Der Sänger

1.

Siehst du die Wälder glühen,
Die Ströme flammend sprühen,
Die Welt in Abendgluten
Wie träumerische Fluten,
[279]
Wo blühnde Inseln trunken
Sich spiegeln in dem Duft? –
Es weht und rauscht und ruft:
O komm, eh wir versunken!
Eh noch die Sonn versunken:
Gehn durch die goldnen Funken
Still Engel in den Talen,
Das gibt so leuchtend Strahlen
In Blumen rings und Zweigen. –
Wie frommer Widerhall
Weht noch der Glocken Schall,
Wenn längst die Täler schweigen.
Leis wächst durchs dunkle Schweigen
Ein Flüstern rings und Neigen
Wie ein geheimes Singen,
In immer weitern Ringen
Zieht's alle, die da lauschen,
In seine duft'ge Rund,
Wo kühl im stillen Grund
Die Wasserkünste rauschen.
Wie Wald und Strom im Rauschen
Verlockend Worte tauschen!
Was ist's, daß ich ergrause? –
Führt doch aus stillem Hause
Der Hirt die goldne Herde,
Und hütet treu und wacht,
So lieblich weht die Nacht,
Lind säuselt kaum die Erde.

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TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1841). 6. Geistliche Gedichte. Der Sänger. 1. [Siehst du die Wälder glühen]. 1. [Siehst du die Wälder glühen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9C2E-6