[90] Theresia die Fromme

Gottvolk der Barde.


Nicht wolkennahe Thürme mit jeder Kunst,
Der Menschenhände trächtig, den Aufenthalt
Der Erdegötter, nicht den Erbstuhl
Mächtiger Herrscher in Gold gekleidet,
Um ihn gebeugt der dienenden Völker Welt;
Auch nicht den Herrscher selber von ihm erhöht,
Der Herrschaft Donner in der Rechten,
Sing' ich in eichenumlaubte Saiten;
Auch nicht den Ruhm des Herrschers in Ost und West
Und Süd und Norden; wär' er erworben in
Gefahrenvollen Eisenfeldern,
Oder in friedlichen Segensfluren.
Auch dieß ist Bardenarbeit. Allein wie schnell
Verblüht ein Erderzeugter, sein Ruhm mit ihm!
Und sind nicht Herrscher Erderzeugte?
Strömen die Jahre sie nicht von hinnen?
[91]
Ich singe Güter sicher der Ewigkeit,
Auf sich gegründet, über den Unbestand
Der Lebensgrößen weit erhoben,
Weit, wie die sichtbare Welt hinüber
Der Sitz Allvaters. Seele Theresien's
Erfüllt mit diesen Gütern! und wärest du
Auch keiner Fürstinn Seele, dennoch
Wunderbar, herrlich und liederwürdig!
Dich, dich besing' ich! Höret mein Feierlied,
Allvaters Boten! 1 die ihr Theresien
Umschwebet, wenn des Reiches Hauptschmuck,
Wenn Ihr der goldene Stab der Herrschaft
Vor ihm entsinket, wenn Sie vor ihm, die Brust
Voll Unterwerfung, treuer Erkenntniß voll,
Die Gluth des Eifers auf den Wangen,
Himmel im Auge, die Kniee beuget.
[92]
Dann steht der Herrschersorgen entfernter Schwarm
Den Finger auf dem Munde, beflattert nicht
Der feierlichen Stille Lichtkreis,
Welcher die betende Fürstinn einschleußt.
Dann geußt Allvater über die reinste
Der Seelen ganz sein väterlich Herz herab,
Und jedes Heil und jeder Segen
Wird Ihr im reichesten Ueberfluße.
Und jede Tugend sprießet in Ihr empor
Vom Himmelthaue trunken, und breitet weit
Von Früchten schwer behang'ne Schatten,
Schatten, in welchen die Länder wohnen.
Da lernet Sie der zeitlichen Größe Werth,
Den Zweck der Fürstinn, Mutter des Volks zu seyn,
Ihr ungemessenes Vermögen
Immer auf Menschenhuld einzuschränken:
Umringt von Lebensfreuden, von Tausenden
Gelobt, bewundert, niemal der Sterblichkeit,
[93]
Des engen Hauses, 2 und der ernsten
Wage der Könige zu vergessen;
Das Laster, wenn es kühner den Nacken hebt,
Das Laster, wenn es schlauer im Volke sich
Mit krummem Schlangengange fortschiebt,
Rächend zu fassen, und hinzustrecken;
Den Gift der Zeiten in der Geburt entdeckt,
Der gottheitfeinden Witzlinge dumme Brut
Mit Ihres Eifers Donnerschlägen
Schandebeladen hinweg zu tilgen.
Wie wichtig sind sie, Völker Theresien!
Für euch die Stunden, welche die Frömmeste
Der Herrscherinnen in Allvaters
Täglicher, langer Verehrung hinbringt!
Von diesen Stunden tritt Sie verherrlichter
Hervor zu euch, wie thauendes Morgenroth
Aus grauer Wolken Schooße brechend
Heitere Tage vorherverkündet.
[94]
Dann strahlt Ihr Beispiel kommender Sonne gleich,
Und flammet Herzen mächtig zur Tugend an.
Wie von den Bergen in die Thäler,
Wallet das Feuer von Ihrem Giebel
Auf Stadt und Hütten. Dann überläßt Sie Sich,
Ganz Unternehmen, würdig der Ewigkeit.
Wer zählet jedes Unternehmen?
Keiner der niederen Erdesöhne!
Allvater zählt es! jeden geheimen Wunsch
Ihr ganzes Volk der Tugend zu heiligen,
Und jede Regung jeden Seufzer,
Jeden Gedanken auf ihn gerichtet,
Und auf das Wohl der Menschen. Und jedes Wort
Für ihn gesprochen, und für Gesetze, die
Mit tiefen Zügen unaustilgbar
Menschlichen Herzen sein Finger eingrub.
Und jedes Ihrer Werke, Gerechtigkeit,
Der Unschuld Rettung, Hilfe der Darbenden,
Ermunterung des müden Fleißes,
Lohn der Verdienste, der Laster Ahndung.
[95]
So fleußt der frommen Herrscherinn jeder Tag.
Vergebens ruft Ihr sinnliche Freude zu.
Der Dienst Allvaters, und der Völker
Seligkeit theilen Ihr ganzes Leben.
Ha! welcher Strom von Wiedervergeltungen
Erwartet dieses Leben! In heiligen
Geheimen Stunden dringt der Barden
Auge durch Wolken, erreicht Walhalla.
Auch Gottvolk's Auge ward des Gesichtes werth.
Ich sah den Hauptschmuck, welcher Theresien
Hier oben harret, sah den Erbstuhl,
Welcher der Tochter von Habsburg harret.
Doch diesen Anblick drücket kein Harfenspiel,
Kein Feierlied des sterblichen Sehers aus.
Und könnt' er's auch, er würde schweigen.
Sollt' er die Fürstinn zu Wünschen reizen,
Vor welchen Ihrer Treuen zu fühlbar Herz
Erbebet? Nein! Noch harre Theresien
Der Hauptschmuck und der Erbstuhl lange!
Rufen die Völker: Allvater! höre!

Fußnoten

1 Der Barde versteht die Engel. Die Obergottheiten hatten glaublich in jedem Systeme ihre Boten.

2 Des Grabes. Ein ossianischer Ausdruck.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Theresia die Fromme. Theresia die Fromme. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E22-E