[88] IM UNTERREICH

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[Ihr hallen prahlend in reichem gewande]

Ihr hallen prahlend in reichem gewande
Wisst nicht was unter dem fuss euch ruht –
Den meister lockt nicht die landschaft am strande
Wie jene blendend im schoosse der flut.
Die häuser und höfe wie er sie ersonnen
Und unter den tritten der wesen beschworen
Ohne beispiel die hügel die bronnen
Und grotten in strahlendem rausche geboren.
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Die einen blinken in ewigen wintern ·
Jene von hundertfarbigen erzen
Aus denen juwelen als tropfen sintern
Und flimmern und glimmen vor währenden kerzen.
Die ströme die in den höheren stollen
Wie scharlach granat und rubinen sprühten
Verfärben sich blässer im niederrollen
Und fliessen von nun ab wie rosenblüten.
Auf seeen tiefgrün in häfen verloren
Schaukeln die ruderentbehrenden nachen ·
Sie wissen auch in die wellen zu bohren
Bei armige riffe und gähnende drachen.
Der schöpfung wo er nur geweckt und verwaltet
Erhabene neuheit ihn manchmal erfreut ·
Wo ausser dem seinen kein wille schaltet
Und wo er dem licht und dem wetter gebeut.

[Der saal des gelben gleisses und der sonne]

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Der saal des gelben gleisses und der sonne.
Sie herrscht auf flacher kuppel unter sternen ·
In blitzen schnellen aus dem feuerbronne
Topase untermengt mit bernstein-kernen.
An allen seiten aufgereiht als spiegel
– Gesamter städte ganzer staaten beute –
Die ungeschmückten platten goldnen ziegel
Und an der erde breiten löwenhäute.
Nur nicht des Einen scharfen blick zu blenden
Vermag die stechend grelle weltenkrone
Und dreimal tausend schwere urnen spenden
Den geist von amber weihrauch und zitrone.

[Daneben war der raum der blassen helle]

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Daneben war der raum der blassen helle
Der weisses licht und weissen glanz vereint ·
Das dach ist glas · die streu gebleichter felle
Am boden schnee und oben wolke scheint.
Der wände matte täfelung aus zedern ·
Die dreissig pfauen stehen dran im kreis ·
Sie tragen daunen blank wie schwanenfedern
Und ihre schleppen schimmern wie das eis.
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Für jede zier die freunden farbenstrahlen:
Aus blitzendem und blinderem metall ·
Aus elfenbein und milchigen opalen ·
Aus demant alabaster und kristall ·
Und perlen! klare gaben dumpfer stätte
Die ihr wie menschliche gebilde rollt
Und doch an einer wange warmer glätte
Das nasse kühl beharrlich wahren sollt.
Da lag die kugel auch von murra-stein
Mit der in früher jugend er gespielt ·
Des kaisers finger war am tage rein
Wo tränend er sie vor das auge hielt.

[Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme]

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Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme ·
Der garten den ich mir selber erbaut
Und seiner vögel leblose schwärme
Haben noch nie einen frühling geschaut.
Von kohle die stämme · von kohle die äste
Und düstere felder am düsteren rain ·
Der früchte nimmer gebrochene läste
Glänzen wie lava im pinien-hain.
Ein grauer schein aus verborgener höhle
Verrät nicht wann morgen wann abend naht
Und staubige dünste der mandel-öle
Schweben auf beeten und anger und saat.
Wie zeug ich dich aber im heiligtume
– So fragt ich wenn ich es sinnend durchmass
In kühnen gespinsten der sorge vergass –
Dunkle grosse schwarze blume?

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Im Unterreich. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C9CB-C