[Was Lieb ist, kränckt. Ich muß gestehn]

[42]
Was Lieb ist, kränckt. Ich muß gestehn,
Der Freunde Todes-Fälle gehn
Vns allen tieff zu Hertzen:
Das Seelen-band, die feste Schnur,
So Gott geknüpfft vnd die Natur,
Zerreisset nicht ohn Schmertzen.
Wer aber bey sich vberlegt
Was Jammer dieses Leben hegt,
Wird nicht so ängstig weinen,
Wird wündschen, daß auch er der Noht
Befreyt durch einen süssen Todt
Nur schlieffe bey den Seinen.
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Was leiden wir nicht für Gefahr,
Eh' als man auff die Todten-Bahr
Mit vnserm Leichnam eilet?
Wenn drengt vns nicht das leichte Glück,
Das jedem sein genantes Stück
Des Vngemachs ertheilet?
Ich sag' hie nichts von Fleisch vnd Blut,
Daß doch vns grossen schaden thut,
Wir wallen in der Wüsten,
Wo Sathanas sich hat versteckt,
Vnd vns mit seiner Macht erschreckt,
Wo Mord vnd Grawen nisten.
Wie manchen hat er doch gefällt
Durch seine Netze, die er stellt?
Er liegt in seiner Hölen,
Hat Finsternus vmb sich gethan,
Verwachet listig alle Bahn
Vnd steht nach vnsrer Seelen.
Dem jagt er nach durch Trunckenheit,
Durch Vnzucht dem, vnd dem durch Neid,
Den muß der Zorn besiegen:
Durch Hochmuht kömpt er diesem bey
Vnd diesem wo durch Heucheley,
Durch Geitz muß der erliegen.
Nachdem wir also sind berückt,
Wie sonst ein Vogel sich verstrickt,
Gehn irr' in seinen Banden,
Erkennen vnser Elend nicht,
Sind frembde von des Glaubens Liecht,
So ist der Todt verhanden.
Wie eine Spinne sich verbirgt
Vnd vnvorsehens alles würgt
Was jhr Gewehb' erhaschet,
So heist der Todt es auch geschehn;
Eh als man sein sich kan versehn,
Hat er vns vberraschet.
Ach wer getrawt jhm alle Pein,
Mit der wir stets zu Felde seyn,
Nur kürtzlich anzuführen?
Wir bawen hie ein Jammer-Hauß,
Vnd müssen sämptlich auß vnd auß
Mit Müh vnd Noht es zieren.
[44]
Der giebt dazu der Sorgen Last,
Vnd der hat Furcht, der Hohn gefasst,
Der muß verfolgung tragen,
Der kömpt mit Armuht, der mit Qual,
Der bringt der Kranckheit grosse Zahl,
Ein andrer andre Plagen.
Wer aber sich davon gemacht
Vnd seelig seinen Lauff vollbracht,
Geht einmal recht zu Bette,
Deckt sich mit frischer Erde zu,
Vnd rastet da in stoltzer Rhue
Mit andern vmb die Wette.
Er dencket an die Welt nicht mehr,
Gönnt weder Augen noch Gehör
Des Lebens eiteln Dingen:
Schläfft vngeweckt, vnd solte gleich
Durch Mord vnd Brandt der Erden Reich
In Stücke gantz zerspringen.
Ein Tausendt Jahr vnd noch so viel
Ist jhm kaum einer Stunden Ziel,
Biß nun die Welt wird fallen,
Gott ankömpt mit dem Tagelohn,
Vnd der Posaunen heller Thon
Auch Gräber-durch wird schallen.
Sein Geist lebt da, wo Abraham
Ist stets zu finden vmb das Lamm,
Hört zu den Musicanten:
Lacht aller Lust in dieser Welt,
Forscht vmb das schöne Himmelsfeld
Nach seinen Anverwandten.
Wer nichts nach diesem allen fragt,
Die Seinen vngetröstet klagt,
Ist in der Welt ersoffen:
Ist Glaubens-loß, bekennet frey,
Nach diesem schnöden Leben sey
Kein Himmel mehr zu hoffen.
Gott, der du auffgenommen bist,
Wo vnser rechtes Erbtheil ist,
Laß keiner Müh vns sparen
Recht zu erwegen diese Zeit,
Vnd durch so vieles Hertzeleid
Nur bald dir nachzufahren.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Gedichte. Geistliche Lieder. Trostgedichte.. [Was Lieb ist, kränckt. Ich muß gestehn]. [Was Lieb ist, kränckt. Ich muß gestehn]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6416-C