre geh, 6
Schon am gewünschten Ziel so vieler Greisen steh.
Hier kanst du, biß im Herbst, mich, liebster Bruder, finden;
Und wenn du deinen Freund aufs neue wilst verbinden,
So stelle dich, und die bey dir im Hause seyn,
So bald es möglich ist, in meiner Armuth ein.
Was dich bekümmern kan, das laß zurücke bleiben.
Ein fröliches Gespräch soll uns die Zeit vertreiben.
Wird gleich auch manchen Tag der Sonnenschein vermißt,
[283]
Genug, daß unser Geist nicht wetterläunisch ist.
Seit vielen Jahren hat bey mir kein Lied geklungen,
Die Leyer ist verstimmt, die Saiten abgesprungen.
Wer weiß, was Phöbus thut, wenn nur dein Antlitz lacht;
Ob nicht ein neuer Trieb die Adern schwellen macht.
Mich dünckt, ich seh euch schon, ihr angenehmen Gäste,
Wie ihr gefahren kommt zu einer Bauren-Köste;
Wie in der freyen Lufft, da alles spielt und schertzt,
Sich auch Eusebius mit seiner Gustgen hertzt. 7
Charlotte Christian' und deinen theuren Fritzen, 8
Seh ich dort eingepackt auf schmalen Bänckgen sitzen.
Doch, wo die Pape bleibt, mit ihrer breiten Brust 9
[284]
Und aufgethürmten Kopff, das ist mir unbewust.
Ich dencke, daß sie sich vor dismahl wird bequemen,
Wo die Bedienten stehn, ein Plätzgen einzunehmen;
Weil noch kein Handwercks-Mann zu der verdammten Tracht,
Die Sprügel und den Raum hat hoch genug gemacht. 10
Eins bitt ich, nehmt vorlieb, wenn ich, nach Art der Hirten,
Euch nicht mit Ortolans und Nectar kan bewirthen; 11
Weil man auf meinen Tisch sonst selten etwas trägt,
Das nicht mein Feld, mein Stall, mein Teich und Garten hegt.
Auf! bilde dir nur ein, du solst nach Hermsdorf reisen; 12
Und, kan ich dir hernach schon nicht desgleichen weisen,
So tröste dich damit, daß du, mein werther Gast,
Nicht weniger, als dort, hier zu befehlen hast.

Fußnoten

1 Churfürst Friedrich führte damahls noch nicht einen Königlichen Scepter. Dieses zielet also hier auf den Brandenburg. Scepter im Wapen.

2 Namur ward gleich in demselben Jahre, in welchem dieser Brief geschrieben ist, von den Frantzosen erobert.

3 Er hatte gedachtes Blumberg von seiner Frau Großmutter, mütterlicher Seiten, der Frau Ober-Cammerherrin und geheimen Räthin von Burgsstorff geerbet, die ihm solches in ihrem letzten Willen, noch bey seiner leiblichen Frau Mutter Leben, zugeeignet.

4 Darge, Derge oder Terge, wie es verschiedentlich genannt wird, heißt so viel als die Reitzung, da man den Fisch terget, zerget oder reitzet, daß er anbeißt. Es ist eigentlich eine Angel von Meßing, deren man sich in der Marck Brandenburg auf den Flüssen, meistens aber auf den Land-Seen, um grosse Hechte zu fangen, wiewohl nur zur Lust, bedienet. Denn sonst ist das Dargen, weil damit grosser Schaden geschicht, und der Hecht häuffig aus dem Wasser geschleppt wird, in der Chur-Brandenb. Fischer-Ordnung vom Jahre 1690. unter dem verbothenen Fischer-Zeuge, ausdrücklich benennt. Man fähret in einem Kahne, ziemlich schnelle herum, läst die Darge an einer offt mehr als Klaffter-langen Schnur, woran weder ein Bley noch sonst was, ins Wasser hängen; da denn das nahe am Angel befestigte rothe Stück Tuch, und die im Fortschwimmen beständig-blinckernde Angel den Hecht anreitzen, daß er, indem er es für Rothaugen ansiehet, darnach schnappet, und dadurch gefangen wird, manchmal auch mit der Schnur weit wegfährt; welches alles des Fischende gleich fühlen kan, weil man die von dem Roll-Holtze abgewundene Darg-Schnur, so ein paar mahl dicker als ein Bind-Faden, im Munde, manchmahl auch nur in der Hand, zu halten, solche dem Fische nachzulassen, und ihn hernach daran wieder zu sich zu ziehen pfleget. Wovon Coler in seinem Haußhaltungs-Buche Bl. 672. und. 697. ausführlich handelt.

5 Giebel, oder Gybel, wie Coler, Bl. 698. diß Wort schreibt, nennet man in der Marck gewisse kleine, aber sehr wohl schmeckende Fische, die man daselbst in ietztgedachten Land-Seen mit Netzen, und, weil sie alle vier Wochen laichen, in gröster Menge zu fangen pfleget. Es ist eine Art Carauschen, aber noch viel süsser vom Fleische, obgleich um die Helffte kleiner, kaum einer Spannen lang, dickfleischigt auf dem Rücken, und von Farbe ungefehr wie die Schleyen. Man bekömmt sie nicht überall gut, weil sie sich nur in stehenden Teichen und Graben aufhalten, und das Wasser darinn nicht allemahl reine. In Blumberg werden die allerbesten gefischt. In Sachsen ist eine gewisse Gattung Weißfische, welche Diebel genannt, und von einigen für eben diese Märckische Giebel, wiewohl ohne Grund, gehalten werden; weil diese sehr gut, jene hergegen sehr schlecht von Geschmack sind.

Das Sprüchwort ist bekannt, man siede gleich den Diebel,

Man brate diesen Fisch, so schmecket er doch übel.

Günthers Gedichte Th. II. Bl. 98.

6 Der Herr von Canitz schrieb dieses in seinem 39sten Jahre.

7 Der Herr von Brand hieß Eusebius, und dessen Gemahlin, Augusta Elisabeth.

8 Die junge Fräulein Tochter des Herrn von Brands, so nachmahls frühzeitig verstarb, hieß Charlotte Christiane; sein eintziger Sohn aber Friedrich. Er ward, schon zu seines Herrn Vaters Lebzeiten, Kön. Preussischer Kammer-Juncker, und, nach dessen Absterben, mit dem Orden der Großmuth begnadiget, als er denselben Sr. Königl. Majest. wieder einhändigen wolte; bekam auch die Amts-Hauptmannschafft zu Driesen, in der Neu-Marck, niemahls aber den Ca ier-Herrn-Schlüssel, wie, so wohl in dem grossen Historischen, als auch in dem Adels-Lexico, irrig vorgegeben worden. Er ist erst in dem abgewichenen Jahre 1725. zu Berlin verstorben.

9 War die Fräulein von Canitz, eine Schwester der Frau von Brand, und eine Tochter des ehmahligen Chur-Brandenburgis. ältesten geheimen Staats-Raths und Ober-Marschalls, Herrn Melchior Friedrichs, Freyherrn von Canitz, auf Dalwitz, der schon im Jahre 1669. die Freyherrliche Würde auf sein Hauß gebracht; aber mit unserm Freyherrn von Canitz nicht befreundet war, weil dieser von den Preußischen, wie jener von den Schlesischen Canitzen, herstammte, woselbst er zuvor, bey Hertzog George dem Dritten zu Liegnitz, Rath und Hof-Marschall gewesen. Sie hieß Sophia Catharina, ward anfangs, auf Gutbefinden ihres Herrn Vaters, in Schlesien erzogen, biß er dieselbe nachmahls zu sich an den Hof, und, nach seinem Tode, die Frau Geheime Räthin von Brand solche ins Hauß genommen. Sie war breit von Brust, trug, nach damahligem Gebrauche, einen sehr hohen Kopf-Putz, war sehr lebhafft vom Geiste, und nicht faul mit dem Munde. Weil sie auch dabey eine Art von einer Habichts- oder Papageyen-Nase hatte, so pflegte der Herr von Canitz, in dessen Behausung sie fast beständig, und dabey sehr wohl gelidten war, Sie, im Schertze, nur immer Pape oder Pabgen zu nennen.

10 Sprügel, sind die Bogen-Höltzer an einer Gutsche, worauf oben der Himmel oder die Decke ruhet.

11 Ortolans werden von den meisten irrig, wegen ihres fremden Nahmens, für ausländische Vögel gehalten; sind eigentlich eine Art Gold-Ammern, doch etwas kleiner, und fast überall, auch in Teutschland, wiewohl an einem Orte häuffiger als am andern, anzutreffen. Die Jäger und Vogelsteller, denen diese Vögel noch nicht bekannt sind, rechnen sie gemeiniglich mit unter die Gold-Ammern. Wegen ihres trefflichen Geschmacks sind sie hochgeschätzt: man muß sie aber vorher einfangen und füttern, da sie in kurtzer Zeit sehr fett werden.

