Der Abschied des Sultans

Seine Excellenz der Kriegs-Rock spießte nun aus einem Fasse
Mit dem kurzen Kindersäbel eine grüne, essignasse
Gurke auf und steckte sie zur Hälfte in des Sultans Mund,
Duckte dann zu seinen Füßen, bellte, blaffte wie ein Hund,
Sprang dann wieder auf, auf mich los, und befahl mir, stracks ein gleiches
Hundebellen loszulassen vor dem höchsten Herrn des Reiches,
Dessen Calabreserhut mit meinem ihm vom Kopf zu schmeißen,
Und zum Schluß die halbe Gurke ihm vom Mund weg abzubeißen.
Dieser Cultus-Akt, durch den sich jeder sel'ge Erdensohn,
Der nach der Verkehrten Welt kommt, unterwerfen muß dem Thron,
[36]
Ich gesteh's, ist eine furchtbar alberne Ceremonie,
Wie in den civilisirten Staaten unsrer Erde sie –
Außer als ehrwürdige Sitte, da und dort und dann und wann,
Oder bei Gelegenheiten – ähnlich nie passiren kann.
»Nun Du, Fremdling, Dummdummdummer«, sprach der Sultan, »bist geworden,
Steck ich Dir an Deinen Rücken diesen Pumpel-Pampel-Orden.
Diesen mußt Du, so ist's Vorschrift, und ich darf Dir's nicht erlassen,
Tragen wie ein jeder Andre aus den ungereimten Klassen,
Tragen bis Du Dir erworben irgend ein Verdienst um Mich,
Und mein Prügel-Rock Dich freispricht öffentlich und feierlich.
Dann erst darfst Du Dir den Orden ab vom Rücken unten reißen
Und ihn einem Narren schenken oder auf die Straße schmeißen.«
[37]
Kaum, daß mir am Schlafrock hinten hing das lange Ordensband,
Hielt der Sultan hin mir seine allerhöchste off'ne Hand.
»Was begehrst Du, Herr?«
»Wie? Bist Du unterrichtet nicht, daß Du die
Staatsgebühren mir mußt zahlen: Fünfundzwanzig goldne Scudi?
Allerdings geschieht hier Ales par honneur, doch wenn die Ehre
Ausgeprägt nicht in verschied'nen Gold- und Silbermünzen wäre,
Könnte man sie ja nicht richtig nach des Staates Interessen,
Nicht in ihrem eignen Werthe, nicht nach Rang und Würde messen!
Ich, der ich die größte Ehre, Drei Millionen Pfund, genieße,
Was wär' ich, wenn ich auf Worte, statt auf Steuern mich verließe!
Nein, der Dummdummdummer, Fremdling, ist reeller Realist,
[38]
Und nimmt nur für baare Münze das, was baare Münze ist!
Zahl' drum die Gebühren!«
»Gerne, doch ich hab' kein Geld zur Hand;
Nimm hier diese Sultans-Scheine nach dem heut'gen Börsenstand.«
»Sultans Scheine? Diese Lappen? Was? Hältst Du mich für gescheidt?
Sieh nur, wie mein Hof empört ist über diese Schändlichkeit!
Solche Scheine haben Werth nur, wenn der Staatsschatz sie muß pumpen
Und den Bürgern damit zahlen; später sind sie nichts als Lumpen,
Lumpen, deren Wir, die Edeln, uns aus tiefster Seele schämen,
Niemals in die Hand, geschweige je als Zahlung an sie nehmen!
Zahl' die Kosten!«
[39]
»Ich erkenne selbige als meine Schuld an
Und will morgen, nimm mein Wort drauf ....«
»Baare Münze!« rief der Sultan.
»Ich beschwör's bei allen Göttern, hocherhab'ner, pudelnärr'scher
Sultan, morgen ....«
»Eid und Schwur? Spaß! Baare Münze!« schrie der Herrscher.
»Donnerwetter!« rief ich, »längst schon hättst Du sie, wenn ich sie hätte!«
»Da! nimm meine Repetiruhr mit der langen goldnen Kette
Als Versatz an und sei sicher, daß ich morgen aus sie löse!«
Rasch ergriff die Uhr der Sultan, schmeichelnd: »Sei doch nicht so böse!
Das ist Etwas, ja, das nehm' ich!« Warf sodann sich vor mir nieder
[40]
Plump auf beide Knien und küßte mir den Saum des Schlafrocks wieder;
Ließ dann von dem Obermufti und vom Kriegs-Rock auf sich heben,
Und thät mir – was zu erwiedern meine Pflicht war – huldreichst geben,
Als das vorgeschrieb'ne Zeichen, daß der Actus nun vorüber,
Einen sehr empfindlich starken, allerhöchsten Nasenstüber.
Und das Mädchen mit des Sultans jüngstem Wurm, dem General,
Der just, schreiend, zappelnd, strampelnd, anhub einen Mordscandal,
Führte wiederum den Zug an all der Hof- und Staats-Personen,
Die beim Jubelpfiff des Volkes und beim Donner der Kanonen
Nach dem Pumpel-Pampel-Schlosse, so gelegen ist inmitten
Der Palais der Adels-Reime, feierlich zurück nun schritten.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Fünftes Kapitel. Der Abschied des Sultans. Der Abschied des Sultans. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D60C-4