Bey HochAdelicher vnd Christlicher Begräbnus des HochEdlen Gestrengen vnd Vesten Herrn Friedrich Wilhelm Rappe etc. Welcher in Gott entschlaffen

den 21. Martij 1646.


Soll ich das Elend vnd Beschwehr
Des Lebens satt beweinen,
Wo nehm' ich alle Thränen her?
Wer ist es, ich weis keinen,
Der nicht von Hoffnung, furcht vnd noth
Verfolget sey bis in den Todt.
Sind unser unsre Mütter nicht
In Angst vnd Weh genesen?
Ja unser erstes Werck vnd Pflicht
Ist Weinen nur gewesen.
Die Kindheit wird gantz ohn bedacht
In lauter Thorheit zugebracht.
Der Jugend läst die Zucht nicht Rhue,
Ein Mann ist von dem Morgen
Bis auff den späten Abend zu
In Arbeit, Müh' vnd Sorgen.
Dem Alter wohnet mancherley
Furcht, Argwohn, Geitz vnd Kranckheit bey.
Vnd über alles Vngemach
So sind wir keiner Zeiten
Vom Todte frey, der stellt uns nach
Durch List von allen Seiten,
Würgt Alte, Kinder, Jugend, Mann,
Ohn Vnterscheid vnd wie er kan.
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Was sag' ich von der Sünden viel?
Die liegt uns im Gewissen,
Wie werden wir ohn Maaß vnd Ziel
Durch jhren Mord gebissen!
So wild wird keine See bewegt
Als wir, im fall ihr Wurm sich regt.
Wer dieses wol zu Hertzen fasst,
Wie solt' er nicht der Erden,
Der Angst vnd Pein vnd aller Last
Befreyet wollen werden,
Zu kriegen fur dies HertzeLeid
Die wahre Rhue vnd Seeligkeit:
Dort, wo kein Vnmuth hingelangt,
Wo Gnüg' vnd Wollust schweben
Vnd wo die Schaar der Frommen prangt
Mit Herrlichheit umbgeben,
Wo Freundschaft ohn Betrug vnd List
Vnd GOTT in allem alles ist?
Da stehen umb des Höchsten Thron
Die Väter vnd Propheten,
Vor allen, Isai, dein Sohn,
Der Vater der Poeten,
Die stimmen sämptlich hell vnd rein
Mit vielen tausent Engeln ein.
Ihr Lob-Spruch ist: Herr Zebaoth,
O wer kan Dich ergründen?
Wie Heilig, Heilig, Heilig, GOTT
Bist Du doch zu befinden!
Des Himmels vnd der Erden Kreiß
Ist viel zu klein für deinen Preis.
Wer etwas von Erkäntnüs hat,
Wird sich aus diesen Thränen
Dort hin, in Gottes wehrte Stadt,
Das wahre Zion, sehnen,
Wird lassen Welt vnd Sünde stehn
Vnd seinem Tod' entgegen gehn.
Lehr, Herr, uns dieses Lebens Noht
Recht kennen vnd recht hassen,
Daß wir die Kunst auff Christus Todt
Zu sterben zeitig fassen,
Vnd ist denn unser Stündlein hier,
So nimm uns seeliglich zu Dir.

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TextGrid Repository (2012). Dach, Simon. Bey Begräbnus des Herrn Friedrich Wilhelm Rappe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-675A-9