[124] Die zweite Reise 1

Wo ist der Sohn Theresien's? o Kaiserstadt!
Wo ist dein Herrscher? Wölke dein thürmend Haupt,
Aus deinen blauen Düften höre,
Was dir vom heiligen Eichenhaine
Der Barde Joseph's (Wag' ich den herrlichsten
Der Namen unter Barden? Gefährlich ist
Der Reiz dem Einzigen zu folgen!
Aber zu mächtig! – Er sei gewaget!)
Der Barde Joseph's tönet: Hier oben ist
Der Thaten Joseph's unübersehliche,
Wie Sonnen, helle Bahn gezeichnet.
Frühe begann er die Bahn zu wandeln,
Je That auf That erhab'ner. Italien
Liegt noch im süßen Taumel. Es küsset noch
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Des göttergleichen Fürsten Spuren,
Und schon erschallen der Markomannen
Und Quaden 2 Hügel, dienstbar sie selber einst
Den Ahnen Joseph's, von der Begeisterung
Des tiefgereihten Brennenheeres,
Welches den kommenden Herrscher grüßet.
Er, jeder großen Gabe Bewunderer,
Er hatte schon den weisen Gebieter 3, der
Am Apennin die Völker weidend
Friedsam und furchtbar ist, aufgesuchet.
Nun eilt er auch den Wünschen des mächtigen,
Des unbezwung'nen Helden 4, der, weit umringt
Von seinen Starken, an der Spree
In dem Gewande der Ehre stralet,
Erkämpft in rothen Feldern, ein Bardenfreund,
Und Barde selber 5 – aber den gallischen
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Gesängen holder! – und des Kieles
So, wie der Klinge gewöhnt, entgegen.
Zween Kriege, leichenträchtig, verderbenvoll, –
Wir Männer denken's! – kriegete Friederich
Mit Josephs Mutter (denn er hatte,
Nie sie gesehen) und Heldenbräute
Vergossen zweimal Thränen, und Jünglinge
Beschwuren zweimal über der Väter Grab
Des Todes Rache, deutsche Flüße
Trübten sich zweimal in deutschem Blute.
Nun wirft die Großmuth auf das Vergangene
Den himmelreinen Schleier. Die Fürsten stehn,
Zwo Sonnen, die der Mittag 6 scheidet,
Sehen sich Ewigkeit an der Stirne;
Und Einer ehret, was ihn verewiget,
Am And'ren, einer schließet dem Anderen
Sein großes Herz auf. Freundschaft strömet
Von der Gebieter erhitzten Lippen.
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So stand vor Siegmar'n Herrmann 7. Des Jünglings Aug'
Verrieth dem grauen Helden den künftigen
Vernichter stolzer Legionen,
Und den Zerbrecher der fremden Feßeln.
O könnten meine Saiten die Kinder Teut's
Von allen Enden wecken! Sie sollten mir
Den hohen, ahnungsvollen Anblick
Tief in erregtester Seele feiern,
Die Stelle zeichnen, wo sich umarmeten
Die Größten Deutschlands, Joseph und Friederich,
Hin Eichen pflanzen, daß die spät'sten
Enkel im Schatten sich dieß erzählten!
Und, Feinde Deutschlands! häufet nicht Dunkel sich
Um euer schielend Auge? verschwindet nicht
Auf List und Trug gebautes Hoffen,
Wenn sich mit mächtig erhob'nem Arme
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Den Bund der Freundschaft Joseph und Friederich
Beschwören? – O so wartet ein Saitenspiel
Herabgestimmt zu Todestönen
Euer an einer verdorrten Eiche!

Fußnoten

1 Nach Schlesien, 1769.

2 Die alten Bewohner Mährens und Schlesiens.

3 Den König von Sardinien.

4 Des Königs von Preußen.

5 Man kennt die Poésies diverses.

6 Die Mitte des menschlichen Alters.

7 Diese zwei deutschen Helden kann man am beßten aus Herrmanns Schlacht von Klopstock kennen lernen. –

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TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Josephs Reisen. Die zweite Reise. Die zweite Reise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7EC4-4