[78] Die Falte

Heute sah ich den Haß,
Den herrlichen nackten Haß.
So dacht ich mir
Die trotzige Schönheit gefallener Engel:
Wildheit ganz
Und knirschender Stolz.
»Wie schön du bist«,
Betete ich an.
»Millionen
Preisen mich«, lächelte er,
»Mein ist das Reich.«
Und ich sah auf und sah
Zwischen den Nachtbrauen
Die Schmerzfalte,
Senkrecht,
Tief eingefurcht.
»Warum diese Falte?«
Abgewandt schwieg er.
»Warum diese Falte?«
Leise,
Verquält klang es zurück:
»Weil ich nicht lieben darf.«

Notes
Aus »Tanz und Andacht. Gedichte aus Tag und Traum«, Erstdruck: München (Albert) [1893].
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Falke, Gustav. Die Falte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A51E-7