Herebrant von Meißen

Im Abendland

Mir bringt Verdruß
Wald, Flur und Fluß,
Mir ist vergällt
Die ganze Welt,
Darin ich groß gewachsen.
Denn, wo ich zieh',
Seh' ich nur sie: –
Ich trug ihr Bild
Durch jed' Gefild
Von Meißenland und Sachsen.
Nicht Roß und Jagd
Mir mehr behagt:
Kampf und Turnier
Verleiden mir:
Mich ekelt meiner Ehren:
Was Heldenschwert
Und Manneswert!
Da läuft ins Land
Ein glatter Fant,
Dem wird sie sich gewähren.
O Fluch der Stund',
Frau Hildegund,
[461]
Und Fluch dem Ort
Und Fluch dem Wort,
Da dein ich erst ward inne!
Wie hohl sie ist,
Zu dieser Frist
Längst weiß ich's doch –
Und immer noch
Denk' ich der Teufelinne!
Auf, Herebrant,
Ins Morgenland!
Dich umzusehn,
Wo Palmen wehn
In unbekannten Welten:
Dort Tag für Tag
Mit grimmem Schlag
Der Heide soll
Den Minnegroll
Mir fürchterlich entgelten
Und Streich für Streich,
Im Takt zugleich
Mit Helmesbruch,
Bet' ich den Spruch
Aus frommem Pilgermunde:
»O Unvernunft
Der Weiberzunft:
Hei seid verdammt
Mir allesamt
Zum tiefsten Höllengrunde!«
[462] Im Morgenland

Du schönste Tochter Ismaël, wie süß bist du zu schauen,
Des Morgenlandes Prachtjuwel, die strahlendste der Frauen!
Gesegnet der Araberpfeil, der mich vom Rosse fällte,
Weil er gefangen, mir zum Heil, dir, Fatme, mich gesellte.
Dein dunkles Haar ist wie die Nacht, Granaten deine Lippen,
O selig, ihre rote Pracht in heißem Kuß zu nippen.
Ha, weiß ist deiner Stirne Glanz, dein Wuchs ist gleich den Palmen,
Dein Hauch ist Duft, dein Schritt ist Tanz, dein Wort Musik der Psalmen.
Dein Aug' ist dunkelmeeresblau und schwarz sind deine Brauen,
Du bist die allerschönste Frau in allen Erdengauen!
Wie schal, wie reizlos ist das Weib daheim im Land der Franken,
Ihr Blick ist matt und arm ihr Leib und ihre Glieder kranken.
Du süßes Sarazenenkind, du Schwester der Gazelle,
Die Zeder ist dein Hausgesind, der Sturm dein Spielgeselle:
Laß mich in deinem weichen Arm vom Mund den Hauch dir trinken,
Und Ritterpflicht und Pilgerharm versinken laß, versinken!
Wohl läßt sich in Jerusalem ein Himmelreich erwerben,
Fürs Heiligtum zu Bethlehem ruft uns der Papst zu sterben, –
Die Brüder all' mit Schwert und Spieß viel Herrliches vollbringen,
Den Lilienkranz im Paradies sich einst ums Haupt zu schlingen: –
Du sollst ins Haar die Rosen rot mir von Damaskus flechten,
Ich will das Leben, nicht den Tod, will küssen und nicht fechten!
Was Bethlehem, was Golgatha, was heil'gen Grabes Streiter: –
Wer in dein blaues Auge sah, braucht keinen Himmel weiter! –

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Drittes Buch. Kreuzfahrerlieder. Herebrant von Meißen. Herebrant von Meißen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-68ED-E