[33] 1. Auf das Ableben der Fräulein Maria Juliane von Schönburg-Waldenburg.

1630.

1. Sonnet an das hochedle Haus Schönburg

Schönburg, du schönes Haus, wie tustu ietzund klagen,
indem ein großes Teil von deiner Schönheit fällt
und wird gerissen hin, darvon die Meißner Welt
und Ieder, wer dich kennt, mit Trauren weiß zu sagen!
Wie solte diesen Fall denn unbetrauret tragen
ich, der ich ohne dich in lauter Trauren bin
und gleichsam lebe tot? ich, den du mich vorhin
mit Gnade dir erkauft? Drumb weil mir deine Plagen
und übergroßes Leid durch Herz und Seele geht,
wolan, so nimb von dem, der dir zu eigen steht
mit Allem, was er ist, die Schrift zu einem Pfande
der reinen Dankbarkeit, die Schrift, die Trauerschrift,
die mit dir weinen soll! Was förder dich betrifft,
so scheine, schönes Haus, dem lieben Vaterlande!

2. Elegie an das traurige Hartenstein

War es denn noch nicht gnug, daß Mamers seine Plagen,
du liebes Hartenstein, dir greulich schickte zu,
der, wie man sagen tut, bei Nachten und bei Tagen
mit seiner Grausamkeit dir lässet wenig Ruh'?
Es muste noch Fortun sich besser an dir rächen,
wiewol ohn' deine Schuld, und führen über dich
Den, welcher grimmer ist denn jenes Hauen, Stechen,
den Tod, den rauhen Tod. Mars lässet weisen sich,
wann man ihm, was er will, ohn Wegerung erleget,
und gibt ihm seinen Sold: so bistu nicht, o Tod!
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Dich weder Geld, noch Gold, noch Ranzion beweget,
sie wäre noch so groß, für Eines Sterbensnot.
Mars ändert seinen Rat, – oft gibt er Gnad' umb Bitten,
auch mitten in dem Zorn. O Tod, so bistu nicht!
Du änderst keinen Rat, du bleibst bei deinen Sitten;
erzürnestu dich denn, da hilfet keine Pflicht.
Mars, ob er gleich will sein der stärkste Gott der Erden
und solcher nur allein, oft werden ihrer mehr;
der steckt ihn in den Sack, der jenes Herr kan werden:
o Tod, o starker Tod! wes ist, wes ist das Heer,
wer ist, wer ist der Herr, der dich mög' überwinden?
Und wär' er noch so stark, so bistu stärker noch;
und wolten Tausent dich und aber Tausent binden,
du bindest alle sie, sie zwingstu unters Joch.
Nun kom und frag' ich dich von dieser beider Wesen,
o traurigs Hartenstein, du liebes Vaterland:
wann du aus Mars und Tod den Einen solst erlesen,
wen nämbstu dieser beid'? O streckstu deine Hand
zu Mars? Ja freilich wol. Er war gar leicht zu wählen
für jenem, welcher ist ein steter Menschenfraß;
hingegen dieser fromm, er hört noch auf zu quälen,
da jener garausmacht und würgt ohn Unterlaß.
Es ist nicht ohne zwar, daß mancher oft begehret
zu sein viel lieber tot, als wenn ihn Mamers zwingt,
weil dieses Tyrannei endlos gar gerne währet,
hingegen jener ihn zum guten Ende bringt.
Diß aber, weiß ich wol, dir würde nicht gefallen,
von Liebe, die du trägst zu deiner Obrigkeit;
Mars wüte noch so sehr, hingäbstu was euch allen,
wenn du dein und ihr Leid köntst wenden dieser Zeit.
Mars nimmermehr so sehr die Tränen dir auszwunge,
als diese Leiche tut, die man ietzt führt zur Gruft
und setzt sie traurig bei. Ietzt weinen Alt' und Junge,
daß dieses Klag-Geschrei erschallet in die Luft.
Ich auch dein duppelt Leid muß überlaut beweinen,
wiewol du weit von mir, doch aber nah dein Leid.
Ach! ach! wenn wird einmal der Gnaden-Phöbus scheinen
und einst abtauschen dir dein großes Leid mit Freud'?

[35] 3. Epigramma

Die, die da war allhier ein Spiegel aller Tugend,
ist mit der Frülingszeit im Früling ihrer Jugend
von uns gerissen hin, wie wann von zarter Hand
ein blaues Veiligen dem Garten wird entwandt,
wie wenn auf Phöbus Schein erfolget Regenwetter,
wie wenn ein schöner Baum verleust die grünen Blätter.
Doch Früling, Veiligen, Schein, Blätter finden sich
mit Zeit: o welche Zeit wird wiederbringen dich?

4. Der klagende Bräutigam. 1

Du, die du warest mein, mein Leben, meine Zier,
wie liegstu hier so blaß, so ganz unähnlich dir?
Die Fenster sind entzwei, der Mund, die Zung' erstarret,
die Hände hangen dir, der Leib will sein verscharret.
Wo ist, o meine Sonn', ietzt deiner Liechter Schein?
Wo ist, o meine Braut, die schöne Schönheit dein?
Die Schmerzens-Töchter mir, die Tränen, tun ausbrechen,
Herzquälen, Augenangst, Hauptschmerzen, Seitenstechen,
die stürmen alle bald einmütig zu mir ein,
wenn ich dich sehe, ja, wenn ich nur denke dein.
Dein denk' ich aber stets, drumb hab ich steten Schmerzen
in Augen, in dem Häupt', in Seiten und im Herzen;
doch kan ichs lassen nicht, ich muß dich sehen an
und denken dein, solt' ich gleich noch mehr Schmerzen han:
diß tu' ich nur darumb, daß durch solch stetes Quälen
die Seele mir vergeh' und folge deiner Seelen.

5. Der klagende Bräutigam. 2

Phöbus mit sehr großem Zagen,
weil die schöne Dafnis ward
in den Lorberbaum verkahrt,
täte Tag und Nacht sich plagen:
doch zagt Phöbus nicht so sehr,
weil ich zage noch viel mehr.
Orpheus hochgerühmbter Gaben
gosse manchen Tränenbach,
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weil er (diß sein Ungemach!)
seine Liebste nicht kunt haben:
doch weint Orpheus nicht so sehr,
weil ich weine noch viel mehr.
Arcas seufzet über Maßen,
als er Juliana nicht
kont' bekommen zu Gesicht',
auf die er sich ganz verlassen:
doch seufzt Arcas nicht so sehr,
weil ich seufze noch viel mehr.
Bleibet Phöbus gleich im Zagen,
Orpheus in dem Weinen lebt,
Arcas in dem Seufzen schwebt:
Phöbus, Orpheus, Arcas klagen
alle drei doch nicht so sehr,
weil ich klage noch viel mehr.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. 1. Auf das Ableben der Fräulein Maria Juliane. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AA4F-D