Der Barbier

Kopfschüttelnd entstieg ich dem Bade, da rief
Es »Herein!« und der Fiskus, der flinke,
Mit dem purpursammetnen Scheersack trat ein
Und reichte mir zum Handkuß die Linke.
Dann schob er mich fort und stellte mich auf,
Mit dem Rücken steif an, an der Thüre,
Und sagte, es koste den Hals mir, wenn ich
Bei dem Bartabnehmen mich rühre.
»Der Unterthan,« sprach er, »der wahre, darf selbst
Unter Schmerzen nicht mucken und zucken!
Den gerechtesten Ingrimm, den edelsten Zorn
Muß er still und geduldig verschlucken!«
Und während er so mich beschwatzte, ergriff
Er ein schartiges Messer und kratzte
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Mich dermaßen, daß mir denn doch die Geduld,
Die germanisch-unendliche, platzte!
Nein: wäre bei einem Haar mir geplatzt!
So wollte ich sagen – wenn ich nicht
Die Folgen, die möglichen, hätte bedacht,
Und hätte beruhiget mich nicht.
Und grade als mir meine teutsche Geduld
Die Absicht verrathen, zu platzen,
Und ich sie beruhiget, endete er,
Der Fiskus, sein Schinden und Kratzen.
Doch nahm noch Derselbe – begriff ich's auch nicht
Wie all dies konnt' amtliche Pflicht sein –
Schaumbecken und Pinsel und seifete mir
Nachträglich das ganze Gesicht ein!
Damit war verflossen denn endlich, o Gott!
Die fiskalische Marter- und Qualzeit;
Der Staatsdiener hüpfte zur Thüre hinaus
Mit dem Wunsche: »Gesegnete Mahlzeit!«

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TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Siebentes Kapitel. Der Barbier. Der Barbier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D753-7