12 Hermsdorff, war des Herrn von Brand Land-Gut.

[285] [7] Antwort-Schreiben des Herrn von Brand

Mein allerliebster Freund und werthester Herr Bruder,
Der du in Blumberg itzt versammelst deine Fuder,
Der du, wie Tityrus, dort in dem Schatten liegst, 1
Und zehlest, was für Korn du in die Scheunen kriegst,
Du dürfftest dich fürwahr so künstlich nicht bemühen,
Mich, durch ein schön Gedicht, aufs Land hinaus zu ziehen;
Es braucht, wilt du mich sehn, von dir ein eintzig Wort,
Dein Land-Gut ist für mich ein allzulieber Ort.
Ich weiß schon, wie man da die Stunden kan vertreiben;
Die Feld-Lust hättest du nicht nöthig zu beschreiben,
Dieweil mein freyer Geist, den Hof, zusammt der Stadt,
Mit Vorbedacht, wie du, schon offt vermieden hat.
Drum freut es mich recht sehr, daß dieses stille Leben
Dir eben so gefällt, als ich ihm selbst ergeben;
Und da wir beyderseits hierinn so gleich von Sinn,
Als eil ich desto mehr zu dir nach Blumberg hin,
Da wir auf eigne Hand uns können lustig machen,
Und, nebst der Eitelkeit, auch Welt und Hoff verlachen;
Da wir nicht so gepreßt mit Schreiben auf die Post,
Und da uns keiner jagt von unsrer Haußmanns-Kost;
Da man, frey von dem Zwang bey grossen Potentaten,
Sich satt fein friedlich ißt von seinem eignen Braten;
Da keiner fürchten darff Gewalt, Gefahr und List,
Die einen grossen Hanß offt unversehens frist.
Ach! wäre mancher Held auch so daheim geblieben!
Und hätte nicht sein Glück so hoch hinausgetrieben,
Hätt er sich nicht vergafft in Ehre, Macht und Geld,
So würd er ietzo nicht vor solch Gericht gestellt.
Drum thun wir beyde wohl, dieweil wir uns bequemen,
Mit Rüben, Kohl und Speck fein hübsch vorlieb zu nehmen.
Bescheret uns dann Gott auch Wildpret oder Fisch,
[286]
So sagen wir ihm Danck für solchen guten Tisch.
Ey nun! mein liebster Freund, in Hofnung, dich zu sprechen,
Will ich am Freytag früh mit Sack und Pack aufbrechen.
Mein Bruder kommt allein; Frau, Kinder bring ich mit; 2
Der Pape wegen nur geh ich nicht einen Schritt.
Ich weiß gewißlich ihr sonst keinen Platz zu finden,
Als etwan hinten sie beym Bett-Sack aufzubinden;
Wann ihr nur sonst nicht was hier aus den Falten rückt,
An statt, daß dort ihr Kopf im Wagen sich zerdrückt.
Es möcht ihr auch dabey ein andrer Fall begegnen,
Daß sie gar hinten könt ein Wolcken-Guß beregnen;
Alsdenn so hüllte sie sich gantz in Fuchspeltz ein,
Und Pabgen könte so den Kindern Guckug! schreyn. 3
Herr Perband bittet sie in seinen hohen Wagen; 4
Allein, ich fürchte sehr, sie möchten sich da schlagen,
Biß daß die Federn gar von Pabgen alle fort,
Und keine mehr davon blieb an dem rechten Ort.
Sonst freu ich mich im Geist, wie du uns wirst empfangen,
Und fragen, wie es uns so lange Zeit ergangen?
Auch hast du hoffentlich zum Tisch in grosses Blat,
Da man gemächlich sitzt, biß Wirth und Gäste satt.
Nach diesem wirst du uns in deinen Garten führen,
[287]
Und wir, im Grünen, da vergnügt herumspatzieren.
Weicht aber Phöbus Glut aldann der kühlen Nacht,
So ist für jeden schon ein sanfftes Bett gemacht.
Werd ich, in meinem, nun zu Gustgen mich gesellen,
So thu deßgleichen auch bey deiner liebsten Drellen. 5
Ein Seegen macht vielleicht alsdann aus zweyen drey,
Daß Blumberg ja so wohl als Köpnig fruchtbar sey. 6
So geht es gut. Doch schließt den Brief ein starckes: Aber!
Daß vor die Pferde ja bereit sey Heu und Haber!
Dieweil ein tüchtig Roß auch gern was gutes frist,
Wann es bey dir zu Gast mit mir gekommen ist.
[288]
Die Gelben mercken diß, und fangen an zu prauschen.
Weil man uns gerne sieht, so laßt die Räder rauschen!
Im übrigen, so nimm mich auf für einen Gast,
Dem du, als deinem Knecht, stets zu befehlen hast.

Fußnoten

1 Tityrus, ein Hirte, von welchem Virgil, fast mit gleichen Worten, sein erstes Schäffer-Gedicht anfängt.

2 War der General-Lieutenant von Brand, ein sehr angenehmer und dabey schertzhaffter Mann, auch ein besondrer Freund unsers Herrn von Canitz.

3 Ist eine Schertz-Redens-Art, welche so viel sagen will, sie würde sich, wann es regnen solte, dergestalt in den Peltz einhüllen, da nichts als das Gesichte hervorgucken könte; wie man den kleinen Kindern vorzumachen, und Guckgug! zu ruffen pfleget. Dergleichen eintzelne Wörter von den Papageyen auch insgemein am ersten hergeplaudert werden.

4 Er war Obrister und Chur-Fürstl. Cammer-Herr; deren man damahls nur viere zehlte. Weil er nebst seinem Schwager, dem General-Major Wangenheim, am Berlinischen Hofe, einer von den geübtesten war, einen muntern Schertz vorzubringen, so muthmassete der Herr von Brand nicht unbillig, daß unter diesen beyden leicht ein lustiges Gezäncke im Wagen entstehen könte; indem sie auch nicht leicht gewohnt war, eine Schertz-Antwort schuldig zu bleiben.

5 Drell oder Drall heist in der Marck so viel als derbe; man sagt z.E. eine Drelle Dirne, das ist, ein frisches derbes Mädgen.

6 Köpenick ist ein bekanntes zwey Meilen zur rechten von Berlin liegendes Ammt, Städtgen und Lust-Schloß auf einem Werder, den die Spree macht, welche sich daherum in viele kleine Seen ausbreitet. Der vorige so wohl, als der ietzige König, hatten es, als Chur-Printzen, im Besitze. Jener erweiterte und zierte so wohl Schloß, Kirche und Lust-Garten, als viel andre Fürstl. neu von ihm errichtete Gebäude in der Stadt und auf den Land-Gütern. Dieser hatte in der Jugend ein artiges Zeug-Hauß daselbst angeleget. König Friedrich hielt sich als Chur-Printz und Chur-Fürst, öffters daselbst auf, bey welcher Gelegenheit der Herr von Canitz mit seiner Doris vielmahl dahin reisete. Ob aber von einer vermutheten Schwangerschafft der Churfürstin selbst damahlen die Sage gegangen, oder, ob die Frau von Canitz, wie es scheint, daselbst einmahl schwanger worden, als sie ihren Gemahl dahin begleitet, kan man nicht für gewiß versichern. Diese Antwort des Herrn von Brand, so uns geschrieben mitgetheilet worden, ist noch in keiner eintzigen Auflage der Canitzischen Gedichte befindlich; ungeacht sie hier unentbehrlich scheinet, weil ohne dieselbe die Canitzische Gegen-Artwort nicht recht verstanden werden kan. In S.v.G. auferweckten Gedichten, die man 1702. zu Franckfurt und Leipzig in 8. gedruckt, ist, nebst den beyden Canitzischen Schreiben, auch diese Antwort des Herrn von Brand am 290. Bl. in der Zugabe, aber vermuthlich nach einer sehr schlimmen Abschrifft, mit eingerückt worden. Es sind aber diese Gedichte, ausser den Zugaben, eben diejenige, so schon, unter dem versetzten Nahmen Salomons von Golau, im Jahre 1654. herausgekommen, aus drey tausend Sinn-Gedichten bestehen, und zum wahren Verfasser Herrn Friedrich von Logau, aus Schlesien, haben.

[289] [8] Die siebende Satyre
Des Herrn von Canitz Gegen-Antwort

Herr Bruder, ich bin froh, daß deine werthe Schrifft
Mit dem, was mich ergetzt, so wohl zusammen trifft;
Indem ich ohne Scheu, seit ich, frey vom Gedränge
Des Hofes, müßig geh, erbauliche Gesänge
Mit dir itzt wechseln darf; weil noch in unserm Geist
Das alte Schrot und Korn sich, ohne Zusatz, weist.
Beglücktes Vaterland! das dich und mich erzogen,
Und wir noch glücklicher! dieweil uns nicht betrogen
Des Hofes Gauckelspiel. Wohlan, so nimm dis Blat,
Das dir, zum zweyten mahl, mein Kiel gewiedmet hat.
Der soll, wenn du ihn wirst mit gleicher Lust erwecken,
Dir meine Phantasie noch mehr und mehr entdecken.
Denn du bist nicht ein Mann, nach Art der neuen Welt,
Der den Machiavell für sein Gebet-Buch hält;
Der sich bloß auf die Kunst, dem Hof zu schmeicheln, leget,
Und einen Juncker kaum, Herr Ohm, zu nennen pfleget.
Kein Glück ist dir zu starck, das dich bemeistern kan;
Dir legt kein Fürsten-Blick die güldnen Fessel an;
Du lebst, als Last-Vieh nicht, wie mancher, angebunden.
Was du der Herrschaft stiehlst, das sind vergnügte Stunden.
Kein fremdes Wohlergehn ists, was dein Hertze nagt.
Mir ist nicht unbewust, daß dir ein Schertz behagt.
Wenn nur ein freyes Wort, das uns die Zeit verkürtzet,
Nicht seinen Honigseim mit Coloquinten würtzet,
Und nur kein heimlich Gifft den Nechsten sticht und schilt,
Daß manchem Papagey der Kopf, vor Eyfer, schwillt.
Du forderst keinen Pracht der köstlichen Bancketen;
Vor dir darf keiner, auch mit schlechter Kost, erröthen.
Ich weiß, daß du die Zeit mit Wirthschafft offt vertreibst,
Und selbst, wie Plinius und Columella, schreibst. 1
[290]
Wird doch kein Bücher-Saal im Teutschen Reich gefunden, 2
Da nicht Eusebius, in Pergament gebunden,
Durch Hohbergs treuen Fleiß die späte Nachwelt lehrt,
Wie die Morene sich in seinen Wassern mehrt. 3
[291]
So soll denn alle Frucht, die mein Gehirn gebieret,
Weil uns doch gleicher Sinn zu gleichem Handwerck führet,
Dir künfftig eigen seyn; wenn nur nicht Grieß und Gicht 4
Die Unschuld-volle Lust zu zeitig unterbricht.
Nimm dis zur Antwort hin auf die geehrten Zeilen,
Die gestern dir beliebt mir wieder zu ertheilen.
Nun send ich, werthster Freund, den Danck, der dir gebührt,
Weil schon dein muntrer Knecht die Räder eingeschmiert,
Damit du bald genug mit den geliebten Deinen,
Auf meinem Meyerhof am Freytag kanst erscheinen.
Fort Gelben! biß der Trab euch das Gebiß beschäumt.
Euch ist schon Kripp und Stall beyzeiten ausgeräumt.
Seyd stoltz, weil ihr vielleicht noch nicht in einem Wagen,
So viel vom edlen Blut der Branden habt getragen.
Schickt euch zur stillen Ruh, nach einem kurtzen Lauf,
Und haltet länger nicht den Wirth zu Blumberg auf;
Der, wenn er einen Hund von weitem bellen höret,
Ein freudiges Gesicht nach seinen Gästen kehret.
Ihr dürfft nicht nach dem Schritt der andern Rosse sehn;
Denn jene läßt, mit Fleiß, ihr Herr so langsam gehn,
Daß ihn das Tugend-Bild, das mit so holden Blicken 5
Ihm an der Seiten strahlt, noch länger soll entzücken.
Doch glaubt mir, wenn er ihr nur das geringste sagt,
Und ihren Helden-Muth dadurch in Harnisch jagt,
Wird, nach dem ersten Blitz der zornigen Geberden,
[292]
Er selbst vor Schrecken stumm, die Braune rasend, werden.
Zuletzt ersuch ich dich, daß meiner Grillen Tand,
Herr Bruder, dir allein, nicht Fremden, sey bekandt.
Ein Lied, das ich nur dir, und keinem andern, singe,
Ist ja kein Ständgen nicht, das ich der Strasse bringe.
Ein Kuß, der Marck und Bein, in Keuschheit, zittern macht,
Wird, wenn es niemand sieht, zum besten angebracht.
Ich habe guten Fug ein solches zu begehren,
Drum wirst du deinem Freund es als ein Freund gewähren;
Sonst zieh ich meinen Kopf, als wie die Schnecken, ein,
Und werde weniger, als sonst, dein Diener seyn.
Mit den Satyren selbst, die in den Wäldern hüpffen,
Werd ich, auf solchen Fall, mich wider dich verknüpffen,
Und schreyen, biß es weit durch Berg und Thäler gällt:
Daß auch der beste Freund nicht Treu und Glauben hält.

