[141] Die Athenienser

Einst wollten zu Athen, an einem schönen Morgen,
Die Bürger ihre Stadt mit einem Gott versorgen.
Die Stimmen wurden bald bedächtlich abgezählt,
Und mit gemeinem Schluß Minervens Schutz erwählt.
Der trotzige Neptun, durch diesen Schimpf erbittert,
Hub seinen Dreyzack auf, der See und Flut erschüttert,
Und sprach: O blindes Volk, das allen Witz verlor!
So ziehst du denn ein Weib Neptunus Gottheit vor?
Wer könnte, fuhr er fort, mit einem herben Lachen,
Dich mehr an Handlung reich, den Feinden furchtbar machen,
Als ich, der Wellen Herr? Wolan! es ist erkannt:
Es sey Athen forthin der Narren Vaterland!
Er sprach. Der Hauffe stund verwirrt, als wie im Schlafe;
Aus Tummheit fühlte kaum ein Jeder seine Strafe.
Doch bracht ein Rest von Witz noch Einem endlich bey,
Was für ein kläglichs Ding ein Volk von Narren sey.
Drum naht er sich gebückt zu der Minerven Trohne:
O Göttin, steüre doch dem unverdienten Hohne!
Die Liebe, die dein Volk zu deiner Weysheit trug,
Hat uns darum gebracht. Ach mach uns wieder klug!
Nein, Kinder! sprach sie, Nein! Das hab ich nicht in Händen;
Denn, was ein Gott gefügt, kan keine Göttin wenden.
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Doch, wenn Neptunus eüch Verständ und Witz verkehrt,
So mach ich, ihm zu Trotz, eüch allesamt gelehrt.
Vernunft und Wissenschaft, wir lernens von Athene,
Sind öfters nicht gepaart; beysammen stehn sie schöne.
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TextGrid Repository (2012). Drollinger, Carl Friedrich. Gedichte. Gedichte. Fabeln. Die Athenienser. Die Athenienser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-83AA-8