[74] 10. Die Sänger und die Kunstrichter

Die Nachtigall sang Elegien,
Und Oden, oder Threnodien,
Dem ganzen Vögel-Chor
In einem stillen Walde vor.
Nicht weit davon hebt sich die Lerche hoch empor
In ihre freie Luft,
Und fingt, (indes der Kuckuck ruft,)
Mit ihrer kleinen, hellen Kehle,
Lust und Zufriedenheit dem Wandrer in die Seele.
Die Nachtigall singt trauriger und bänger
Ihr Schmerzenslied!
Die Lerche, die sich überwunden sieht,
Hört auf, und will gestreng, die Nachtigall gestrenger
Gerichtet sein!
Kein Richter meldet sich, zu richten diese Sänger!
Bis endlich noch ein Denker, ein Uhu,
Aus einem hohlen Baume spricht:
Du Nachtigall! und Lerche, du!
Vollkommen singt ihr nicht!
Ach wie so schwer trifft man die Mittelstraße doch!
Der eine fällt zu tief, der andre steigt zu hoch!
Ihr guten Sänger! welch ein Richter!
Von meinem Uz, dem Liederdichter,
Und meinem Klopstock, der, ein Adler, sich erhebt,
In Gottes Sonne sieht, hoch über Wolken schwebt,
Sprach, schon vor zwanzig Jahren, am Parnaß,
Ein Uhu eben das!

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Fabeln. Erstes Buch. 10. Die Sänger und die Kunstrichter. 10. Die Sänger und die Kunstrichter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D92A-6