Fußnoten

1 Hier wird der ältere Plinius wegen seiner Natur-Geschichte verstanden, die er uns in sieben und dreyßig Büchern, wie Columella zwölff Bücher vom Landbau, hinterlassen.

2 Der Tauff-Nahme des Herrn von Brand hieß Eusebius, und bey seinem Gute Hermsdorff lag der ihm zugehörige grosse Land-See Wutzlau, worinn Morenen gefangen werden. Da nun der Frey-Herr von Hohberg, als er sich aus dem Oesterreichischen, seiner Glaubens-Freyheit halber, begeben und in Regenspurg niedergelassen, daselbst sein Adeliches Land-und Feld-Leben zum Drucke beförderte, und in demselben eine ausführliche Beschreibung der Morenen einrücken wolte; erhielt er, durch Vermittelung des damahligen Chur-Brandenb. Gesandten bey der Reichs-Versammlung daselbst, des Herrn von Jena, von dem Herrn von Brand eine eigenhändige Beschreibung dieser Fische, wie auch ihres Fangs, ihrer Art, Grösse, Zurichtung und dergleichen, die er seinem Adelichen Wirthsschaffts- und Haußhaltungs-Buche auf dem 602. Blatte von Wort zu Wort einverleiben lassen.

3 Man muthmasset, daß diese Morenen von dem Städtgen Moryn, 5. oder 6. Meilen von Berlin gelegen, also genennet werden, weil man diese Fische daselbst in den grossen Seen häuffig fänget. Coler in seinem Hauß-Buche, wo er Bl. 699. von diesen Fischen handelt, glaubt das Gegentheil, und meinet, das Städtgen Moryn hätte seinen Nahmen von den Morenen bekommen. Es ist nicht diejenige Art Murenen, welche vormahls von den Römern bey grossen Gastereyen, als einer der vornehmsten Leckerbissen, auf die Taffel gesetzt worden, und welche, nach etlicher Meynung, unsre heutige Lampreten seyn sollen; denn dieselben sind eine Gattung Meer-Fische, wie die Morenen eine Art Land-See-Fische. Man fängt die Morenen zur Winters-Zeit in solcher Menge, daß der Herr von Brand manchmahl zwantzig biß dreißig Tonnen auf einen Zug gefischet; indem sie in so häuffiger Anzahl in den Land-Seen, als die Heringe in der offenbahren See, zu finden. Sie sind auch ungefehr von derselben Grösse, aber am Geschmacke noch besser als die Forellen, haben sonst keine Gräte, als den Rück-Grad und das Gerippe, und sind, ie kleiner, ie schmackhaffter. Sie werden gesaltzen, getrucknet, geräuchert oder frisch, auf mancherley Weise zugerichtet, und auch in gröster Menge verschickt. Der Herr von Brand hatte allezeit die Ehre, daß er Sr. Majest. dem Gottsel. Könige von Preussen die ersten vom Jahre auf die Taffel lieferte. In Pommern in dem Land-See, Madduja genannt, sind sie so groß als ein Lachs, werden auch auf dieselbe Art zugerichtet; wovon in angezogenem Buche des Herrn von Hohberg mehrere Nachricht zu finden. Nicht weniger werden in Preussen aus dem grossen Land-See, der Spirding genannt, im alten Sudiner-Lande, die Morenen, in gröster Anzahl gefangen, hernach gesaltzen, und weit und breit in gantz Preussen verführt, wie Hartknoch in seinem Alt- und Neu-Preussen Bl. 11. erzehlet.

4 In diesen Jahren fieng der Herr von Canitz schon an Stein-Beschwerungen zu empfinden, die auch hernach viel zu seinem frühzeitigen Tode mit beygetragen. Er setzte aber allezeit, wann er davon sprach, die Gicht dazu, in Hofnung, wie er schertzte, daß sie doch auch wohl folgen würde.

5 Zielet auf die Fräulein von Canitz, die der Herr von Perband in seiner Gutsche hinausführete, und im Reden mit ihr desto freyer zu schertzen pflegte, je näher er ihr beschwägert war: Denn er hatte nach einander zwo Schwestern des General-Major Wangenheims, dieser aber eine Schwester der Fräulein von Canitz, geheyrathet.

[293] [9] Die achte Satyre
Der Hof

Ein Schloß, da Circe schertzt mit ihren Gauckel-Possen:
Ein Kercker, da das Glück die Sclaven hält verschlossen:
Ein Tollhaus, da man sich durch manche Narren drängt,
Von denen einer singt, der andre Grillen fängt.
Ein Kloster, da man sieht die reichsten Brüder betteln:
Ein Glückstopff, welcher meist besteht in leeren Zetteln:
Ein Marckt, da Wind und Rauch die besten Waaren sind,
Und wo ein Gauckel-Dieb das meiste Geld gewinnt.
Ein angefüllt Spital, in welches einzutreten,
Ein Krancker sich bemüht den andern todt zu beten.
Ein stetes Fastnacht-Spiel, da Tugend wird verhönt,
Obgleich das Laster selbst von ihr die Maske lehnt.
Denn schmeicheln heißt man hier: sich nach der Zeit beqvemen;
Verleumden: ohnvermerckt den Gifft der Schlangen nehmen;
Den Hochmuth: Freund und Feind frey unter Augen gehn;
Den Geitz: mit Wolbedacht auf seine Wirthschafft sehn;
Die Pracht: den Purpur nicht mit Niedrigkeit beflecken;
Die Falschheit: mit Verstand des andern Sinn entdecken;
Den Soff: ein fremdes Hertz erforschen in dem Wein;
Die Unzucht: recht galant beym Frauenzimmer seyn.
Eins wisse! Welcher denckt, hier tugendhafft zu handeln,
Muß, mit Gefahr und Streit, auf dieser Strasse wandeln,
Worauf in einem Tag mehr Ungeheuer sind,
Als man in Africa im ödsten Reiche findt.

[294] [10] Die neunte Satyre
Die Welt läßt ihr Tadeln nicht

Fabel.


Merck auf, ich bitte dich, wie es dem Alten gieng,
Der, um die Welt zu sehn, noch an zu wandern fieng.
Ein Esel trug ihn fort, sein Sohn war sein Gefährte.
Als nun der sanffte Ritt kaum eine Stunde währte,
Da rieff ein Reisender ihn unterwegens an:
Was hat euch immermehr das arme Kind gethan,
Daß ihrs laßt, neben euch, auf schwachen Füssen traben?
Drum stieg der Vater ab, und wiech dem müden Knaben.
Doch, als er dergestalt die Liebe walten ließ,
Sah er, daß man hernach mit Fingern auf ihn wieß.
Ihr köntet ja mit Recht, hört er von andern Leuten,
Zum wenigsten zugleich mit eurem Buben reiten.
Er folgte diesem Rath, und als er weiter kam,
Erfuhr er, daß man ihm auch dis für übel nahm.
Es schrie der gantze Marckt: Ihr thut dem Thiere Schaden,
Man pflegt nicht so, wie ihr, sein Vieh zu überladen.
Der Alte, der noch nie die Welt so wohl gekannt,
Kehrt' eilig wieder um, wie ers am besten fand,
Und sagte: Solt ich mich in alle Menschen schicken,
So packten sie mir gar den Esel auf den Rücken.

