Der Fromme

Es saß ein Kind gebunden und gefangen,
Wo vor der Menschen eitlem Tun und Schallen
Der Vorzeit Wunderlaute trüb verhallen;
Der alten Heimat dacht es voll Verlangen.
Da sieht es draußen Ströme, hell ergangen,
Durch zaubrisch Land viel Pilger, Sänger wallen,
Kühl rauscht der Wald, die lust'gen Hörner schallen,
Aurora scheint, so weit die Blicke langen. –
O laß die Sehnsucht ganz dein Herz durchdringen!
So legt sich blühend um die Welt dein Trauern
Und himmlisch wird dein Schmerz und deine Sorgen.
Ein frisch Gemüt mag wohl die Welt bezwingen,
Ein recht Gebet bricht Banden bald und Mauern:
Und frei springst du hinunter in den Morgen.
Willkommen, Liebchen, denn am Meeresstrande!
Wie rauschen lockend da ans Herz die Wellen
Und tiefe Sehnsucht will die Seele schwellen,
Wenn andre träge schlafen auf dem Lande.
So walte Gott! – ich lös des Schiffleins Bande,
Wegweiser sind die Stern, die ewig hellen,
Viel Segel fahren da und frisch' Gesellen
Begrüßen uns von ihrer Schiffe Rande.
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Wir sitzen still, gleich Schwänen zieht das Segel,
Ich schau in deiner Augen lichte Sterne,
Du schweigst und schauerst heimlich oft zusammen.
Blick auf! Schon schweifen Paradiesesvögel,
Schon wehen Wunderklänge aus der Ferne,
Der Garten Gottes steigt aus Morgenflammen.

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TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1841). 6. Geistliche Gedichte. Der Fromme. Der Fromme. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9722-C