[155] Der Zwist der Fürsten 1

Erstes Lied

Blick' auf zur Halle, Knabe! Sined's Brust
Beginnet schwer zu athmen. Daß vielleicht
Ein Wetter sich an fernen Bergen hebt.
Ein Wetter, Liedermund! Wo zeucht es her?
Herunter von den Bojen. Ich erstand,
Und trat ins Freie. Siehe, mit dem Weh'n
Der Donau zog's herunter, wie die Nacht,
Gebirgig, keileschwanger. Keiner doch
Der Keile riß sich los. Nur murreten
Die Donner manchmal dumpf, durchzitterten
Noch matte Blitze die Gewitternacht.
So zog es deine Thürme, Wien! vorbei,
Und wandte sich auf einmal in's Gefild
Der Quaden hin, und dort, dort brach es aus.
Sie liegt gestürzet – Knabe! mein Harfenspiel
Heraus, mit allem seinen erseufzenden
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Tief aufgestürmten Wehgeklänge!
Bringe mein Harfenspiel! – Ach gestürzet,
Gestürzet liegt sie! Feuer vom Himmel fraß
Den fetten hohen Wipfel, verschleuderte
Den Wald der Aeste, schlug in hundert
Dampfende Brände den Stamm der Eiche!
Neun Herbste sind hinüber, da hattet ihr
Den Wunsch des Barden, Söhne von Teut! gehört,
Und hattet nach des Barden Wunsche
Diesen bedeutenden Baum gepflanzet 2,
Den Baum gepflanzet, wo sich umarmeten
Die Größten Deutschlands, Joseph und Friederich,
Gepflanzet, daß in seinem Schatten
Ihrer Umarmungen Enkel dächten.
Neun Herbste sah'n ihn sprießen. Er deckete
Mit breiten Armen öfter der Jugend Spiel,
Der Liebe Flüstern, und der Greise
Biedergespräch, ein erhaben Denkmal!
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Nun liegt er nieder, und der Umarmungen
Ist ach vergessen! Friederich wecket ihn
Den alten Zwist, die grauen Locken
Birgt er noch einmal im Herrscherhelme;
Mit Schwert und Lanze steht er, und fertiget
Nach seinen Starken rüstige Boten hin:
»Nein! Joseph's Erbe soll nicht wachsen!«
Sag't es, und klopfet umher am Schilde.
Sie geh'n und sagen. Mächtig erklingt ihr Schild
Im ganzen Brennenreiche. So fährt der Sturm
Die Wasserwelt hinan, und zahllos
Werfen die Wogen ihr schäumend Haupt auf. –
Der Mond, o Liedermund! Wie steigt er auf?
Roth, wie es aus der Brust des Kriegers quillt.
Ha, Sohn des Himmels! färbet Heldenblut
Dein Antlitz? Klagst du die Gewaltigen,
Die fallen werden? Fallen werden sie!
Mir wittert offner Gräber feuchter Duft.
Mir ahnet fernher leises Lautes so,
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Wie Mutterjammer, Brautgewinsel tönt.
Bereite Schlachtgesänge, Bardenvolk!
Und Siegeslieder! Aber Klagen auch,
Auch über Friedrichs Helden; denn auch sie
Sind ach Thuiskos Enkel! fallen nicht,
Wie vor der Sense niedrig Wiesengras!

Fußnoten

1 Gesungen 1778.

2 Siehe das Lied auf Josephs zweite Reise.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Der Zwist der Fürsten. Erstes Lied. Erstes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E3C-5