[295] [11] Die zehende Satyre
Von dem wahren Adel

Ubersetzung der fünfften des Boileau. 1


Der Adel ist alsdenn kein blosser Dunst zu nennen,
Wann man aus Blut entsprießt, das Helden zeugen können;
Und nach dem strengen Satz, den ernste Tugend stifft,
Auch so der Ahnen Spur, wie du, mein Dangeau, trifft.
Nur kränckt mich, wenn ein Thor, der sich in schnöden Lüsten
Pflegt eintzig und allein mit seinem Stand zu brüsten,
So unverschämte Pracht mit fremdem Schmucke treibt,
Und andrer Leute Lob auf seine Rechnung schreibt.
Sein tapferes Geschlecht mag durch berühmte Sachen
Die ältsten Chronicken zu dicken Büchern machen;
Gesetzt, daß jenen Schild, den sein Geschlecht noch führt,
Vorlängst schon ein Capet mit Lilgen ausgeziert;
Wozu doch will er uns den leeren Vorrath weisen?
Wenn er von seinem Stamm, den die Geschichte preisen,
Der Welt nichts zeigen kan, als ein verlegnes Blat,
An dem das Pergament der Wurm geschonet hat?
Wann seiner Qvelle zwar was Göttlichs zugeeignet,
Und doch sein Hertz an ihm den hohen Ursprung läugnet.
Da man nichts grosses mehr an ihm zu sehen kriegt,
Als daß ein stoltzer Jeck in träger Wollust liegt.
Doch scheint es, wenn er sich so übermüthig blähet,
Daß sich, nach seinem Winck, des Himmels Achse drehet,
Und daß des Schöpfers Hand, mit reiffem Vorbedacht
[296]
Ihn aus viel besserm Thon, als mich, hervor gebracht.
Was ist es für ein Thier, du Held von hohen Gaben!
Das wir gemeiniglich am allerliebsten haben,
Ists nicht ein muntres Pferd, das Muth und Feuer bläßt,
Und keines neben sich das Ziel erreichen läßt?
Es wird ein Koppel-Gaul offt schlecht genug bezahlet,
Ob gleich manch edles Roß in seinem Stamm-Baum prahlet,
Und trägt, wenn er nicht taugt, den Post-Knecht über Land,
Wo man das Schindvieh nicht gar in die Karre spannt.
Warum wilst du denn uns durch Mißbrauch so bethören,
Daß jederman an dir soll was vergangnes ehren?
Mich blendt kein eitler Schein, der nur ins Auge fällt;
Wo ich nicht Tugend seh, da seh ich keinen Held.
Getraust du dich dein Blut von Helden herzuleiten;
So zeig auch gleiche Glut, wie sie zu ihren Zeiten,
Ein Hertz das Ehre sucht, und das die Laster scheut.
Lebst du, wie sichs gebührt, fleuchst Ungerechtigkeit,
[297]
Kanst den, der dich bestürmt, von deinen Mauren treiben,
Und biß zum Morgen-Thau im Harnisch stecken bleiben;
Alsdenn erkenn ich dich, daß du recht edel bist,
Weil man aus deinem Thun des Adels Probe list.
Alsdenn sey dir vergönnt, die Ahnen zu erlesen,
Aus denen, welche selbst Monarchen sind gewesen.
Zehl tausend Ahnen her, und wilt du weiter gehn,
Soll die verstrichne Zeit dir gantz zu Diensten stehn.
Du kanst der Helden Reih, wenn dirs gefällt, durchwandern:
Komm von Achilles her, von Cäsarn, Alexandern.
Der Neid streut nur umsonst dir einen Zweifel ein,
Und, bist du nicht ihr Sohn, so soltest du es seyn.
Hingegen, hast du gleich Beweiß genug in Händen,
Daß du von Glied zu Glied stammst aus Alcidens Lenden,
Schlägst aber aus der Art, so legt der Eltern Grab
Am ersten wieder dich ein schlimmes Zeugniß ab;
Und ihrer Würde Glantz, den du beginnst zu schwächen,
Beleuchtet destomehr dein schändliches Verbrechen.
Es hilfft nicht, daß du dich mit ihrem Nahmen deckst,
Wann du dich auf der Haut des Müßigganges streckst.
Und, wilst du dergestalt der Ahnen Schutz gebrauchen;
So wird er, wie ein Dampff, und leichter noch verrauchen.
Du bleibst ein blöder Held, der in geheim betreugt,
Ob er gleich öffentlich viel güldne Berge leugt.
Ein Falscher, der Verrath und lauter Meyneyd brütet;
Ein Thor, doch so ein Thor, der in dem Wahnwitz wütet;
Und, wenn man den Entwurff in zweyen Worten faßt,
Von einem edlen Baum ein abgefaulter Ast.
Wird meiner Muse Zorn sich auch zu sehr ergiessen?
Läßt sie nicht schon zu viel vergällte Worte fliessen?
Sie geht vielleicht zu weit, und kennt die Weise nicht,
Nach der man insgemein mit Stands-Personen spricht.
Wohlan, so will ich denn mit Glimpff nur dieses fragen:
Ists lange, daß man hört von deinem Adel sagen?
[298]
Schon gantzer tausend Jahr. Und dein bekanntes Hauß
Streckt seiner Ahnen Zahl auf zwey und dreyßig aus?
In Wahrheit, das ist viel; zumahl, da man kan weisen,
Daß ihrer Titel Pracht fast alle Schrifften preisen.
Ihr Nahme lebt, und trutzt den Schiffbruch schneller Zeit.
Das alles ist sehr gut; doch wer schwört einen Eyd,
Daß, binnen solcher Frist, der Mütter keusches Lieben
Den Männern immer treu, den Buhlern feind, geblieben;
Daß nie ein kühner Freund sie glücklich angelacht,
Und durch den Adel-Stand dir einen Strich gemacht;
Und daß ein reines Blut, aus nicht geringerm Orden,
Stets durch Lucretien dir zugeflösset worden.
Verflucht sey jener Tag, da dieser eitle Tand
Zu erst die Reinigkeit der Sitten weggebannt!
Als die noch zarte Welt lag gleichsam in der Wiegen,
Durfft einer sich auf nichts, als auf die Unschuld, triegen, 2
Da war das Volck vergnügt und in Gesetzen gleich,
Verdienst war Adels werth, und galt ein Königreich.
Da fand man keinen Held, der sich auf Herkunfft stützte,
Und der nicht, an sich selbst, mit eignen Strahlen blitzte;
Biß daß man mit der Zeit die Tugend so verließ,
Daß man sie bürgerlich, das Laster edel, hieß.
Der neuerwachsne Stand hielt andre bald für Sclaven:
Das Land war überschwemmt von Freyherrn und von Grafen:
Man wieß, an statt des Kerns, die Welt mit Schalen ab,
Und hatte Tugend gnug, wann man sich Titel gab.
Bald ward ein Wapen-Recht mit Regeln ausersonnen,
Das, weil es im Gehirn der Schwärmer angesponnen,
Sich eigne Wörter macht, und unvernehmlich spricht;
Das bald die Schilde krönt, bald in vier Theile bricht,
Bald pfählt und gegenpfählt, bald kerbet und verbindet,
[299]
Und was dergleichen mehr die Herolds-Kunst erfindet.
Da ward nun die Vernunfft der Thorheit unterthan.
Die Ehre war beschämt: denn keiner sah sie an.
Die Kosten nahmen zu; mau ließ Verschwendung spüren,
Den Vorzug der Geburt nach Würden auszuführen;
Man baute Schlösser auf, und gab, zum Unterscheid,
Der Hofbedienten Schaar ein buntbebrämtes Kleid.
Da muste man viel Troß, zum Ansehn, bey sich haben,
Und wer recht vornehm war, der hielt sich Edelknaben.
Doch, als das Geld und Gut des Adels bald verschwand,
Und er zum Unterhalt kein leichter Mittel fand,
Ward er, aus Dürfftigkeit, in einer Kunst geübet,
Die allenthalben borgt, und nichts nicht wieder giebet;
Kein Scherge war so frech, der sich an ihm vergrieff,
Und wenn ein Gläubiger nach der Bezahlung lieff,
Ließ ihn ein solcher Herr vor seiner Schwelle frieren,
Biß man den Juncker selbst sah in den Schuld-Thurm führen;
Da er, wiewohl zu spät, sein Ungemach beklagt,
Wenn ihn des Richters Spruch von Hauß und Hof gejagt.
Diß machte, daß er sich, weil ihn die Nothdurfft drückte,
Vor einem Lumpenkerl, um dessen Tochter, bückte.
Der Ahnen Alterthum gab er mit in den Kauff,
Und halff sich aus dem Schimpff mit Schande wieder auf.
Denn, wo der Adel nicht den Schein vom Golde lehnet,
Und bloß sein Alter liebt, so bleibt er wohl verhönet:
Ein ieder hält ihn werth ins Tollhauß einzugehn,
Und wer ihm anverwandt, der will es nicht gestehn.
Ist aber iemand reich, nach dem wird alles fragen.
Ja, hätt' er in Paris gleich Lieberey getragen,
Und wüste selber nicht, wie recht sein Nahme sey,
[300]
Ein Schmeichler steht ihm bald mit hundert Ahnen bey,
Und wird ihn, wer er ist, aus den Geschichten lehren.
Auf! Dangeau, den Verdienst und Stand für andern ehren;
Der du am Hofe dich so klüglich aufgeführt,
Daß deine Tugenden die Klippen nie berührt;
Du, den des Königs Huld zu einem Amt beruffen,
Da du ihn täglich siehst auf neuen Sieges-Stuffen,
Und wie was Göttliches, das ihm selbst eingeprägt
Mehr, als der Lilgen-Glantz, an ihm zu schimmern pflegt;
Wie ers verächtlich hält, wann andre Majestäten
Vor ihrer Uppigkeit, im Purpur, nicht erröthen;
Wie er die träge Lust für eine Bürde schätzt,
Dem wanckelbahren Glück, durch Klugheit, Gräntzen setzt,
Und sich sein Wohlergehn mit eignen Händen bauet,
So daß der Erden-Kreiß an ihm ein Muster schauet,
Wie man soll König seyn. Auf! sag ich, sey bemüht,
Wenn sich dein Muth zum Zweck rechtmäßgen Ruhm ersieht,
Wie du, durch treuen Dienst und tapferes Beginnen,
Magst deines Herren Hertz je mehr und mehr gewinnen,
Und zeig ihm, daß er heut noch Unterthanen findt,
Die eines Königes, wie er ist, würdig sind.

[301] Satyre V.

Du Sr. Boileau Despreaux, a Mr. le Marquis de Dangeau.


