[168] Das Duell.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Lieutenant R. Aber wahrhaftig, Herr Bruder, du setzest mich in Erstaunen! – Die junge Oberstin – und das Alles in so kurzer Zeit!

Lieutenant P. Seitdem du auf dem Commando warst.

Lieut. R. Was? Also vier Wochen nach der Hochzeit? – Du bist des Teufels, Herr Bruder!

Lieut. P. Laß es nur gut sein: es ist eine alte Bekanntschaft von mir.

Lieut. R. Was?

Lieut. P. Ich hatte hunderttausendmal mit ihr getanzt.

Lieut. R. Sieh an!

Lieut. P. Wir wohnten kaum zwanzig Schritte von ihrem Hause.

Lieut. R. Und verliebtet euch in einander? – Nun das ist in der Regel!

Lieut. P. Es war immer ein gutes Mädchen! – Gott weiß, wie gern ich sie geheirathet hätte! Aber –

[169] Lieut. R. Freilich! Wir gehen zusammen, Herr Bruder, bis der Himmel daß große Loos gibt! Aber sage mir, wie hat sich denn der alte Oberste –

Lieut. P. Seine erste Frau war noch älter als er; nun er ihr Geld geerbt hat, will er sich an der armen Henriette erholen. Wie es denn geht, Herr Bruder! Die Aeltern waren froh, daß er kam, und mochte sie wollen oder nicht –

Lieut. R. Leider! Leider! Wie alt ist sie denn?

Lieut. P. Neunzehn Jahre.

Lieut. R. Und er neun und siebenzig! Ein schönes Verhältniß, bei meiner Seele! – Aber in aller Welt, Herr Bruder! Wie konntest dn's wagen?

Lieut. P. Als wir ihm die Cour machten – sie erkannte mich den Augenblick. – Es gibt gewisse Blicke – Nachher sah ich sie bei der Parade sie lächelte wehmüthig vor sich hin. – Und zweimal im Theater.

Lieut. R. Und da habt Ihr euch verstanden?

Lieut. P. Wir brauchten ja nur wieder anzuknüpfen.

Lieut. R. Bravo! Ich wünsche dir Glück, Herr Bruder! – Aber der Henker, die Sache ist kizlich!

[170] Lieut. P. Ich verstehe dich. – Mit Vorsicht! – Unsere Maßregeln sind vortrefflich genommen; ihr Mädchen ist ganz auf unserer Seite. Diesen Nachmittag gehe ich zum erstenmale hin.

Sie schieden, und Lieutenant R. blieb auf seiner Wache.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Endlich! Endlich! rief die arme Henriette, und reichte ihm Hand und Wange hin. Er umarmte sie mit Inbrunst, und sie sank auf seine Schulter.

O welches Leben! sagte sie nach einer Pause, und trocknete sich die Augen. – P. antwortete ihr durch Liebkosungen. – Liebste Henriette! Deine Thränen machen mich unglücklich!

Wenn ich dich nicht hätte! fuhr sie fort: nur deine Liebe kann mich trösten!

Er: Gute, gute Henriette! Ach wer nur Mittel wüßte, sich öfter zu sehen!

Sie (leise und wehmüthig): Leider!

Er wollte fortfahren, als auf einmal der Oberste zu dem Thorweg hereinsprengte. – Himmel! rief Henriette und der Lieutenant wollte zum Fenster hinaus springen. – Nein, nein, bleiben Sie! fuhr sie gefaßt fort: las; mich [171] machen, lieber Leopold! – indem sie ihm ein Glas Wasser über den Aermel goß. Der Oberste kam die Treppe hinauf, und sie gieng ihm entgegen.

O gnädiger Herr! rief sie mit verstellter Aengstlichkeit: denken Sie, was mir passirt ist!

Er: Nun, mein schönes Frauchen! Was denn?

Sie: Da will ich ein Glas Wasser zum Fenster hinaus gießen; glücklicherweise geht der Lieutenant P. vorbei, und die ganze Geschichte kommt ihm auf den Hals.

Er: Ei, ei! – Nun?

Sie: Ich warf schnell das Fenster zu, allein in dem Augenblick trat er in's Zimmer. Haben Sie doch die Güte, gnädiger Herr, und reden Sie mit ihm. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll; ich bin gleich in das Nebenzimmer gesprungen.

Gut, gut, sagte der Oberste, und öffnete die Thüre: der Herr Lieutenant wird dir's wohl vergeben.

