[36] AUS: HERODIAS
HERODIAS
HERODIAS DIE AMME

AMME
Lebst du? ist dies nicht einer fürstin schatte?
Dein finger und sein ring zum mund mir! wandle
Nicht länger durch vergessne zeit!
HERODIAS
Zurück!
Die blonde flut · mein unbeflecktes haar ·
Den leib der einsamen umbadend · macht
Ihn starr. Mein haar vom licht durchflochten ist
Unsterblich ... Weib! mich tötete ein kuss
Wäre nicht schönheit tod ..
Was zieht mich hin
Und welch verschollner morgen der profeten
Ergiesst ein trübes fest auf sterbendes
Gefild – ich weiss nicht. Winterliche amme ·
Du sahst in dumpfer gruft aus stein und eisen
Wo meiner löwen wilde jahre schleichen
Mich schreiten im verhängnis – unversehrt
In dieser alten fürsten ödem duft.
Doch hast du meinen schreck gesehn? ich stehe
[37]
Von fremder heimat träumend und entblättre
Wie überm brunnen dessen strahl mich grüsst
Die bleichen lilien die in mir sind ..
Und wie verzückt der zarten trümmer fall
Sacht durch mein sinnen hin zu folgen · drängen
Die löwen meines kleides saum und schaun
Auf meine füsse die dem meer geböten ..
Gebiete · du · des greisen körpers schauer
Und komm! da meines haars zu wilde weise
Wie die von mähnen dich beängstet. Hilf mir
Da du mich so nicht mehr zu sehen wagst
Dass ich mich lässig vor dem spiegel kämme!
AMME
Wenn nicht die heitre myrrhe in den urnen –
Willst du geraubte seele alter rosen
Mit ihrer totenhaften macht versuchen ·
Mein kind?
HERODIAS
Lass die gerüche! weisst du nicht
Dass ich sie hasse · amme! oder willst du
Mit ihrem rausch mein mattes haupt ertränken?
Ich mag nicht dass mein haar wie blumen sei
Die über menschenpein vergessen breiten.
[38]
Es sei wie gold für immer frei von düften
Grausamen glanzes oder stumpfen schimmers
Des erzes unfruchtbaren frost bewahrend.
Denn in ihm spiegelten der heimat mauern
Geschmeid und wehr seit meiner öden jugend ..
AMME
Verzeih! das alter wischte dein gebot
Aus meinem geiste wie ein altes buch!
HERODIAS
Genug! halt diesen spiegel vor!
O spiegel ·
Wasser durchs leid im rahmen eingefroren ·
Wie oft und während stunden in verzweiflung
Ob träumen und erinnerungen suchend
Wie blätter unter deinem tiefen eise
Erschien ich mir in dir ein ferner schatten!
Doch schrecken! nachts · bei deiner strengen quelle
Ward meines irren traumes nacktheit kund.
O amme · bin ich schön?
AMME
Ein stern fürwahr.
Doch diese flechte sinkt.
[39] HERODIAS
Halt ein im frevel
Der bis zum quell mein blut erstarrt! bezähme
Den griff – bekannte lästerung! und melde
Welch starker dämon dich so fremd erregt!
Dies küssen · dargebotne dufte und (unsagbar
Mein herz!) o diese hand noch schänderisch –
Denn du berührtest mich – sind eines tags
Der nicht ohn unheil auf dem turme endigt ...
Turm den Herodias mit grauen schaut.
AMME
Seltsame zeit fürwahr! behüt der himmel!
Du schweifst · einsam gespenst und neue furie ·
Und schaust frühreif in dich mit angst – und doch
Anbetungswert gleich den Unsterblichen ·
Mein kind! und furchtbar schön und so geschaffen ..
HERODIAS
Berührst du mich nicht eben?
AMME
Gerne wär ich
Dess eigen dem das los dich aufgespart.
HERODIAS
O schweig!
[40]
AMME
Kommt er nicht dennoch?
