Kleant

Kleant, ein lieber Advokat,
Der, wie es ihm nach seinem Eid gebührte,
Der Unterdrückten Sache führte
Und manchen armen Schelm vom Galgen und vom Rad
Durch seinen Witz los prozessierte,
Half, weil man ihn um seinen Beistand bat,
Die Unschuld zweener Diebe retten
Und brachte sie, weil er geschickt verfuhr,
Bald von der Marter zu dem Schwur
Und durch den Schwur aus ihren Ketten.
Das arme Volk! Da sieht man's nun,
Wie man der Welt kann unrecht thun!
Denn wär' er nicht so treu die Sache durchgegangen:
So hätte man das arme Paar,
Das seiner Tat fast überwiesen war,
In aller Unschuld aufgehangen.
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Itzt waren sie nun beide frei
Und dankten ihrem Advokaten
Auf ihren Knien für seine Treu
Und zahlten ihm, was die Gebühren thaten,
Und gaben ihm, von Dankbarkeit gerührt,
Ob er gleich nicht zu wenig liquidiert,
Noch einen Beutel mit Dukaten;
Und schwuren ihm bei ihrer Ehrlichkeit,
Wenn bessre Zeiten kommen sollten,
Daß sie für diesen Dienst, durch den er sie befreit,
Ihn reichlicher belohnen wollten.
Allein die Nacht war vor der Tür.
Sie sahn nun, daß sie nicht nach Hause kommen konnten;
Drum gab der Advokat den redlichen Klienten
Aus Dankbarkeit ein Nachtquartier,
Weil sie so gut bezahlet hatten.
Dies kam den Herren gut zu statten;
Denn sie bedienten sich der Nacht
Und knebelten den lieben Wirt im Bette
Und stahlen das, was sie gebracht,
Und suchten fleißig nach, ob er nichts weiter hätte.
Drauf gingen sie zu ihm vors Bette
Und nahmen höflich gute Nacht.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gellert, Christian Fürchtegott. Kleant. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C3F2-8