[96] Theresia die Starkmüthige

Braunold der Barde.


Schön sangst du, Gottvolk! in die Feiersaiten
Der Fürstinn Frömmigkeit.
Mir ward dein Lied in meines Alters Herbste,
Wie warmer Sonnenstral.
Wen liebt Allvater unter Menschenherrschern
So, wie Theresia?
Doch hat er einen unter Menschenherrschern
Auch so geprüft wie Sie?
Von Ihrer Starkmuth will ich Greise singen,
Und seiner schweren Hand.
Er drückte Sie. Sie stand, wie Felsen stehen,
Und hielt die Prüfung aus.
Vom Dräuen Ihrer Feinde will ich schweigen.
Freund Bartmar sang davon.
Nur ihres Hauses innerliche Wehen,
Nur diese sind mein Lied.
[97]
Vergebens flammt um hohe Fürstenhallen
Des wachen Schwertes Blitz.
Vergebens lärmen bunter Freuden Stimmen
Stets um der Großen Ohr.
Unaufgehalten dringt, den Blitz des Schwertes
Vorbei, der Schmerz hinein.
Und öfter übertönt der Freuden Stimmen
Der bleichen Klage Laut.
Ein Gatte war Theresien beschieden,
War ihres Herzens Lust.
Ich singe nicht, wie sie den Gatten liebte.
Freund Huldrich sang davon.
Ein Augenblick! kaum segnen seine Lippen
Noch Gattinn, Kinder, Volk.
Ein unversehner Augenblick! Besessen,
Vermißt, Gesund, und Todt!
Ein Jüngling war des ganzen Volkes Liebe,
Der Fürstinn zweiter Sohn.
Voll Hoffnung schien des Jünglings Pfad zum Ruhme,
Zum Grabe war's der Pfad.
[98]
Der Töchter eine, mütterlicher Gaben
Verjüngtes, ächtes Bild,
Bot schon die Hand dem königlichen Freier 1,
Da griff der Tod darnach.
Zwo Schnuren, Ihres Josephs jede würdig,
Erhab'ner Fürsten Blut,
Berief Allvater aus der Schwieger Armen
(Ach vor der Zeit!) zu sich.
Doch sproß ein Blümchen von der Ersten Hügel,
Ein Blümchen fein und zart.
Nun fing es an, den Knospen aufzuschließen;
Nun ward es abgemäht. 2
Ha, Tod! in welche Trauerwolken hüllet
Dein Hauch das Kaiserhaus!
Kaum kann ich noch durch das verstummte Dunkel
Bis auf die Fürstinn seh'n.
[99]
Sie steht, den Blick geheftet an den Himmel,
Allvaters Priesterinn,
Und opfert jedes treu geliebte Leben
Dem, der es gab und nahm.
Zuweilen senket Sie nach Joseph nieder
Ihr seelenvolles Aug',
Und findet Alles, blicket zu dem Himmel
Getrösteter empor,
Und unterdrückt mit mehr als Männermuthe
Das zärtliche Gefühl,
Das oft, uneingedenk des Klägers Würde,
Zu weichem Jammer räth.
Sie steht, und hält gespannt der Herrschaft Zügel
Mit unentnervter Hand.
Die Völker merken kaum, daß Sie in Mitte
Geliebter Todten steht.
So merken in des Felsen sich'rer Ritze
Des Adlers Kinder nicht,
Daß Wogen sich an seinem Fuße brechen,
Und Nordwind ihn bekämpft.
[100]
Und war es dir so nicht genug geprüfet
Das Herz Theresien's?
O Gottheit! Mußte Völkern Ihre Starkmuth
Noch mehr zum Wunder seyn?
Ja, rufen will ich mir durchweinte Tage
Vor meinen Geist zurück.
Sie sind dahin. Doch lebt ihr Angedenken
In jedem Sohne Teuts.
Denn jede Thräne, die wir weinten, wurde
Zu fetter Freudensaat.
So keimet unter Himmelstropfen reicher
Der Erde Segen auf.
Theresia sank auf das Krankenlager.
Ihr Uebel dräute Tod.
Vergebens schien der weisen Aerzte Streben,
Der Heilungskünste Kraft.
Ich singe nicht die namenlosen Aengsten
Des ganzen Vaterlands.
Sie sind schon lang' im Liede, rauschen, Donau,
Mit dir zur Nachwelt fort.
[101]
Ich singe nur, mit welcher Heldenstärke
Den letzten Augenblick,
Das End' der Erdemacht, der Fürstenhoheit,
Die große Seele sah.
Der Jammer Wien's erreichte fast Ihr Lager.
Der Treuen bange Schaar
Umseufzte Sie mit blassem Angesichte;
Nur Sie lag ruhig da.
So sah ich oft in meinen Jugendlocken
Ein luftiges Gebirg,
Den Gipfel hell, die Mitte neblich, unten
Der Donnerwolken Nacht.
Sie lag der Himmelsfügung unterworfen,
Der Schmerzen Siegerinn,
Hoch über Ihre nur gebrauchten Güter,
Hoch über Ihr Geschlecht.
Allein Allvater wollte Sie noch länger
Den Erdekindern leih'n,
Nur Ihres Geistes unerreichte Stärke,
Und uns're Treue sehn.
[102]
Sie ward gesund, und eben jene Blicke
Die Sie dem Tode warf,
Die warf Sie nun, o Leben, dir entgegen,
O Leben, uns're Lust!
Doch sing' ich sie, die namenlosen Freuden,
Des frohen Vaterlands?
Auch die sind lang' im Liede, rauschen, Donau,
Mit dir zur Nachwelt fort.
Und ist auch dieses Lied, das Braunolds Kehle
Der Fürstinn Starkmuth sang,
Der Nachwelt Ohren werth, so wälz' es, Donau,
Mit dir zur Nachwelt fort!

Fußnoten

1 Dem Könige der beiden Sicilien.

2 Die Erzherzoginn Theresia.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Theresia die Starkmüthige. Theresia die Starkmüthige. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E38-D