10. Auf Herrn Christof Schürers, Phil. et Theol. Stud., Leichbegängnüß

1633.


Preis der Jugend, Lob der Stadt,
Zier des Stammes und der Deinen,
Wohnhaus mancher Wissenheit,
Vieler Freude vor, nun Leid,
o du Ursach unserm Weinen,
das kein Endmal weiß noch hat!
War nun diß des Himmels Schluß,
daß er dich mit Gaben schmückte,
die sonst nicht gemeine sind,
und doch allzu gar geschwind'
in den Ort der Stille schickte,
welchem Alles werden muß?
Phöbus sah dich günstig an,
die gelehrten Kastalinnen
zeigten dir den Helikon,
Plato hieß dich deinen Sohn,
und Porphyr wird zeugen können,
was er schon an dir getan.
Wer dich sahe, liebte dich
hoch um Schönheit, mehr um Tugend,
so vor billich Allem geht,
ob sie gleich zurücke steht
bevorab bei unsrer Jugend,
so für sie mehr liebet sich.
Itzo war es fast nun Zeit,
daß du deiner Reisen Zügel
ließest schießen durch die Welt,
da dir schon war fürgestellt
durch der Sinnen schnelle Flügel
was sich hoch hält weit und breit,
als vor diesem denn getan
dein so weit gewes'ner Bruder.
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Keiner wird berühmt und groß,
welcher liebt der Mutter Schoß
für die Reisen, Pferd' und Ruder.
Wer nichts wagt, der wird kein Man.
Dieses war dein Wundsch und Sin.
Dem nur war es nicht versehen,
der sein Ja zu Allem spricht,
wenn es uns soll fehlen nicht.
»Nein«, sagt' er: »diß soll geschehen!«
und gab dich den Parzen hin.
Wie der kecke Rosenkopf
seinen jungen Hals erhebet,
weil der Blumen Wirt, der West,
ihn noch mit sich bulen läßt,
bald doch vor dem Nord erbebet
und hängt ab den welken Knopf:
so war deines Lebens Zier,
junger Schürer! Deine Blüte
war ein kurzer Blumenschein,
der bald kömt und bald geht ein.
Nur dein feuriges Gemüte
funkelt noch bei uns nach dir.
Und was ist es Neues doch
in der frischen Jugend sterben?
Polyxene ward nicht alt;
Alexander ginge bald;
mancher Held muß zeitlich erben
für den Dank ein finster Loch.
Wol dem, der nicht lang' ist hier!
Argie kunt' ihren Kindern
etwas Bessers bitten nicht.
Was dir hie zu kurz geschicht
und uns deucht dein Recht zu mindern,
das ersetzt der Himmel dir.
Neunmal hat nun Phöbe gleich
ihre Hörner eingezogen
und die Nächte blind gemacht,
seit die gabe gute Nacht,
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der du itzt bist nachgeflogen
in das lichte Sternenreich.
Wo der blanke Milchweg sich
in den Himmelsfeldern zeiget,
da eilt sie entgegen dir
mit so sehnlicher Begier.
Schaue, wie sie sich dir neiget,
wie sie sieht so gerne dich!
Katharine, küss' ohn' Zahl,
küsse die entfärbten Wangen
und den halb noch toten Mund
deines Bruders, der itzund
dir gleich kömmt entgegen gangen
in den nochgestirnten Saal!
Hier ist der, der dich so sucht
und noch nirgends hat gefunden,
bis er selbst verloren sich.
Der so ist erbläst auf dich,
kan genießen dieser Stunden
seines Suchens süßen Frucht.
Selge zwei, ihr habet euch
und schwebt in den heilgen Flammen!
Wir gehn irre doch allhier,
bis ein iedes, gleichwie ihr,
mit den Seinen kömmt zusammen
in das euch itzt eigne Reich.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Oden. 2. Von Leichengesängen. 10. Auf Herrn Christof Schürers. 10. Auf Herrn Christof Schürers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A97B-2