La Noblesse, Dangeau, n'est pas une chimere;
Quand sous l'étroite loi d'une vertu sévére,
Un homme issu d'un sang fécond en demi Dieux,
Suit, comme toi, la trace où marchoient ses ayeux.
Mais je ne puis souffrir, qu'un fat, dont la mollesse
N'a rien pour s'appuier qu'une vaine noblesse,
Se pare insolemment du mérite d'autrui,
Et me vante un honneur qui ne vient pas de lui.
Je veux que la valeur de ses ayeux antiques,
Ait fourni de matiére aux plus vieilles chroniques,
Et que l'un des Capets, pour honorer leur nom,
Ait de trois fleurs de lis doté leur écusson.
Que sert ce vain amas d'une inutile gloire?
Si de tant de heros célébres dans l'histoire,
Il ne peut rien offrir aux yeux de l'univers
Que de vieux parchemins qu'ont épargnez les vers:
Si tout sorti qu'il est d'une source divine,
Son cœur dément en lui la superbe origine:
Et n'ayant rien de grand qu'une sotte fierté,
S'endort dans une lâche & molle oisiveté?
Cependant, á le voir avec tant d'arrogance
Vanter le faux éclat de sa haute naissance;
On diroit que le ciel est soûmis à sa loi,
[302]
Et que Dieu l'a paîtri d'autre limon que moi. 3
Dités-nous, grand Heros, esprit rare & sublime,
Entre tand d'animaux, qui sont ceux qu'on estime?
On fait cas d'un coursier, qui fier & plein de cœur,
Fait paroître en courant sa boüillante vigueur:
Qui jamais ne se lasse, & qui dans la carriere
S'est couvert mille fois d'une noble poussiere:
Mais la posterité d'Alfane & de Bayard, 4
Quand ce n'est qu'une rosse, est venduë au hazard,
Sans respect des ayeux dont elle est descendue,
Et va porter la malle, ou tirer la charuë.
Pourquoi donc voulés-vous que par un sot abus,
Chacun respecte en vous un honneur qui n'est plus?
On ne m'éblouït point d'une apparence vaine.
La vertu d'un cœur noble est la marque certaine.
Si vous etes sorti de ces Heros fameux,
Montrés-nous cette ardeur qu'on vit briller en eux,
Ce zéle pour l'honneur, cette horreur pour le vice.
Respectés-vous les loix? Fuiés-vous l'injustice?
[303]
Savés-vous sur un mur repousser des assauts? 5
Et dormir en plein champ le harnois sur le dos?
Je vous connois pour noble à ces illustres marques.
Alors soyés issu des plus fameux monarques.
Venés de mille ayeux; & si ce n'est assés,
Feüilletés à loisir tous les siécles passés.
Voyés de quel guerrier il vous plait de descendre;
Choisissés de César, d'Achille, ou d'Alexandre:
En vain un faux censeur voudroit vous démentir,
Et si vous n'en sortés, vous en devés sortir.
Mais fussiés-vous issu d'Hercule en droite ligne,
Si vous ne faites voir qu'une bassesse indigne,
Ce long amas d'ayeux que vous diffamés tous,
Sont autant de témoins qui parlent contre vous;
Et tout ce grand éclat de leur gloire ternie,
Ne sert plus que de jour à votre ignominie.
En vain tout fier d'un sang que vous deshonorés,
Vous dormés à l'abri de ces noms réverés.
En vain vous couvrés des vertus de vos peres:
Ce ne sont à mes yeux que de vaines chiméres.
Je ne vois rien en vous, qu'un lâche, un imposteur,
Un traitre, un scelerat, un perfide, un menteur,
Un fou, dont les accès vont jusqu' à la furie,
Et d'un tronc fort illustre une branche pourrie.
Je m'emporte peut être, & ma muse en fureur
Verse dans ses discours trop de fiel & d'aigreur.
Il faut avec les grands un peu de retenuë.
Hé bien, je m'adoucis. Votre race est connuë.
Depuis quand? repondés. Depuis mille ans entiers;
[304]
Et vous pouvés fournir du moins trente quartiers. 6
C'est beaucoup: Mais enfin les preuves en sont claires,
Tous les livres sont pleins des titres de vos peres:
Leurs noms sont échappés du naufrage des tems.
Mais qui m'assurera, qu'en ce long cercle d'ans,
A leurs fameux epoux vos ayeules fideles,
Aux douceurs des galans furent toujours rebelles?
Et comment savés-vous, si quelque audacieux
N'a point interrompu le cours de vos ayeux;
Et si leur sang tout pur avecque leur noblesse,
Est passé jusqu'à vous de Lucrece en Lucrece?
Que maudit soit le jour, où cette vanité
Vint ici de nos mœurs soüiller la pureté!
Dans les temps bienheureux du monde en son enfance
Chacun mettoit sa gloire en sa seule innocence.
Chacun vivoit content, & sous d'égales loix.
Le mérite y faisoit la noblesse & les Rois;
Et sans chercher l'appui d'une naissance illustre,
Un Heros de soi-même empruntoit tout son lustre.
Mais enfin, par le tems le mérite avili
Vit l'honneur en roture, & le vice annobli.
Et l'orgueil d'un faux titre appuyant sa foiblesse,
Maìtrisa les humains sous le nom de noblesse.
De là vinrent en foule & Marquis & Barons,
Chacun pour ses vertus n'offrit plus que des noms.
Aussi-tôt maint esprit fécond en réveries,
Inventa le blazon avec les armoiries;
De ses termes obscurs fit un langage à part,
Composa tous ces mots de cimier & d'ecart,
De pal, de contrepal, de lambel & de face,
[305]
Et tout ce que Segoing dans son Mercure entasse. 7
Une vaine folie enyvrant la raison,
L'honneur triste & honteux ne fut plus de saison.
Alors, pour soûtenir son rang & sa naissance,
Il falut étaler le luxe & la dépence;
I falut habiter un superbe palais,
Faire par les couleurs distinguer ses valets:
Et trainant en tous lieux de pompeux équipages,
Le Duc & le Marquis se reconnut aux pages.
Bientôt, pour subsister, la noblesse sans bien
Trouva l'art d'emprunter, & de ne rendre rien;
Et bravant des sergens la timide cohorte,
Laissa le créancier se morfondre à sa porte.
Mais pour comble, à la fin le marquis en prison
Sous le faix des procès vit tomber sa maison.
Alors, le noble altier pressé de l'indigence,
Humblement du faquin rechercha l'alliance;
Avec lui trafiquant d'un nom si précieux
Par un lache contract vendit tous ses ayeux.
Et corrigeant ainsi la fortune ennemie,
Rétablit son honneur à force d'infamie.
Car si l'éclat de l'or ne releve le sang,
Envain l'on fait briller la splendeur de son rang.
L'amour de vos ayeux passe en vous pour manie,
Et chacun pour parent vous fuit & vous renie.
Mais quand un homme est riche, il vaut toujours son prix:
Et l'eût-on vû porter la mandille à Paris, 8
N'eût-il de son vrai nom ni titre ni mémoire,
D'Hozier lui trouvera cent ayeux dans l'histoire. 9
[306]
Toi donc, qui de merite & d'honneurs revêtu
Des écueuils de la cour as sauvé ta vertu,
Dangeau, qui dans le rang où notre Roi t'appelle,
Le vois toujours orné d'une gloire nouvelle,
Et plus brillant par soi, que par l'éclat des lis,
Dedaigner tous ces rois dans la pompe amollis:
Fuir d'un honteux loisir la douceur importune:
A ses sages conseils asservir la fortune;
Et de tout son bonheur ne devant rien qu'à soi,
Montrer à l'univers ce que c'est qu'étre roi.
Si tu veux te couvrir d'un éclat légitime;
Va par mille beaux faits meriter son estime;
Sers un si noble maître; & fais voir qu'aujourd'hui
Ton prince a des sujets qui sont dignes de lui.

Fußnoten

1 Diese Ubersetzung ist nicht nur allen Ausgaben der so genannten Canitzischen Neben-Stunden, sondern auch dem andern Theile der Hofmannswaldauischen und anderer zusammen gedruckten Gedichte am 205. Blatte, schon ein paar Jahre vorher, aber nicht so richtig, als hier, eingerückt worden. Eine andre Verteutschung dieser Satyre findet man am 429. Blatte der Gedichte eines vornehmen Nürnbergischen Dichters, des Herrn von Führers, Kayserlichen Raths, ersten Raths-Gliedes daselbst, Castellans, welcher die Käyserl. Burg bewohnet, und dermahligen Oberhaupts des Pegnitzischen Blumen-Ordens unter dem Nahmen Lilidor. Der erste Theil seiner ietztangezogenen Poesien kam unter dem Titel der Christl. Vesta und irrdischen Flora 1702. zum erstenmahl heraus, und der neue und andere Theil ist bereits unter der Presse, und wird sehr ansehnlich mit Kupfern von dem Buchhändler Rüdiger verlegt werden.

2 Sich triegen, d.i. sich verlassen, darauf trauen; welche Bedeutung an vielen Orten unbekannt, aber doch in einigen Wörterbüchern als dem Frantz. und Deutschen des Rondeau, zu finden ist.

3 Man findet zwischen diesem und dem nachfolgen den in den neuen Editionen vom Boileau, noch vier Verse, die er aber erst im Jahr 1713. der bloß vor seinem Ende angefangenen Ausgabe eingedrückt, um zu verhindern, daß man nicht meinen solte, er hätte durch die Worte des folgenden Verses:

Grand Heros, Esprit rare & sublime,

Du Held von hohen Gaben.

den Marquis Dangeau angeredet; weil diese Worte auf denjenigen Spottsweise zielen, der vorher wegen seiner vielen Ahnen so aufgeblasen beschrieben worden; worunter er eigentlich den Grafen Joachim d'Estaing verstanden, der sich damahls in allen Gesellschafften so breit damit machte, daß König Philipp August, einer von den Nachkommen Capets, des Stamm-Vaters der dritten Linie der Frantzösischen Könige, iemanden von des Grafen tapfern Vorfahren erlaubet, künfftig das Königliche Frantzösische Mappen, nemlich die drey Lilien, in das seinige zu setzen. Ungeacht nun diese vier neue Verse an Schönheit den übrigen in dieser Satyre nicht gleich kommen, wollen wir sie doch, dem neugierigen Leser zu gefallen, mit hierher setzen:

Enivré de lui même, il croit dans sa folie

Qu'il faut que devant lui d'abord tout s'humilie;

Aujourd'hui toutefois, sans trop le ménager,

Sur ce ton un peu haut je vais l'interroger:

In sich allein verliebt, vermeint er Thorheits-voll,

Daß alles sich vor ihm demüthig bücken soll.