HERODIAS
Reine sterne
Hört nicht!
AMME
Wie · wenn nicht unter finstrem schauder ·
Soll man noch unversöhnlicher sich denken
Im gnadeflehn den gott der deiner reize
Kleinod für sich erharrt – und wem · von angst
Verzehrt · bewahrst du den verborgnen glanz
Und deines wesens leer geheimnis?
HERODIAS
Mir!
AMME
O blume einsam trüb die nur bewegt
Ihr schatten den sie starr im wasser blickt!
HERODIAS
Behalt für dich dein mitleid wie dein höhnen!
AMME
Und doch erkläre · du unkindlich kind!
Wird nie die herrische verachtung schwinden ..
[41] HERODIAS
Doch wer berührt mich die die löwen scheuen?
Auch will ich nichts von menschlichem · ein steinbild.
Und siehst du meinen blick nach himmeln suchend:
Denk ich nur deiner milch die ich einst trank.
AMME
O kläglich opfer · dem geschick verfallen.
HERODIAS
Für mich · ich blühe nur für mich · verlassen:
Ihr wisst es · amethystne gärten: endlos
In weissen schluchten blendenden verhüllt ·
Verkanntes gold das alte leuchten bergend
Im düstren schlafe ungenuzten landes!
Ihr steine draus mein auge · reines kleinod ·
Klangvolle helligkeit entnimmt – und ihr
Metalle die ihr meinem jungen haar
Unseligen glanz verleiht und starres wallen ..
Du weib · in schlimmen zeiten aufgezogen
Zur bosheit der sibyllenhöhlen · sprichst
Von einem sterblichen auf dessen wink
Aus meines kleides tulpen · wilder duft ·
Der weisse schauer meiner nacktheit stiege –
Verkünd dass wenn der laue sommer-azur
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Für den die frau unschuldig sich enthüllt · mich
In meiner sternenkeuschheit zitternd sähe:
Ich stürbe ..
Graun der jungfrau lieb ich · will
Im schrecken leben den mein haar mir macht
Um abends auf mein lager schleichend – schlange
Unnahbar – auf der brachen brust zu fühlen
Das kalte rieseln deiner bleichen klarheit
Du die hinstirbt du die vor keuschheit brennt
Du weisse nacht aus eis und grausigem schnee.
Einsame schwester · ewig schwester mir!
Mein traum steigt zu dir aufwärts und schon so
In seltner herzenshelle die ihn dachte
Glaub ich allein mich in der öden heimat
Und alles lebt um mich im götzendienst
Des spiegels der in schlafesstille zeigt
Herodias mit klarem demantblick.
O höchster reiz! ich fühl es .. ja! allein!
AMME
So willst du sterben?
HERODIAS
Arme ahnin – nein!
Sei still und geh! verzeih mir hartem herzen!
[43]
Doch vorher · willst du? schliesse hier! der azur –
Seraphisch lächelt er im tiefen fenster ..
Ich hasse ihn den schönen azur.
Wellen
Dort – wiegen sich. Weisst du nicht fern ein land
Mit düstrem himmel und dem hassesblick
Der Venus die des nachts im laubwerk glüht?..
Dort will ich hin ..
Noch zünde (kindesspiel
Sagst du?) die fackeln wo bei leichtem brand
Das wachs im reinen golde seltsam weint
Und –
AMME
Jezt?
HERODIAS
Leb wohl!
Ihr lüget nackte blumen
Der lippen! Droht doch unbekanntes ding!
Vielleicht auch wisst ihr nichts von dem geheimnis
Und stosst den lezten und zerquälten schrei
Der kindheit · fühlend wie sie unter träumen
Sich endlich löst von kühlen edelsteinen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Gesamtausgabe der Werke. Zeitgenössische Dichter. Zweiter Teil. Frankreich. Stéphane Mallarmé. Aus: Herodias. Herodias. Herodias. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D3EC-2