O! rief P., der Alles mit angehört hatte: ich glaubte, es wäre ein Domestike gewesen.

Nein, lieber Lieutenant! gab der Oberste freundlich zur Antwort: hier, mein böses Weibchen! – nehmen Sie's nicht übel! – Ich werde es zu schätzen wissen.

Lieut. P. O mein Herr Oberster! (mit einer tiefen Verbeugung) Jetzt hat es nichts mehr [172] zu bedeuten. Ich empfehle mich Ihrer Wohlgewogenheit! Ihr unterthänigster Diener!

Ein artiger junger Mann! rief der alte Herr: ein recht höflicher verständiger Mensch! – Nun, ich will ihn auch bestens recommandiren. Aber du mußt hübsch vorsichtig sein, liebes Jettchen! – Und nun begann ein langer Sermon, den das junge Weibchen mit Vergnügen hinnahm, indeß P. dem Kammermädchen einige Winke gab.

Ich weiß, was ich weiß! sagte diese beim Auskleiden zu Henrietten, und erzählte ihr Alles. Das arme Weibchen erröthete, und der Oberste klingelte, um noch eine Bouteille anzustechen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Gut, sagte Lieutenant R., der Plan gefällt mir! Geh du nur und hole die andern. Um eilfe habe ich die Patrouille, und dann laß mich machen.

Es schlug eilf Uhr; der Oberste saß bei seiner Flasche, und las den unpartheiischen Correspondenten.

Die Straße war völlig todt, aber auf einmal hörte er Degengeklirre. Seine Fenster standen offen; das Geräusch kam immer näher. – Hülfe! Hülfe! – Er sah drei gegen einen, riß seinen Degen von der Wand, und stürzte die Treppe [173] hinunter. – Feige Halunken! rief er, und mengt sich unter sie. Sie fechten; der Angegriffene sinkt zu seinen Füßen. In dem Augenblick hört man die Patrouille; die drei Gegner nehmen das Reißaus, und schreien aus vollem Halse: Mörder! Mörder!

Die Patrouille kam näher, Lieutenant R. an ihrer Spitze; P. schwamm in seinem Blute. Der Oberste stand wie versteinert. – Hierher Grenadiers! – und ohne auf ihn zu hören, wurde er fortgeführt. – Meine Ordre! sagte Lieutenant R.: der Herr Oberste wissen das besser als Ich:

So kamen sie auf der Hauptwache an, indeß Lieutenant P. in das Haus des Obersten gebracht wurde.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Geschwind andere Wäsche! rief Henriette. – War es nicht gut ausgedacht? sagte P. und gab dem Mädchen die Blase mit dem Kälberblute. – Deine Freunde haben dir treulich geholfen, fuhr Henriette lächelnd fort, indeß er sich hinter dem Schirm umkleidete.

Alles war jetzt in Ordnung. Das Mädchen zündet das Nachtlicht an; die Liebenden waren allein. Glückliche Stunde! Sicher und ungestört konnten sie Alles genießen, was die Liebe Zärtliches [174] hat. – Liebesgöttin! seufzte P. – Theurer Mann! lispelte Henriette. – O, der Genuß, durch Liebe verschönert, ist der eigentliche Vorschmack des Himmels.

So vergieng die Nacht, wiewohl für beide zu schnell. Gegen Morgen schlich sich P. durch eine Hinterthüre ins Feld, und kam auf einem andern Weg in die Stadt. Er gab vor, über Land gewesen zu sein, und niemand vermuthete, das Gegentheil. Die Schildwache hätte ihn vielleicht in dem Hause des Obersten verrathen können, aber der Kerl war von seiner Kompagnie und mit zwei Thalern gestempelt.

Indessen hatte der Oberste bis zum Rapport auf der Wache bleiben müssen, und wurde jetzt in einer Chaise nach Hause getragen. Niemand wußte, was aus dem Verwundeten geworden war; niemand klagte, niemand inquirirte, und in acht Tagen war Alles vergessen.

Indessen empfand der Oberste die Folgen der Alteration noch diesen Morgen. Er bekam eine heftige Magenkolik, zu welcher der Brand schlug, und mußte den Weg alles Fleisches gehen. Henriette wurde Universalerbin, und Lieutenant P. bald darauf ihr glücklicher Mann.

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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Erzählungen. Dosenstücke. Das Duell. Das Duell. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A7FF-E