Doch will ichs, sonder ihn zu schonen, itzo wagen,

Ihn über diesen Thon, der ziemlich hoch, zu fragen:

4 Alfane und Bayard waren zwey Streit-Pferde alter Frantzösischer Roman-Helden, die der Herr von Canitz mit Fleiß weggelassen, weil dergleichen Dinge uns wenig angehen, und solche verlegene Frantzösische Liebes-Geschichte bey uns so selten, als unser Teutscher Herculiscus von den Frantzosen, gelesen werden.

5 So klang dieser Vers in den ersten Ausgaben, allein in der von 1701. welche die letzte war, die Boileau selbst drucken lassen, änderte er hernach denselben folgender Gestalt: Savés-vous pour la gloire oublier le repos? Kanst du um Ehr und Ruhm die süsse Ruh vergessen? ob nun gleich der Gedancke in diesem Verse schöner, so ist doch derselbe so wohl, als die vier vorher angemerckten Verse, erst in denen Editionen eingerückt worden, welche nach dem Tode des Herrn von Canitz zum Vorschein gekommen.

6 So hieß es in den ersten Auflagen. In den folgenden setzte Boileau: Plus de trente quartiers, und in den letzten: deux fois seize quartiers, weil er selbst bemerckt, daß die erste und andre Ausdrückung noch nicht deutlich genug gewesen; indem man bey der ersten weniger, bey der andern mehr als zwey und dreyßig, bey der dritten aber weder mehr noch weniger, als so viel Ahnen verstehen können, welches der höchste Beweiß ist, den man einem wegen seines Adels abzufordern pfleget; daher der Ubersetzer mit grossem Bedacht diese Zahl ausdrücken wollen.

7 Segoing, und nicht Segond, wie in vielen Auflagen des Boileau steht, war ein Advocat, und gab ein Buch von der Wapen-Kunst, unter dem Titel: Tresor heraldique, ou Mercure armorial. 1657. zu Pariß in Druck. Unser Ubersetzer hat diese Stelle mit Fleiß nur überhaupt verdeutscht, weil solche Nahmen, ausser ihrem Lande, viel von derjenigen Anmuth verliehren, welche sie sonst einer Satyrischen Schrifft zu geben pflegen.

8 La Mandille war eine Art von einem Mantel oder Uber-Rocke, ohne Ermel, den die Lackeyen trugen, und dadurch von andern Bedienten unterschieden waren. Im Jahr 1665. als Boileau diese Satyre schrieb, war solche noch zu Paris Mode: welches man darum erinnert, damit man die Richtigkeit der Verteutschung daraus beurtheilen könne.

9 Pierre d'Hozier war Königlicher Frantzösischer Genealogiste und Juge General des Armes & Blazons de France. Der Ubersetzer hat aus denen Ursachen, die wir bey Segoing angemercket, hier abermahl, wie billig, nur überhaupt die Gedancken ausgedrücket.

[307] [12] Die eilfte Satyre
Von einer klugen Aufführung

Ubersetzung des siebenzehenden Schreibens aus Horatzens erstem Buche.


Wenn du den Morgen-Schlaff nicht willig kanst verlassen,
Und ungedultig wirst, falls sich auf allen Strassen,
Ein groß Getümmel regt; so sitze, wo du bist,
Und dencke, daß man auch zu Blumberg glücklich ist.
Zufriedenheit ist nicht an Geld und Gut gebunden;
Und der hat eben nicht das schlimmste Theil gefunden,
Der in der Einsamkeit den stillen Wandel treibt,
Ob gleich kein Zeit-Buch noch von seinen Thaten schreibt.
Jedennoch, wenn du dir, und auch zugleich den Deinen,
Wilst mehr zu gute thun, so must du da erscheinen,
Wo man der Fürsten Huld, weil doch des Himmels Schluß,
Sie groß, uns klein gemacht, in Demuth suchen muß.
Könt Aristippus Kraut und schlechte Kost vertragen, 1
So würd er, gleich als ich, nicht viel nach Fürsten fragen,
Rieff dort Diogenes. Doch jener säumte nicht,
Und hatte dergestalt die Antwort eingericht:
Wenn sich Diogenes bey Fürsten dürffte weisen,
So würd er etwas mehr als Zugemüse speisen.
Mich dünckt, er hatte recht. Dann, sprach er, was ich thu,
Schlägt mir zum Vortheil aus: dir sieht der Pöbel zu.
Ich opffre meinen Dienst den Grossen; die hingegen
Mit mehr, als ich bedarff, mich mildiglich verpflegen.
Mein Tisch, mein Hauß und Stall, ist kostbar aufgeschickt,
[308]
Und du, der mir vorhin mein Schmeicheln vorgerückt,
Und glaubst, dir fehle nichts, must derer Gnade leben,
Die, aus Barmhertzigkeit, dir schmale Bissen geben.
In allerley Gestalt, in was vor einem Stand,
An was vor einem Ort sich Aristippus fand,
Da war er, ohne Zwang, bereit sich zu beqvemen,
Dem Glücke nachzugehn, und auch vorlieb zu nehmen.
Doch wenn Diogenes, wenn dieses Affenbild,
Das seinen armen Stoltz in Doppel-Tuch verhüllt,
In andre Lebens-Art sich würdig könte schicken,
Würd ich die Aenderung Verwundrungs-voll erblicken.
Ein Mann, wie jener war, bleibt allemahl beliebt,
Er borgt nicht fremden Glantz, der ihm ein Ansehn giebt;
Im Kittel, wie im Sammt, weiß er sich aufzuführen. 2
Der andre will, aus Angst, im kostbarn Zeug erfrieren,
Und schreyt: Mein alter Rock der wird mir besser stehn?
Gebt ihm den alten Rock, und laßt den Narren gehn. 3
Ein unerschrockner Held, vor dem die Feinde beben,
Kan sich durch sein Verdienst, den Sternen gleich, erheben:
Und es verdient gewiß nicht schlechten Ruhm ein Mann,
Der hoher Häupter Gunst geschickt erwerben kan.
Zwar sind, wann einer trifft, viel die darneben schiessen.
Der sitzet still, wer gern der Ruhe will geniessen,
Aus Furcht, was höhers möcht ihm nicht von statten gehn.
Gar wohl: Jedoch ist der, so sich läßt hertzhafft sehn,
Den keine Last erschreckt, und keine Furcht kan stöhren,
Biß er das Ziel erlangt, auch höher zu verehren;
Wann anders Tugend nicht auf blossem Wahn beruht,
Und edlen Preiß verdient ein unverzagter Muth.
Nun höre noch ein Wort, mag dich dein König leiden,
So hast du einerley hauptsächlich zu vermeiden.
[309]
Sey nicht so ungestüm bey deiner Dürfftigkeit.
Wohl dem, der schweigen kan; erwarte deiner Zeit.
Ein anders ist sein Glück bescheidentlich zu bauen,
Ein anders aber ist, mit weitgespannten Klauen
Als auf den Raub zu gehn. Nimm diesen Spruch in acht!
Wie mancher meynet wohl, er hab es gut bedacht,
Wenn er, als ungefähr, läßt solche Klagen fliegen:
Mein Gut trägt wenig ein, kein Käuffer ist zu kriegen;
Die Mutter hat kein Brodt, die Schwester keinen Mann,
Weil ich nicht Unterhalt noch Brautschatz geben kan.
Mein Freund, man kennt die Kunst; du suchst was zu erschleichen.
Doch wisse, neben dir stehn andre deines gleichen,
Die warten hurtig auf, und sind so voller List,
Daß, wenn was fallen soll, man ihrer nicht vergist.
Wenn nur die Raben nicht bey ihrem Aase schrien,
Sie würden minder Zanck und Gäste nach sich ziehen.
Geschichts, daß sich dein Herr mit einer Fahrt ergötzt,
Und dich, zum Zeitvertreib, an seine Seite setzt;
So sey wohl aufgeräumt, und scheine nicht verlegen
In Schlossen und im Wind, und in den schlimmsten Wegen;
Schilt nicht, als hätte dir ein Dieb mit frecher Hand
Den Kasten aufgemacht, das Reise-Geld entwandt;
Dieß ist der alte Streich verschmitzter Buhlerinnen,
Die weinen offt um nichts, um etwas zu gewinnen:
Hier ist bald ein Rubin, ein Armband dort geraubt,
Wo aber lauffts hinaus? daß ihnen keiner glaubt,
Wenn, sonder allen Schertz, die wahren Thränen fliessen.
Du kennest jenen Schalck, der mit gesunden Füssen
Zuweilen niederfiel, als wär er krumm und lahm,
Und jeden spöttlich hielt, der ihn zu retten kam;
Was aber war sein Lohn? Er brach eins seine Knochen,
Und kam in rechtem Ernst, als Krüppel, hergekrochen.
Doch rieff, wie sehr er weint, ein jeder Nachbar aus:
Mach diß den Fremden weiß, wir sind allhier zu Hauß.
[310]

