Woher mein Geld?

Ich merk's den Lesern an, die sich
Nicht gern mit Räthseln plagen,
Daß sie schon lange einmal mich
Den Sel'gen, möchten fragen:
Woher in der Verkehrten Welt
Hier oben immer ich das Geld,
Das viele Geld herkriege?
Er, der da oben, sagen sie,
Gott um den Tag beschummelt;
Der seine schöne Zeit fast wie
Ein Cavalier verbummelt:
Er thut, als säße er in Fonds!
Als könnte er sich die Coupons
Nur so wie Häcksel schneiden!
[209]
Ja, wär' er fromm, reactionär,
Der todte Homme de lettres!
Ja, wenn ein Bankerott ihm wär'
Gelungen, ein honetter!
Schrieb Bücher er im russ'schen Sinn,
Ja, oder wär' er Tänzerin!
Dann könnte man's begreifen.
So aber scheint's als führ' er ein
Dukatenmännchen bei sich,
Und letzte dies mit Aepfelwein
Und mit Rhabarber fleißig.
Das wäre aber auch nicht klug,
Dann merkt's die Po ... genug, genug!
Ich will das Räthsel lösen.
So oft es mir an Geld gebricht,
Geh' Nachts ich ganz alleine
Bei stillem gutem Mondeslicht
Nach einem nahen Haine,
Und hör', was sich der Wald erzählt,
Und was die Würmer freut und quält,
Und daß sie gutgesinnt sind.
[210]
Doch schlägt die Geisterstunde kaum,
Geh' feierlich ich drei Mal
Um einen hohlen Eichenbaum
Und rufe feierlich drei Mal:
»Romantik hin! Romantik her!
Mein Beutel ist schon wieder leer!
Ich brauche Geld. Hilf Schicksal!«
Und kaum, daß dies gescheh'n, so fällt
Zu Füßen mir, o Wunder!
Ein Beutel, straffgefüllt mit Geld!
Und also ruft's herunter:
»Romantik hin! Romantik her!
Hier ist die Börse voll und schwer!
Empfehl' mich ganz gehorsamst!«
Und's Beste dabei ist, und Das
Bitt' wohl ich zu bedenken:
Das Geld gehört mir zu! ich laß'
Es keineswegs mir schenken!
Der Himmel zahlt nur jedes Mal
Mir Zinsen von dem Kapital,
Das er für mich verwaltet.
[211]
Und solch ein Kapital – nun spitzt
Die Ohren! – deß Verweser
Der liebe Himmel ist, besitzt
Ein jeder meiner Leser!
Der mehr, Der wen'ger, freilich, ja!
Doch Etwas ist für Alle da,
Und das hängt so zusammen:
(Und wer's nun liest und ruft dabei
»Ja, Das! Ach, Das! Das weiß ich ....«
Der denke an's Columbus-Ei
Und ... und studire fleißig
Naturweisheit, die zeigt ihm klar
Daß just zuletzt, was einfach-wahr,
Gefunden und gefaßt wird.)
Ihr wißt, daß Der, der Wohlthun liebt,
Sich Selbst die Gaben weihet;
Daß Jeder, der den Armen giebt,
Dies nur dem Himmel leihet;
Ja, in der letzten Zeit sogar
Gab's heil'ge Rom aus, gegen Baar,
Schuld-Aktien auf den Himmel.
[212]
Dies ist nun Alles wörtlich wahr,
Kein bildliches Gespaße:
Der Himmel zahlt und lohnt, und zwar
Im allergrößten Maaße.
Nicht nur, was ihm geliehen ist,
Auch was die Welt an Dank vergißt,
Das giebt er voll und reichlich!
Nicht nur erhört er's, wenn der Schmerz,
Wenn Noth in Euch begegnet
Dem Retter, wenn ein leidend Herz,
Getröstet, still Euch segnet,
Und wenn die Bettler dankesvoll
Zurufen Euch: Der Himmel soll
Euch's Tausend Mal vergelten!
Nein, er bezahlt selbst, was auf ihn
Gewisse Herrn anweisen,
Die Euch des Lebens Sold entziehn
Und ihn erst »dort!« verheißen!
Er thut's, denn Er ist himmlisch gut!
Doch was er mit den Herren thut,
Das ist 'ne andre Frage.
[213]
Und endlich was Ihr unten, ach!
Gerungen und gelitten,
Wenn gegen Wahn und Trug und Schmach
Und Unrecht Ihr gestritten:
Auch das ist oben gut verborgt!
O, für die Todten ist gesorgt;
Die Todten haben zu leben!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Fünfundzwanzigstes Kapitel. Woher mein Geld. Woher mein Geld. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D707-6