DIE AUFNAHME IN DEN ORDEN

EIN WEIHESPIEL

[61]
PERSONEN

DER GROSSMEISTER
CHRYSOSTOMUS
HERMOGENES
DONATUS
CHOR DER BRÜDER
DER JÜNGLING

Klosterchor · am altar der Grossmeister · vor ihm der um aufnahme bittende jüngling · in den stühlen zu beiden seiten alle brüder.

[62]
CHOR
Würdigste gilde
Und herrlichster rat!
Traumesgebilde
Hier wurden sie tat.
Schaffend hienieden
Das oberste licht
Wandel in frieden
Ist einzige pflicht.
GROSSMEISTER
Der du uns suchst weisst du von unserem satze?
Wir lösten von uns sterblich weh und heil
Hier bist du nicht dir selbst hier ist dein teil:
Im kreise fühlen wirken nach dem platze.
Hier ist verbannt wer eigensüchtig wolle –
Wir folgen fromm der jahreszeiten zug
Nach sens und sichel führen wir den pflug
Bis wir uns ganz vereinen mit der scholle.
Doch kennen wir kein schreiten trüb und träge:
Den völkern ungeahnt ist hier in hut
Die vor der allerstarrung wahrt: die glut –
Kein wächter der vor ihr sein blut erwäge!
[63] DER JÜNGLING
Der von den dunklen mächten fast verwirrte
Dankt dem gebote das genesung bringt.
Zu welchem joch ihr seinen nacken zwingt:
Um eure ruhe bittet der verirrte.
CHOR
Dies ist beginn:
Ob leidesvertrauter –
Körper und sinn
Seien noch lauter!
GROSSMEISTER
Mir scheint zu früh warst du vom weg getrieben.
DER JÜNGLING
Im vierten der entscheidenden jahrsieben.
GROSSMEISTER
Weisst du was uns für duldung und genuss
Erloschen sein und was noch glühen muss?
DER JÜNGLING
Hört meinen ernst aus meiner stimme klingen
Und seht mich nackt vor euch die hände ringen!
[64] CHOR
Wenngleich er noch jung
Ist edel der schwung
Des leibs wie des wortes
Würdig des ortes.
GROSSMEISTER
›Der erdengüter will ich mich entschlagen‹
Der schmerzgeprüft verdiente darfs nur sagen
Den der verzicht nicht reut. Doch was vermocht
Dass du vor abend an dies tor gepocht?
DER JÜNGLING
Ein weib hat sich zum unheil mich geboren
Ein weib war meines frühen unheils schuld.
Wie alles kam – nicht füll es eure ohren!
Das immergleiche! doch dies hört mit huld:
Nachdem die erste wilde qual gebrochen
Ich mit des werks genossen mich vermischt:
Wusst ich: unheilbar war mein herz durchstochen
Ein jedes wort hat brennend drin gezischt.
Ich harrte monde wandernd bis zum meere
Doch durch die menschen schlich ich wie ein dieb
Mir war ihr leid und lust und tat nur leere ..
Dann starb die liebe und die wunde blieb.
[65] So wandl ich hin umringt von totenträumen
Und zu bekennen mach ich keinen hehl
Mich lockt es wo die dunklen wasser schäumen
O sendet mir den rettenden befehl!
Wol kann ich dienen nur mit kargem scherfe
Doch glaubt: die grösste not lenkt meinen lauf –
Nur wenn mich euer urteil nicht verwerfe
Geht mir ein weg zu fernerem leben auf.
CHOR
Kein sonderer fug –
Doch wie er ertrug
Sei ihm zum lobe
Lass ihn zur probe!
GROSSMEISTER
So will das erste recht: dass du aus diesen
Den bruder suchst der ahnend für dich zeuge
Nun forsche schau und frage wer sich beuge!
Nur wenn du dreimal fehlst bist du verwiesen.
DER JÜNGLING
Wer soll die wahrheit über mich verhängen
Als der allüberscheinend milde strahl
Dem die lebendigen sich entgegendrängen ...
[66] CHOR
Unhebbare hülle
Unlenkbar geschick!
Tief schauert der blick
Wie sichs erfülle.

DER JÜNGLING
(zu Chrysostomus)
Wirst du mich führen zum erlesenen mahl?
CHRYSOSTOMUS
Gebrochen ganz und müd der eitelkeiten
Von elend wahn und druck und schmach erfasst
An all dem duldend – kamst du so aus weiten?
Mir dünkt zu leicht gewönnest du die rast.
CHOR
Chrysostomus hat sich von ihm gewandt
Er findet nicht den bruder
Fern bleibt er unsrem bund.
DER JÜNGLING
Zu wem mich also richten als zur kraft
Der alldurchdringenden uns eignen leuchte
Die denkt was ist und selbst den schöpfer schafft?
[67] CHOR
Unhebbare hülle
Unlenkbar geschick!
Tief schauert der blick
Wie sichs erfülle.

DER JÜNGLING
(zu Hermogenes)
So findet vor dir gnade der gescheuchte?
HERMOGENES
Was vorbereitet zu dem siedlertume
Ist die bezwingende die tiefste angst
Die uns zu lernen heischt mit blatt und blume
Zum tod zu gehn. Sieh wie du die erlangst!
CHOR
Hermogenes hat sich von ihm gewandt
Er findet nicht den bruder
Fern bleibt er unsrem bund.
DER JÜNGLING
Zu boden werf ich mich fragend was mir noch bliebe ..
So wend ich mich um die erfüllung mit stärkstem flehn
Noch einmal zu dir empor du unendliche liebe!
[68] CHOR
Unhebbare hülle
Unlenkbar geschick!
Tief schauert der blick
Wie sichs erfülle.

DER JÜNGLING
(zu Donatus)
Du jüngster der brüder begreifst du was mir geschehn?
DONATUS
Nicht weiss ich: mein los war es leichter war es gequälter.
Doch – glaubt unser haupt dass in heiligen händen es wohne
Und wird dann zurückgestossen mit blutigem hohne
So fühl ich die äussersten peinen wie du – mein erwählter!
CHOR
Donatus hat sich über ihn geneigt
Nun fand er seinen bruder
Heil ihm in unsrem bund!
CHRYSOSTOMUS UND HERMOGENES
Da sich Donatus deiner angenommen
Bist du auch uns gesegnet und willkommen.
[69] DER GROSSMEISTER
Tritt her und halte seine hand! die weihe
Ist nun vollendet. Bleib in unsrer reihe!
Und dieser leite dich zu werk und mühe
Und zu dem glück das wie dein sehnen blühe.
CHOR
Kein stern und kein jahr
Vernichtet den geist
Allmächtig so wahr
Er noch wundert und preist.
Der kreis ist der hort
Der trieb allen tuns
Ein hehres wort
Verewigt uns!

ENDE
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Gesamtausgabe der Werke. Schlussband. Die Aufnahme in den Orden. Die Aufnahme in den Orden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C63D-6