Q. Horatii Flacci
Epistola XVII. Lib. I.

Si te grata quies, & primam somnus in horam 4
Delectat: si te pulvis strepitusque rotarum,
Si lædit caupona: Ferentinum ire jubebo. 5
Nam neque divitibus contingunt gaudia solis:
Nec vixit male, qui natus moriensque fefellit.
Si prodesse tuis, pauloque benignius ipsum
Te tractare voles; accedes siccus ad unctum.
Si pranderet olus patienter; regibus uti
Nollet Aristippus. Si sciret regibus uti,
Fastidiret olus, qui me notat.
Utrius horum 6
Verba probes, & facta, doce: vel junior audi
Cur sit Aristippi potior sententia. Namque
Mordacem Cynicum sic eludebat (ut ajunt):
Scurror ego ipse mihi; populo tu. Rectius hoc, &
Splendidius multo est. Equus ut me portet, alat Rex,
Officium facio. Tu poscis vilia: verum es
Dante minor: quamvis fers te nullius egentem.
Omnis Aristippum decuit color, & status, & res;
[311]
Tentantem majora, fere præsentibus æquum.
Contra, quem duplici panno patientia velat,
Mirabor, vitæ via si conversa decebit.
Alter purpureum non expectabit amictum,
Quidlibet indutus celeberrima per loca vadet,
Personamque feret non inconcinnus utramque.
Alter Mileti textam cane pejus & angue
Vitabit chlamydem: morietur frigore, si non
Rettuleris pannum. Refer, & sine vivat ineptus.
Res gerere, & captos ostendere civibus hostes,
Attingit solium Jovis, & cælestia tentat.
Principibus placuisse viris, non ultima laus est.
Non cuivis homini contingit adire Corinthum. 7
Sedit, qui timuit ne non succederet. Esto!
Quid? qui pervenit, fecitne viriliter? Atqui
Hic est, aut nusquam, quod quærimus. Hic onus horret,
Ut parvis animis, & parvo corpore majus:
Hic subit, & perfert. Aut virtus nomen inane est,
Aut decus, & pretium recte petit experiens vir.
Coram Rege suo de paupertate tacentes,
Plus poscente ferent. Distat, sumasne pudenter,
An rapias. Atqui rerum caput hoc erat, hic fons.
Indotata mihi soror est, paupercula mater,
Et fundus nec vendibilis, nec pascere firmus,
Qui dicit: clamat, victum date. Succinit alter,
Et mihi dividuo findetur munere quadra.
[312]
Sed tacitus pasci si posset corvus, haberet
Plus dapis, & rixæ multo minus, invidiæque.
Brundusium comes, aut Surrentum ductus amænum, 8
Qui queritur salebras, & acerbum frigus, & imbres,
Aut cistam effractam & subducta viatica plorat:
Nota refert meretricis acumina, sæpe catellam
Sæpe periscelidem raptam sibi flentis: uti mox
Nulla fides damnis, verisque doloribus adsit.
Nec semel irrisus triviis attollere curat
Fracto crure planum: licet illi plurima manet
Lacryma; per sanctum juratus dicat Osirin:
Credite, non ludo, crudeles: tollite claudum!
Quære peregrinum, vicinia rauca reclamat.

Fußnoten

1 Aristippus war ein Griechischer Weltweiser an dem Hofe des Sicilianischen Tyrannen Dionysius, und wuste sich besser, als andere seines gleichen, in das Hof-Leben zu schicken. Das Gespräch, welches von dem Poeten hier eingeführet wird, ist würcklich zwischen diesem Aristippus und dem beruffenen Cynischen Diogenes vorgefallen; wie solches Diogenes Laertius in der Lebens-Beschreibung des Aristippus ausführlich erzehlet.

2 Aristippus, wuste sich in alles wohl zu schicken, daher sagte Plato einsmahls zu ihm, als er ihn nach ausgestandenem Schiffbruch, sehr übel bekleidet sahe: Dir allein ists gegeben, so wohl Seiden als Lumpen zu tragen.

3 Aristippus hatte den Diogenes mit sich ins Bad geführet, und heimlich den Bade-Bedienten befohlen, dem Diogenes, statt seines alten abgetragenen Rocks, ein kostbares Kleid von Milet hinzulegen; aus welcher Stadt in Asien, damahls die kostbaren Stoffe nach Griechenland, wie noch itzt zu uns aus der Türckey, gekommen. Als aber Diogenes aus dem Bade stieg, und kein anderes als dieses prächtige Kleid fand, wolte er lieber nackigt nach Hause gehen; gab sich auch nicht eher zu frieden, biß man ihm seinen schmutzigen Rock wieder zugestellet hatte.

4 Im Lateinischen stehen zu Anfange noch fünff Verse, die der Ubersetzer mit Fleiß weggelassen, weil sie nichts sonderliches, als eine Anrede an einen den Auslegern selbst unbekannten Römischen Ritter enthalten, der den Beynahmen Scäva geführet.

5 Ferentinum war ein einsamer Flecken in Latien, nach Daciers und Cellarius Meynung, zwischen Anagnia und Frusino; für welches Dorff der Ubersetzer nicht unbillig ein anderes, nemlich sein Land-Gut Blumberg, gesetzt.

6 Weil der Ubersetzer die Anrede an den Scäva im Anfange dieser Satyre weggelassen, so hat er mit Fleiß die lateinischen Worte, so nur den Scäva angehen, hier auch nicht verteutschen wollen; sondern den Innhalt zusammen gezogen.

7 Die berüchtigte Buhlerin Lais zu Corinth ließ sich ihre Gunst so theuer bezahlen, daß nicht jeder reich genug war, ihrentwegen aus der Fremde dahin zu reisen, so hefftig er sich gleich nach ihr sehnen mochte. Daher entstund von einem ieden schweren Unternehmen das Griechische Sprichwort: Es ist nicht jederman vermögend nach Corinth zu kommen. Davor hier der Herr von Caniz wohlbedächtig unser teutsches Sprichwort gesetzt, welches von den Schützen herkommt, die alle nach einem Zwecke zielen, aber nicht alle treffen.

8 Brundisium ist das ietzige Brindisi im Neapolitanischen, wohin des Sommers, wegen der schönen Gegend, die vornehmen Römer auf ihre Lust-Schlösser zu reisen pflegten, wie dann Mäcenas den Horatz öffters mit dahin geno ien. Surrentum, heut zu Tage Sorrento, eine Stadt in dem lustigen Campanien an dem Vorgebürge der Minerva, ward von den Römern, eben wie die vorige, zur Sommers-Zeit besucht. Der Ubersetzer hat in der Verteutschung nur überhaupt von einer Lust-Reise gesprochen, weil er zwischen den nöthigen und unnöthigen Umständen in einer Ubersetzung den rechten Unterscheid sehr wohl zu machen gewust.

[313] [13] Die zwölffte Satyre
Von der Unbeständigkeit des Hof-Glücks

Ubersetzung aus der zehenden des Juvenals.


Wie mancher, den das Glück mit Ehr und Macht gekrönt,
Wird endlich durch den Neid zertreten und verhöhnt!
Wie mancher, den die Kunst in blanckes Ertz gegossen,
Als führ er im Triumpf mit seinen muntern Rossen
Nach Romuls hoher Burg, verfällt im Augenblick,
Wenn man das stoltze Bild mit ausgedehntem Strick,
Von seinen Pfeilern hohlt. Schau, wie Gespann und Wagen,
Das gleichwohl nichts gethan, in Stücken wird geschlagen!
Betrachte, wie Sejan im Ofen schmeltzen muß; 1
Wie nun, o Unbestand! durch einen neuen Guß
Des Kaysers liebster Freund, den alle Welt geehret,
Sich in ein schlecht Geschirr und Nacht-Gefäß verkehret!
Doch das erhitzte Volck sucht mehr als diß Metall;
Sejan wird selbst gestürtzt; man rufft mit frohem Schall:
Auf! last uns den Pallast mit Lorbeer-Aesten zieren, 2
Und auf das Capitol den Stier zum Opfer führen!
Weil nun die Rache kommt, und den verfluchten Mann
Zu seiner Straffe schleppt. Sieh doch, fängt einer an,
Sein tückisches Gesicht. Steht nicht, was er betrieben,
Zusammt der Todes-Art, an seiner Stirn geschrieben?
Ja, spricht der andre drauf, ich will es nur gestehn,
Daß ich ihn allemahl mit Abscheu angesehn.
Doch, wer hat ihn gestürtzt? Was ist dann sein Verbrechen?
Was hat er wider diß, was seine Kläger sprechen?
Was auf der Zeugen Wort und Aussag eingewandt?
[314]
Ein mehres hört man nicht, als daß mit eigner Hand
Tiberius dem Rath, vom Eyland der Capreen
Von vielen Sachen schrieb, aus welchen zu verstehen,
Daß der, so alles war, nun seines Herren Huld,
Ich weiß nicht wie, verschertzt. Wohlan! so hat er Schuld;
Das ist mir schon genug. So läßt zu allen Zeiten,
Das blinde Römer-Volck sich von dem Glücke leiten!
Wer das verlohren hat, ist auch bey ihm verhaßt.
Denn hätte nur Sejan den Vortheil abgepaßt,
Und eh, durch kühnen Mord, den Kayser weggeschoben,
So hätte dieses Volck ihn auf den Thron erhoben.

[315] Ex D. Junii Juvenalis
Satyra X.

Quosdam præcipitat subjecta potentia magnæ 3
Invidiæ, mergit longa atque insignis honorum
Pagina,
descendunt statuæ, restemque sequuntur.
Ipsas deinde rotas bigarum impacta securis
Cædit, & immeritis franguntur crura caballis.
Jam strident ignes, jam follibus atque caminis
Ardet adoratum populo caput, & crepat ingens
Sejanus: deinde ex facie toto orbe secunda
Fiunt urceoli, pelves, sartago, patellæ.
Pone domi lauros, duc in Capitolia magnum
Cretatumque bovem:
Sejanus ducitur unco
Spectandus: gaudent omnes. Quæ labra? quis illi
Vultus erat? Nunquam, si quid mihi credis, amavi
Hunc hominem.
Sed quo cecidit sub crimine? quisnam
Delator? quibus indiciis? quo teste probavit?
[316]
Nil horum. Verbosa & grandis epistola venit
A Capreis. 4
Bene habet; nil plus interrogo. Sed quid
Turba Remi? Sequitur fortunam, ut semper, & odit
Damnatos. Idem populus, si Nurscia Thusco 5
Favisset, si oppressa foret secura senectus
Principis, hac ipsa Sejanum diceret hora
Augustum.

Fußnoten

1 Sejanus der berühmte Liebling des Tiberius, war so hoch gestiegen, daß ihn der Kayser selbst bey seinem zum fünfften mahle angetretenen Bürgermeister-Amte zum Gehülffen annahm. Ungeacht nun Rom seinen Geburts-Tag öffentlich feyerte, und an vielen Orten seine Bild-Säule von Gold aufrichtete; machte ihn doch auf einmahl sein Stoltz dem Volcke so verhaßt, und dem Kayser so verdächtig, daß er plötzlich, auf die hier beschriebene Weise, gestürtzt ward. Wie Svetonius am Ende seiner Lebens-Beschreibung des Tiberius, und andere Römische Geschichtschreiber melden.

2 Es war der Gebrauch in Rom, daß man eines glücklichen Zufalls halber, die Häuser mit Lorbeer-Zweigen und anderm frischen Laubwerck auszierete, oder dergleichen Kräntze herab hängen ließ.

