An Napoleon III

Er war ein Dämon,
Welchem du nachahmst: –
Bist das auch du?
Er war des Weltgotts
Erkorenes Rüstzeug:
Jenem entsetzlichen
Attila gleich,
Welcher die Völker
Scheu vor sich hertrieb,
Scheu wie die Geißel
Den zitternden Knecht. –
[553]
Doch als der grimme
Hunne vermeinte,
Solches vollführ' er
Aus eigener Kraft,
Und es drehe die Erde
Für ihn sich zum Spielball, –
Siehe, da ließ ihn
Die haltende Hand,
Und die hundertsträngige
Geißel zerbrach
Auf dem Feld von Châlons
Die germanische Faust.
Und als die Zeiten
Wieder im Schlamme
Müßiger Feigheit
Lagen versumpft,
Wählte die Gottheit
Ihn sich zum Schwerte,
Den korsischen Mann:
Ihn, der aus härtestem
Erz war gegossen,
Aus dunkelgewaltigem
Heldenmetall.
Riesengedanken
Auf finsterer Stirne,
Und das nimmer bezwungene
Schwert in der Hand: –
Also durchschritt er
Den stöhnenden Weltteil,
Jedes Wort eine Tat,
Jeder Tritt ein Triumph.
Und wie zu gottge-
Sendetem Unheil
[554]
Schauten zu ihm
Die Völker empor:
Ihn haßte der Gute,
Ihm fluchte das Recht, –
Doch sie zollten ihm staunend
Grausende Ehrfurcht:
Denn Er war gewaltig,
Ein Heros der Nacht. –
Doch als er für immer,
Ein Henker der Freiheit,
Schwang über die Häupter
Der Völker den Stahl, –
Siehe, da ließ ihn
Die haltende Hand,
Und das nimmer bezwungne
Korsische Schwert –
In Stücke zerbrach's
Auf dem flandrischen Feld
Die germanische Faust. –
Er war ein Dämon,
Welchem du nachahmst, –
Bist das auch du?
Bist du des Weltgotts
Erkorenes Rüstzeug,
Daß du dich solchen
Erkühnens vermißt?
Seh' ich die Häupter
Mit Graun sich dir beugen
Wie vor geahntem
Rächer des Herrn? –
Mit Zorn und mit Abscheu
Schaut dir ins Auge
[555]
Und mit heiligem Stolz
Jeder wackere Mann!
Wo sind die Zeichen
Göttlicher Sendung?
Sprich, wo des Heros
Erhabene Spur?
Nein, du verschmitzter
Tyrann von Paris,
Nächt'ger Gewalttat
Tückischer Held, –
Du bist kein Bote
Des ewigen Gottes! –
Oder ist's dennoch
Himmlische Schickung?
Kamst du den Meinen
Zu Frommen und Heil?
Darum die Gluten
Heil'ger Begeist'rung,
Wie rings sie entbrannt sind
In Süd und in Nord?
Sind sie die Feuer-
Zeichen der Eintracht?
Scharet mein Volk sich
Um Einen Altar,
Endlich den alten,
Flucherblichen Hader
Opfernd in Flammen
Des edelsten Zorns? –
O dann wird rasch
Dein Geschick sich erfüllen!
Heil uns, dann wandern
Die Völker aufs neu'!
[556]
Über die Alpen,
Über das Rheintal
Flutet der Deutschen
Versammelter Strom:
Wieder für alle
Stämme der Erde
Ringet und blutet
Und siegt mein Volk,
Übet sein altes,
Sein ritterlich Amt,
Vorfechter zu sein
Für die Völker zumal,
Vorfechter der Freiheit,
Der Zucht und des Rechts:
Und wiedereinmal
Vor dem Tor von Paris
Zertrümmert die Kette
Der blut'gen Gewalt
Die Rechte des Herrn:
Die germanische Faust.

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Vaterland. An Napoleon III. An Napoleon III. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-692B-7