Am ersten Sonntage nach Pfingsten
(Dreifaltigkeit)

»Drum gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie alles halten was ich euch gesagt habe, und sehet, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt.«


Bin ich getauft in deinem Zeichen,
Du heilige Dreifaltigkeit,
Nun bleibt es mir und kann nicht weichen
In dieser nicht und jener Zeit.
Ich fühle durch Verstandes Frost,
Durch Menschenwortes Nebelrennen
Es wie ein klares Funkeln brennen
Und zehren an verjährtem Rost.
In deinem Tempel will sich's regen,
Wo ich als deine Magd erschien,
Und unter deines Priesters Segen
Fühl' ich es leise Nahrung ziehn.
Wenn eine teure Mutterhand
Das Kreuz mir zeichnet auf die Stirne,
Dann zuckt's lebendig im Gehirne
Und meine Sinne stehn in Brand.
Ja selbst zu Nacht, wenn alle schlafen
Und über mich die Angst sich legt,
In der Gedanken öden Hafen
Der Zweifel seine Flagge trägt:
Wie eine Phosphorpflanze noch
Fühl' ich es warm und leuchtend schwellen,
Und über die verstörten Wellen
Legt sich ein leiser Schimmer doch.
Und muß mir zum Gericht gereichen
Die Lebenspflanze mir gesellt,
Die ich versäumte sondergleichen,
Und dürrem Holze gleichgestellt:
[638]
So ist sie in der Sünden Bann,
Des Geistes schwindelnden Getrieben,
Mein heimlich Kleinod doch geblieben
Und angstvoll hangt mein Herz daran.
Ob ich vor deiner Geißel zage,
Nichts kömmt doch dem Bewußtsein gleich,
Daß dennoch ich dein Zeichen trage
Und blute unter deinem Streich.
Fluch allem, was von dir mich stößt!
Dein will ich sein, von dir nur stammen;
Viel lieber sollst du mich verdammen,
Als daß ein andrer mich erlöst.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Droste-Hülshoff, Annette von. Gedichte. Geistliches Jahr in Liedern auf alle Sonn- und Festtage. Am ersten Sonntage nach Pfingsten (Dreifaltigkeit). Am ersten Sonntage nach Pfingsten (Dreifaltigkeit). Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-85B2-8