3 Diese Satyre ist das Meisterstück des Juvenals, aber hier nicht gantz, sondern nur von dem 56ten Verse biß zu zum 77ten verteutscht, nemlich so weit die Beschreibung von dem Falle des Sejans gehet.

4 Dieses ist die Insula Caprearum oder Capreæ bey Neapel, wo Tiberius, seiner Wollust und Schwelgerey halber, die letzten Jahre seines Lebens zugebracht.

5 Nurscia oder Nurcia war eine Göttin des Glücks, welche die Volsinier im Toscanischen anzubeten pflegten, worauf der Poet hier zielet, weil Sejanus von Geburt ein Toscaner gewesen.

[317] [14] Der Taback

Aus dem Frantzösischen des Herrn Lombard, ehmahligen Predigers zu Widdelburg.


Du Labsal meiner stillen Ruh,
Du lieblich-rauchend Pfeiffgen du;
Das, wie ein kleiner Ofen, glüet,
Das mein Gehirn von Flüssen leert,
Und, wenn ein Kummer mich beschwehrt,
Ihn unvermerckt vom Hertzen ziehet.
Taback, der meinen Geist erfreut,
Seh ich schnell deinen Rauch verschwinden,
So kan ich hier zu gleicher Zeit
Ein Bildniß meines Lebens finden.
Du giebst mir deutlich zu verstehen,
Da ich nur Asche, die noch glimmt,
Was für ein End einst mir bestimmt.
Und folgt mein Auge deinem Rauch,
So merck ich sichtbar, daß ich auch
Dereinst selbst muß, wie du, vergehen.
[318]

Sur le Tabac par Monsieur Lombard

Doux charme de ma folitude,
Fumante pipe, ardent fourneau,
Qui bannis mon inquiétude,
Et qui me purges le cerveau.
Tabac, dont mon ame est ravie,
Lorsqu' aussi vite qu'un éclair
Je te vois dissiper en l'air;
Je vois l'image de ma vie.
Tu rémets dans mon souvenir
Ce qu'un jour je dois dévenir,
N'étant qu'une cendre allumée;
Et visiblement j'apperçois,
Quand des yeux je suis ta fumée,
Qu'il me faut finir, comme toi.

[319] [15] Regeln ohne Verdruß zu lieben

Aus dem Frantzözischen. 1


Wer Lust zu lieben hat, geb es selbst zu erkennen;
Doch wann er frey heraus gesagt,
Was ihn für eine Regung plagt,
So muß man seinen Schwur auch keinen Meineyd nennen.
Man trau ihm auf sein Wort, es gehe recht von Hertzen.
Ein ungegründeter unbilliger Verdacht,
Der endlich die Gedult der Buhler müde macht,
Kan ein gewonnen Hertz offt liederlich verschertzen.
[320]
Wenn die Erklärung nun einmahl geschehn,
Dann haben beyde sich wohl vorzusehn,
Daß andre nicht die neue Glut erkennen.
Wo man verborgen liebt und ohne grossen Schein,
Da findet sich die rechte Wollust ein,
Und nichts, wenn zwey verliebte Hertzen brennen,
Ist süsser, als verschwiegen seyn.
Wenn jedes nun dem andern fest verheißt,
Was ein verliebter Mund und ein entzückter Geist
Nur je geschickt zu reden und zu dencken,
Soll sie ein süsses Band der Einigkeit verschrencken;
Und wann das Schicksal sie gleich von einander reißt,
Muß die Beständigkeit deßwegen doch nicht wancken;
Was nicht zugegen ist, das liebt man in Gedancken.
Doch kan man auch wohl überhoben seyn,
In steter Sterbens-Angst und überhäuffter Pein,
Als wie ein Schatten, zu vergehen,
Aus blosser Ungedult, sein liebstes Kind zu sehen.
So liebte zwar die alte Welt;
Doch, da sich alles umgekehret,
Und uns die neue nun gelindre Sätze lehret,
Ist keiner, dem diß Lieben mehr gefällt.
Sagt, wendet man nicht auch sein Seuffzen übel an,
Wann es die Schöne nicht verstehn noch hören kan?
Wann uns die Liebe sprechen heißt,
Ists besser, daß man sich der Lustigkeit befleißt,
Als der betrübten Redens-Arten,
Die man im Trauer-Spiel und Liebes-Büchern findt,
Ein angenehmer Schertz hat offt mehr zu gewarten,
Als solch ein Jammer-Thon verhaßter Traurigkeit.
Die Liebe, wie bekannt, ist ja ein kleines Kind,
Das man um sein Geschwätz und Spielen lieb gewinnt;
Doch, wann es übel thut und schreyt,
Und nicht mehr, wie vorhin, sich artig will erzeigen,
So heisset man es stille schweigen.
[321]
Wir wollen, wie gesagt, uns dergestalt verbinden,
Daß unser Thun sonst niemand wissend sey.
Nichts ist beschwerlicher auf dieser Welt zu finden,
Als wann ein Buhler erst so arg schon im Geschrey,
Daß ihn die gantze Stadt mit Fingern weisen kan,
Und sagen: Seht doch den Verliebten an!
Wer kan ihn ohne Lachen schauen?
Wann er, mehr kranck und matt,
Als mancher, der ein hitzig Fieber hat,
Zu seiner Liebsten schleicht, ihr heimlich zu vertrauen,
Was man ihm ohnedem schon aus den Augen list.
Glaubt, daß jetzund die klügste Regel ist:
Verliebt seyn, und es doch nicht scheinen.
Genug, daß eine weiß, wie wir es mit ihr meynen.
Man spühret aus dem Augenlichte
Offt der Gedancken tieffsten Grund;
Drum sehe man sich vor, sonst wird aus dem Gesichte
Dem Neben-Buhler selbst leicht das Geheimniß kund.
Vor Alters zwar, da muste man aus Noth,
Wann man die Gegenwart der Iris wahrgenommen,
Bald blaß seyn und bald wieder roth,
Sonst wäre man in den Verdacht
Der Unbeständigkeit sehr leicht gekommen.
Doch die Gewohnheit hat es nun schon abgebracht;
Die Liebe zeige sich, bey Schmertzen oder Schertzen,
Niemahlen im Gesicht, wohl aber in dem Hertzen.
Wann uns die Schöne nicht zu freundlich angesehn,
So wünschen wir nicht mehr, vor Kummer, zu erkalten,
Noch vor der Zeit ins Grab zu gehn.
Man pflegt von Selbst-Mord ietzt nichts mehr zu halten.
Was sonst aus Liebes-Trieb die Menschen weggerafft,
Gifft, Raserey und Dolch, ist alles abgeschafft.
Dergleichen Grausamkeit
Wird selten von uns angeführet,
Und zwar nur bey Gelegenheit,
Weil sie noch manchen Reim in unsern Liedern zieret.
[322]
Trägt sichs bißweilen zu,
Daß sie von ihm, und er von ihr, was arges dencket;
Wohl dem, der alles gleich zu besten lencket.
Sonst stöhret er sich selber seine Ruh.
Was hilffts, daß wir uns unterwinden,
Durch zu genaue Spur der Sachen Grund zu finden?
Ich will euch glauben, glaubt mir auch;
Das ist fürwahr der löblichste Gebrauch.
Der Fürwitz tauget nicht,
Und qvält uns offt durch wiedrigen Bericht.
Wie mancher wäre froh, viel Dinge nicht zu wissen,
Nach deren Wissenschafft er sich zuvor beflissen?
Auch muß die Eiffersucht weit weggebannet werden.
Ist wohl was schöners auf der Erden,
Als wann man glauben kan, daß Demant-feste Treu
Der Grundstein unsrer Liebe sey?
Und wer es anders macht, der macht sich selbst Beschwehrden.
Die Schwachheit ist fürwahr bey dem nicht klein,
Der, ob gleich die, die ihm ihr Hertze giebet,
Es noch so sehr betheurt, und endlich zugeflucht,
Sich selber doch zu überzeugen sucht,
Er sey noch nicht genug geliebet.

Fußnoten

1 Der Frantzösische Verfasser dieses Stücks ist unbekannt, massen man nur das Teutsche, und darunter einmahl von des seligen Herrn von Canitz eigner Hand ins reine geschrieben, mitgetheilet bekommen. Als aber Herr Hofrath Zapfe versichert, daß es eine Ubersetzung sey, hat man eine Menge Frantzösischer Poeten, und ihrer Sammlungen, wiewohl vergeblich, nachgeschlagen, biß man es endlich im Mercure galant vom Jahre 1677. des Monats August am 113. Blatte, doch ohne Benennung des Dichters, gefunden. Der Anfang davon klingt folgender massen:

Maximes d'amour

Nous voulons qu'un Amant se declare lui meme,
Et que sans trop contester,
Des qu'il a juré qu'il aime,
On n'en puisse plus douter.
Par une injuste defiance,
Et sur un doute mal fondé
Qui lassent d'un amant toute la patience,
On perd souvent un cœur, qu'on auroit possedé.

Der Herr von Canitz übersetzte es noch in demselben Jahre zu Berlin, als es zum Vorschein kam. Weil er aber eben um dieselbe Zeit die Bekanntschafft mit seiner Doris anfieng, und er es mehr nach seinen damahligen Umständen hin und her eingerichtet, als schlechterdings übersetzt; hat man für unnöthig gehalten, das Frantzösische, wie bey den andern Ubersetzungen, dem Teutschen gegen über, hier gantz einzurücken.


Notes
Erstdrucke: [1]–[6], [8]–[10], [12] und [13] in: Fr. R.L. von Canitz, Neben-Stunden unterschiedener Gedichte, Berlin (Joh. Michael Rudiger) 1700. [7] in: S.v.G. [Salomon von Golau], Auferweckte Gedichte, Franckfurt und Leipzig (Joh. Adam Plener) 1702. [11] in: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil, Leipzig (Thomas Fritsch) 1697. [14], [15] in: Des Freyherrn von Canitz Gedichte, mehrentheils aus seinen eigenhändigen Schriften verbessert und vermehret, Leipzig und Berlin (Ambrosius Hauden) 1727.
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TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Satyren und Ubersetzungen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4AD9-D