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Purpurschwarz klafft ein Moor. In die Heidefläche funkelnd gestochen, gähnt dunkel das Wasser.
Finster gebrochen brüten am Rand schwarze Erdschollen, schwarze verbrannte Erdschlacken,
Verwesungsfrost gellt über das todschwarze Land.
Die Mägde, die Knaben schleichen gierig heran.
Die Frauen zischeln und zaudern.
Verwirrt weichen die Männer.
Grinsender Grabhauch irrt durch die Abendluft,
Die Greise, niedergesunken, lauschen trunken, saugen verzückt den eisigen Duft.
Aus den schwarzen Erdschollen, vom nachtbraunen Wasser
Rollen wühlende Stimmen, schwüle Gesänge, und legen sich kühl
Um die nackten Leiber der Mägde, um die nackten Glieder der Knaben.
[535]
Mit weißen Knien liegen sie nieder, die Knaben und Mägde,
Drängen begehrlich den keimblassen Leib in die kühlschwarze Erde,
Pressen lüstern den Nacken, tauchen die Brüste, die wundheißen Brüste
In das schwarzgleißende Wasser, zerreißen die Erde,
Pressen die schwarzen Wunden in die schwarzen Erdschlacken.
Die Frauen abseits. Graue Scheine umschleichen die weißen wogenden Körper,
Stumm trauern die üppigen Augen.
Die Frauen kauern nieder, schütteln das wuchtige Haar
Über die grauen zitternden Glieder, über den grauen frierenden Schoß,
Die rotwilden Männer, mit grimmen Augen, mit witternden Nüstern,
Einer schleudert die Fäuste gegen das Moor.
Schalleer seine Worte fallen taub durch die Lüfte,
Nur die rasenden Fäuste prallen gegen die dunkeln Erdgrüfte.
Tödlich wächst Schweigen. Des Mannes Augen steigen stier aus den Höhlen.
Die straffen Fäuste sinken gelähmt,
Die braunen Muskeln erschlaffen,
Grau nagt Kälte an seinem Leib.
Blauliche Schatten umspinnen Schenkel, Hüften,
Schatten durchrinnen schwarz seine Adern,
Der Rücken geknickt ..., die Haare gesträubt ...,
Erstickt bricht er nieder.
Die Glieder fleischlos,
Schwarz, ein Skelett ...
Er zerstäubt zu Erde.
Die Männer schauern.
Die Frauen, reglos gekauert, frösteln unter den Hüllen ihres heißen strömenden Haares.
Die Knaben, die jungen Dirnen und Greise haschen die schwarzen Aschen des Toten
Bestreuen lustlachend Brüste, Stirnen.
[536]
Purpurschwarz glüht das Moor. Blutdunkel ein Weg schräg über die Heide
Blüht finsterlockend bald durch grellweißen Schierling, bald durch gelben funkelnden Ginster;

Die Knaben und Mägde brechen den Schierling, stecken die giftsüßen Blüten durch das gelbe flockige Haar.


Die gebückten Greise voran, wandern sie blendend geschmückt
Frohlockend den dunkelnden Weg.
Geflüster,
Leise folgen die Frauen, grauendüster die Männer.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dauthendey, Max. Gedichte. Die schwarze Sonne. 2. [Purpurschwarz klafft ein Moor]. 2. [Purpurschwarz klafft ein Moor]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-725E-C