Kurt von Wyl

Das Mädchen spricht:


Gegangen war ich zum grünen Hag,
Da Mittag über den Wipfeln lag:
Das Harz troff aus der Fichte wund,
Die Schlange sonnte sich still am Grund.
Ich beugte mich über Sankt Albans Quell,
Der schoß aus dem Felsen frisch und hell,
Mit weißer Hand den Sprudel ich fing
Und netzte mir Stirn und Lockenring.
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Und als ich trank die kühle Flut,
Urplötzlich wallte mir das Blut;
Der Vögel Gruß verstand ich bald,
Und was sie sangen im ganzen Wald.
Sie flogen und hüpften von Ast zu Ast
Und sangen nur eins ohne Ruh' und Rast,
Nur eines, das mir baß gefiel:
»Der schönste Mann ist Kurt von Wyl.«
O Klingen, o Singen so wundersam!
Nicht weiß ich, wie aus dem Wald ich kam;
Mein Trutz und Lachen ist all dahin,
Mir will das Lied nicht aus dem Sinn.
Ich hör' es, wenn ich die Spindel dreh',
Und wenn ich am Herd in die Flammen seh',
Im Glockenklang, im Reigenspiel:
»Der schönste Mann ist Kurt von Wyl.«
O Kurt von Wyl, und merkst du es nicht
An meinem glühenden Angesicht,
Und siehst du es nicht an den Augen mir an,
Daß ich weiß, was da singen die Vögel im Tann?

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Juniuslieder. Lieder. Kurt von Wyl. Kurt von Wyl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C07A-0