Das Bauernlied

Der Vorsänger Hans Westen

Im Anfang war's auf Erden
Nur finster, wüst, und leer;
Und sollt was sein und werden,
Mußt es woanders her.

Coro. Alle Bauern

Alle gute Gabe
Kam oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!

Vorsänger

So ist es hergegangen
Im Anfang, als Gott sprach;
[206]
Und wie sich's angefangen,
So geht's noch diesen Tag.

Coro

Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!

Vorsänger

Wir pflügen, und wir streuen
Den Samen auf das Land;
Doch Wachstum und Gedeihen
Steht nicht in unsrer Hand.

[207] Coro

Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!

Vorsänger

Der tut mit leisem Wehen
Sich mild und heimlich auf,
Und träuft, wenn wir heimgehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Der sendet Tau und Regen,
Und Sonn- und Mondenschein,
Der wickelt Gottes Segen
Gar zart und künstlich ein.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Und bringt ihn denn behende
In unser Feld und Brot;
Es geht durch seine Hände,
Kömmt aber her von Gott.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Was nah ist und was ferne,
Von Gott kömmt alles her!
Der Strohhalm und die Sterne,
Der Sperling und das Meer.

Coro

Alle gute Gabe etc.
[208]

Vorsänger

Von Ihm sind Büsch und Blätter,
Und Korn und Obst von Ihm,
Von Ihm mild Frühlingswetter,
Und Schnee und Ungestüm.

Coro

Alle gute Gabe
Kömmt von oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab.

Vorsänger

Er, Er macht Sonnaufgehen,
Er stellt des Mondes Lauf,
Er läßt die Winde wehen,
Er tut den Himmel auf.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Er schenkt uns Vieh und Freude,
Er macht uns frisch und rot,
Er gibt den Kühen Weide,
Und unsern Kindern Brot.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Auch Frommsein und Vertrauen,
Und stiller edler Sinn,
Ihm flehn, und auf Ihn schauen,
Kömmt alles uns durch Ihn.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Er gehet ungesehen
Im Dorfe um und wacht,
[209]
Und rührt die herzlich flehen
Im Schlafe an bei Nacht.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger. Coro fällt ein

Darum, so wolln wir loben,
Und loben immerdar
Den großen Geber oben.
Er ist's! und Er ist's gar!

Coro, Coro

Alle gute Gabe etc.


UNKE: »Gnädiger Herr, wir haben noch etwas hinten dran gemacht, auf heute; dürfen wir das auch singen?«

HR. V. HOCHHEIM: »Warum nicht, Unke?«

Vorsänger Westen

Und Er hat große Dinge
An Nachbar Paul getan;
Denn ärmlich und geringe
Trat Paul sein Erbe an.

Coro

Alle gute Gabe etc.

Vorsänger

Er hat bewahrt vor Schaden,
Hat reichlich ihn bedacht,
Hat heute ihm aus Gnaden
Ein Jubilei gemacht.

Coro

Alle gute Gabe
Kömmt von oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab.

Vorsänger

Und solche Gnad und Treue
Tut er den Menschen gern.
[210]
Er segne Paul aufs neue,
Und unsern lieben Herrn!

UNKE: »Das noch einmal, Westen.«

Vorsänger Westen

Und solche Gnad und Treue
Tut er den Menschen gern.
Er segne Paul aufs neue,
Und unsern lieben Herrn!

Coro

Alle gute Gabe
Kömmt oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!

DER ALTE PAUL saß sehr bewegt, und sahe einen Nachbar nach dem andern an: »Nachbarn! ich danke euch! Gott lasse einen jeden von euch den Tag auch erleben, und gebe ihm denn auch solche Nachbaren als er mir gegeben hat. – – – –

Aber laßt uns nun unsre beste Gesundheit trinken. Steht auf Kinder, und ruft den Knechten daß sie die Sicheln streichen.«


Herr v. Hochheim merkte, worauf es gemünzt war, und sahe Paul an und schüttelte mit dem Kopf. Der aber hörte nicht drauf.


HERR V. HOCHHEIM zu den Bauern: »Laßt's gut sein Leute, wenigstens bleibt sitzen.«
PAUL: »Nein, gnädiger Herr! Sie sind es wert.

Steht alle auf Kinder, und nehmt die Hüte ab.

Wir wissen wohl, gnädiger Herr, daß Sie unsern Dank nicht verlangen; so sehen Sie weg. Wir wollen ihn hier vor Gott bringen, und der wird nicht wegsehen.«

UNKE: »Aufgestanden wer sich rühren kann! Unsers gnädigen Herrn seine Gesundheit soll getrunken werden.«

WESTEN: »Es wird auch wohl schwerlich einer wollen sitzen bleiben, Unke.«

UNKE: »Seht! Jost ist eingeschlafen! Laßt ihn. Gott gibt's seinen Freunden schlafend, er wird den alten Jost auch schlafend hören. Laßt ihn, und gebt mir sein Glas in die linke Hand.«


Die Bauern standen nun alle, mit entblößtem Haupt. Auch [211] am andern Tisch, als ob die Empfindung epidemisch würde und Recht 'nmal Recht bleiben wollte, stand einer nach dem andern auf, auch der Herr von Saalbader und seine Mutter. Und die Knechte strichen die Sicheln.


PAUL mit dem Glas in der Hand: »Nun denn in Gottes Namen. Unsers lieben, guten, frommen, gnädigen Herrn von Hochheim seine Gesundheit! – daß Gott ihm lohne! – – und daß Gott ihn segne! – wie er uns segnet! – – – – – – – – – – – – – – – – –«


Gesundheit! Gesundheit! Gesundheit! Unser lieber Herr! Unser gnädiger Herr! Ich wollte für ihn durchs Wasser laufen. Unser von Hochheim und alles was sein ist, hier zeitlich und dort ewiglich. Gesundheit und die ewige Seligkeit! Der gnädige Herr soll leben! Und wer rechtschaffen ist und Gott fürchtet! Freude und Segen über von Hochheim! und über jeden wahren Edelmann! etc. etc.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Vierter Teil. Das Bauernlied. Das Bauernlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5443-E