Aus dem Buch der Liederlichkeit

1.

Ich möchte gerne, wo an allem Ort
Ein hohes Fauenbild sich quälend sehnet
Nach Liebesthat zu süßem Liebeswort,
Ihr nahen, da sie Gluth sich nahe wähnet
Und harret einsam an dem Steine dort,
Dran sie gedankenvoll und prächtig lehnet:
Ich möchte solcher Edeln jede finden
Zu trauter Stunde, wenn die Strahlen schwinden.
Die rohen Narren, Männer sonst genannt,
Gehn ihr vorüber, witzlos, ohne Fühlen,
Mich hat ein unsagbarer Blick gebannt,
Am Säulenschacht muß ich die Stirne kühlen,
Auf reinen Formen weil' ich unverwandt,
Mit Aug' und Sinn in Reiz mich einzuwühlen.
Schon ist der Finger neckend Spiel begonnen
Und ernste Rede führt zum Thron der Wonnen!

[30] 2.

Ihr indischen Rosendüfte,
Habt ihr mein Mädchen gesehn?
Ihr Wellen, die ich beschiffte,
Habt ihr vernommen ihr Flehn?
Es war in dunkler Stunde
Da schritten wir über den Sand,
O, habt ihr gar keine Kunde,
Wohin meine Göttin verschwand?
Sie weint', ich konnte nicht weinen,
Und endlich weint' ich auch –
Ich that es nur ihr zu Liebe ...
Wir schritten im Windeshauch.
Nun sprecht, ihr Wellen, ihr Düfte,
Habt ihr mein Mädchen geseh'n?
O Pipi, Pepi, mein Täubchen,
Vernimmst du nicht mein Fleh'n?
O, sprecht ihr Wellen, ihr Düfte,
Habt ihr sie besser gerührt?
Habt ihr durch süßere Klagen
Lacertchen mir entführt?

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Aus dem Buch der Liederlichkeit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A10D-B