8. Auf Jungfrau Beaten Marien Möstels Begräbnüß an die betrübten Eltern

1632 Herbst.


Freilich, freilich müßt ihr klagen,
ihr betrübten Herzen ihr,
daß fast inner zweier Tagen
euch ein zweifach Leid stößt für,
da ein einzigs dieser beiden
mehr kränkt als sonst hundert Leiden.
Und ach! wär' es doch noch blieben
bei dem einen nur allein,
das euch hat von uns getrieben
und nicht ließe sicher sein,
das des schönen Leipzigs Mauren
nunmehr setzt in Furcht und Trauren.
Weil ihr großer Not entgehet,
so fallt ihr in größre Strick',
nun ihr seht, wie vor euch stehet
nur auf einen Augenblick
lebend, frisch, krank und erlegen
eurer Ehe süßer Segen.
Satten Fug habt ihr zu zagen
bevoraus um letzten Fall,
doch ihr müsset selbsten sagen,
daß es nichts hilft überall.
Blos auf den nur muß man sehen,
der diß Alles läßt geschehen.
Gott der pflegets so zu machen,
reißt oft unser Liebstes hin
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und will sogestalter Sachen
uns ihm nach und zu sich ziehn,
weil wir stets die Sinnen haben
da, wo unser Schatz vergraben.
Tauret mich die frische Jugend,
ihrer Schönheit sondre Zier
und die nicht gemeine Tugend,
die so schöne schien herfür,
so vergeßt auch nicht beineben,
wie sie sind der Flucht ergeben!
Kaja wäre nicht verdorben,
wehrte Tugend letzter Not.
Helene lebt' ungestorben,
hülfe Schönheit für den Tod.
Und was soll hier Schönheit tügen?
Sie sagt selbst ihr Unvergnügen.
Ie subtiler ausgeschmücket
den beleibten Wind, sein Glas,
uns Venedig überschicket,
ie geschwinder bricht auch das;
und ie zärter ist der Faden,
ie behender nimmt er Schaden.
Wenn die keuschen Lilgen prangen
und in höchstem Schmucke stehn,
weil noch auf ihr' hellen Wangen
die gelinden Westen wehn,
sind sie frisch auch funden worden
gegen einen strengen Norden.
Kränket euch ihr plötzlichs Ende,
daß sie nicht gab gute Nacht,
wer kan wider Gottes Hände,
der ja alles gut sonst macht?
Ohne Pein ist sie verschieden;
das geschicht nicht einem Ieden.
Kein behender Tod ist böse
als der auf die Bösen fält.
Daß auch uns Gott bald erlöse,
ist der höchste Wundsch der Welt.
[264]
So vielmehr ist sie genesen,
weil sie niemals krank gewesen.
Oder schmerzt euch ihr Erliegen
und die Art des Todes mehr?
Seht doch, wie durch itzigs Kriegen
manche Stadt liegt tot und leer!
Und was ist ein Mensch zu nennen
gegen dem, das einst soll brennen?
Als sie noch am Eiteln klebte,
war ihr Eitels nicht gemein.
Selig war sie, weil sie lebte;
solte sie es itzt nicht sein?
Itzt, da sie nun ewig bleibet,
wo man seligs Leben treibet,
wo die großen Möstel gehen
neben greiser Ewigkeit
und in jener Zeit bestehen,
so doch kennet keine Zeit?
In die Scharen aller Frommen
ist sie herrlich eingenommen.
Laßt Gott euren Sinn sich geben
und verwirrt euch nicht zu sehr!
Gönnet ihr das ander' Leben
und gedenkt um so viel mehr,
weil Gott zweifach euch betrübet,
daß er euch auch zweifach liebet!

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Oden. 2. Von Leichengesängen. 8. Auf Jungfrau Beaten Marien Möstels Begräbnüß. 8. Auf Jungfrau Beaten Marien Möstels Begräbnüß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-ADDB-A