Als Epilog

Allmählich fühl' ich meine Kraft erlahmen,
Und flattern möcht' ich nicht auf müden Schwingen;
Wer vierzig Jahr' Gedichte schrieb und Dramen,
Der gönnt es Jüngren, um den Preis zu ringen.
Drum eilt' ich, werte Herrn und schöne Damen,
Mein letztes Liederbuch euch darzubringen,
Und will dabei – zum Abschied läßt sich's wagen –
Mit meinem Dank auch meinen Harm euch sagen.
Denn eure Gunst zwar ließet ihr vor vielen
Mir angedeihn, doch hat mich eins verdrossen,
Daß bei des Jünglings unvollkommnen Spielen
Ihr allzufrüh in Beifall euch ergossen,
Doch, als er vorwärts drang zu würd'gen Zielen,
Ein halbes Ohr nur seinem Ernst erschlossen,
Als wär' allein der leichte Schmelz der Jugend,
Nicht reife Kunst des Dichters Zier und Tugend.
Von oben freilich flammt in Feuerzungen
Die Kraft herab; doch uns gehört das Streben;
Noch keinem ist, was Dauer hat, gelungen,
Der nicht das Pfund gemehrt, das ihm gegeben.
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So hab' auch ich beharrlich fortgerungen
Und schritt, im Lernen wachsend, durch das Leben;
Drum seid mir endlich unbefangne Richter,
Und wägt ihr mich, so wägt den ganzen Dichter.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Spätherbstblätter. Gelegenheitsgedichte. Sprüche. Als Epilog. Als Epilog. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C09C-2